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Verbrechen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Unter einem Verbrechen (lat. crimen, engl. crime) wird gemeinhin ein schwerwiegender Verstoß gegen die Rechtsordnung einer Gesellschaft oder die Grundregeln menschlichen Zusammenlebens verstanden. Allgemein gesprochen handelt sich um eine von der Gemeinschaft als Unrecht angesehene und von ihrem Gesetzgeber als kriminell qualifizierte und mit Strafe bedrohte Verletzung eines Rechtsgutes durch den von einem oder mehreren Tätern schuldhaft gesetzten verbrecherischen Akt. So versteht denn auch die Rechtswissenschaft unter einem Verbrechen in erster Linie die strafbare Handlung (Straftat) als solche. Gesellschaftswissenschaftlich befasst sich die Kriminologie mit dem Phänomen des Verbrechens und seinen Erscheinungsformen und Ursachen. Mit den Mitteln und Methoden der Verbrechensbekämpfung und -aufklärung beschäftigt sich die Kriminalistik.

In der aus dem französischen Recht stammenden Systematik der strafbaren Handlungen, wie sie in den meisten kontinentaleuropäischen Strafrechtssystemen in unterschiedlich abgewandelter Form verwendet wird, stellt das Verbrechen (frz. crime) die schwerste Form der Straftat dar und steht in dieser Betrachtungsweise insbesondere dem Vergehen (frz. délit) als minderschwerem Straftatbestand gegenüber.

Besonders schwere (ursprünglich: mit dem Verlust des Lebens zu ahndende) Verbrechen werden auch als Kapitalverbrechen (von lat. caput = "Haupt") bezeichnet.


Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Historische Einordnung

Die Differenzierung zwischen strafbaren Handlungen unterschiedlicher Schwere ist bereits sehr früh in der Rechtsgeschichte belegt. Schon in der Constitutio Criminalis Carolina wurde zwischen causae maiores und causae minores (schwerwiegenden und minderschweren Anklagegründen) unterschieden; diese Trennung war für die Form der Bestrafung ausschlaggebend: Lebens-, Leibes- und Ehrenstrafen oder Geldbuße und kurzzeitiges Gefängnis.

Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch (RStGB) von 1871 unterschied zwischen drei Stufen der Schwere der Straftat: Verbrechen, Vergehen und Übertretung. Dabei orientierte es sich an dem unter Napoleon I. entstandenen französischen Code Pénal Impérial (1810), dessen Dreiteilung (crime - délit - contravention) das französische Strafrecht und die eng an das französische angelehnten Systeme (bspw. Belgiens) bis heute bestimmt. Von der Zuordnung der Tat zu einer der drei Kategorien hing früher wiederum die Strafart ab; für Verbrechen konnte u.U. auf Todesstrafe oder auf Zuchthaus erkannt werden, Vergehen wurden mit Gefängnis und Übertretungen in der Regel nur mit einer Geldstrafe oder kurzer Haft geahndet.

Mit der Strafrechtsreform von 1974/75 trat in der Bundesrepublik Deutschland an die Stelle dieser Trichotomie (Dreiteilung) die heute maßgebliche Dichotomie (Zweiteilung): Seither sind nur noch Verbrechen und Vergehen strafbare Handlungen. Die Übertretungen wurden abgeschafft und zum Teil durch Ordnungswidrigkeiten ersetzt. Strafen wie Zuchthaus oder Gefängnis wurden ebenfalls abgeschafft und eine einheitliche Freiheitsstrafe geschaffen, wobei nun auch Verbrechen durch Geldstrafen gesühnt werden können. Ob diese Zweiteilung beibehalten werden soll, ist unter Strafrechtlern umstritten, da ihre praktische Bedeutung relativ gering ist.

In einigen Rechtssystemen gibt es die Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen nicht oder nicht mehr. Beispielsweise existieren in den ebenfalls vom französischen Modell ausgehend entwickelten Strafrechten Italiens, Spaniens und der Niederlande für Bagatellstraftaten zwar weiterhin die Übertretungen (contravvenzioni, faltas bzw. overtredingen), alle anderen Straftaten werden dagegen einheitlich als "Delikte" oder "Vergehen" (delitti, delitos bzw. misdrijven) bezeichnet. Trotzdem werden auch hier schwere und weniger schwere Tatbestände entsprechenden Unterkategorien zugeordnet. In den meisten Rechtsordnungen des Common Law gibt es die Unterscheidung zwischen schweren oder "kapitalen" Verbrechen (felonies) und weniger schweren kriminellen Verfehlungen (misdemeanors), wobei der eigentliche Ausdruck "Verbrechen" (crime) im Englischen als Oberbegriff dient und systematisch eher der "Straftat" als solchen entspricht.

