Herr der Fliegen
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Herr der Fliegen (Originaltitel: Lord of the flies) (1953) ist ein Roman des englischen Schriftstellers William Golding.
William Goldings erster Roman war sein erfolgreichster. In seiner nur von Kindern bevölkerten Robinsonade zeigt Golding, wie sich eine Gruppe von sechs- bis zwölfjährigen Kindern verhält, die schlagartig von jedem Einfluss durch Erwachsene abgeschnitten ist. Von Kultur und Zivilisation geprägt, verhalten die Kinder sich mehr und mehr nach ihrem jeweiligen Charakter und eigenen Regeln. Es entwickelt sich ein gewalttätiger Konflikt zwischen den Kindern.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Inhalt
Eine Gruppe von Sechs- bis Zwölfjährigen wird aufgrund eines Atomkrieges evakuiert, das Flugzeug wirft die Kinder auf einer unbewohnten Südsee-Insel ab, da es selbst getroffen wurde. Eine kleine Gruppe der Kinder kommt aus einer "Elite-Schule" und hat bereits einen fixen Anführer "Jack". Die anderen kennen niemanden und schließen sich auch zu einer Gruppe zusammen. Es herrscht von Anfang an ein kleiner "Krieg" zwischen den Gruppen. Die einzigen Erwachsenen, die Piloten, sind schwer verletzt und sterben kurz nach dem Absturz. Ralph, der zuerst zum Anführer gewählt wird, versucht mit Hilfe des Muschelhorns Ordnung in die Gruppe zu bringen. Er wird von Piggy, einem dicken, aber sehr intelligenten Jungen, und Simon, der von Albträumen heimgesucht wird, unterstützt.
Der rothaarige Jack ist aggressiv und eher für "Spaß und Action" als z.B. auf das Feuer aufzupassen, was bereits für erste Konflikterscheinungen sorgt. Jack hat die Eigenschaft, Schwächere zu schikanieren und hat sich dafür insbesondere Piggy ausgesucht. Ihm schließen sich immer mehr Kinder an, die sich als "die Jäger" bezeichnen. Die Gruppe entfremdet sich zusehendst, als das Gerücht aufkommt, dass sich auf der Insel ein Monster befände. Jack trennt sich mit seinen "Jägern" von Ralph und eröffnet bei der "Felsenburg" auf der anderen Seite der Insel ein neues Lager und kann schließlich die Mehrheit der Inselbewohner auf seine Seite ziehen.
Schließlich stehen nur noch Piggy, Simon, die Zwillinge Sam und Eric( auch genannt Samneric, da sie die für Zwillinge typischen Merkmale wie z.B. das synchrone Reden und Denken verkörpern.) sowie einige Jüngere an Ralphs Seite. Simon und Piggy werden aber von den "Jägern" getötet; während sie Simon mit dem angeblichen Monster verwechselt hatten, wurde Piggy ermordet. Jack und seine „Krieger“ versuchen nun Ralph ebenfalls zu töten und stecken auf dieser Jagd die gesamte Insel in Brand. Im letzten Moment wird Ralph durch einen eintreffenden Marineoffizier gerettet.
