Konsumgesellschaft
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Konsumgesellschaft wertet einerseits eine konsumorientierte Lebensweise negativ. Andererseits sehen Apologeten des Konsumverhaltens wie Norbert Bolz in einer globalen Konsumgesellschaft eine Möglichkeit, die Welt zu befrieden, wenn die Segnungen des Konsums allen Völkern zuteil werden.
Die Konsumgesellschaft wäre dann eine Wohlstandsgesellschaft ohne Versorgungslücken für die Mehrheit der Menschen, wo sich die allgemeine Verfügbarkeit ehemals exklusiver Güter vorteilhaft auswirkt. Besonders im Sinne des Geltungskonsums kann der Mensch sich in so einem Modell darstellen, von anderen differenzieren (siehe auch Norbert Bolz).
Verschiedene weltanschauliche und fachliche Standpunkte vertreten konsumkritische Sichtweisen:
- sozialistische Kreise (Schlagworte: Warenfetischismus und Entfremdung)
- Lager der Ökologiebewegung (Schlagworte: Ressourcenverschwendung, Umweltverschmutzung und mangelnde Nachhaltigkeit)
- unterschiedlichste religiöse Richtungen (Schlagwort z.B.: "Tanz um das goldene Kalb")
- Psychologen und Soziologen melden Hinweise, dass übermäßiger Konsum in Psycho- und Sozialpathologien zu münden droht (u.a. die Suizidrate, aber auch die Verbreitung von Süchten, stoffgebundenen (z.B. Alkoholsucht) sowie stoffungebundenen (z.B. Kaufsucht) seien Indikatoren einer folgend konsumkritischen Sichtweise.
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[Bearbeiten] Merkmale einer Konsumgesellschaft
- Bereitstellung von sozial notwendigen Annehmlichkeiten.
- Über eine informationelle Infrastruktur (Werbung) werden Markenprodukte, deren Erscheinungsbild nichts mehr mit der Herstellung und dem Gebrauch zu tun hat, angeboten.
- Produkte dienen als Sinnvermittler und Geschmackssphäre.
- Die Betonung von Freizeit gegenüber der Arbeit. Die Aufmerksamkeit liegt mehr auf dem Konsumenten, und weniger auf dem Produzenten.
- Die Erstellung der sozialen Rolle "Konsument".
- Die Integration der Konsumenten durch die Weckung und Überformung von Bedürfnissen und durch marktmäßige Befriedigungsformen.
- Die Reduzierung von Freiheit auf Konsumfreiheit.
- Die ambivalente Einstellung gegenüber dem Konsum. Konsumkritik, bzw. die Ablehnung übermäßigen Konsums, gilt auch als Merkmal einer Konsumgesellschaft.
[Bearbeiten] Kritik an der Konsumgesellschaft
Der Begriff Konsumgesellschaft kritisiert häufig abschätzig einen Lebensstil breiter Bevölkerungsschichten, mit ausgeprägtem Genussdenken und Konsumieren von Waren und Dienstleistungen. Die Kritik erstarkte noch, als explizit konsumorientierte Jugendkulturen und Lebensstile aufkamen - Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre; Popper, Yuppies...
Die Kritiker sehen da eine Verdrängung von Eigeninitiative, Verantwortungsbewußtsein, solidarischem Handeln und Interagieren mit anderen Menschen. Eine Konsumgesellschaft beschränke sich Kritikern zufolge nicht auf die Beschaffung notwendiger Güter, sondern trachte danach, das Konsumieren zum Erlebnis oder sogar zum Kern der individuellen Identität zu machen. Darüber hinaus werde Konsum zum Statussymbol und damit zum Element von Imponierverhalten.
Während es zunehmend schwieriger werde, Gebrauchsartikel abseits der Massenware zu finden, lockten Handel und Industrie mit „Einkaufserlebnissen“ mit Hilfe von Berieselungsmusik, längeren Öffnungszeiten und Einkaufszentren mit Parkplatz und Kinderbetreuung. Shopping, d.h. das Flanieren durch Einkaufsstraßen und -zentren, werde zur beliebten Freizeitgestaltung. Die Freizeit werde außerdem mit weiteren standardisierten und berechenbaren Erlebnissen ausgefüllt: etwa Besuche in „Erlebnisparks“, Actionfilme, Nächte in Großraumdiscos oder vorgefertigte Grenzerfahrungen z.B. beim „Bungee-Jumping“. Fragwürdig an solcherart passiver, stimulanzsuchender,´sensationsheischender und hedonistischer Freizeitgestaltung ist auch die sogenannte Ballermannmentalität der Spaßgesellschaft ("Das ganze Leben eine einzige Party").
