Julius Blüthner Pianofortefabrik GmbH
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Pianofortefabrik Blüthner in Leipzig ist einer der ältesten und renommiertesten Klavierhersteller der Welt. Blüthner-Pianos sagt man einen warmen, romantischen, singenden Klang nach. Ihr lyrischer Charakter kommt besonders in der Kammermusik gut zur Geltung.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geschichte des Hauses Blüthner
[Bearbeiten] 1853-1903
Das deutsche Klavierbauhandwerk hat eine große Tradition in Sachsen. Die Stadt Leipzig war neben Paris, London und Wien eine der tragenden Säulen der europäischen Musikkultur. Weltberühmt waren damals der Thomanerchor oder das von Felix Mendelssohn Bartholdy begründete Konservatorium. Neben dem großen kulturellen Erbe der Stadt war Leipzig auch ein hervorragender Handelsplatz mit vielen überregionalen Kontakten und einem wohlhabenden Bürgertum - für Julius Ferdinand Blüthner der ideale Nährboden für seine Unternehmensgründung, die am 7. November 1853 in der Weststadt Leipzigs,Ecke Plagwitzer Straße / Weststraße stattfand.
Der Anfang fiel zunächst bescheiden aus. Der Finanzrahmen und die Ausstattung mit Werkzeug war spärlich und reichte nur für ein paar angemietete Räume und drei Arbeiter. Seinen ersten Flügel verkaufte Blüthner im Frühjahr 1854. Professor Ernst Heinrich Weber war beauftragt worden, einen guten Flügel zu kaufen. So wechselte der erste Blüthner-Flügel für 450 Taler in Münzen den Besitzer. Im ersten Jahr wurden noch neun weitere Flügel gebaut. Schnell erregten die Instrumente aufgrund ihrer Qualität die Aufmerksamkeit von Pianisten und Institutionen; die Verkaufszahlen stiegen schnell an.
So wuchs der Betrieb ab 1855 sehr schnell. Im vierten Betriebsjahr beschäftigte er bereits 14 Arbeiter. 1856 kam die sogenannte "Blüthner-Patentmechanik" auf den Markt. Dies war eine Federmechanik, mit der die Spielart erleichtert wurde. 1858 erwarb Julius Blüthner die bis dahin nur gemietenen Räume. 1862 wurde das Instrument mit der Opus-Nummer 500 fertig gestellt. 1863 wurden erstmal Pianos in der Fabrik hergestellt. Später kaufte sich Blüthner ein Grundstück im gleichen Viertel und baute dort eine für hundert Arbeiter berechnete Fabrik. 1864 zog die Pianofortefabrik mit nun 37 Arbeitern in den Neubau. Kurze Zeit später war der Betrieb voll besetzt und es wurde industriell gefertigt.
Auf Weltausstellungen wurden nun auch Blüthner höchste Ehrungen zuteil. Die steigende Nachfrage nach Instrumenten erforderten eine weitere Expansion. So wurde 1870 eine zweite Fabrik gebaut und mit modernsten Dampfmaschinen ausgestattet. 1872 baute man eine dritte Fabrik im Anschluss an die erste und es wurden 170 neue Arbeiter eingestellt.
Blüthners bedeutendste Erfindung ist wohl die des Aliquot-Flügels bzw. -Klaviers 1873. Die besondere Eigenart dieser Produktion ist ein zusätzlicher Saitenchor, der eine Oktave höher mitschwingt und die Hörbarkeit der Obertöne (Aliquoten) künstlich verstärkt.
In London wurde 1876 eine Verkaufsniederlassung gegründet, die sowohl Instrumente in England als auch in den englischen Kolonien verkaufte. Vorausschauend hatte Blüthner bereits früher mit dem Aufbau eines weltumfassenden Vertriebsnetzes begonnen. Um 1877 folgten dann abermals Erweiterungen an der Fabrik. Des Weiteren mussten Trockenspeicher und massive Trockenhäuser erbaut werden. Die ganze Fabrikanlage umfasste nun ein ganzes Straßenviertel. Bereits nach zwanzig Jahren beschäftigte Blüthner über achthundert Mitarbeiter. 1878 wurde ein großzügiger Saal hergerichtet, in dem man alle Modelle dem Publikum präsentierte. Die Ausstellungshalle befand sich am damaligen Sitz der Firma an der Weststraße.
1878 feierte man das 25-jährige Jubiläum. Die Firma expandierte, ein neues Fabrikgebäude musste im Jahre 1881 geschaffen werden. 1888 wurde ein eigenes Sägewerk in Leutzsch errichtet, um den ständigen wachsenden Bedarf an zugeschnittenen Hölzern abzudecken, und ein riesiges Holzlager angegliedert, in dem die benötigten Holzarten lagerten. 1889 wurde das 30.000. Instrument gefertigt.
