Großer Befähigungsnachweis
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Unter dem Großen Befähigungsnachweis versteht man die gesetzliche Regelung in Deutschland, Österreich (bis 1999) und Luxemburg, die es, in einigen Handwerken, nur Meistern und gleichgestellten erlaubt, handwerkliche Betriebe zu führen. Umgangssprachlich wird die Pflicht, einen Großen Befähigungsnachweis für die Führung eines handwerklichen Betriebs zu besitzen, "Meisterzwang" oder gelegentlich auch "Meisterpflicht" genannt.
Eine alternative Regelung zum Großen Befähigungsnachweis ist der "Kleine Befähigungsnachweis". Bei dieser Regelung ist der Meisterbrief lediglich zum Ausbilden von Lehrlingen erforderlich, nicht aber zur Betriebsführung. Diese Regelung gilt heute wieder für die Handwerke, für die der große Befähgungsnachweis abgeschafft wurde.
Im Jahr 2004 wurde in Deutschland die Zahl der Handwerke, in denen der Große Befähigungsnachweis verpflichtend ist, deutlich reduziert. In Österreich gibt es die Meisterpflicht seit dem 1. Januar 2000 nicht mehr.
Der Große Befähigungsnachweis dient dabei in erster Linie dem Verbraucherschutz, da er nur für Gewerbe mit einer besonderen Gefahrengeneigtheit und entsprechend hohen Anforderungen an die Qualifikation der Betriebsinhaber gilt.
Noch weitreichendere Schutzgesetze als für Meister gibt es in Deutschland unter anderem für Rechtsanwälte, Steuerberater, Ärzte und Apotheker.
Haaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaalo wie wärs mit nem Bild odr so????== Liste der zulassungspflichtigen bzw. -freien Handwerke in Deutschland seit Januar 2004 ==
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Zulassungspflichtig
- Augenoptiker
- Boots- und Schiffbauer
- Brunnenbauer
- Bäcker
- Büchsenmacher
- Chirurgiemechaniker
- Dachdecker
- Elektroinstallateur
- Elektromaschinenbauer
- Feinwerkmechaniker
- Fleischer
- Frisöre
- Gerüstbauer
- Glasbläser und Glasapparatebauer
- Glaser
- Hörgeräteakustiker
- Informationstechniker
- Installateur und Heizungsbauer
- Karosserie- und Fahrzeugbauer
- Klempner
- Konditoren
- Kraftfahrzeugtechniker
- Kälteanlagenbauer
- Landmaschinenmechaniker
- Maler und Lackierer
- Maurer und Betonbauer
- Metallbauer
- Ofen- und Luftheizungsbauer
- Orthopädieschuhmacher
- Orthopädietechniker
- Schornsteinfeger
- Seiler
- Steinmetzen und Steinbildhauer
- Straßenbauer
- Stukkateure
- Tischler
- Vulkaniseure und Reifenmechaniker
- Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierer
- Zahntechniker
- Zimmerer
- Zweiradmechaniker
[Bearbeiten] Zulassungsfreie Handwerke
- Behälter- und Apparatebauer
- Betonstein- und Terrazzo-Hersteller
- Bogenmacher
- Brauer und Mälzer
- Buchbinder
- Buchdrucker, Schriftsetzer, Drucker
- Drechsler (Elfenbeinschnitzer) und Holzspielzeugmacher
- Edelsteinschleifer und -graveure
- Estrichleger
- Feinoptiker
- Flexografen
- Fliesen-, Platten- und Mosaikleger
- Fotografen
- Galvaniseure
- Gebäudereiniger
- Geigenbauer
- Glas- und Porzellanmaler
- Glasveredler
- Goldschmiede und Silberschmiede
- Graveure
- Handzuginstrumentenmacher
- Holzbildhauer
- Holzblasinstrumentenmacher
- Keramiker
- Klavierbauer und Cembalobauer
- Korbmacher
- Böttcher
- Kürschner
- Metall- und Glockengießer
- Metallbildner
- Metallblasinstrumentenmacher
- Modellbauer
- Modisten
- Müller
- Orgelbauer und Harmoniumbauer
- Parkettleger
- Raumausstatter
- Rollladen- und Jalousiebauer
- Sattler und Feintäschner
- Schilder- und Lichtreklamehersteller
- Damen- und Herrenschneider
- Schneidwerkzeugmechaniker
- Schuhmacher
- Segelmacher
- Siebdrucker
- Sticker
- Textilreiniger
- Uhrmacher
- Vergolder
- Wachszieher
- Weber
- Weinküfer
- Zupfinstrumentenmacher
[Bearbeiten] Kontroverse in Deutschland
Das deutsche Handwerk mit seiner Besonderheit der Marktzugangsberechtigung
Die Handwerksordnung und ihre gesellschaftlich-ökonomische Bedeutung
Ein Überblick
— Durch die Handwerksordnung (HWO) hat der Gesetzgeber die Berufszulassung zum Handwerk festgelegt, d. h. für die Selbstständigkeit ist der Meisterbrief obligatorisch (adäquate Ausbildungen werden per Ausnahmegenehmigung anerkannt). [1]
— Der Gesetzgeber regelt die Berufsausübung, bestimmt also die Tätigkeiten, die dem Handwerk zuzurechnen sind, grenzt Berufsbilder ab und regelt die Berufsausbildung.
