Henrik Ibsen
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Henrik Johan Ibsen (* 20. März 1828 in Skien/Norwegen; † 23. Mai 1906 in Kristiania, damaliger Name von Oslo) war ein norwegischer Schriftsteller, der für den Naturalismus in Deutschland und Norwegen bedeutend war.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Leben
[Bearbeiten] Leben und Werk bis 1864 (Norwegen)
Henrik Ibsen entstammte den vornehmsten und ältesten norwegischen Familien, unter anderem der Familie Paus. Er wurde in Skien (Ostnorwegen) geboren. Sein Vater Knud Ibsen war ein wohlhabender Kaufmann, der aber Bankrott anmelden musste, als Henrik gerade acht Jahre alt war. Die Familie war gezwungen, auf das ländliche Gut Venstøp zu ziehen, wo Henrik, seine Eltern und seine vier jüngeren Geschwister isoliert von der Stadtgesellschaft lebten. 1844 trat Henrik als Sechzehnjähriger seinen Dienst als Apothekerlehrling in der Reimannschen Apotheke in Grimstad an.
Im Jahre 1850 lebte Henrik Ibsen in Christiania (Oslo), wo er die sogenannte Heltbergsche „Abiturientenfabrik“ besuchte und Kontakt zur norwegischen Arbeiterbewegung des utopischen Sozialisten Marcus Thrane aufnahm. Hier entstand 1848 unter dem Eindruck der Februarrevolution in Frankreich auch sein erstes Stück mit einem Stoff aus der römischen Geschichte, Catilina. Im Alter von 20 Jahren befreundete er sich mit Bjørnstjerne Bjørnson. In Oslo gab er zusammen mit Paul Botten-Hansen und Aasmund Olavsson Vinje das Wochenblatt Andhrimner heraus. Während dieser Zeit beschäftigte er sich viel mit altnordischer Geschichte und Volkskunde.
Im November 1851 berief ihn Ole Bull als Hausdichter und künstlerischer Leiter an das Norske Theater in Bergen, wo man sich um den Aufbau eines norwegischen Nationaltheaters bemühte. Zu dessen Repertoire sollte Ibsen jedes Jahr ein Stück beisteuern. Auf diesem Hintergrund entstanden die sogenannten nationalromantischen Dramen, darunter Die Sankt Johannisnacht (UA 1853), Frau Inger auf Östrot (UA 1855) und Das Fest auf Solhaug (UA 1856), aus denen bereits eine Kritik an konservativ-nationalen Ideen erkennbar war. Seinen Posten dort hatte er fast sechs Jahre inne. 1852 begab er sich auf eine Studienreise nach Kopenhagen und Dresden, um die dortigen Theaterverhältnisse zu studieren. In der dänischen Hauptstadt wurde er vom Intendanten und Dramatiker Johan Ludvig Heiberg empfangen und sah unter anderem Stücke von Holberg und Oehlenschläger. In Dresden begleitete ihn ein berühmter Landsmann, der norwegische Maler Johan Christian Clausen Dahl, in das damals sehr anerkannte Hoftheater, in dem die Schauspieler Emil Devrient und Bogumil Dawison (als Gaststar) brillierten.
1857 übernahm Ibsen die Leitung des Kristiania Norske Theater in Christiania. Am 18. Juli 1858 heiratete er Suzannah Thoresen; aus der Ehe ging ein Sohn hervor. Der Konkurs des Kristiania Norske Theater 1862 belastete ihn sehr. Obwohl ihm sein 1864 uraufgeführtes Stück Die Kronprätendenden den ersten großen Erfolg einbrachte und Ibsen in seiner Heimat Norwegen verwurzelt war, verließ er noch im selben Jahr seine Heimat Norwegen. Er fühlte sich von seinen Landsleuten verkannt und angefeindet; außerdem missfiel ihm, dass Norwegen dem Brudervolk der Dänen, das sich im Krieg mit Preußen befand, nicht die eigentlich versprochene Unterstützung gewährte. Bjørnstjerne Bjørnson organisierte ihm ein Stipendium für eine Studienreise; insgesamt sollte er jedoch 27 Jahre, zunächst in Italien (Rom), später in Deutschland (Dresden, München), im freiwilligen Exil verbringen.
