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Hypatia

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Hypatia von Alexandria (* um 370 in Alexandria; † März 415 ebenfalls in Alexandria) war eine Mathematikerin, Astronomin und Philosophin. Sie wird dem Neuplatonismus zugerechnet.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben und Werk

Zu Hypatias Leben und Werk gibt es nur wenige und wenig verlässliche Quellen. An erster Stelle ist der ihr gewidmete Artikel in dem byzantinischen Lexikon der Suda zu nennen, der aber viel Romanhaftes aus zweiter Hand enthält. Etwas verlässlicher sind möglicherweise die Informationen, die ihr Zeitgenosse, der spätantike Kirchenhistoriker Sokrates in seiner Kirchengeschichte bietet. Die dritte wichtige Quelle sind Briefe und Schriften des Bischofs Synesios von Kyrene, der ihr Schüler war und auch später noch ihren Rat sehr geschätzt hat. Alle späteren Berichte schöpfen aus diesen Quellen.

Hypatia war die Tochter des Mathematikers Theon von Alexandria, der als Gelehrter am Museion von Alexandria (dazu gehörte auch die berühmte Bibliothek) tätig war. Dieser unterrichtete sie zunächst in der Mathematik. Sie dehnte ihre Studien dann weiter auf Philosophie, Astronomie und Musik aus und versammelte nach und nach einen Kreis von Schülern um sich, den sie zunächst in ihrem Hause unterrichtete. Vielleicht hat es sich dabei um eine Art philosophisch-literarischen Salon gehandelt, wie wir ihn im 18. Jahrhundert wiederfinden. Es wird vielfach erwähnt, dass Hypatia ausgezeichnete Beziehungen zu den führenden Politikern Alexandrias, insbesondere zu dem Präfekten Orestes unterhielt, was ihr schließlich zum Verhängnis wurde. Ihr Ansehen in Alexandria soll so gewaltig gewesen sein, dass ihr der Lehrstuhl für platonische Philosophie am Museion von Alexandria eingeräumt wurde. Der bereits oben erwähnte Sokrates porträtiert sie in seiner Kirchengeschichte wie folgt:

Es gab in Alexandria eine Frau mit Namen Hypatia, Tochter des Philosophen Theon, die in Literatur und Wissenschaft so erfolgreich war, dass sie alle Philosophen ihrer Zeit übertraf. Zugelassen zur Schule Platons und Plotins hielt sie Vorlesungen über die Grundlagen der Philosophie. Viele Hörer kamen von weither, um von ihr unterrichtet zu werden. Dank ihres souveränen Auftretens und ihrer eleganten Erscheinung, die sie sich als Folge ihrer Geisteskultur angeeignet hatte, erschien sie häufig in der Öffentlichkeit in Gegenwart hoher Staatsbeamter. Sie scheute sich auch nicht, in öffentliche Versammlungen von Männern zu gehen. Alle Männer bewunderten sie dafür auf Grund ihrer außerordentlichen Würde und Tugend um so mehr. (Sokrates, 7,15)

Hypatia werden mehrere schriftliche Werke zugeschrieben, darunter Kommentare zu Diophantos' Arithmetik, zu den Konica (Kegelschnitten) des Apollonios von Perge und zu Werken des Mathematikers und Astronomen Ptolemäus. Da originale Schriften nicht überliefert sind, können wir uns über den Rang ihres Werks kein eigenes Bild machen. In der Antike war ihr Ruf legendär. Wegen der mehrfach erwähnten astronomischen Instrumente (manche Autoren schreiben ihr die Erfindung des Astrolabiums zu), die sie in ihrem Unterricht verwendet haben soll, kann vermutet werden, dass sie ihre Hörer vor allem durch anschaulich-experimentellen Vortrag beeindruckte, also eher moderne Naturwissenschaft trieb als antike spekulative Philosophie. Von ihrem einzigartigen, allenfalls mit dem Ansehen der Dichterinnen Sappho und Korinna oder der Aspasia vergleichbaren Ruhm zeugen folgende, in der Anthologia Palatina überlieferte Verse des Palladas (Übersetzung):

Darf ich dich sehen, hören, huldige ich kniend,
das Sternenhaus vor Augen, wo die Jungfrau wohnt.
Denn auf zum Himmel weist dein Handeln und die Kunst,
mit der du sprichst, erhabene Hypatia,
du strahlendes Gestirn geistreicher Wissenschaft!