Auch die Kommerzialisierung des Tourismus geht zu weit. Eine Auslandsreise reduziere sich auf einen Aufenthalt in einem Ferienclub, in dem man sich „animieren“ lasse, anstatt außerhalb des eingezäunten Geländes etwas zu entdecken. Die Fremdenverkehrsgemeinden vermarkten Landschaft und Tradition, und selbst das Verweilen am Meeresstrand werde zum Konsumartikel, für den man Eintritt zahlen muss. Der ungebremste Ausbau der alpinen Skigebiete zum Freizeitkonsums oder die dichte Besiedelung von Flussufern zur Befriedigung des Bedürfnisses nach dem eigenen Häuschen habe in den letzten zehn Jahren zu mehreren Überschwemmungen geführt und den Gegensatz zwischen Konsumgesellschaft und umweltgerechter Lebensweise sichtbar gemacht.
[Bearbeiten] Konsumgesellschaft in der Kunst
In der Kunst spiegelte sich die Konsumgesellschaft u.a. in der Pop-Art wieder, die die Erscheinungen der alltäglichen Konsumwelt thematisiert und abbildet, bzw. mit vorgefundenen fertigen Objekten (etwa als Readymades) arbeitet. Sie kritisiert die Erscheinungen der bunten Warenwelt nicht notgedrungen - zum Teil ist zunächst uneindeutig, ob sie das ironisiert, kritisiert oder ob Arbeiten der Pop-Art sogar affirmativ wirken. Künstler wie Andy Warhol kritisierten die Konsumgesellschaft nicht, sie bejahten hemmungslos, teils grotesk:
- "Als ich mal viel Geld hatte, bin ich sofort losgeschossen und habe meinen ersten Farbfernseher gekauft. Die Werbung für den "strahlenden Möbelglanz" in schwarzweiß machte mich verrückt. Ich dachte, wenn ich die Werbung in Farbe sähe, würde vielleicht alles neu aussehen und ich bekäme wieder mehr Lust zum Einkaufen."
(Andy Warhol, aus "Die Philosophie des Andy Warhol von A bis B und zurück")
[Bearbeiten] Literatur
- Guy Debord: Die Gesellschaft des Spektakels, 1967
- Anselm Jappe (2005): Die Abenteuer der Ware. Für eine neue Wertkritik. Unrast-Verlag. ISBN 3-89771-433-7
- Eva Illouz: Der Konsum der Romantik. Campus, Frankfurt/Main, 2003; ISBN 3-593-37201-0
- Naomi Klein: No Logo ! Der Kampf der Global Players um Marktmacht. Ein Spiel mit vielen Verlierern und wenigen Gewinnern. Riemann Verlag, 2002, ISBN 3-570-50028-4
- Heidel, Klaus (Hrsg.) u.a.: Spielverderber. Das Geschäft mit dem Kinderspielzeug. Begleitbuch zur Aktion "Fair spielt". Retap-Verlag, Bonn, 2002, ISBN 3931988082
- Annette Kaminsky: Kleine Konsumgeschichte der DDR. C.H. Beck; 2001; ISBN-Nr. 3-406-45950-1
- Ulrich Enderwitz : Konsum, Terror und Gesellschaftskritik. Unrast-Verlag 2005. ISBN 3-89771-437-X
- Förderverein Krisis: Zeitschrift KRISIS. beiträge zur kritik der warengesellschaft. [1]
- Joseph Heath, Andrew Potter: Konsumrebellen. Der Mythos der Gegenkultur., 2005, Rogner & Bernhard (Heath und Potter loben die Konsumgesellschaft und versuchen, gängige Konsumkritik zu widerlegen; die Existenz von konsumkritischen Produkten beweise die Unsinnigkeit von Konsumkritik.)