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Geschichte der Juden in Österreich - Wikipedia

Geschichte der Juden in Österreich

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Das Judentum in Österreich ist erstmals zu Beginn des 10. Jahrhunderts urkundlich in der Raffelstettener Zollordnung dokumentiert, wo Juden als Händler erwähnt werden.


Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Mittelalter

Kaiser Friedrich II. erteilte 1338 ein Privileg für die Wiener Juden. 1244 stellte der Herzog von Österreich ein Judenprivileg für ganz Österreich aus.

1338 kam es zur Judenverfolgung, ausgehend von Pulkau (Beschuldigung einer Hostienschändung). Um die bedeutendste Gemeinde in Österreich zu retten, senkten die Wiener Juden den Zinsfuß der Darlehen.


[Bearbeiten] Hussitenkriege und frühe Neuzeit

Im Zuge der Hussitenkriege wurden die Juden aus Österreich vertrieben (1420/21), da Albrecht V. sie verdächtigte, dass sie mit den Hussiten zusammenarbeiteten. 1496 wurden die Juden auf Drängen der Stände von Maximilian I. aus der Steiermark und aus Kärnten vertrieben, durften sich aber am Ostrand des Reichs (Zistersdorf, Eisenstadt) ansiedeln. Ab 1551 mussten sie beim Aufenthalt in Städten und Märkten den "gelben Fleck" tragen. In Wien stieg die Zahl der Juden am Ende des 16. Jahrhunderts wieder an, ein neuer Friedhof (Seegasse, Wien 9) wurde angelegt, und 1624 erhielten die Juden von Kaiser Ferdinand II. ein Privileg und durften sich im heutigen Gebiet der Leopoldstadt ansiedeln. 1669/70 wurden die Juden neuerlich aus Österreich vertrieben. Doch schon rund 10 Jahre später kamen Samuel Oppenheimer und Samson Wertheimer nach Wien und wirkten als Hofjuden und erhielten Privilegien.

[Bearbeiten] Zeitalter der bürgerlichen Revolutionen

Mit den Toleranzpatenten Josephs II. begann die Emanzipation auch für die traditionell ghettoisierten, damals etwa 1,5 Millionen Juden der Habsburger Monarchie. 1781 war zunächst ein Toleranzpatent für die christlichen Minderheiten erlassen worden, vor allem für die Protestanten und Griechisch-Orthodoxen, die rund ein Drittel der Bevölkerung umfassten. Es folgte 1781 das Hofdekret für die Juden Böhmens, die bis zur ersten Teilung Polens, die die galizischen Juden unter österreichische Herrschaft brachte, die größte habsburgische Judenschaft dargestellt hatten und schon weitgehend akkulturiert war. Auch für den nach den Schlesischen Kriegen noch bei Österreich verbliebenen Rest Schlesiens wurde 1781 ein Toleranzpatent erlassen.

[Bearbeiten] Beginn der Emanzipation und Frühindustrialisierung

Mit dem Toleranzpatent für die Juden Wiens und Niederösterreichs 1782 wurden sie zu allen Schulen und Hochschulen zugelassen und erhielten weitgehende Gewerbefreiheit. Ausdrückliches politisches Ziel war, dass die Juden Zugang zu handwerklichen und landwirtschaftlichen Berufen erhalten sollten, uns sich so für den Staat ihre Nützlichkeit erhöhen sollte. Einwanderung blieb ihnen aber ebenso verboten wie der Erwerb von Haus- und Grundbesitz und die Einfuhr jüdischer Schriften. 1788 wurde die Militärpflicht auf sie ausgedehnt.

Zahlreiche Sondergesetze schränkten diese Gleichstellungsansätze wieder ein. Einigen Wiener jüdischen Familien gelang jedoch ein aufsehenerregender sozialer Aufstieg (Arnstein, Eskeles, Königswarter, Hönigstein), der zur Zeit der Freiheitskriege gegen Napoleon beschleunigt wurde. Für monarchistische Beamte wie Friedrich von Gentz, den Berater Fürst Metternichs, waren Juden „geborene Repräsentanten des Atheismus, Jakobinismus, der Aufklärerei“. Das hinderte ihn nicht, beim Wiener Kongress im Salon von Fanny von Arnstein, (geb. Itzig), zu verkehren. Die Salongesellschaft ermöglichte in Wien wie auch in Berlin im ausgehenden 18ten Jahrhundert regelmäßige und intensive häusliche Kontakte zwischen Menschen unterschiedlicher Stände und unterschiedlicher religiöser Bekenntnisse. Vor allem bot sie Frauen die Möglichkeit, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Frau von Arnstein, die es zeitlebens ablehnte, sich taufen zu lassen, versammelte regelmäßig am Dienstagabend eine illustre Gesellschaft von Diplomaten und Aristokraten, darunter Wilhelm von Humboldt, den päpstlichen Nuntius in Wien, Kardinal Severoli, den Duke of Wellington oder Fürst Karl August von Hardenberg. Sie versuchte, auf die während des Kongresses behandelten Probleme ihrer Glaubensgenossen Einfluss zu nehmen.

