Hans Jonas
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Hans Jonas (* 10. Mai 1903 in Mönchengladbach; † 5. Februar 1993 in New York) war ein amerikanisch-jüdischer Philosoph deutscher Herkunft.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Leben
Hans Jonas wurde 1903 in Mönchengladbach als Sohn eines Textilfabrikanten geboren. Er besuchte das Stiftische Humanistische Gymnasium in Mönchengladbach und legte dort 1921 sein Abitur ab. Nach dem Studium der Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Freiburg, Berlin, Heidelberg und Marburg (u.a. bei Edmund Husserl , Martin Heidegger und Rudolf Bultmann) promovierte Hans Jonas 1928 mit einer Arbeit zum "Begriff der Gnosis". Mit seiner Kommilitonin Hannah Arendt verband ihn eine enge Freundschaft, die lediglich für einige Zeit wegen Auseinandersetzungen über ihr Werk: Eichmann in Jerusalem, unterbrochen war. An seinem ersten Buch arbeitete er in Heidelberg, wo sich auch Arendt aufhielt, zum Thema: Augustinus und das paulinische Problem der Freiheit , einem zur Dissertation Arendts eng verwandtem Gebiet.
1933 wanderte er nach London aus, 1935 nach Palästina (Jerusalem). Von 1940 bis 1945 war er britischer Soldat in der Jüdischen Brigade, 1948 bis 1949 in der israelischen Armee. Nach der Rückkehr nach Deutschland erfuhr er von der Verschleppung und der Ermordung seiner Mutter in Auschwitz. 1949 siedelte Jonas nach Kanada und 1955 schließlich nach New York über. Er war Fellow an der McGill University Montreal und 1950-1954 an der Carleton University Ottawa sowie anschließend Professor an der New School for Social Research/New York. Gastprofessuren hatte er an der Princeton University, Columbia University, University of Chicago und der Ludwig-Maximilians-Universität München inne. Für sein Werk erhielt Jonas zahlreiche internationale Auszeichnungen, 1987 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, die Ehrenbürgerschaft seiner Heimatstadt Mönchengladbach, zahlreiche Ehrendoktorate, wie von der Universität Konstanz (Philosophie), und die Verleihung von Ehrenmitgliedschaften in der American Academy of Arts and Science (Cambridge) und der International Academy of Science. 2003 erschien zum 10-jährigen Todestag seine Autobiographie "Erinnerungen".
[Bearbeiten] Werk
Jonas beschäftigte sich zunächst vorwiegend mit geistes- und philosophiegeschichtlichen Themen. Dabei galt sein Hauptinteresse der spätantiken Gnosis, die er aus existenzphilosophischer Perspektive als Ausdruck der menschlichen Grunderfahrung einer tiefen Entzweiung von Ich und Welt deutete.
Spätere Arbeiten entwickelten die Konzeption einer philosophischen Biologie, die als ontologisch orientierte Philosophie des Organischen den in Gnosis und Neuzeit gleichermaßen aufbrechenden Dualismus von Subjekt und Objekt, Geist und Materie, Seele und Leib, Freiheit und Notwendigkeit theoretisch zu überwinden versucht. Ihr zufolge bildet das Organische bereits in seinen phylo- und ontogenetisch elementarsten Formen das Geistige vor, während der Geist umgekehrt noch in seinen höchsten und subtilsten Leistungen stets Teil des Organischen bleibt. So wird z.B. die alles Geistige wesentlich kennzeichnende Freiheit als ein im Kern schon im organischen Vorgang des Stoffwechsels angelegtes Prinzip interpretiert, das sich in steter Abhängigkeit von seinen materiellen Grundlagen gleichwohl zu gattungsgeschichtlich immer höher entwickelten Formen entfaltet.
Auf dieser naturphilosophischen Grundlage wandte sich Jonas schließlich zunehmend ethischen Fragestellungen zu, die insbesondere das Verhältnis des Menschen zur Natur und seinen Umgang mit der Technik betrafen. Gegenüber der vorwiegend auf den Menschen als denkendes und handelndes Subjekt bezogenen Ethik der Neuzeit blieb dabei der ontologische Gesichtspunkt bestimmend: Was gut und richtig ist, verdankt sich nicht primär subjektiver Reflexion, sondern ist im Sein selbst gleichsam objektiv vorgezeichnet. Jonas' Hauptwerk erschien 1979 unter dem Titel Das Prinzip Verantwortung - Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. Aus ihm stammt das bekannte, in der Formulierung an Kants kategorischen Imperativ angelehnte Zitat, das auch als 'ökologischer Imperativ' bekannt ist:
- "Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden."
Zuletzt suchte Jonas diesen verantwortungsethischen Ansatz auch für konkrete Anwendungsfelder wie die Ökologie, die Medizin und insbesondere die Biomedizin zu präzisieren.
