Paul Tillich
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Paul Johannes Tillich (* 20. August 1886 in Starzeddel, Kreis Guben; † 22. Oktober 1965 in Chicago, USA) war ein zunächst deutscher und später US-amerikanischer protestantischer Theologe (Dogmatiker) und Religionsphilosoph.
Er gehört zusammen mit Karl Barth, Dietrich Bonhoeffer, Rudolf Bultmann, Karl Rahner und Emil Fuchs zu den bedeutendsten deutschen Theologen des 20.Jahrhunderts. Seine Emigration im Jahr 1933 in die USA und sein Wirken an den Universitäten von Harvard und Chicago begründeten seinen weltweiten Ruf, der auch an der umfangreichen internationalen Sekundärliteratur sichtbar wird.
Seit 1940 besaß Paul Tillich die amerikanische Staatsbürgerschaft. Mit seiner Lehrtätigkeit, seinen Vorträgen und seinem interdisziplinären Gespräch erreichte er schließlich nicht nur Theologen, sondern unter den amerikanischen Intellektuellen vor allem auch Psychiater, Psychologen und Künstler. Seine herausgehobene Stellung in der amerikanischen Öffentlichkeit führte dazu, dass er im Jahr 1963 anlässlich des 40jährigen Bestehens des amerikanischen Nachrichtenmagazins Time magazine im Waldorf Astoria Hotel den Festvortrag vor mehr als 2000 geladenen Gästen hielt, unter denen sich auch diejenigen Persönlichkeiten befanden, denen das Time magazine im Laufe der Jahre wegen ihrer hervorragenden Stellung in der amerikanischen Öffentlichkeit jeweils die Titelseite und die Titelstory gewidmet hatte.
In Deutschland erhielt Paul Tillich 1956 den Hansischen Goethe-Preis und 1961 das Große Verdienstkreuz mit Stern des Bundesverdienstkreuzes. 1962 wurde er in der Frankfurter Paulskirche mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet; die Laudatio hielt Otto Dibelius.
Neben der umfangreichen Primärliteratur, die dank der Deutschen Paul-Tillich-Gesellschaft und der Herausgeberin Renate Albrecht in deutscher Sprache erschienen ist, gibt es auch zahlreiche Tonbänder, Kassetten und CDs mit Tillichs Vorlesungen, Vorträgen und Interviews. Die Tillich-Archive und -Sammlungen befinden sich in der Universitätsbibliothek Marburg (Wilhelm-Röpke-Str. 4, D-35039 Marburg), in der Andover-Harvard Theological Library (45 Francis Avenue, Cambridge, Mass. 02138, USA) und in dem Union Theological Seminary in Virginia (3401 Brook Road, Richmond, Virginia 23227, USA).
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[Bearbeiten] Leben
Tillich wuchs auf als Sohn eines lutherischen Pfarrers. Er studierte Theologie und Philosophie an den Universitäten von Berlin, Tübingen und Halle. Als Student trat er dem Wingolfsbund bei. 1910 promovierte er an der Universität Breslau mit einer Arbeit über Schelling. Er wurde ordiniert und arbeitete als Vikar, meldete sich dann aber mit dem Erster Weltkrieg freiwillig als Militärpfarrer.
Nach dem Krieg, der sich später als für Tillich bestimmend erweisen sollte, lehrte er als Privatdozent in Berlin, dann ab 1924 in Marburg, ab 1925 an der Technischen Hochschule Dresdens und schließlich von 1929 bis 1933 in Frankfurt (Main). 1933 wurde er, nachdem er mit Die sozialistische Entscheidung eine Schrift gegen den Nationalsozialismus veröffentlicht hatte, und weil er den Religiösen Sozialisten angehörte, aus dem Staatsdienst entlassen und musste Deutschland verlassen.