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[Bearbeiten] Ibsens Werk 1864 - 1891 (Europa)
In der Zeit des „europäischen Exils“ entstanden Ibsens bedeutendste Bühnenwerke. Zunächst schrieb er 1866 Brand (UA 1885) und 1867 Peer Gynt (UA 1876). Die Protagonisten dieser Stücke wurden geradezu einer psychologischen Sezierung unterzogen. Das 1873 entstandene zehnaktige Doppeldrama Kaiser und Galiläer (UA 1896) sah Ibsen als das Hauptwerk seines Lebens an. Die Aufführung von Stützen der Gesellschaft 1877 markiert heute die Geburt einer neuen Theatergattung, des naturalistischen Gesellschaftsdramas, das als Ausgangspunkt des modernen Dramas gilt. Es folgten 1879 Nora oder Ein Puppenheim und 1882 Gespenster, welche sich in erster Linie mit gesamtgesellschaftlichen Betrachtungen beschäftigten. Die Wildente (UA 1884) hingegen rückte das menschliche Individuum mehr in den Mittelpunkt und mit den in den Jahren darauf folgenden Dramen gelangte Ibsen zu immer psychoanalytischeren Deutungen. Die analytische Technik des „Lauerns“ auf den passenden Moment, der die verhängnisvollen Verfehlungen eines Individuums in der Vergangenheit aufdeckt, wird vielfach mit der retrospektiven Technik des antiken Drama des Sophokles verglichen. Der Unterschied besteht allerdings darin, dass Ibsen - anders als Sophokles - die Eigenverantwortlichkeit des Menschen und nicht das unabänderliche Schicksal betont. Das Erscheinen der Gesellschaftsdramen riefen oft Skandale hervor. Beispielsweise waren die Gespenster lange Zeit streng zensiert und wurden in Chicago uraufgeführt.
[Bearbeiten] ab 1891 (Norwegen)
Erst 1891 kehrte Henrik Ibsen nach Norwegen zurück. 1898 zu seinem 70. Geburtstag wurden ihm zahlreiche Ehrungen zuteil. 1900 hatte Ibsen den ersten einer Reihe von Schlaganfällen. Im Jahr danach war er nach einem weiteren Schlaganfall halbseitig gelähmt. Er starb am 23. Mai 1906 in seiner Wohnung in Kristiania. Henrik Ibsen wurde zu einem der bedeutendsten norwegischen Dramatiker geehrt.
[Bearbeiten] Schaffen
Henrik Ibsen wurde als Dramatiker bekannt, welcher gegen die bürgerliche Moral und „Lebenslüge“ in den Kampf zog. Seine zeitgebundenen Texte zeichnen sich durch menschliche und revolutionäre Anliegen aus. Seine bürgerlichen Dramen waren mit ernster Ethik verbunden und zeigten großen psychologischen Hintergrund. Sein Sprachgefühl und seine Kenntnis der altnordischen Sagen gaben seiner dramatischen Sprache einen kräftigen Ton, der gegenüber der seinerzeit alleingültigen dänischen Dichterschule einen schroffen Eindruck machte. Neben dem Naturalismus geht durch die Dramen Ibsens auch ein mystischer Zug, der sich in Alterswerken bis zum Symbolismus ausweitet und mitunter unvermittelt der Beschreibung der Realität gegenübersteht. Von Bedeutung für sein Schaffen ist ebenfalls die Milieutheorie Hippolyte Taines, welche besonders gut in Nora oder ein Puppenheim nachvollzogen werden kann.
Der 1886 in Berlin gegründete S. Fischer Verlag eröffnete 1887 sein literarisches Verlagsprogramm mit der Herausgabe von Ibsens Schauspiel Rosmersholm. Fast alle Dramen Ibsens wurden wiederholt ins Deutsche übersetzt.
Das Andenken an Ibsen wird in seiner Heimatstadt Skien besonders lebendig gehalten. Hier gibt es diverse Stätten der Ibsen-Verehrung und das jährliche große Ibsen-Kultur-Festival.
Vor dem Nationaltheatret in Oslo steht ein von Stephan Abel Sinding geschaffenes Standbild Ibsens (und auch Bjørnsons), das 1899 enthüllt wurde.