— Überdies werden die Aufgaben der Handwerksorganisationen bestimmt. [2]
— Die HWO beschränkt somit die freie Berufswahl im Sinne des Artikel 12 Grundgesetz (GG), wo ausdrücklich die freie Wahl des Berufes festgelegt ist, und des Gleichheitsrechtes des Artikel 3 Grundgesetz (GG).
— Aus konstitutionsökonomischer und verfassungsrechtlicher Sicht müssen staatliche Eingriffe in die Freiheits- und Gleichheitsrechte des Einzelnen begründet werden.
— Gerechtfertigt sind demnach nur solche Beschränkungen, die im Interesse der Allgemeinheit liegen, d. h. allgemein konsensfähig sind.
— Diesem Kriterium entsprechen Gesetze, die letztlich unabhängig von wechselnden politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen zustimmungsfähig sind.
Was stellt der große Befähigungsnachweis (Meisterbrief) dar?
— Als eine Art "Markenartikelimage" soll er bescheinigen, dass der Handwerker a) die fachlichen und kaufmännischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt, um die jeweiligen Aufträge selbstständig ausführen zu können. b) damit einen entsprechenden fachlichen und unternehmerischen Standard im Interesse der Konsumenten (Konsumentenschutz), des Handwerks (Handwerksqualität) und der Handwerker selbst (Konkursgefahr) sicherstellt.
— Bis zur Gesetzesnovellierung im Januar 2004 war der Regelungszweck des Meisterzwangs (großer Befähigungsnachweis), dass dieser "einen Beitrag zur Sicherung des Leistungsstands und der Leistungsfähigkeit des Handwerks und des Nachwuchses für die gesamte gewerbliche Wirtschaft leisten" soll.
— Seit dieser gesetzlichen Änderung ist der Zweck des Meisterzwangs im Handwerk "Gefahren für die Gesundheit oder das Leben Dritter" abzuwehren.
— Ein direkter Einfluss auf den Wortlaut des Gesetzestextes kann nicht hergeleitet werden, jedoch muss das Gesetz entsprechend dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Regelungszweck ausgelegt werden, denn vieles ist in der Handwerksordnung unklar geregelt, so dass die Auslegung eine sehr große Rolle spielt.
Qualitätssicherung
— Die Begründung für den Beibehalt des Meisterbriefs als Marktzugang besteht bei den Befürwortern darin, dass Anbieter und Nachfrager über die Qualität der erbrachten Leistungen unterschiedlich informiert seien (asymmetrische Information), es könne sonst ein unerwünschter Leistungswettbewerb nach unten in Gang gesetzt werden wenn nur Preise verglichen werden. [3]
— Von öffentlichem Interesse wäre der bestehende Meistervorbehalt dann, wenn er zum Ausgleich von Marktmängeln oder gar einem Marktversagen notwendig wäre (etwa aufgrund von asymmetrischer Information im Handwerkssektor). [4]
Zum Teil werden diese Vorbehalte schon durch die Realität (z. B. Internet) zu einem gewissen Grad ausgehebelt, denn aufgrund von einem Mangel an Kaufkraft ist der Kunde noch mehr bestrebt einen günstigeren Preis für ein Produkt oder eine Dienstleistung zu erhalten. Insgesamt werden durch Websites wie z. B. "undertool.de" die Marktsegmente und Preise für Dienstleistungen im Handwerk transparenter.
— Es entstehe, so die Argumentation, eine Negativauslese unter den Anbietern und es entwickle sich eine ruinöse Konkurrenz auf den Handwerksmärkten. [5]
Diese Konkurrenzentwicklung wird in Deutschland durch die EU-Osterweiterung sowieso zunehmend auftreten. Wenngleich bis dato nur in einzelnen kleinen Bereichen. Durch den Wegfall der Registrierungspflicht gemäß § 9 der Handwerksordnung (HWO) für ausländische Betriebe, die in Deutschland eine Dienstleistung verrichten möchten, basierend auf einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), bootet sich ein großer Teil des deutschen Handwerks langfristig mit dieser Marktzugangsregelung selber aus. [6]
— Die Gegenargumentation: Eine Ungleichverteilung der Information gibt es auf vielen Märkten, nicht nur im Bereich Handwerk. [7]
— Eine besondere Fürsorgepflicht des Staates für das Handwerk ist hieraus nicht abzuleiten. [8]
— Es kann angenommen werden, dass die Kunden spätestens nach der Erbringung der Leistung deren Qualität beurteilen können und bei Unzufriedenheit den Anbieter wechseln.
— Es kann auch auf die Erfahrungen anderer zurückgegriffen werden (Reputation), sei es über Empfehlungen oder über Expertenwissen (funktioniert bei Schwarzarbeit ja auch).
— Auf der anderen Seite können die Handwerksbetriebe den Verbrauchern Qualitätsunterschiede durch a) freiwillige Garantiezusagen b) Serviceangebote c) Meistertitel als umfassendes Qualitätsmerkmal (freiwillig) signalisieren. [9]
Gefahrenschutz
— Ein Verbraucherschutz vor Gesundheitsschäden durch fehlerhafte Produkte und Dienstleistungen ist von allgemeinem Interesse.
— Hieraus werden unter anderem die Vorschriften der Gewerbeordnung, technische Normen, Ausbildungsvorschriften und das Haftungsrecht abgeleitet.
— Insbesondere im Vergleich zum Ausland bieten die hohen fachlichen Ausbildungsstandards der Gesellenprüfung im Handwerk bereits einen präventiven Schutz.
— Bestehende Gesetze wie z. B. Produkthaftungsgesetz oder die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) werden als völlig ausreichend erachtet.
— Es stellt sich in der Tat die Frage, ob zusätzliche subjektive Zulassungsbeschränkungen wie die Meisterprüfung bzw. sechsjährige Berufserfahrung, um eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten (davon 4 Jahre in leitender Stellung als Geselle gemäß § 7b HWO) angemessen sind, angesichts der Tatsache, dass im übrigen Europa eine derartig restriktive Handhabung nicht existent ist (Ausnahme in ähnlicher, aber abgemilderter Form: Österreich und Luxemburg).
— Das rechte Maß zu erfassen, ist eine normative Entscheidung und kann letztlich nur auf politischer Ebene bestimmt werden. [10]
— Allerdings ist in diesem Zusammenhang nur der Nachweis "meisterlicher" fachlicher Kenntnisse und Fertigkeiten mit dem Gefahrenschutz begründbar.
— Betriebswirtschaftliche und arbeitspädagogische Kenntnisse, die ebenfalls Teil der Meisterprüfung sind, müssen aufgrund fehlender Relevanz außen vor bleiben, schließlich gibt es auch keine kaufmännische Prüfung für Restaurantbesitzer, aber für Bäcker und Konditoren.
— Einmalig erworbene Qualifikationen wie die Meisterprüfung verlieren speziell im Zuge des rasanten technischen Wandels ohne kontinuierliche Fortbildung an Aussagekraft.
— Einen 100%gen Schutz vor Schäden durch menschliches oder technisches Versagen können auch Zusatzqualifikationen nicht bieten. Meist liegen die Ursachen von Problemen im Pfusch in der Ausübung oder unsachgemäßer Handhabung von Materialien oder Maschinen und Geräten.
— Trotz des hervorgehobenen Gemeinwohles sind beispielsweise keine Arbeits- und Umweltschutzvorschriften in der HWO verankert.
Gleichheitsrecht
— Regulierungen der Berufszulassung und der Berufsausübung bedürfen auch deshalb der regelmäßigen Überprüfung, da sie den Gleichheitsgrundsatz im Artikel 3 Grundgesetz (GG) betreffen.