Freunde verschafften ihm dann am Union Theological Seminary in New York City eine Anstellung, wo Tillich beinahe zwanzig Jahre lehren sollte. In dieser Zeit entstanden mit Auf der Grenze (1936, dt. 1962) auch die persönlich geprägten theologischen Reflexionen, die die mit dem Ersten Weltkrieg einsetzende Krise in Tillichs Leben beleuchten und seinen späteren theologischen Werdegang erklären. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges war Tillich in Fachkreisen bereits bekannt und hatte seinerseits begonnen, die englische Sprache in dem für wissenschaftliche Publikationen erforderlichem Umfang zu erlernen. Auf politischer Ebene war Tillich in verschiedenen Exilorganisationen aktiv, so dem 1944 gegründeten Council for a Democratic Germany, welchem er vorstand.
1948 war es dann aber keine gelehrte Monographie, sondern eine unter dem Titel The Shaking of the Foundations (deutsch: In der Tiefe ist Wahrheit) veröffentlichte Sammlung von Predigten, die Tillich landesweit bekannt machte. Noch in New York begann Tillich, seine Systematische Theologie zu schreiben. Als er 1955 am Seminary emeritierte, war er in den USA ein »intellektueller Superstar« (Kelsey), der sich nun die Universität aussuchen konnte. Tillich ging als University Professor mit fakultätsübergreifendem Lehrrecht an die Harvard University und veröffentlichte dort den zweiten Band der Systematik. 1962 nahm er dann noch einmal einen Ruf an die Universität von Chicago an und brachte den dritten Band der Systematischen Theologie heraus.
Paul Tillich verstarb 1965 im Alter von 79 Jahren. Seine Urne fand zunächst Aufnahme auf dem Friedhof von East Hampton auf Long Island. Sie wurde dann aber nach New Harmony, Indiana, überführt, wo sie zu Pfingsten 1966 von Jerald Brauer, Dekan der Divinity School, an der Tillich zuletzt lehrte, bei Sonnenaufgang in dem Paul Tillich Park beigesetzt worden ist. Der Grabstein aus rotem Granit, der zwischen Tannen steht, erinnert in englischer Sprache an den 3. Vers des 1. Psalms: Paul Johannes Tillich 1886 - 1965. Und er soll sein wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit und dessen Blätter nicht verwelken, und alles, was er tut, gerät ihm wohl.
[Bearbeiten] Bedeutung
Helmut Thielicke hat Tillich als "Wanderer zwischen den Welten" bezeichnet, F. Mildenberger sprach vom "Denker auf der Grenze", H. Bürkle als "Vermittlungstheologe". Ihm ist es mit seiner Methode der Korrelation von Frage und Antwort, Situation und Botschaft usw. wie kaum jemand anderem gelungen, die existentiellen Fragen seiner Zeit aufzugreifen und sie als religiöse Fragen zu formulieren, sowie aufzuzeigen, dass die Symbole der christlichen Botschaft attraktive und nach wie vor aktuelle Antworten auf diese Fragen sind. Sein Denken prägte die Frühphase der später so genannten "Kritischen Theorie der Gesellschaft" der Frankfurter Schule um Horkheimer und Adorno - der bei ihm habilitierte - maßgeblich mit. Das Denken Tillichs wurde über Europa hinaus von Bedeutung. So ist der japanische Religionsphilosoph Takamaro Shigaraki wesentlich von Tillich beeinflusst. Besondere Bedeutung für die Theologie, die Religionspädagogkik und die Auseinandersetzung des Christentums mit anderen Religionen hat seine Bestimmung des Verhältnisses von Religion und Mythos. „Mythen sind Symbole, die zu Geschichten verbunden sind, in denen Begegnungen zwischen Göttern und Menschen erzählt werden. Die Mythen sind in jedem Akt des Glaubens gegenwärtig, denn die Sprache des Glaubens ist das Symbol." Als entscheidendes Kriterium für einen kritischen Umgang mit dem Mythos führt Tillich den Begriff des gebrochenen Mythos ein. Er definiert ihn folgendermaßen: "Ein Mythos, der als Mythos verstanden, aber nicht beseitigt wird, kann gebrochener Mythos' genannt werden." „Ein Glaube, der seine Symbole wörtlich versteht, wird zum Götzenglauben. Er nennt etwas unbedingt, was weniger ist als unbedingt. Der Glaube aber, der um den symbolischen Charakter seiner Symbole weiß, gibt Gott die Ehre, die ihm gebührt." "Das Christentum schließt seinem eigentlichen Wesen nach jeden ungebrochenen Mythos aus, denn seine Grundlage ist der Inhalt des ersten und höchsten Gebotes, die Unbedingtheit des Unbedingten anzuerkennen und jede Art von Götzendienst abzulehnen."(P. Tillich, Wesen und Wandel des Glaubens, 1961) Das bedeutet aber für Tillich durchaus nicht, dass das Christentum in seiner Geschichte diesem Wesen immer treu geblieben ist und dass andere Religionen diesem Kriterium nicht oft besser entsprochen haben.
[Bearbeiten] Werke
- Die Sozialistische Entscheidung, Medusa Verlag, Berlin 1980
- Systematische Theologie, 3 Bde.; Verlag deGruyter, Frankfurt/M. 1984 (8. Auflage mit Nachdrucken)
- Gesammelte Werke; hg. v. R. Albrecht, 1958-1974
- Main Works - Hauptwerke, de Gruyter 1988ff.
[Bearbeiten] Literatur
- R. Albrecht / W. Schüßler (Hg.), Paul Tillich - Sein Werk, Düsseldorf 1986
- R. Albrecht / W. Schüßler, Paul Tillich - Sein Leben, Frankfurt/M. 1993
- E. Almén, Glaube und geschichtliche Verantwortlichkeit; 1976
- E.-H. Amberg, Die Frage nach der Einheit der Evangelischen Theologie heute; in: ThLZ 1967, 81-88
- ders., Bemerkungen zur Gotteslehre; in: ThLZ 1972, 241-250
- ders., Bemerkungen zur Christologie; in: ThLZ 1974, 1-10
- E. Amelung, Die Gestalt der Liebe. Paul Tillichs Theologie der Kultur; 1972
- U. Asendorf, Kreuz und Auferstehung; in: ThLZ 1977, 758-749
- K. Bümlein, Mündige und schuldige Welt. Überlegungen zum christlichen Verständnis von Schuld und Mündigkeit im Gespräch mit P.Tillich und K.Rahner; 1974
- J. Clayton, The Concept of Correlation; 1980
- Ch. Danz / W. Schüßler / E. Sturm (Hg.), Internationales Jahrbuch für die Tillich-Forschung, Münster: LIT Verlag 2005ff
- H. Elsässer, Paul Tillichs Lehre vom Menschen als Gespräch mit der Tiefenpsychologie; Dissertation 1973
- G. Hummel (Hg.), New Creation or Eternal Now - Neue Schöpfung oder Ewiges Jetzt. Hat Paul Tillich eine Eschatologie? Beiträge des III. Internationalen Paul-Tillich-Symposiums; 1989
- Friedrich Wilhelm Kantzenbach, Programme der Theologie. Denker, Schulen, Wirkungen von Schleiermacher bis Moltmann; 3. verb. Aufl., München 1984, 255-270
- D.H. Kelsey, Paul Tillich; in: D.F. Ford (Hg.), Theologen der Gegenwart, Paderborn 1993, 127-142
- Traugott Koch, Gott. Die Macht des Seins im Mut zum Sein. Tillichs Gottesverständnis in seiner »Systematischen Theologie«; in: Hermann Fischer (Hg.), Paul Tillich. Studien zu einer Theologie der Moderne, Frankfurt a.M. 1989, 169-206
- M. von Kriegstein, Paul Tillichs Methode der Korrelation und Symbolbegriff; 1975
- J. Langer, Paul Tillichs Gotteslehre im Rahmen seiner Symboltheorie; 1969
- R. Mokrosch, Theologische Freiheitsphilosophie. Metaphysik, Freiheit und Ethik in der philosophischen entwicklung Schellings und in den Anfängen Tillichs; 1976
- D. Nöremberg, Analogia imaginis. Der Symbolbegriff in der Theologie Paul Tillichs; 1966
- I. Nord / Y. Spiegel: Spurensuche. Lebens- und Denkwege Paul Tillichs. Tillich Studien, Bd. 5, Münster 2001
- H.G. Pöhlmann, Gottesdenker. Prägende evangelische und katholoische Theologen der Gegenwart. Zwölf Porträts; 1984
- Carl-Heinz Ratschow : Paul Tillich; in: Martin Greschat (Hg.), Theologie des Protestantismus im 19. und 20. Jahrhundert, Band 2, Stuttgart 1978, 303-330
- U. Reetz, Das Verständnis des Sakramentalen in der Theologie Paul Tillichs auf dem Hintergrund seiner Symboltheorie; 1971
- Rüdiger Reitz: Paul Tillich und New Harmony. Evangelisches Verlagswerk Stuttgart 1970
- W. Schüßler, Der philosophische Gottesgedanke im Frühwerk Paul Tillichs, Würzburg 1986
- W. Schüßler, Jenseits von Religion und Nicht-Religion. Der Religionsbegriff im Werk Paul Tillichs, Frankfurt/M. 1989
- W. Schüßler, Paul Tillich, München 1997
- W. Schüßler, "Was uns unbedingt angeht." Studien zur Theologie und Philosophie Paul Tillichs, 2. Aufl. Münster 2004
- W. Schüßler / E. Sturm (Hg.), Tillich-Studien, Münster: LIT Verlag 1999ff
- P. Steinacker, Die Bedeutung der Philosophie Schellings für die Theologie Paul Tillichs; in: Hermann Fischer, a.a.O., 37-61
- H. Tillich, Ich allein bin, Gütersloh 1993
- J. Track, Der theologische Ansatz Paul Tillichs; 1975
- ders., Paul Tillich und die Dialektische Theologie; in: H. Fischer, a.a.O., 138-166
- W. Trillhaas, Die Grenze und das Ganze. Zum Gedenken an Paul Tillich; in: ThLZ 1966, 61-568
- G. Wehr, Paul Tillich; 1979
- S. Wittschier, Paul Tillich. Seine Pneuma-Theologie; 1975
- Gerhard Wehr: Paul Tillich zur Einführung, Hamburg: Junius, 1998, ISBN 3885069652
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Paul Tillich – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- Literatur von und über Paul Tillich im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eintrag (mit Literaturangaben) im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon (BBKL)
- Deutsche Paul-Tillich-Gesellschaft
- Links zu Tillich (englisch)
- James Rosati's Denkmal mit der Büste von Paul Tillich in dem Paul Tillich Park in New Harmony, Indiana.
- Paul Tillichs englische Compact Disc Collection
Personendaten | |
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NAME | Tillich, Paul Johannes |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher protestantischer Theologe (Dogmatiker) und Religionsphilosoph |
GEBURTSDATUM | 20. August 1886 |
GEBURTSORT | Starzeddel, Kreis Guben |
STERBEDATUM | 22. Oktober 1965 |
STERBEORT | Chicago, USA |
Kategorien: Mann | Deutscher | US-Amerikaner | Evangelischer Theologe (20. Jahrhundert) | Dogmatiker | Religionsphilosoph | Hochschullehrer (Berlin) | Hochschullehrer (Chicago) | Hochschullehrer (Dresden) | Hochschullehrer (Frankfurt am Main) | Hochschullehrer (Harvard) | Hochschullehrer (Marburg) | Hochschullehrer (New York) | Korporierter im Wingolf | Deutschsprachige Emigration | Preisträger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels | Träger des Bundesverdienstkreuzes | Geboren 1886 | Gestorben 1965