Die politischen Versuche, die Juden stärker für die wirtschaftliche Entwicklung nutzbar zu machen, hatten jedoch zunächst nur wenig Erfolg. Die weiterhin in christlichen Gilden und Zünften organisierten Berufe wehrten die aufkommende jüdische Konkurrenz nach Kräften ab. Juden blieben weiterhin weitgehend auf den Handel angewiesen und gelangten nur langsam in andere Wirtschaftszweige. In den Städten gelang es den Juden besser als auf dem Land, Zugang zu handwerklichen Berufen zu finden. Der Fernhandel der Juden, die relativ krisensichere Belieferung der Armee mit Uniformen, auch die Pachtung der Tabakregie erwiesen sich als Ausgangspunkte für den Aufbau jüdischer Manufakturen. Mit der Hilfe von Handelskapital konnten Juden eigene Fabriken aufbauen. Nachdem die Einfuhr von Rohbaumwolle freigegeben worden war, gelang es den Juden in Böhmen zum Leidwesen der Leinen- und Wollgewerke, die seit Jahrhunderten die Stoffbranche dominiert hatten, die schnell anwachsende Baumwollindustrie zu ihrer Domäne zu machen. Die Schneiderzünfte in Mähren konnten trotz heftiger Proteste nicht verhindern, dass kapitalkräftige jüdische Großhändler aus dem traditionell von Juden betriebenen Ausbessern und Umarbeiten von Kleidern und Uniformen eine regelrechte Konfektionsindustrie entwickelten, die nun ihrerseits einer Vielzahl von jüdischen Subunternehmern, die den Vertrieb in Städten und Dörfern übernahmen, Brot gab. Auch jüdischen Bankhäusern gelang die Expansion in Wirtschaftsbereiche, die in dieser frühindustriellen Zeit expandierten. Die von Salomon Rothschild in Wien finanzierte Eisenbahn von Wien nach Galizien war 400 Kilometer lang und beschäftigte mit ihrem Bau 14.000 Arbeiter.[1].

Da sich die Angleichung der jüdischen Rechte an die der anderen Bürger schneller in der Stadt auswirkten, kam es zu einem Zuzug in die Städte. Prag wies schon um 1800 mit 8.500 Juden, was einem Bevölkerungsanteil von 10,6% entsprach, den höchsten Anteil an jüdischer Bevölkerung unter allen Großstädten im deutschsprachigen Raum auf. 1848 waren es 11.700. Das waren etwa 40% der Juden Böhmens, die übrigen hatten sich verstreut in ländlichen Gemeinden niedergelassen. In Mähren dagegen durften Juden sich bis 1848 nicht in Dörfern ansiedeln. Sie lebten hier vorwiegend in Städten und Brünn entwickelte sich für sie zum Anziehungspunkt. Um 1800 gab es unter den Juden in Böhmen und Mähren zwar auch eine große Zahl von Armen, ihre wirtschaftliche Lage war jedoch besser als in vielen anderen Regionen. Das war Grund genug, um mit den jeweiligen Obrigkeiten zusammen zu versuchen, das "Einschleichen" von Juden aus dem unvorstellbar armen Galizien, die häufig Bettler, Diebe und Gauner waren, zu verhindern. Wien dagegen zählte um 1800 erst 500-600 Juden bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 200.000. Nur einzelne privilegierte Familien wurden hier geduldet. 1848 war in Wien die jüdische Bevölkerung auf 4.000 angestiegen, was einem Anteil von 0,8% entsprach, und die erste jüdische Gemeinde in Wien konstituierte sich. [2].