[Bearbeiten] Formeller Verbrechensbegriff in Deutschland

Verbrechen ist die subjektiv objektive Verletzung des Rechts in seiner besonderen und allgemeinen gesetzlichen Geltung in einem Maß, dass die rechtliche Selbstständigkeit der betroffenen Person oder Gemeinschaft grundlegend verändert wird (Kriminalrecht). Im deutschen Strafgesetzbuch (§ 12) werden als Verbrechen alle die gesetzlich normierten Delikte bewertet, bei denen eine Strafandrohung von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe besteht (z. B. Raub, Körperverletzung mit Todesfolge, schwere Brandstiftung, schwerer sexueller Missbrauch).

Delikte mit Androhung einer geringeren Mindeststrafe werden als Vergehen bezeichnet.

Der Unterschied wirkt sich auch bei der Strafbarkeit eines Tatversuchs aus. Der Versuch ist bei einem Verbrechen immer strafbar, bei einem Vergehen nur dann, wenn das im Gesetz ausdrücklich festgelegt wird (versuchter Hausfriedensbruch ist danach z. B. nicht strafbar). Eine andere Bedeutung besteht im Straftatbestand der Bedrohung, denn dieser kann nur mit dem Drohen eines Verbrechens erfüllt werden. Auch ist die versuchte Anstiftung zu einem Vergehen generell nicht strafbar, die zu einem Verbrechen jedoch schon. Der Verlust von Amtsfähigkeit und Wählbarkeit richtet sich ebenfalls nach der Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen. Ist ein Vergehen in besonderen Fällen mit höherer Strafe bedroht, sodass eine Mindeststrafe von über einem Jahr vorgesehen ist, bleibt die Tat dennoch ein Vergehen - gleiches gilt auch umgekehrt (§ 12 Abs. 3 StGB).

Ein Angeklagter, dem ein Verbrechen vorgeworfen wird, hat nach § 140 Nr. 2 der Strafprozessordnung (StPO) Anspruch auf die Bestellung eines Pflichtverteidigers, wenn er selbst keinen Rechtsanwalt als Verteidiger beauftragt. Des Weiteren spielt im Prozessrecht die Zweiteilung (Dichotomie) zwischen Verbrechen und Vergehen eine Rolle für die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte. Der Strafbefehl ist nur für Vergehen vorgesehen (§ 407 StPO) und eine Einstellung des Verfahrens nach §§ 153, 153a, 154d StPO kommt ebenfalls nicht für Verbrechen in Frage.

[Bearbeiten] Formeller Verbrechensbegriff in Österreich

Nach § 17 des österreichischen Strafgesetzbuches (Einteilung der strafbaren Handlungen) sind Verbrechen "vorsätzliche Handlungen, die mit lebenslanger oder mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind"; alle übrigen strafbaren Handlungen sind Vergehen. Im Unterschied zur deutschen Regelung ist in Österreich auch der Versuch eines Vergehens strafbar. Weiters ist die Zuständigkeit der Gerichte anders geregelt.

[Bearbeiten] Formeller Verbrechensbegriff in der Schweiz

In der schweizerischen Gesetzgebung definiert Artikel 9 des Strafgesetzbuches (StGB) die Begriffe Verbrechen und Vergehen: Verbrechen sind die mit Zuchthaus bedrohten Handlungen, Vergehen solche, die maximal mit Gefängnis bestraft werden. Der Versuch ist bei Verbrechen und Vergehen immer strafbar (Art. 21 und 22 StGB).

[Bearbeiten] Materieller Verbrechensbegriff

Der materielle Verbrechensbegriff löst sich vom normativen Begriff des Strafrechts. Er ist weniger scharf als der formelle Verbrechensbegriff. So wird unterschieden zwischen

[Bearbeiten] naturrechtlichem Verbrechensgehalt

Im Naturrecht wird eine Trennung der moralisch verwerflichen Delikte (mala delicta per se) und schlicht verbotene Delikte (mala prohibita) vorgenommen. Dieser natürliche Verbrechensbegriff spielt im strafrechtlichen Bereich des Common Law noch heute eine Rolle. Der "natürliche" Verbrechensbegriff ist jedoch wegen der Tendenz zur Willkür und der immanenten Subjektivität umstritten.

[Bearbeiten] Lehre vom Rechtsgut

Die juristische Lehre vom Rechtsgut bezeichnet Verbrechen als diejenigen Handlungen, die geeignet sind, in strafwürdiger Weise Rechtsgüter zu verletzen. Rechtsgüter sind dabei die rechtlich individuell geschützten Interessen der Teilnehmer am Rechtsverkehr. Dieser "rechtsgutsbezogene" Verbrechensbegriff ist enger als der natürliche Verbrechensbegriff und knüpft an die normativen Grundlagen einer Gesellschaft an. Er ist daher in der Nähe zum formellen Verbrechensbegriff zu sehen.

[Bearbeiten] Lehre vom sozialschädlichen Verhalten

Aus den Sozialwissenschaften stammt der Begriff des antisozialen Verhaltens, dass sich in der Nähe zum abweichenden Verhalten (Devianz) bewegt. Dieser Verbrechensbegriff kommt dem Wissenschaftsverständnis sehr nah, benötigt jedoch auch eine normative Basis.