[Bearbeiten] Hypatias Tod

Hypatia, Charles William Mitchell, 1885, Laing Art Gallery (Newcastle)
Hypatia, Charles William Mitchell, 1885, Laing Art Gallery (Newcastle)

Der Neuzeit ist Hypatia vor allem auf Grund ihrer grausamen Ermordung in Erinnerung geblieben. Sie wurde im Jahr 415 von einem durch christliche Eiferer aufgewiegelten Mob auf bestialische Weise ermordet. Über die Einzelheiten der Tat und ihre Hintergründe gibt es unterschiedliche Darstellungen. Der Kirchenhistoriker Sokrates schreibt im Anschluss an den oben zitierten Absatz wie folgt:

Aber sogar sie fiel dem politischen Neid zum Opfer, der zu jener Zeit herrschte. Denn da sie häufig mit Orestes Gespräche führte, wurde unter der christlichen Bevölkerung verleumderisch verbreitet, dass sie es sei, die Orestes daran hindere, sich wieder mit dem Bischof [d.h. Kyrill von Alexandria ] zu versöhnen. Daher lauerten ihr einige, die von einem wilden und scheinheiligen Ehrgeiz getrieben wurden, deren Anführer ein Vorleser namens Petros war, auf ihrem Heimweg auf, zogen sie aus ihrer Kutsche, brachten sie in die Kirche namens Kaisarion, wo sie sie nackt auszogen und sie dann mit Ziegelsteinen erschlugen. Nachdem sie ihren Körper in Stücke gerissen hatten, brachten sie ihre verstümmelten Glieder zu einem Ort namens Kinaron und verbrannten sie dort. Diese Sache brachte eine nicht geringe Schmach, nicht nur über Kyrill, sondern über die ganze Alexandrinische Kirche. Und mit Sicherheit kann nichts weiter vom Geiste des Christentums entfernt sein, als derartige Massaker, Gewalttaten und Misshandlungen zuzulassen! Dies geschah im März, während der Fastenzeit, im vierten Jahr von Kyrills Episkopat, unter dem zehnten Konsulat des Honorius, und dem sechsten des Theodosius [d.h. 415 n. Chr.]. (7,15)

Der koptische Bischof Johannes von Nikiu, ein Autor des 7. Jahrhunderts, beschreibt ihre Ermordnung in seiner Weltchronik folgendermaßen, wobei er sich offensichtlich auf Sokrates stützt, aber zu einer völlig gegensätzlichen Bewertung kommt:

Und eine Menge Gläubiger erhob sich unter der Führung des Ratsherrn Peter - dieser Peter war ein vollkommen rechtgläubiger Anhänger Jesu Christi - und sie zogen los, die Heidin zu suchen, die das Volk und den Präfekten durch ihre Zauberkünste behext hatte. Und als sie erfuhren, wo sie war, drangen sie zu ihr vor und fanden sie in einer Sänfte sitzen; und sie zwangen sie, auszusteigen und schleiften sie mit und brachten sie zur großen Kirche Caesarion. Es war Fastenzeit. Sie rissen ihr die Kleider vom Leib und schleiften sie durch die Straßen, bis sie tot war. Dann brachten sie sie zu einem Ort, der Cinaron hieß, und verbrannten ihren Leichnam mit Feuer. Und alles Volk versammelte sich um den Patriarchen Kyrillos und nannte ihn den neuen Theophilus; dafür dass er zerstört hatte die letzten Reste der Götzenverehrung in der Stadt.