[Bearbeiten] Die Restauration nach 1815

Vor den Freiheitskriegen gegen Napoleon traten katholische Romantiker wie Schlegel, Franz von Baader und Klemens Maria Hofbauer für die passiven Bürgerrechte der Juden ein, setzten aber auch antijudaistische Vorurteile fort. Die 1815 begründete Heilige Allianz der Herrscher Preußens, Rußlands und Österreichs betrachtete die christliche Religion als erklärte Grundlage ihrer Politik, vertrat das Gottesgnadentum der Fürsten und stand am Anfang einer restaurativen Phase. Es entstand eine Fortschrittsfeindlichkeit und hinsichtlich der Juden eine Unwilligkeit, ihre Emanzipation fortzusetzen. Der Gesellschaftstheoretiker Adam Heinrich Müller, ein führender Vertreter der deutschen Romantik und Mitglied der Christlich-deutschen Tischgesellschaft, verlangte 1823 in einem Gutachten das Heiratsverbot zwischen Juden und Christen und die Rücknahme erreichter Gleichstellung. Er vertrat eine der vorindustriellen Welt zugewandte Grundhaltung und wandte sich gegen die Modernisierungen, die von der Wirtschaftstätigkeit der Juden herrührten, und setzte Judentum und Kapitalismus gleich.

Währenddessen begann bei den städtischen jüdischen Gemeinden die Assimilation in Form einer Reformbewegung. Ausgehend von Wien glich sich der vorher traditionell aschkenasische Gottesdienst, der in weiten Teilen auch eine Gemeindeversammlung mit profanen Elementen wie der turbulenten Versteigerung der Sitzplätze in der Synagoge war, dem christlichen Gottesdienst an. Laienprediger verdrängten mit deutscher Sprache die jiddische Sprache und stellten damit auch den Primat der Rabbiner in Frage. Es entstand der "Wiener Ritus", den neben einer deutschen Predigt strenge Anstandsregeln und ein hohes musikalisches Niveau des Kantors kennzeichnete. Von Wien aus verbreitete sich der Wiener Ritus nach Böhmen und Galizien.


[Bearbeiten] Liberalismus und Nationalstaat

[Bearbeiten] Zwischen der Revolution von 1848 und rechtlicher Gleichstellung

Manche Juden entschlossen sich, zum Christentum zu konvertieren. Erst mit zunehmender Akzeptanz der Juden um die Jahrhundertmitte ging die Häufigkeit der Konversionen zurück. Einer der prominentesten Konvertiten war Johann Emanuel Veith, der 1831 am Wiener Stephansdom Hofprediger wurde. Er blieb seiner jüdischen Gemeinde verbunden. Als die Blutbeschuldigungen gegen die Juden von Damaskus aufkamen, schwor er von der Kanzel herab auf den Gekreuzigten, dass diese Anschuldigungen offensichtlich falsch seien. Mit judenchristlichen Freunden rief Veith im Mai 1848 den Wiener Katholikenverein ins Leben, der nicht nur Freiheit für die Kirche gegenüber dem Staat, sondern auch größere Freiheit in der Kirche anstrebte. Auch Paulus Stephanus Cassel wurde evangelischer Prediger und schrieb wichtige Werke zur jüdischen Geschichte. Er nahm die Juden vor den Anschuldigungen Heinrich Treitschkes und Adolf Stöckers in Schutz.

In der Märzrevolution 1848 engagierten sich Akademiker, darunter viele gebildete Juden, meist für den Liberalismus. Viele Juden kämpften mit den Christen auf den Barrikaden. Im Revolutionjahr war es noch möglich, dass der jüdische Prediger Isaak Mannheimer und der Kantor Salomon Sulzer zusammen mit katholischen und protestantischen Geistlichen an einem Gemeinschaftsgrab auf dem Schmelzer Friedhof standen, um die Gefallenen der Märztage zu ehren. Es war aber nur eine kurze Zeit, bald nahmen die Spannungen zu. In Wiens Armenvierteln wurde der Ruf laut: Schlagt die Juden tot!, begleitet von einzelnen Gewalttaten. Trotzdem brachte die Pillersdorfsche Verfassung den Juden endlich die ersehnten vollen Bürgerrechte und Religionsfreiheit in Österreich. Dies nahm die Restauration zum Teil wieder zurück: 1851 mussten jüdische Beamte ihre Staatstreue beeiden, 1853 wurde Juden Grunderwerb erneut verboten, 1855 auch das Notariat und Lehrerberufe.

Eigene Zeitungen blieben ihnen erlaubt, so dass sie im Verlagswesen häufiger führende Positionen errangen. Daraufhin entstand eine antisemitische katholische Gegenpresse, die nun dauerhaft gegen das „demokratische Judengesindel“ hetzte und es mit Liberalismus, Kapitalismus und Kommunismus gleichsetzte. Führend darin war der Artillerieoffizier Quirin Endlich, der „Judenfresser von Wien“. Auch Eduard von Tellering, Journalist für die „Neue Rheinische Zeitung“ von Karl Marx, griff Juden in seiner Schrift Freiheit und Juden als „Wucherer“ (Vertreter des Kapitals) und „Freigeister“ (Vertreter der Demokratie) an, griff aber auch auf die alte Ritualmordlegende zurück.