Im Spätwerk hat sich Jonas wieder vermehrt religionsphilosophischen Fragestellungen zugewandt, die insbesondere die eigene jüdische Tradition einer neuen Lesart unterzogen haben. Von besonderer Bedeutung ist hier sein Beitrag zur Theodizeefrage nach Auschwitz. Um nach dem millionenfachen Mord an den Juden Europas überhaupt noch von Gott sprechen zu können, müsse die Vorstellung von der Allmacht Gottes aufgegeben werden. Gott, der sich in der Erschaffung der Welt ihrem zufällig, evolutionären Werden ausgesetzt hat, bleibt zwar gütig und steht in Kommunikation zu seiner Schöpfung, doch kann er selbst auf den Weltlauf keinen Einfluss nehmen. Die Verantwortung für das Böse in der Welt trägt infolgedessen der Mensch allein. Um dies zu veranschaulichen, entwarf er den Mythos eines werdenden Gottes:
- "Im Anfang (...) entschied der göttliche Grund des Seins, sich dem Zufall (...) hinzugeben. Und zwar gänzlich: Da sie einging in das Abenteuer von Raum und Zeit, hielt die Gottheit nichts von sich zurück (...). Damit Welt sei, und für sich selbst sei, entsagte Gott seinem eigenen Sein; er entkleidete sich seiner Gottheit, um sie zurückzuempfangen von der Odyssee der Zeit, beladen mit der Zufallsernte unvorhersehbarer zeitlicher Erfahrung, verklärt oder vielleicht auch entstellt durch sie. (...) Jeder Artenunterschied, den die Evolution hervorbringt, fügt den Möglichkeiten von Fühlen und Tun die eigene hinzu und bereichert damit die Selbsterfahrung des göttlichen Grundes. (...) Die Schöpfung war der Akt der absoluten Souveränität, mit dem sie [Anmerkung: die Gottheit] um des Daseins selbstbestimmter Endlichkeit willen einwilligte, nicht länger absolut zu sein - ein Akt also der göttlichen Selbstentäußerung. (...) Nachdem er sich ganz in die werdende Welt hineingab, hat Gott nichts mehr zu geben: Jetzt ist es am Menschen, ihm zu geben."
[Bearbeiten] Zitate
- "Der schlechten Prognose den Vorrang zu geben gegenüber der guten, ist verantwortungsbewußtes Handeln im Hinblick auf zukünftige Generationen."
[Bearbeiten] Werke (Auswahl)
- Erinnerungen. Nach Gesprächen mit Rachel Salamander. - Frankfurt a.M. : Insel-Verl., 2003. - ISBN 3-458-17156-8
- Gnosis und spätantiker Geist. - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 1.1954 - 8.1966
- Macht oder Ohnmacht der Subjektivität? - Das Leib-Seele-Problem im Vorfeld des Prinzips Verantwortung. - Frankfurt a.M. : Suhrkamp, 1987. - ISBN 3-518-38013-3
- Organismus und Freiheit - Ansätze zu einer philosophischen Biologie. - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 1973
- Das Prinzip Verantwortung - Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. - Frankfurt a.M. : Suhrkamp, 1984. - ISBN 3-518-375857
- Technik, Medizin und Ethik - Zur Praxis des Prinzips Verantwortung - Frankfurt a.M. : Suhrkamp, 1987 - ISBN 3-518-380141
- Der Gottesbegriff nach Auschwitz: eine jüdische Stimme - Frankfurt a.M. : Suhrkamp, 1987. - ISBN 3-518-38016-8
- Philosophische Untersuchungen und metaphysische Vermutungen. - Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1994. - ISBN 3-518-38779-0 (Rezension)
[Bearbeiten] Literatur
- Harms, Klaus: Hannah Arendt und Hans Jonas. Grundlagen einer philosophischen Theologie der Weltverantwortung. Berlin: WiKu-Verlag (2003). ISBN 3-936749-84-1.
- Müller, Wolfgang E. Hans Jonas : von der Gnosisforschung zur Verantwortungsethik Stuttgart: Kohlhammer, 2003
- Wetz, Franz Josef Hans Jonas zur Einführung - Hamburg: Junius, 1994, Neuauflage udT: HJ - Eine Einführung Wiesbaden: Panorama, 2005 (Reihe: Große Denker) ISBN 3-926642-69-6
- Sommer, Andreas Urs Gott als Knecht der Geschichte. Hans Jonas' "Gottesbegriff nach Auschwitz" in: Theologische Zeitschrift, Jg. 51 (1995), S. 340-356
- Hirsch Hadorn, Gertrude Umwelt, Natur und Moral. Eine Kritik an Hans Jonas, Georg Picht und Vittorio Hösle. Freiburg: Alber, 2000 ISBN 3-495-47976-7
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Hans Jonas im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eintrag (mit Literaturangaben) im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon (BBKL)
- Hans Jonas Zentrum (auch: jeweils aktuelle Literatur-Hinweise)
- Kurzbiographie auf der Homepage seiner Schule
Personendaten | |
---|---|
NAME | Jonas, Hans |
KURZBESCHREIBUNG | deutsch-jüdischer Philosoph und Ethiker |
GEBURTSDATUM | 10. Mai 1903 |
GEBURTSORT | Mönchengladbach |
STERBEDATUM | 5. Februar 1993 |
STERBEORT | New York |
Kategorien: Hochschullehrer (Chicago) | Hochschullehrer (Montreal) | Hochschullehrer (München) | Hochschullehrer (Ottawa) | Hochschullehrer (New York) | Hochschullehrer (Princeton) | Philosoph (20. Jahrhundert) | Vertreter der Philosophie des Geistes | Moralphilosoph | Mann | Geboren 1903 | Gestorben 1993 | Preisträger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels