Ordnungswidrigkeit
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Eine Ordnungswidrigkeit ist nach deutschem Recht eine Gesetzesübertretung (genau: eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung), für die das Gesetz als Ahndung nur ein Bußgeld vorsieht (§ 1 Absatz 1 des „Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten“ OWiG). Bei manchen Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung kann neben dem Bußgeld auch ein Fahrverbot von maximal 3 Monaten verhängt werden.
Der moderne Gesetzgeber sieht es bei leichten Rechtsverstößen als ausreichend an, nicht mit dem Mittel der Strafe zu reagieren, sondern nur mit Bußgeldern. Das gilt hauptsächlich für leichte Fälle der Gefährdung oder Beeinträchtigung von Rechtsgütern anderer Personen (z.B. Verstöße gegen die Straßenverkehrs-Ordnung), aber auch für Fälle des Ungehorsams gegenüber Verwaltungsvorschriften (z.B. die Verletzung einer Meldepflicht).
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[Bearbeiten] Deutschland
[Bearbeiten] Verhältnis zum Strafrecht
Rechtssystematisch gehört das Ordnungswidrigkeitenrecht zum Strafrecht. Im Gegensatz zu den Straftaten fehlt den Ordnungswidrigkeiten aber der ethische Unwert, also die moralische Vorwerfbarkeit, obgleich ein Fehlverhalten vorliegt, welches der Gesetzgeber immerhin mit Bußgeld bzw. Fahrverbot bestraft, um dem Betroffenen sein Fehlverhalten aufzuzeigen.
Das Ordnungswidrigkeitenrecht ist dem Strafrecht weitgehend nachgebildet. Dabei geht das OWiG als Spezialregelung (lex specialis) dem Strafrecht vor; das Strafrecht kommt als Allgemeine Regelung (lex generalis) nur dort zur Anwendung, wo das Ordnungswidrigkeitenrecht schweigt.
[Bearbeiten] Aufbau der gesetzlichen Regelung
Welche Handlungen ordnungswidrig sind, ergibt sich nur teilweise aus dem „Gesetz über Ordnungswidrigkeiten“ (OWiG). Die allermeisten Ordnungswidrigkeiten sind in Spezialgesetzen zu bestimmten Lebensbereichen (dem sogenannten Nebenstrafrecht) geregelt.
Die weitaus bedeutendste Gruppe von Ordnungswidrigkeiten ergibt sich aus der Straßenverkehrsordnung (StVO). Aber auch zahlreiche andere Gesetze sehen die Ahndung von Verstößen als Ordnungswidrigkeit vor. So ist z.B. bei bestimmten Waren die Einfuhr ohne Einfuhrgenehmigung eine Ordnungswidrigkeit nach § 33 des Außenwirtschaftsgesetzes.
Aus dem OWiG ergeben sich die Grundzüge des Ordnungswidrigkeitenrechts, also die Regelungen, die für alle Ordnungswidrigkeiten gelten. Neben Verfahrensvorschriften sind dies vor allem Regelungen
- über die analoge Gesetzesanwendung (Analogieverbot wie im Strafrecht, "nulla poena sine lege"),
- über den zeitlichen und räumlichen Geltungsbereichs des deutschen Ordnungswidrigkeitenrechts,
- über die ausnahmsweise Ahndung eines Unterlassens (nur bei einer Rechtspflicht zum Handeln),
- über die Schuldformen (Vorsatz und Fahrlässigkeit),
- über den Irrtum (der eine Ahndung ausschließen kann),
- über die Ahndung des Versuchs,
- über die Beteiligung (wobei im Gegensatz zum Strafrecht nicht unterschieden wird zwischen Anstiftung und Beihilfe),
- über eventuelle Rechtfertigungsgründe wie z.B. Notwehr,
- über die Konkurrenzen, also über Behandlung mehrerer zeitlich zusammenhängender Taten (Tateinheit und Tatmehrheit).
[Bearbeiten] Verfahren
Auch das Verfahren - vom ersten Verdacht über die gerichtliche oder behördliche Entscheidung bis zur Vollstreckung - ist im OWiG geregelt. Die Regelungen unterscheidet sich zum Teil deutlich vom Strafprozessrecht, insbesondere von der Strafprozessordnung (StPO):
So gilt bei der Verfolgung von Straftaten grundsätzlich das Legalitätsprinzip (Straftaten müssen verfolgt werden); im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt hingegen das Opportunitätsprinzip: die Verfolgung liegt im Ermessen der Behörde; wobei insbesondere bei der Verfolgung von OWi gem. der BKatV strenge Richtlinien gelten. Die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung legt klare Maßstäbe vor. Daher ist der Ermessensspielraum des Tatrichters bzw. der Verfolgungsbehörde äußerst gering.