Was die Ursache des Volkszorns war und von wem er geschürt wurde, ist nicht gänzlich geklärt. Nach überwiegender Meinung lag der an Hypatia exemplarisch inszenierten Heidenverfolgung ein schwelender Konflikt zwischen dem weltlichen Stadtoberhaupt Orestes und dem später heilig gesprochenen Bischof Kyrill von Alexandria zugrunde. Hypatia lebte zu einer Zeit heftiger Machtkämpfe zwischen den gemäßigten Heiden und Christen in Alexandria auf der einen Seite und fanatischen, fundamentalistischen Christen auf der anderen, welche die endgültige Vernichtung des Heidentums forderten, wobei aber auch manche Heiden blutig gegen die Christen vorgingen. Im Jahr 391 hatte der Patriarch Theophilus von Alexandria alle heidnischen Tempel zerstören lassen: Ein Dekret des Kaisers Theodosius hatte die Zerstörung des Serapisheiligtums (Tempel und Zweigstelle der großen Bibliothek) befohlen, nachdem sich dort heidnische Fanatiker verschanzt und Christen zum Opfern gezwungen hatten; mehrere Christen waren von den Heiden auch ermordet worden, woraufhin Theodosius zur Beruhigung der Lage zwar die Morde verzieh, aber das Heiligtum zerstört sehen wollte. Möglicherweise, aber nicht gesichert, ist dieser Zerstörungsaktion auch das Museion als Tempel der Musen zum Opfer gefallen.

Einigen Einblick in die politischen Wirren der Zeit bieten die Briefe, die Hypatias prominentester Schüler und Bewunderer, der spätere Bischof Synesios von Kyrene, an sie geschrieben hat. In einem Brief (Nr. 154) beklagt er sich über die christlichen Eiferer: Ihre Philosophie besteht in der simplen Formel, stets Gott als Zeugen anzurufen, wie es Platon tat, wenn sie etwas behaupten oder bestreiten. Jeder Schatten würde diese Leute übertreffen, wenn er sich zu irgendetwas äußern würde. Aber ihre Anmaßung ist enorm. In diesem Brief teilt er Hypatia außerdem mit, dass diese Leute ihn angeklagt hätten, weil er unautorisierte Kopien von Büchern in seiner Bibliothek verberge. Anscheinend wurden damals die Bestände der Bibliothek einer Bearbeitung unterzogen, um sie in Übereinstimmung mit dem christlichen Dogma zu bringen.

Die in der Spätantike aufkommende Bestrafung der Hexerei geht auf ein Dekret des Kaisers Constantius II. zurück, der zur Bekämpfung des Aberglaubens angeordnet hatte, dass alle Zauberer in Rom den wilden Tieren vorgeworfen werden sollten; in den Provinzen aber sollte ihnen das Fleisch mit eisernen Haken heruntergerissen werden. Hypatias Tod passt zu diesem Gesetz. Sie kann als erstes Opfer der christlichen Hexenverfolgung angesehen werden.

Das historische Martyrium der Hypatia zeigt auffallende Übereinstimmungen mit dem vermutlich erfundenen Martyrium der Heiligen Katharina. Möglicherweise ist die Legende der Heiligen Katharina eine spätere Umdichtung des wirklichen Geschehens.

[Bearbeiten] Literatur

  • Peter O. Chotjewitz: Der Fall Hypatia, Hamburg 2002
  • Maria Dzielska: Hypatia of Alexandria, Harvard UP, Cambridge 1995, ISBN 0674437764
  • Annemarie Maeger: Hypatia - Die Dreigestaltige, Hamburg 1992, ISBN 3921174120
  • Annemarie Maeger: Hypatia II, Hamburg 1995, ISBN 3929805073
  • Annemarie Maeger: Amo(r) ergo sum - Über die Macht der Liebe. Die Philosophie der Hypatia und ihre Bedeutung, Hamburg 1995, ISBN 3929805030
  • Basileios A. Myrsilides: Biographie der hellenischen Philosophin Hypatia. Exzerpiert aus ältesten christianischen historischen Quellen und der Überlieferung in den Trümmern Klein-Asiens vor der Katastrophe und dem Gemetzel, 2002, ISBN 3929805278
  • Mrs. Bertrand Russell: Hypatia Or Woman and Knowledge, 1925 (Nachdruck 2003, ISBN 0766171019)
  • Margaret Wertheim: Die Hosen des Pythagoras. Physik, Gott und die Frauen, 2002, ISBN 349223710X

[Bearbeiten] Weblinks


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