[Bearbeiten] Österreich-Ungarische Monarchie

1867 wurde im Österreichisch-Ungarischen Ausgleich die Emanzipation der Juden im Habsburgerreich vollendet. Durch die Dezemberverfassung wurde den Juden erstmals in ihrer Geschichte in ganz Österreich der ungehinderte Aufenthalt und die Religionsausübung gestattet. 40.000 Juden bildeten bereits 6,6% der Einwohnerzahl Wiens und hatten damit die alten jüdischen Bevölkerungszentren der Habsburger wie Prag, Krakau und Lemberg überflügelt. 1858 wurde eine Synagoge in Wien gebaut, die zu den imposantesten in Europa gehörte. Die meisten Einwanderer Wiens waren aus der ungarischen Reichshälfte gekommen, gefolgt von Böhmen und Mähren. Auch galizische Juden waren gekommen, getrieben von Überbevölkerung, Hungersnöten und Choleraepedemien. Als die polnische Nationalisierungskampagne sie in den 70er Jahren zunehmend aus dem Wirtschaftsleben verdrängte, flohen sie in Massen. Die Urbanisierung konzentrierte die vordem kleinstädtische und dörfliche Judenheit in den Großstädten. Auch in Städten wie Graz, Linz, Innsbruck und anderen entstanden eigene jüdische Gemeinden.

Ein eigenes Gesetz für die Regelung der Angelegenheiten der Kultusgemeinden (Israelitengesetz) wurde 1890 erlassen. Da die erfolgreichen Juden deutsch-liberal gesinnt waren, verband sich die Liberalismuskritik mit einem stark christlich gefärbten Antisemitismus. Um dem entgegenzuwirken wurde 1885 die Union Österreichischer Juden gegründet. Um eine Assimilation zu verhindern, bildete sich auch eine jüdisch-nationale Partei und 1882 die jüdische nationale Studentenverbindung Kadimah. Die Antiassimilations- und nationale Bestrebungen wirkten mit der Begründung des theoretischen Zionismus durch Theodor Herzl zusammen. Unter der geistigen Führung von Zwi Perez Chajes, der ab 1917 Oberrabbiner in Wien war, setzten sich auch die Zionisten in der Leitung der Kultusgemeinde durch.

[Bearbeiten] Erster Weltkrieg

Während des 1. Weltkriegs flüchteten rund 36.000 Juden aus Galizien nach Wien. Die jüdische Gemeinde in Österreich zählte damals etwas über 200.000 Mitglieder.

[Bearbeiten] Juden in der Ersten Republik

Die Geschichte des Staates in dieser Zeit wurde entscheidend von Juden bestimmt. Einerseits vom Geldadel wie Albert Salomon Anselms Sohn und Louis Nathaniel von Rothschild (Eigentümer der Creditanstalt), Wilhelm Berliner (Eigentümer der zweitgrößten Europäischen Lebensversicherung) und anderseits von jüdischen Sozialdemokraten und Austromarxisten wie Otto Bauer und Julius Deutsch.

[Bearbeiten] Nationalsozialismus

Bei den Sozialdemokraten war eine Reihe von Juden in führender Position tätig (Otto Bauer, Julius Deutsch, Hugo Breitner, Julius Tandler und viele andere).

Antisemitische Hetze hatte es auch in Österreich bereits lange vor dem „Anschluss“ gegeben. Hitler selbst, der 1909 als 20-jähriger nach Wien gezogen war und dort die Schriften des Rassenideologen und Antisemiten Jörg Lanz von Liebenfels und die antisemitische Polemik von Politikern wie Georg Ritter von Schönerer (Alldeutsche Bewegung) und dem Wiener Bürgermeister Karl Lueger kennengelernt hatte, war von diesem Milieu mitgeprägt. In der Zwischenkriegszeit waren sowohl Vertreter politischer Parteien, wie auch der katholischen Kirche gegen Juden und das Judentum aufgetreten. 1925 warnte etwa Bischof Sigismund Waitz vor der „Weltgefahr des habgierigen, wucherischen, ungläubigen Judentums, dessen Macht unheimlich gestiegen“ sei und auch die Christlichsoziale Partei bediente sich im Wahlkampf teils offen antisemitischer Klischees. Der Austrofaschismus ab 1934 drängte Juden in der Organisation des katholischen „Ständestaates“ an den Rand der Gesellschaft (vgl. Klerikalfaschismus). „Kauft nicht bei Juden“ war schon vor der Eingliederung des Landes in das nationalsozialistische Deutsche Reich eine bekannte Parole.