[Bearbeiten] Thema
Zu beachten sind vor allem die Umstände, in denen die Gewalt in gewissen Situationen eskaliert: Die Charaktere alleine weisen keine gewalttätigen Züge auf (bis vielleicht auf Jack, den Anführer der Jäger). Zu Beginn der Geschichte überwiegt die miltärische Disziplin, man singt und arbeitet zusammen. Doch gegen Ende der Geschichte entsteht in Konflikt-Momenten eine gefährliche Gruppendynamik: einzelne Stimmen werden zu einem Stimmengewirr, die Menge wird logischen Argumenten unzugänglich. An mehreren Stellen passiert dies besonders drastisch: Als z.B. die Jäger nachts um das Feuer tanzen und vom "Monster" singen, das in einer Höhle leben soll. Simon findet heraus, dass dieses Monster der Pilot war, der nun aber tot ist. Als er den Jägern davon berichten will, halten diese ihn (wie im Rausch) für das Monster und töten ihn. In einer anderen Situation will Piggy seine Brille von den Jägern wiederhaben, der Streit eskaliert und ein Junge lässt einen riesigen Fels auf Piggy fallen, er stirbt. Dies ist die Hauptthematik der Geschichte. Wie verhalten sich Gruppen in Konfliktsituationen? Im Roman wird die Situation überspitzt dadurch, dass die Protagonisten Kinder sind, die wenig Erfahrung in "Vernunft" haben. Die meisten Kinder sind keine starken Charaktere und werden Mitläufer der attraktiv erscheinenden Jäger-Gruppe. Diese verwehrt sich jeder Logik und ist in ihrer Gesamtheit aggressiv. Dieses Bild erinnert offensichtlich an das Nazi-Regime. Es gibt einen charismatischen Anführer Jack. Die Gruppe will sich nicht den langweiligen alltäglichen Aufgaben stellen, das Jagen scheint viel interessanter. Auch die Pflege des schwerverletzten Piloten wird in Frage gestellt: "Der stirbt doch eh bald, wir sollten lieber an uns denken!". Am Ende spitzt sich der Konflikt zu einer sinnlosen und gnadenlosen Hetzjagd auf den letzten Nicht-Jäger Ralph zu, in dessen Verlauf sie die ganze Inseln anzünden, womit sie sich letztlich selbst die Lebensgrundlage nehmen. Allerdings lässt sich diese Thematik nicht nur auf den Nationalsozialismus beziehen. Es gibt auch einen Verweis auf den Kalten Krieg. Es geht allgemein und in auffallend symbolischer Form um Ursprünge von struktureller und physischer Gewalt. Angst und Hilflosigkeit lässt die Kinder der Gruppe folgen.
Als Herr der Fliegen wird auch der Beelzebub, der Teufel, bezeichnet. Der alttestamentliche Herr der Fliegen, der Ba'al Zevuv (בעל זבוב), meint dabei eine der Ba'al-Varianten, wie sie von den Phöniziern der Stadt Sidon oder laut 2. Könige 1,2 auch von den Philistern als Wetter- und Fruchtbarkeitsgott verehrt wurden. Er steht in der alttestamentlichen, um den Glauben Mose zentrierten Deutung dann, wie alle Ba'ale und Astarten, in höchst negativer Konnotation für die »falsche Gottheit« und die Verführbarkeit des Menschen. Bei Golding wird Ba'al Zevuv, der ein Kriegsgott war, dann zum Symbol für die kulturferne Gewaltbereitschaft des Menschen. Personifiziert durch einen aufgespießten Schweineschädel voller Fliegen enthüllt er seinen wahren Charakter: Das "Tier" in allen, das darauf wartet, den Mensch zum Schlimmsten zu treiben. Der fern seiner Zivilisation wieder in den Bellum omnium contra omnes verfallende Mensch soll als nicht sozialisiertes Gewaltwesen entlarvt werden - womit Goldings Roman seine Zivilisationskritik entfaltet.
[Bearbeiten] Wirkung
Ähnlich wie Jerome D. Salingers Roman Der Fänger im Roggen wurde auch Goldings Roman in Großbritannien kontrovers diskutiert, in den USA hingegen allgemein sehr gut aufgenommen, was zur Folge hatte, dass es dort schnell zum Kultbuch avancierte (Ks Luzern). Allerdings blieben die religiösen, psychologischen und soziologischen Aspekte des Romans vorerst unbeachtet, und er wurde ausschließlich bezüglich seines Charakters besprochen. Darüber hinaus ist Goldings Werk jedoch auch eine Parabel über das Ende menschlicher Unschuld, deren mythisch-symbolische Bedeutung des Geschehens noch durch seine lyrisch bestimmte Sprachgebung vertieft wird. Golding gelingt es, trotz all seiner symbolischen Überhöhungen seine anthropologisch zentralen Fragestellung nie aus den Augen zu verlieren.
[Bearbeiten] Auszeichnungen
William Golding wurde für seine Romane mit dem Nobelpreis geehrt.
[Bearbeiten] Literatur
- Poppe, Reiner: William Golding: Herr der Fliegen (Lord of the Flies). Königs Erläuterungen und Materialien (Bd. 332). Hollfeld: Bange Verlag 2005. ISBN 978-3-8044-1710-6