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Vertrag über den Offenen Himmel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Vertrag über den Offenen Himmel, OH-Vertrag oder Open Skies (englisch offener Himmel) bezeichnet einen Vertrag aus dem Jahre 1992 zwischen NATO- und ehemaligen Warschauer Pakt-Staaten, der es den teilnehmenden Nationen gestattet, gegenseitig ihre Territorien auf festgelegten Routen zu überfliegen und Aufnahmen (Foto, Radar und seit 2006 auch Infrarot) zu machen. Durch diese vertrauensbildende Maßnahme |soll der Frieden gesichert |und Konflikte vermieden werden.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Geschichte

Der Vertrag über den Offenen Himmel ist am 24. März 1992 unterzeichnet worden. Zeichnerstaaten sind Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Island, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Spanien, Portugal, die USA, Kanada, Bulgarien, Georgien, Kirgisistan (noch nicht ratifiziert), Polen, Rumänien, Russland, Slowakei, Tschechien, Ukraine, Ungarn, Weißrussland und die Türkei. Neu beigetreten sind Schweden, Finnland, Lettland, Litauen, Georgien, Slowenien, Bosnien-Herzegowina. Österreich hat Interesse an einem Beitritt bekundet. Zypern hat einen Antrag auf Beitritt zum Vertrag gestellt, der jedoch von der Türkei blockiert wird.

Die Idee eines solchen Vertrages war bereits 1955 vom damaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika Dwight D. Eisenhower der sowjetischen Führung während der Genfer Vier-Mächte-Konferenz vorgeschlagen worden; die Weiterverfolgung scheiterte jedoch aufgrund russischer Befürchtungen, dass die Beobachtungsflüge zu Spionagezwecken genutzt werden könnten.

1989 nahm der amerikanische Präsident George Bush die Idee zur Vertrauensbildung durch Beobachtungsflüge im Rahmen der KSZE wieder auf. Die Verhandlungen zwischen NATO und Warschauer Pakt begannen im Februar 1990. Meinungsverschiedenheiten und insbesondere die auf russischer Seite weiterhin bestehende Furcht vor Spionage durch den Westen führten zur Vertagung der Verhandlungen auf unbestimmte Zeit.

Erst als die NATO-Staaten im Juni 1990 im Rahmen der in Wien stattfindenden Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte in Europa die Idee eines Luftinspektionsregime zur Verifikation des KSE-Vertrages einbrachten, das wesentliche Elemente der westlichen OH-Vorstellungen enthielt, erhielt das Projekt einen neuen Impuls. Da aufgrund des Verhandlungszeitdruckes zum KSE-Vertrag eine detaillierte Regelung zu einem Luftinspektionsregime nicht mehr aufgenommen werden konnte, wurde eine genereller Hinweis eingearbeitet, dass grundsätzlich Inspektionen aus der Luft innerhalb des KSE-Anwendungsgebietes durchgeführt werden können. Die NATO-Staaten bemühten sich daraufhin verstärkt um die Wiederaufnahme der OH-Verhandlungen. Das Interesse seitens der NATO war umso größer als Russland zwischenzeitlich begonnen hatte, nach den KSE-Vertrag abzurüstende Waffen- und Ausrüstungsbestände aus dem bis zum Ural reichenden Anwendungsgebiet des KSE-Vertrages hinter den Ural zu verlegen. Die räumliche Geltung des Vertrages über den Offenen Himmel wurde auf das gesamte Gebiet von Vancouver bis Wladiwostok ausgedehnt.

[Bearbeiten] Philosophie

Die ursprüngliche Idee nach dem Zweiten Weltkrieg war, durch auf Gegenseitigkeit beruhende Beobachtungsflüge rechtzeitig militärische Veränderungen und Aktivitäten in anderen Staaten erkennen und darauf reagieren zu können. Bei Wiederaufnahme der Idee im Jahr 1989 stand der Gedanke der Vertrauensbildung durch Offenheit und Transparenz im Vordergrund, verbunden mit dem durch den KSE-Vertrag gegebenen Anstoß der Möglichkeit der Verifikation der rüstungskontrollpolitischen Verpflichtungen aus der Luft.