Zuständig für die Verfolgung ist in der Regel nicht die Staatsanwaltschaft, sondern nach § 35 OWiG die "Verwaltungsbehörde", an manchen Stellen im Gesetz auch "Verfolgungsbehörde" genannt. Welche Behörde das konkret ist, ergibt sich entweder aus einer besonderen gesetzlichen Regelung oder aus § 36 OWiG. Meist ist es die für das betroffene Sachgebiet zuständige Ordnungsbehörde. Wenn die sachlich zuständige Behörde nicht handeln kann (beispielsweise am Wochenende), oder wenn es keine Spezialbehörde gibt (beispielsweise für den Straßenverkehr), dann ist die Polizei zuständig. Die Staatsanwaltschaft ist dann, wenn eine Straftat zugleich eine Ordnungswidrigkeit darstellt, auch für die Verfolgung unter diesem Gesichtspunkt zuständig (§ 40 OWiG). Zur Beteiligung der Staatsanwaltschaft kommt es auch später im Verfahren, wenn Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid eingelegt wird.
Bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten kann der Verdächtige verwarnt werden; dabei kann ein Verwarnungsgeld erhoben werden (geringfügig sind Ordnungswidrigkeiten, für die das Bußgeld weniger als 40 Euro betragen würde). Ein von der Behörde angebotenes Verwarnungsgeld wird jedoch nur wirksam, wenn es akzeptiert wird, und zwar durch Zahlung innerhalb der dafür bestimmten Frist (regelmäßig eine Woche).
Eine Person, gegen die ein Bußgeldverfahren betrieben wird, heißt „Betroffener“. Für Verkehrsordnungswidrigkeiten gelten teilweise besondere Bestimmungen, vor allem hinsichtlich der Verfolgung (z.B. Sicherheitsleistung).
Für das Bußgeldverfahren gelten sinngemäß die Verfahrensvorschriften der Strafprozeßordnung (StPO) entsprechend (§ 46 OWiG), soweit das OWiG nichts anderes bestimmt. Die Verfolgungsbehörde hat im Bußgeldverfahren, soweit sich nicht aus dem OWiG Abweichungen ergeben, dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten. Dies ergibt sich aus der Verweisungsvorschrift des § 46 Abs. 2 OWiG. Die einzelnen Befugnisse der Verfolgungsbehörde ergeben sich also meist aus einer entsprechenden Anwendung von Vorschriften der StPO. Daher sind auch im Bußgeldverfahren unter anderem Durchsuchungen oder Sicherstellungen möglich. Ausgenommen sind gemäß § 46 OWiG unter anderem die Festnahme, die Verhaftung und die Zwangseinweisung. Die Pflichten aus dem Strafverfahren sind unter anderem die Belehrung und die Regelungen zur Freiheitsbeschränkung. Diese Verweisung im OWiG auf die StPO dient einer gesetzestechnischen Vereinfachung, um nicht die in Frage kommenden Befugnisnormen im OWiG explizit nochmals aufführen zu müssen.
Für die Polizei gibt es eine ähnliche Verweisungsnorm (außerhalb der rechtswissenschaftlichen Literatur manchmal auch Transformationsvorschrift genannt). Nach § 53 OWiG hat die Polizei, soweit nicht das OWiG etwas anderes bestimmt, bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten dieselben Rechte und Pflichten wie bei der Verfolgung von Straftaten. Sie kann daher mit wenigen Ausnahmen des § 46 OWiG Maßnahmen der StPO gegenüber Betroffenen anwenden. Polizeiliche Maßnahmen mit einem weitgreifenden Grundrechtseingriff können nur von einem Polizeibeamten angeordnet werden, der Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft ist (§ 53 Abs. 2 OWiG).
[Bearbeiten] Bußgeldbescheid
Wenn das Verfahren nicht eingestellt wird, und wenn auch keine (wirksame) Verwarnung vorliegt (z.B. weil das Verwarnungsgeld nicht rechtzeitig gezahlt wurde), dann erlässt die Verwaltungsbehörde einen Bußgeldbescheid. Ein Bußgeldbescheid ist im Gegensatz zur Verwarnung mit zusätzlichen Kosten (Gebühr und Auslagen) verbunden. Erst nach Zustellung des Bußgeldbescheides haben eventuelle Beteiligte (z.B. der Geschädigte) ein Anrecht auf Akteneinsicht (nur über einen Rechtsanwalt).