[Bearbeiten] Werke
- 1850 Catilina
- 1850 Das Hünengrab
- 1853 Die Johannisnacht
- 1855 Frau Inger auf Östrot
- 1856 Das Fest auf Solhaug
- 1857 Olaf Liljekrans
- 1858 Die Helden auf Helgeland
- 1862 Komödie der Liebe
- 1864 Die Kronprätendenten
- 1866 Brand
- 1867 Peer Gynt
- 1869 Der Bund der Jugend
- 1871 Gedichte
- 1873 Kaiser und Galiläer
- 1877 Die Stützen der Gesellschaft
- 1879 Nora oder ein Puppenheim
- 1881 Gespenster
- 1882 Ein Volksfeind
- 1884 Die Wildente
- 1886 Rosmersholm
- 1888 Die Frau vom Meer
- 1890 Hedda Gabler
- 1892 Baumeister Solneß
- 1894 Klein Eyolf
- 1896 John Gabriel Borkman
- 1899 Wenn wir Toten erwachen
[Bearbeiten] Literatur
- Wladimir Admoni: Henrik Ibsen. Die Paradoxie eines Dichterlebens. München: Beck. 1991. (= Beck'sche Reihe; 619; Autorenbücher) ISBN 3-406-33166-1
- Herlinde Nitsch Ayers: Selbstverwirklichung - Selbstverneinung. Rollenkonflikte im Werk von Hebbel, Ibsen und Strindberg. New York u. a.: Lang. 1995. (= Studies on themes and motifs in literature; 15) ISBN 0-8204-2668-7
- Rüdiger Bernhardt: Henrik Ibsen und die Deutschen. Berlin: Henschelverl. Kunst. u. Gesellschaft. 1989. ISBN 3-362-00298-6
- Marc Boettcher: Henrik Ibsen. Zur Bühnengeschichte seiner „Gespenster“. Frankfurt am Main u. a.: Lang. 1989. (= Europäische Hochschulschriften; Reihe 30; 34) ISBN 3-631-42166-4
- Maria Deppermann u. a. (Hrsg.): Ibsen im europäischen Spannungsfeld zwischen Naturalismus und Symbolismus. Kongreßakten der 8. Internationalen Ibsen-Konferenz, Gossensaß, 23. - 28. Juni 1997. Frankfurt am Main u. a.: Lang. 1998. ISBN 3-631-33048-0
- Uwe Englert: Magus und Rechenmeister. Henrik Ibsens Werk auf den Bühnen des Dritten Reiches. Tübingen u. a.: Francke. 2001. (= Beiträge zur nordischen Philologie; 30) ISBN 3-7720-3093-9
- Robert Ferguson: Henrik Ibsen. Eine Biographie. Darmstadt: Wiss. Buchges. 1998.
- Käte Hamburger: Ibsens Drama in seiner Zeit. Stuttgart: Klett-Cotta. 1989. ISBN 3-608-95665-4
- Michaela Giesing: Ibsens Nora und die wahre Emanzipation der Frau. Zum Frauenbild im wilhelminischen Theater. Frankfurt am Main u. a.: Lang. 1984. (= Studien zum Theater, Film und Fernsehen; 4) ISBN 3-8204-5160-9
- Hans H. Hiebel: Henrik Ibsens psycho-analytische Dramen. Die Wiederkehr der Vergangenheit. München: Fink. 1990. ISBN 3-7705-2621-X
- Ibsens Dramen. Stuttgart: Reclam. 2005. (= Reclams Universal-Bibliothek, 17530: Interpretationen) ISBN 3-15-017530-5
- Susanne Kramarz: Eyolf. Kinder und Kinderschicksale im Werk Henrik Ibsens. Frankfurt am Main u. a.: Lang. 1990. (= Texte und Untersuchungen zur Germanistik und Skandinavistik; 24) ISBN 3-631-43069-8
- Lena Kühne: Ibsen im Spiegelkabinett. Verfremdung der Gesellschaftsdramen Henrik Ibsens in Parodien und verwandten Rezeptionsformen im deutschen und skandinavischen Sprachraum. Wien: Ed. Praesens. 2004. (= Wiener Studien zur Skandinavistik; 10) ISBN 3-7069-0226-5
- Hans Georg Meyer: Henrik Ibsen. Erg. und überarb. Aufl. München: Deutscher Taschenbuch-Verl. 1977. (= dtv; 6846; Dramatiker des Welttheaters) ISBN 3-423-06846-9
- Ingunn Moe: Deutscher Naturalismus und ausländische Literatur. Zur Rezeption der Werke von Zola, Ibsen u. Dostojewski durch die deutsche naturalistische Bewegung (1880-1895). Frankfurt am Main u. a.: Lang. 1983. (= Europäische Hochschulschriften; Reihe 1; Deutsche Sprache u. Literatur; 729) ISBN 3-8204-5262-1