1890 wurde ein neues Fabrikgelände errichtet, welches für 230 Arbeiter Platz bot. Die ständigen Erweiterungen der Fabrikanlagen machten Blüthner zu einer der größten Klaviermanufakturen Europas. Insgesamt gab es bauliche Erweiterungen von bis zu 55.000 Quadratmetern. Die Jahresproduktion stieg bis zum Jahre 1903 auf 3.000 Stück. Bis 1903 wurden insgesamt 62.500 Instrumente gefertigt und verkauft. Leipzig war eine Hochburg der Klavierindustrie geworden. Neben Blüthner waren auch die Klavierfabriken Feurich, Hupfeld, Schimmel, Gebr. Zimmermann und viele weitere in Leipzig ansässig. Namhafte Pianisten der Zeit hielten sich gerne und oft in Leipzig auf.
„Blüthner-Flügel können wirklich singen“ schrieb Wilhelm Furtwängler. Viele solcher Komplimente bekam Julius Blüthner zu Gehör. Da konnten auch die berühmten Fabriken Steinway & Sons aus New York und C. Bechstein aus Berlin nur schwer mithalten, die ebenfalls beide im Jahre 1853 gegründet worden waren. 1854 gab es die ersten Lorbeeren auf einer Gewerbeausstellung in München. Insgesamt gewann Blüthner bis 1903 neben zahlreichen anderen Preisen und Auszeichnungen auf zwölf Weltausstellungen die höchsten Preise.
Blüthner belieferte viele Adelshöfe, darunter die deutsche Kaiserin und Königin von Preußen, den Kaiser von Österreich und den König von Ungarn Zar Nikolaus II., die Könige von Sachsen, Bayern, Dänemark, Griechenland, Rumänien und den türkischen Sultan. Beliefert wurde auch Königin Queen Victoria von England. Komponisten wie Claude Debussy, Max Reger, Richard Wagner, Pjotr Tschaikowski, Carl Orff, Dmitri Schostakowitsch oder Andrew Lloyd Webber besaßen einen Flügel der Firma. Johannes Brahms und Franz Liszt lobten die Blüthner Flügel. Auch berühmte Solisten wie Claudio Arrau, Ferruccio Busoni, Arthur Rubinstein, Wilhelm Kempff oder Oleg Maisenberg gehören oder gehörten zu den bekannteren Kunden. Auch Paul McCartney wusste um die lyrischen Qualitäten der Blüthner-Instrumente. Er spielte in den Abbey Road Studios den Song Yesterday auf einem Flügel aus dem Hause Blüthner ein.
[Bearbeiten] 1903 bis heute
Nun folgte auch für Blüthner die Zeit in dem das Reproduktionsklavier eine immer größere Rolle spielte. Leipzig war der Hauptstandort der Firma Hupfeld, einem der größten Produzenten von pneumatischen Systemen in Deutschland. So wurden viele Blüthner Instrumente mit der sogenannten Phonola ausgestattet, welches ein Markenname für das System von Hupfeld war. Aber auch andere Systeme wie zum Beispiel Welte-Mignon aus Freiburg im Breisgau von der Firma M. Welte & Söhne kamen zum Einsatz.
Am 13. April 1910 verstarb der Firmengründer Julius Blüthner im Alter von 87 Jahren. Der Betrieb wurde nun von den drei Söhnen Robert, Max und Bruno Blüthner übernommen. Der Ausbruch des ersten Weltkrieges 1914 brachte einige Erschütterungen für den Fabrikbetrieb mit sich. Viele Mitarbeiter der Fabrik mussten dem militärischen Befehlen folgen und verloren ihr Leben im Krieg. Wichtige Verbindungen gingen verloren, besonders Kontakte ins Ausland. Der Export stockte und im eigenen Land gab es kaum Interesse für Klavierkäufe. Im Rahmen des„vaterländischen Dienstes“ leistete das Unternehmen Heereslieferungen.
Im Jahre 1919 begann schließlich der Wiederaufbau, der sich als nicht ganz so schwierig erwies wie befürchtet. Man bekam internationale Post, die während der Kriegszeit zurückgehalten worden war und somit auch die damit verbundenen Aufträge. Alte Arbeiter kamen wieder und man hatte das Glück, dass man schnell ein reiches Holzlager vorfand. Damit konnte man mit der Produktion schnellst möglichst fortfahren. Alte Absatzmärkte, die man durch den Krieg verloren hatte, versuchte man nun wieder zurück zu erobern. Erschwert wurde diese Aufgabe durch die harten Zollgesetze. Schneller als erhofft kehrten jedoch die alten Sympathien zurück. Und so wanderten Klaviere und Flügel der Marke „Blüthner“ wieder in unzählige deutsche Wohnstuben und ebenso in die weite Welt hinaus.
