Agent Provocateur
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Als Agent Provocateur [aʒɑ̃ prɔvɔkatœr] (frz. etwa für "Provozierender Agent") "bezeichnet man einen Lockspitzel. Er ist meist im Auftrag von Behörden, wie Polizei oder Geheimdiensten, tätig. Er versucht verdeckt, also unerkannt, andere zur Begehung von Straftaten zu verleiten, so dass gegen diese dann mit unmittelbarem Zwang (Polizei) oder im Wege eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens vorgegangen werden kann. Ein Agent Provocateur entstammt regelmäßig dem verdeckten Mitarbeiterumfeld von Polizei und Geheimdiensten (V-Mann, Verdeckter Ermittler, Inoffizieller Mitarbeiter).
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[Bearbeiten] Beispiele
- Ein V-Mann des Landeskriminalamtes motiviert als Agent Provocateur einen Bekannten, den er als labile Person kennt und von dem er weiß, dass er sich in Geldsorgen befindet, zu einem todsicheren Rauschgiftgeschäft. Zu diesem Zwecke macht er ihn mit einem Verdeckten Ermittler des Zolls oder der Polizei bekannt, der bei dem Geschäft als Lieferant oder Abnehmer auftreten soll. Nach einem oder mehreren Probegeschäften zur Vertrauensbildung, bei denen die jeweilige Handelsmenge des Rauschgifts gesteigert wird, erfolgt ein Zugriff mit einer größeren Menge. Häufig hat der Täter bei allen Geschäften nur polizeiliches Rauschgift zwischen V-Mann und Verdecktem Ermittler übergeben. Ungeachtet dessen wird er mit mehrjähriger Freiheitsstrafe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge rechnen müssen. Der neue Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat solche polizeilichen Praktiken – die auch in Deutschland üblich sind – bereits in mehreren EU-Ländern beanstandet. Der BGH vertritt eine andere Rechtsauffassung als der EGMR und berücksichtigt eine solche Tatprovokation lediglich mildernd auf der Strafzumessungsebene und dies auch nur, wenn der Tatbeitrag des Täters hinter der Provokation in den Hintergrund tritt.
- Ein anderes Beispiel für den Einsatz wären Arbeiterstreiks, bei denen ein Agent Provocateur den Streik zu Eskalation bzw. Verbot führen soll.
[Bearbeiten] Verwendung von agents provocateurs
- Die zaristische Geheimpolizei Ochrana setzte Agents provocateurs in den revolutionären Bewegungen Russlands ein, einer der bekanntesten war Jewno Fischelewitsch Asef.
- Peter Urbach, ein V-Mann des Berliner Verfassungsschutzes, lieferte Ende der 1960er Jahre Molotowcocktails, Bomben und Waffen an Personen aus der Berliner APO, die später zu den Gründungsmitgliedern der Rote Armee Fraktion gehörten.
- Agents provocateurs sollen angeblich bei den Massendemonstrationen in Genua im Jahre 2001 eingesetzt worden sein. Sie werden auch in Zusammenhang mit Terrorismus gebracht (siehe dazu Strategie der Spannung).
[Bearbeiten] Rechtsprechung
[Bearbeiten] Deutschland
Die deutsche Rechtsprechung geht davon aus, dass der Einsatz von V-Personen und von verdeckt arbeitenden Polizeivollzugsbeamten zur Bekämpfung besonders gefährlicher und schwer aufklärbarer Kriminalität, zu der insbesondere auch der Rauschgifthandel gehört, notwendig und zulässig ist (BVerfGE 57, 250 [284]; BGHSt 32, 115 [121/122] m.w.N.).
Tatprovozierendes Verhalten polizeilicher Lockspitzel kann nach der Rechtsprechung nur innerhalb der durch das Rechtsstaatsprinzip gesetzten Grenzen hingenommen werden (vgl. Urt. des Senats in GA 1975, 333, 334; ferner BGH NStZ 1984, 78 m.w.N.).
Die vom Bundesgerichtshof (BGH) in ständiger Rechtsprechung (NJW 1980, 1761; 1981, 1626; Strafverteidiger 1981, 276; NStZ 1981, 70; 1984, 78) entwickelten wesentlichen Wertungsgesichtspunkte lauten:
- Grundlage und Ausmaß des gegen den Angeklagten bestehenden Verdachts,
- Art, Intensität und Zweck der Einflussnahme,
- Tatbereitschaft und
- eigene, nicht fremdgesteuerte Aktivitäten des Angeklagten.
Der 1. Senat des BGH nimmt in seinem Urteil vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84 kein Verfahrenshindernis durch den unzulässigen Lockspitzeleinsatz an, sondern löst den Fall auf der Seite der Schuld des Angeklagten durch Strafmilderung.
Wird eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch die von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zuzurechnenden Weise zu einer Straftat verleitet und führt dies zu einem Strafverfahren, liegt darin ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK. Dieser Verstoß ist in den Urteilsgründen festzustellen. Er ist bei der Festsetzung der Rechtsfolgen zu kompensieren. Das Maß der Kompensation für das konventionswidrige Handeln ist gesondert zum Ausdruck zu bringen (BGH, Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99 – = BGHSt 45, 321).
[Bearbeiten] Urteile des Bundesverfassungsgerichts
- BVerfGE 57, 250- V-Mann Volltext
- BVerfG, NJW 1995, 651
- BVerfGE 107, 339 – NPD-Verbotsverfahren Volltext
[Bearbeiten] BGH-Urteile
- BGHSt 32, 345 - Tatprovokation polizeilicher Lockspitzel Volltext
- BGHSt 45, 321 - Tatprovokation durch Vertrauensperson Volltext
- BGHSt 47, 44 - Tatprovokation durch Vertrauensperson Volltext
[Bearbeiten] Österreich
Die österreichische Strafprozessordnung enthält in § 25 ein ausdrückliches Verbot des Lockspitzeleinsatzes. Gleichwohl hat es der Oberste Gerichtshof bisher stets abgelehnt, aus einer Verletzung dieser Vorschrift prozessuale oder materiellrechtliche Folgerungen für das Strafverfahren gegen den Verlockten zu ziehen (SSt 27/20 und 50/30) (BGHSt, 32, 345 (355))
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