Darüber hinaus ist die Ausweitung der Luftbeobachtung auf weitere Bereiche im Vertrag ausdrücklich vorgesehen. Ein „Open-Skies“-Beobachtungsflugzeug kann auch zur Gewinnung von Lagebildern in internationalen Krisensituationen, zur Konfliktverhütung, zum Krisenmanagement sowie zur Umweltbeobachtung herangezogen werden. Außer Deutschland zeigen sich aber die anderen Teilnehmerstaaten z.Zt. (2006) nicht interessiert, dass sich die „Beratungskommission Offener Himmel“ (Open Skies Consultative Commission, kurz OSCC) mit diesen zusätzlichen Aufgaben beschäftigt. Die monatlich tagende Kommission ist bei der OSZE in Wien angesiedelt und verantwortlich für Implementierungsfragen des Vertrages.

[Bearbeiten] Umsetzung

Seit der Unterzeichnung des Vertrages wurde er vorläufig angewandt. Durch bilaterale Testbeobachtungsmissionen konnten wichtige praktische Erfahrungen für die Implementierung gesammelt werden. Die Zusammenarbeit erfolgt in einer vertrauensvollen, freundschaftlichen Atmosphäre. Obwohl Deutschland seit dem Absturz des für den Einsatz als Beobachtungsflugzeug umgerüsteten deutschen "Open-Skies"-Flugzeuges 1997 über kein eigenes Beobachtungsflugzeug mehr verfügt, beteiligte es sich aktiv an der vorläufigen Implementierung. Das Inkrafttreten des Vertrages verzögerte sich aufgrund der fehlenden Ratifizierungen durch die Parlamente der Ukraine, Russlands und Weißrusslands.

Der Vertrag ist am 1. Januar 2002 in Kraft getreten. Die Beobachtungsflugzeuge der teilnehmenden Staaten wurden im Jahr 2002 erfolgreich zertifiziert und die ersten „scharfen“ Flüge gemäß dem Vertrag haben stattgefunden. Die OSCC hat Arbeitsgruppen zur Beschlussfassung zu wichtigen Fragen der Anwendung des Vertrages eingerichtet.

[Bearbeiten] 'Open Skies' in der zivilen Luftfahrt

In der zivilen Luftfahrt stehen 'Open Skies' Vereinbarungen für die gegenseitige marktwirtschaftliche Liberalisierung des jeweiligen zivilen Luftfahrtsektors - verkörpert durch zivile Fluggesellschaften - zwischen den Vertragspartnern. Liberalisierte Landerechte, Streckenrechte, Kartellrechts-Vereinbarungen, Eigentumsbestimmungen etc. sind Teil dieser Verträge. Bei den Vertragsparteien handelt es sich meistens um souveräne Staaten oder, wie im Falle der EU, um supranationale Institutionen. Entscheidende Auswirkungen haben diese Vereinbarungen in erster Linie auf privatwirtschaftliche bzw. staatliche Fluggesellschaften der jeweiligen Länder und das damit verbundene Umfeld (Fluggäste, Flughafenbetreiber, Reiseveranstalter etc.). Aber überdies sind auch daraus resultierende wirtschaftliche, politische und kulturelle Aspekte nicht zu vernachlässigen.

EU und USA

Die EU steht seit Jahrzehnten mit den USA um den "jeweils ungehinderten Zugang zu den jeweiligen Lufträumen" [1] im Zivilbereich in Verhandlungen. Im Juni 2004 wurden diese Verhandlungen vorerst als gescheitert erklärt, da die USA sich weigerten, Fluggesellschaften aus EU-Mitgliedsländern erweiterten Zugang zum US-Luftfahrtmarkt zu gewähren. Die Verhandlungen wurden allerdings später wieder aufgenommen und im November 2005 konnten sich die Parteien zumindest auf Vorschläge einigen, wenngleich auch keine Vereinbarungen getroffen wurden. Die Bush-Administration hatte sich zwar für eine Erhöhung des erlaubten Anteils von ausländischen Beteiligungen an US-Airlines - einer der Verhandlungspunkte - eingesetzt, war aber mit ihrem Vorstoß am Kongress und dem protektionistischen Widerstand der demokratischen Opposition gescheitert. Für Februar 2007 sind neue Verhandlungen zwischen der EU-Kommission und dem US-Verkehrsministerium - unter der Leitung von EU-Kommissar für Verkehr Jacques Barrot bzw. US-Verkehrsministerin Mary Peters - angesetzt. Die demokratische Mehrheit im Kongress hat die US-Verkehrsministerin allerdings bereits "vor Zugeständnissen"[2] an die EU-Kommission gewarnt.

Teil der Verhandlungen sind die Öffnung des zivilen Luftraumes für ausländische Fluggesellschaften. Im Fachjargon spricht man beim für Ausländer nicht zugelassenen Luftfahrt-Binnenmarkt von 'Kabotage'.