Die Nachfrage stieg derart schnell, dass die Jahresproduktion von 3.600 Stück nicht mehr ausreichte. So feierte man im Jahre 1928 das 75jährigen Jubiläumsfeier mit der Fertigstellung des Instrumentes mit der Opus-Nummer 113.000. 1932 erhielt die Firma von der deutschen Admiralität den Auftrag einen besonders leichten Flügel für das Luftschiff Hindenburg zu bauen. 1936 überquerte dann der erste Blüthnerflügel mit den Zeppelin LZ 129 „Hindenburg“ per Luft den Atlantik wobei das erste Klavierkonzert live aus der Luft auf 63 Radiostationen weltweit übertragen wurde.Die Grundkonstruktion dieses Flügels bestand aus Aluminium, die Oberfläche war mit gegerbtem gelben Schweineleder bezogen, um das notwendige Gewicht einzusparen.
Im Zweiten Weltkrieg kam dann der schwerste Schlag in der bis dahin von größeren Problemen verschonten Fabrik. Nach einen Bombenangriff 1943 brannte die Firma bis auf die Grundmauern ab und mit ihr so gut wie alle Überlieferungen und die besonderen Instrumente. Nach dem Krieg begann der Wiederaufbau der Produktion.Nach dem Krieg ermutigten viele Freunde und Kunden die Firma wieder aufzubauen. 1948 kamen schließlich die ersten Flügel wieder auf den Markt. Allerdings waren die Möglichkeiten einer Einflussnahme der Familie Blüthner durch die Verstaatlichung stark eingeschränkt.
Im Jahre 1953 war der schwierige Anfang eines Neuaufbaus geschafft und die Nachfrage war wieder so groß, dass die Kapazitäten des Betriebes nicht mehr ausreichten.Ein moderner Neubau für 100 Arbeiter wurde errichtet und 1970 eingeweiht. Der Betrieb firmierte nun unter dem Namen VEB Blüthner Pianos. 1978 wurde das 125-jährige Jubiläum gefeiert und die Produktionszahl 144.000 erreicht. Nach dem Niedergang der DDR 1989, der sogenannten Wende, ging das Unternehmens wieder in den Besitz der Familie Blüthner über, die sofort begann viele alte Kontakte wieder zu beleben und viele neue Beziehungen zu knüpfen.
1990 begann man viele alte Kontakte wieder zu beleben und viele neue Beziehungen zu knüpfen. Zahlreiche neue Vertriebsfirmen in den USA sowie in anderen Ländern wurden gegründet, wodurch eine weltweite Präsenz wieder erreicht werden konnte. Mit der besseren Marktposition und der wachsenden Nachfrage erfolgte 1996 der Bau einer neuen Produktionshalle im Gewerbegebiet Störmthal bei Leipzig. In einem Einzelhandelsgeschäft im alten Rathaus in Leipzig knüpft Blüthner an alte Traditionen an und bietet Ihre Instrumente den Kunden an. Im Jahr 2003 feierte die Familie Blüthner das 150jährige Jubiläum mit einem großen Festakt in Leipzig. Seit Beginn der Produktion 1853 waren mehr als 150.000 Instrumente mit dem Namen Blüthner in die ganze Welt geliefert worden.
Im Jahr 2005 hat der Klavierhersteller zum dritten Mal einen eigenen Klavierspielwettbewerb in Leipzig ausgerichtet. Die Teilnehmer kamen bisher vorrangig aus den Musikhochschulen der Umgebung. Die Preisträger des Jahres 2005 heißen Ha-Sun Park (Leipzig), Ying Zhou (Weimar) und Tomoko Takeshito (Leipzig).
[Bearbeiten] Literatur
- Julius Blüthner in Leipzig - Königlich Sächs. Hofpianofortefabrik: Festschrift zur Feier des fünfzigjährigen Geschäftsjubiläums am 7. November; 1853 - 1903. Leipzig 1903.
- Paul Daehne: Julius Blüthner, Leipzig: Flügel und Pianos; Zur 75 jähr. Jubelfeier am 7. Nov. 1928. Leipzig 1928.
- Julius Blüthner u. Heinrich Gretschel: Lehrbuch des Pianofortebaues. Weimar 1872. Reprint Frankfurt a. M. 1992. ISBN 3923639945
- Ingbert Blüthner-Haessler: 150 Jahre Pianofortebau Blüthner. Leipzig 2003. ISBN 3-910143-81-4
[Bearbeiten] Weblinks
[Bearbeiten] Siehe auch
- Tastenwiki - die Datenbank zum Thema historischer Klavierbau