Mit dem Anschluss Österreichs 1938 ans Deutsche Reich begann die Ausgrenzung der Juden. 1938 lebten in Österreich, nachdem viele schon zuvor emigriert waren, noch rund 200.000 Menschen, die gemäß den Nürnberger Gesetzen als „Voll-, Halb-, Viertel-, Achteljuden“ galten (davon rund 180.000 in Wien). In den Monaten nach dem „Anschluss“ mussten die im Land verbliebenen nach Wien übersiedeln. Es kam zu Enteignungen und pogromartigen Übergriffen, die viele in den Selbstmord trieben. Auch Egon Friedell, der noch am 11. März 1938 an Ödön von Horvath geschrieben hatte: „Jedenfalls bin ich immer in jedem Sinne reisefertig“, nahm sich durch einen Sprung aus dem Fenster das Leben, als Gestapo-Beamte ihn abholen kamen.

Während der Novemberpogrome („Reichskristallnacht“), kam es in Wien, Klagenfurt, Linz, Graz, Salzburg, Innsbruck und mehreren niederösterreichischen Städten zu gewalttätigen Übergriffen auf Juden und jüdische Einrichtungen wie Synagogen. Insgesamt wurden dabei 27 Menschen getötet, darunter auch Richard Berger, der Vorstand der Kultusgemeinde von Innsbruck. Etwa 6.500 Juden wurden verhaftet, von denen die Hälfte in Konzentrationslager, vor allem nach Dachau, deportiert wurden.

Ein Jahr nach dem Anschluss lebten in Wien noch ca. 91.000 so genannte „Volljuden“ und 22.000 „Mischlinge“. Ab 1940 wurden die in der „Ostmark“ verbliebenen Juden in großer Zahl in das KZ Theresienstadt oder eines der Ghettos im besetzten Polen deportiert. Baldur von Schirach, als Gauleiter von Wien dafür verantwortlich, bezeichnete dies als seinen „Beitrag zur europäischen Kultur“. Am 1. November 1942 wurde die Wiener Kultusgemeinde aufgelöst. Die Shoa kostete etwa 65.500 jüdischen Österreichern das Leben, etwa 120.000 emigrierten.

[Bearbeiten] Gegenwart

Nach dem Krieg kamen einige Tausend zurück und neben Wien bildeten sich israelitische Kultusgemeinden auch in Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck. Die Zahl der Juden nahm bis in die 70er Jahre ständig ab; durch die Zuwanderung Jüdischstämmiger aus der Sowjetunion konnte dieses Problem gelöst werden.

Seit den 1980er Jahren blüht wieder ein vielfältiges, eigenständiges jüdisches Leben, das durch Schulgründungen, Gemeindezentren, Unterstützungsorganisationen, Sportvereine, zahlreiche kulturelle Aktivitäten etc. gekennzeichnet ist.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Quellen

  1. Michael Brenner, Stefi Jersch-Wenzel, Michael A.Meyer: Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit, Bd.2, Emanzipation und Akkulturation 1780-1871, München 1996, ISBN 3406397034, S.78 ff.
  2. Michael Brenner et al., a.a.O., S.63 ff.

[Bearbeiten] Literatur

  • Gerhard Botz u.a. (Hrsg.): Eine zerstörte Kultur. Jüdisches Leben und Antisemitismus in Wien seit dem 19. Jahrhundert. Czernin, Wien 2002, ISBN 3-7076-0140-4
  • Wolfgang Häusler: Die Revolution von 1848 und die österreichischen Juden. Österreichisches Jüdisches Museum, Eisenstadt 1974
  • Martha Keil, Klaus Lohrmann (Hrsg.): Studien zur Geschichte der Juden in Österreich. Philo VG, Bodenheim 1997, ISBN 3-8257-0087-9
  • Klaus Lohrmann: Judenrecht und Judenpolitik im mittelalterlichen Österreich. Böhlau, Wien 1990, ISBN 3-205-05286-2
  • Klaus Lohrmann (Hrsg.): 1000 Jahre österreichisches Judentum. Roetzer, Eisenstadt, ISBN 3-85374-096-0 (Ausstellungskatalog)
  • Hans Tietze: Die Juden Wiens. Geschichte, Wirtschaft, Kultur. "Wiener Journal"-Verlag, Himberg/Wien 1987, ISBN 3-9003-7905-X (Repr. d. Ausg. Leipzig 1933)
  • Gerson Wolf: Geschichte der Juden in Wien (1145-1876). Geyer, Wien 1974 (Repr. d. Ausg. Wien 1876)

[Bearbeiten] Weblinks

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