— Insbesondere vor dem Hintergrund sich ändernder wirtschaftlicher Rahmenbedingungen verbirgt sich oftmals die Gefahr der Diskriminierung (sog. Inländerdiskriminierung, d. h. deutsche Handwerker werden gegenüber anderen europäischen Handwerkern aufgrund erschwertem Marktzutritt benachteiligt).
— Wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass die Handwerksordnung (HWO) von 1953 mit ihrer derzeitigen Regelung auf einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 1961 beruht und dieses Gericht für die Entscheidungsfindung die Verhältnisse und Daten aus den 1950er Jahren zugrunde gelegt hat. [11]
— Zur Begründung hat das Gericht den großen Befähigungsnachweis als Regelung der Berufswahl und nicht der Berufsausübung gekennzeichnet.
— Unter einer Vielzahl von rechtsstaatsächlichen Erwägungen, welche die besondere Stellung des Handwerkerstandes in der gesamten Wirtschaft belegen sollen (zu nennen wären: Umsatz, Beschäftigtenzahl, Nachwuchsförderung für die gewerbliche Wirtschaft, Bedeutung für den Mittelstand und das Sozialgefüge), kam das Gericht zu der Auffassung, dass diese öffentlichen Interessen Gemeinschaftsgüter von so hoher Bedeutung darstellen, dass sie eine Einschränkung der freien Berufswahl rechtfertigen.
— Im Zuge der Dienstleistungsfreiheit in den EU-Mitgliedstaaten hat sich der Reformdruck in diesem Punkt erhöht, speziell durch die Osterweiterung.
— Mit einer Lockerung der Gesetze zum Markteintritt würde das Problem der sog. Inländerdiskriminierung entschärft.
— Es dürften sich durch Wegfall der Marktzutrittsbarriere Zunahmen an Existenzgründungen ergeben und es könnte neben einer günstigeren Arbeitsplatzentwicklung sich in diesem Bereich auch mehr Dynamik in diesem Marktsegment entwickeln, da viele Arbeiten, die zuvor nicht oder im DIY-Verfahren oder in Schwarzarbeit ausgeführt worden sind, nunmehr auf dem offiziellen Markt nachgefragt würden.
[1] siehe Landman/Rohmer, Gewerbeordnung, Loseblattsammlung, Band 1, §1 Randziffer 3, S. 6
[2] siehe Detlef Perner, Mitbestimmung im Handwerk? Die politische und soziale Funktion der Handwerkskammern im Geflecht der Unternehmensorganisation, Köln 1983; Valentin Chesi, Struktur und Funktionen der Handwerksorganisation in Deutschland seit 1933, Berlin 1966; Peter John, Handwerkskammern im Zwielicht, Frankfurt/M 1979
[3] siehe Gerd Habermann, Die deutsche Handwerksordnung als Relikt der Gewerbebindung, in: Ordo, Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, Band 41, 1990
[4] siehe Markus Fredebeul-Krein; Angela Schürfeld, Marktzutrittsregulierungen im Hand-werk und bei technischen Dienstleistungen. Eine ökonomische Analyse, Köln 1998 Thomas Fellecker; Stefan Fellecker, Handwerksordnung und großer Befähigungsnachweis – die historische Wahrheit, Handwerkskammer Lüneburg, April 2003
[5] siehe ZDH, Die Stellungnahme des ZDH zur Reform der HWO, abgedruckt in: Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 96, 2/2003
[6] siehe Birgit Buschmann; Wojciech Golenbiewski, Kooperationen im Handwerk mit Blick auf die EU-Osterweiterung, Mannheim 2003
[7] siehe Ingo Stüben, Das Deutsche Handwerk. Der große Befähigungsnachweis (Meisterbrief) als Kriterium des Marktzutritts, Magdeburg 2006
[8] siehe Ulrich Briefs, Deutsche Rückständigkeit. Alles verboten – Die deutsche Hand-werksordnung gehört abgeschafft, in: Stefan Bollmann (Hrsg), Patient Deutschland. Eine Therapie, München 2002
[9] siehe Ingo Stüben, Das deutsche Handwerk. Eine Säule der Wirtschaft im Wandel, Ham-burg 2006
[10] siehe Egon Tuchtfeld, Gewerbefreiheit als wirtschaftspolitisches Problem, Berlin 1955
[11] siehe Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, Beschluss vom 17. Juli 1961, 1 BvL 44/55, in: BverfGE 13,97, S. 104 f