- Fritz Paul (Hrsg.): Henrik Ibsen. Darmstadt: Wiss. Buchges. 1977. (= Wege der Forschung; 487) ISBN 3-534-07071-2
- Anita von Raffay: Die Macht der Liebe - die Liebe zur Macht. Psychoanalytische Studien zu Liebe/Macht-Verhältnissen in Dramen Wagners und Ibsens. Frankfurt am Main u. a.: Lang. 1995. ISBN 3-631-48159-4
- Gerd Enno Rieger: Henrik Ibsen. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. 4. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 1993. (= Rowohlts Monographien; 295) ISBN 3-499-50295-X
- Matthias Sträßner: Flöte und Pistole. Anmerkungen zum Verhältnis von Nietzsche und Ibsen. Mit einem Anhang. Würzburg: Königshausen u. Neumann. 2003. ISBN 3-8260-2539-3
- Heidi u. Christoph Wetzel: Henrik Ibsen. Salzburg: Andreas. 1984. (= Die großen Klassiker; 31) ISBN 3-85012-135-6
[Bearbeiten] Verfilmungen
- 1917 - Terje Vigen (A Man There Was) - Regie: Victor Sjöström
- 1934 - Peer Gynt - Regie: Fritz Wendhausen
- 1935 - Stützen der Gesellschaft - Regie: Detlef Sierck
- 1937 - Ein Volksfeind - Regie: Hans Steinhoff
- 1943 - Nora - Regie: Harald Braun
- 1972 - Nora (A doll's house) - Regie: Joseph Losey
- 1973 - Nora Helmer - Regie: Rainer Werner Fassbinder
- 1973 - Ein Puppenheim (A doll's house) - Regie: Patrick Garland
- 1975 - Hedda Gabler (Hedda) - Regie: Trevor Nunn
- 1976 - Die Wildente (Hans W. Geissendörfer)
- 1978 - Ein Feind des Volkes (An enemy of the people) - Regie: George Schaefer (nach einer Adaption von Arthur Miller
- 1984 - Die Wildente (The wild duck) - Regie: Henri Safran
- 1987 - Peer Gynt (Peer Gynt) - Regie: István Gaál
- 2004 - Gespenster (Filmtitel: Sonntagsluft) - Regie: Frank Alva Buecheler, Kamera: Michael Ballhaus in Zusammenarbeit mit der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin
- 2006 - Hedda Gabler (Hedda Gabler) - Fernsehadaption einer Inszenierung der Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin. Gemeinschaftsproduktion des ZDF-Theaterkanals und ARTE. Dtl. 2006
- 2006 - „Peer Gynt“ von Henrik Ibsen - Regie u. Drehbuch: Uwe Janson - Besetzung: Robert Stadlober (Peer Gynt), Susanne-Marie Wrage (Aase), Karoline Herfurth (Solvejg), Kathi Angerer (Die Grüne), Max Hopp (Der Kapitän), Ulrich Mühe (Der Knopfgießer)
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Henrik Ibsen – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- Literatur von und über Henrik Ibsen im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- http://www.theatredatabase.com/19th_century/henrik_ibsen_001.html
- http://odin.dep.no/odin/tysk/om_odin/stillinger/032005-990176/index-dok000-b-n-a.html
- Texte von Henrik Ibsen (Projekt Gutenberg)
- http://www.nord-weg.de/rd_Norwegen/Ibsen/Henrik%20Ibsen.htm
- http://www.lysator.liu.se/runeberg/authors/ibsen.html
- Ibsen auf dem Spielplan deutschsprachiger Bühnen
- Ibsen.net
- Ibsensenteret der Universität Oslo (bokmål und englisch)
- Site très complet réalisé à l'occasion du centenaire de son décès en 2006
- Ibsen sur L'encyclopédie Agora
Siehe auch: Liste norwegischsprachiger Schriftsteller
Personendaten | |
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NAME | Ibsen, Henrik |
KURZBESCHREIBUNG | norwegischer Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 20. März 1828 |
GEBURTSORT | Skien, Norwegen |
STERBEDATUM | 23. Mai 1906 |
STERBEORT | Christiania |