[Bearbeiten] Beispiele

In Deutschland gelten unter anderem folgende Verbrechenstatbestände:

[Bearbeiten] Strafgesetzbuch

  • Hochverrat gegen den Bund (§ 81 StGB)
  • Hochverrat gegen ein Land (§ 82 StGB)
  • Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens (§ 83 StGB)
  • Landesverrat (§ 94 StGB)
  • Landesverräterische Ausspähung (§ 96 StGB)
  • Friedensgefährdende Beziehungen (§ 100 StGB)
  • Nötigung von Verfassungsorganen (§ 105 StGB)
  • Bildung krimineller Vereinigungen (§ 129 StGB)
  • Bildung terroristischer Vereinigungen (§ 129 a StGB)
  • Unterstützung terroristischer Vereinigungen (§ 129a Abs. 5 StGB)
  • Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland (§ 129 b StGB)
  • Geldfälschung (§ 146 StGB)
  • Fälschung von Zahlungskarten und Vordrucken für Euroschecks (§ 152 a StGB)
  • Meineid (§ 154 StGB)
  • Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern (§ 176 a StGB)
  • Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge (§ 176 b StGB)
  • Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung (§ 177 StGB)
  • Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge (§ 178 StGB)
  • Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen (§ 179 Abs. 4 StGB)
  • Mord (§ 211 StGB)
  • Aussetzung (§ 221 Abs. 2 und Abs. 3 StGB)
  • Völkermord (§ 6 VStGB)
  • Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 Abs. 3 StGB)
  • Schwere Körperverletzung (§ 226 StGB)
  • Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB)
  • Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (§ 232 Abs. 3 StGB)
  • Menschenraub (§ 239 Abs. 3 und Abs. 4 StGB)
  • Erpresserischer Menschenraub (§ 239 a StGB)
  • Geiselnahme (§ 239 b StGB)
  • Schwerer Bandendiebstahl (§ 244 a StGB)
  • Raub (§ 249 StGB)
  • Schwerer Raub (§ 250 StGB)
  • Raub mit Todesfolge (§ 251 StGB)
  • Räuberischer Diebstahl (§ 252 StGB)
  • Räuberische Erpressung (§ 255 StGB)
  • gewerbsmäßige Bandenhehlerei ( § 260 a StGB)
  • Brandstiftung (§ 306 StGB)
  • Schwere Brandstiftung (§ 306 a StGB)
  • Besonders schwere Brandstiftung (§ 306 b StGB)
  • Brandstiftung mit Todesfolge (§ 306 c StGB)
  • Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie (§ 307 StGB)
  • Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion (§ 308 StGB)
  • Missbrauch ionisierender Strahlen (§ 309 StGB)
  • Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens (§ 310 StGB)
  • Herbeiführen einer Überschwemmung (§ 313 StGB)
  • Gemeingefährliche Vergiftung (§ 314 StGB)
  • Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr (§ 315 Abs. 3 StGB)
  • Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer (§ 316 a StGB)
  • Angriff auf den Luft- und Seeverkehr (§ 316 c StGB)
  • Verfolgung Unschuldiger (§ 344 StGB)
  • Vollstreckung gegen Unschuldige (§ 345 StGB)
  • Vorbereitung eines Angriffskrieges (§ 80 StGB)
  • Verbreitung und Herstellung von Selbstladewaffen (§ 52 a Waffengesetz)
  • Atomwaffenherstellung und Verbreitung (§ 19 Kriegswaffenkontrollgesetz)
  • Herstellung und Verbreitung von Biologischen und Chemischen Waffen (§ 20 Kriegswaffenkontrollgesetz)
  • Unerlaubter Handel mit Betäubungsmitteln (§ 29 a Betäubungsmittelgesetz)
  • Gewerbsmäßiger unerlaubter Handel mit Betäubungsmitteln (§ 30 Betäubungsmittelgesetz)
  • Bandenmäßiger gewerbsmäßiger unerlaubter Handel mit Betäubungsmitteln (§ 30 a Betäubungsmittelgesetz)
  • Gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern (§ 92 b Ausländergesetz)
  • Gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung (§ 84 a Asylverfahrensgesetz)
  • Gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung in großem Ausmaß (§ 370a AO)

[Bearbeiten] Außenwirtschaftsgesetz

[Bearbeiten] Kriegswaffenkontrollgesetz

[Bearbeiten] Literatur

  • Bernd-Dieter Meier: Kriminologie. C.H. Beck, München 2003
  • Hans Magnus Enzensberger: Politik und Verbrechen. Suhrkamp, Frankfurt/Main 1964
  • Hermann Mannheim: Vergleichende Kriminologie. Enke, Stuttgart 1966

[Bearbeiten] Siehe auch:

[Bearbeiten] Weblinks

wikt:
Wiktionary
Wiktionary: verbrechen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen
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