Fluggesellschaften aus EU-Ländern sollen demnach uneingeschränkt alle US-Flughäfen anfliegen und von dort aus auch in Drittländer weiterfliegen dürfen. So dürfte KLM bspw. bis dato keine Verbindung Amsterdam-Los Angeles mit anschließendem Weiterflug nach Mexico City offerieren. Damit verbunden ist auch die Erlaubnis für ausländische Fluggesellschaften, inländische Flugstrecken im Ausland, sonenanntes 'point-to-point flying', zu bedienen. So ist es bspw. Lufthansa bislang nach US-Gesetz nicht erlaubt, die Strecke San Francisco-New York anzubieten, ohne dass diese Strecke Teil einer Flug-Verbindung nach Deutschland bzw. in den EU-Raum wäre. Der US-Gesetzgeber legte außerdem (in der 2003 modifizierten Fassung des 'Civil Aeronautics Act' von 1938) die Obergrenze von stimmberechtigten Besitz-Anteilen ausländischer Investoren an US-Airlines mit 25% der Gesamtanteilseigner fest, während die EU dafür eine 49%-Marge anstrebt - wie es im 'Air Commerce Act' von 1926 in den USA schon einmal Gesetz war. Außerdem muss nach US-Gesetz bislang mindestens 2/3 und der Vorsitzende des 'Board of Directors' (Vorstand und Aufsichtsrat) einer US-Fluggesellschaft aus US-Bürgern bestehen.

Andererseits dürfen US-Fluggesellschaften im EU-Raum Weiterflüge in Drittstaaten anbieten und US-amerikanischen Investoren ist es erlaubt, sich mit bis zu 49% der Gesellsschaftsanteile an europäoischen Luftfahrtunternehmen zu beteiligen. Von einem "Wettbewerb auf Augenhöhe"[3] zwischen den Ländern der EU und den USA kann also derzeit keine Rede sein. Des Weiteren stehen auch kartellrechtliche Fragen und Duty-Free-Bestimmungen bei den Verhandlungen zur Debatte.

Das Festhalten an bestehenden Gesetzen wird von US-Seite unter anderem damit begründet, dass zivile Flugzeuge in den USA durch die 'Civil Reserve Air Fleet'-Bestimmung vom US-Militär zum Truppentransport eingesetzt werden können und dieser Umstand bei drohenden ausländischen Besitzverhältnissen zu Problemen führen könnte. Außerdem besteht für von US-Regierungsgeldern bezahlte Flugreisen der sogenannte 'Fly America Act', nach dem nur Fluggesellschaften in US-Besitz als Reisemittel gewählt werden dürfen. Weitere US-amerikanische Befürchtungen sind, dass US-Arbeitsplätze verloren gehen könnten, dass Ertragsgewinne ins Ausland abgeführt werden, dass die Sicherheitsstandards sinken oder dass nur noch gewinnbringende Strecken bedient werden könnten. Auch im Hinblick auf die Terroranschläge am 11. September 2001 steht man drohenden ausländischen Eigentumsverhältnissen von US-Airlines sehr skeptisch gegenüber. In den USA sind die Demokratische Partei, ein Großteil der US-Airlines und die beteiligten Gewerkschaften die schärfsten Gegner eines Open Skies Abkommens. Befürwortet wird die Liberalisierung allerdings z.B. seit langem von United Airlines, die über das Star Alliance-Netzwerk sehr eng mit Lufthansa kooperiert.

Auf EU-Seite - für US-Airlines würden im EU-Raum reziprok natürlich die entsprechenden Vorteile gelten, wenn diese nicht sogar derzeit schon gültig sind - werden weniger die Nachteile als vielmehr für den Verbraucher entstehende Verbesserungen durch mehr Wettbewerb in liberalisierten Märkten gesehen.

Zwischen den USA und europäischen Ländern bestehen in diesm Zusammenhang individuelle Vereinbarungen. Allerdings stellen diese unterschiedlichen bilateralen Abkommen mit einzelnen EU-Mitgliedern nach einem EGH-Vorteil von 2002 einen Verstoß gegen allgemeines EU-Recht dar.[4] Demnach ist das zwischen den USA und Großbritannien 1977 vereinbarte und 1995 modifizierte Bermuda II Abkommen - nach dem, neben anderen Bestimmungen, nur vier Airlines, nämlich British Airways, Virgin Atlantic, American Airlines und United Airlines vom Londoner Flughafen Heathrow in die USA und zurück fliegen dürfen - nicht mit EU-Recht vereinbar.

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Weblinks

Andere Sprachen
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