Sobald der Bußgeldbescheid rechtskräftig ist, kann er vollstreckt werden. Anders als Geldstrafen im Strafrecht können Bußgelder allerdings nicht in Freiheitsstrafen umgewandelt werden. Zur Beitreibung des Bußgeldes kann das zuständige Gericht gemäß § 96 OWiG Erzwingungshaft anordnen.
Rechtkraft tritt automatisch ein, wenn die Rechtsbehelfsfrist verstreicht, ohne daß ein wirksamer Rechtsbehelf erhoben wird. Der statthafte Rechtsbehelf gegen einen Bußgeldbescheid heißt Einspruch. Die Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen, d.h. der Einspruch ist nur wirksam, wenn er innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheids erhoben wird.
[Bearbeiten] Verfahren nach einem Einspruch
Auf den Einspruch hin kann die Verwaltungsbehörde den Bußgeldbescheid zurücknehmen. Andernfalls leitet sie den Vorgang weiter an die Staatsanwaltschaft, die ihn dem Amtsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Gericht bestimmt einen Termin zur Verhandlung, in der der Sachverhalt durch Beweisaufnahme geklärt und rechtlich bewertet wird. Zu beachten ist, dass bei diesen Sitzungen - anders als im Strafprozess - nur selten die Staatsanwaltschaft tatsächlich teilnimmt. In der Regel ist nur der Einzelrichter und der Betroffene sowie ggf. dessen Anwalt anwesend. Dies ist insbesondere im Straßenverkehrsrecht häufig der Fall.
Wenn der Betroffene zu dem Gerichtstermin nicht erscheint, wird sein Einspruch verworfen und der Bußgeldbescheid wird rechtskräftig (also unanfechtbar), außer, der Betroffene war von seiner Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden oder ausnahmsweise ohne Verschulden an der Terminswahrnehmung gehindert. Als statthaftes Rechtsbehelf gegen das Verwerfungsurteil gibt es den Antrag auf Widereinsetzung in den vorherigen Stand.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann gegen die Entscheidung des Amtsgerichts mit der Rechtsbeschwerde das Oberlandesgericht als nächste Instanz angerufen werden. Dies passiert insbesondere im Straßenverkersrecht regelmäßig. Zu beachten ist der Unterschied zwischen der Rechtsbeschwerde und dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Ferner gibt es in einzelnen Bundesländern hierfür eigene Regelungen. In Bayern führte z.B. lange Zeit das Bayerische Oberste Landesgericht als oberste Instanz über Bußgeldsachen die Rechtsprechung. In Sonderfällen kann sogar - nämlich immer dann, wenn das zuständige Oberlandesgericht es für geboten hält - der Bundesgerichtshof angerufen werden. Dies kommt äußerst selten vor. Das zuständige OLG kann den BGH immer dann anrufen, wenn es dies zu Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung für geboten hält.
[Bearbeiten] Wiederholte Ordnungswidrigkeiten
Einige Sanktionsnormen im deutschen Strafrecht qualifizieren die beharrliche oder wiederholte Begehung einer Ordnungswidrigkeit zur Straftat. Beispiele hierfür sind:
- beharrliche Verstöße im Reisegewerbe (Vergehen gem. §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 1, 2 Nr. 2 oder 6 oder 146 Abs. 1, 148 Gewerbeordnung),
- beharrliche Verstöße gegen die räumliche Beschränkung des Aufenthalts von Asylbewerbern (Vergehen gem. §§ 56 Abs. 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit § 71a Abs. 3, 85 Nr. 2 Asylverfahrensgesetz).
Ferner ist zu beachten, dass wie im Strafrecht die Sanktionen mit jedem Male höher ausfallen. Beispiele hierfür sind zum Beispiel die Regelfahrverbote, die die BkatV im § 4 vorschreibt.
[Bearbeiten] Österreich
In der Republik Österreich existiert analog dem deutschen Ordnungswidrigkeitenrecht ein Verwaltungsstrafrecht, das durch das Verwaltungsstrafgesetz (VStG; allgemeines Verwaltungsstrafrecht, Verfahrensrecht), das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG; Verfahrensrecht) und zahlreiche Straftatbestände in verschiedenen Einzelgesetzen geregelt ist.
[Bearbeiten] Weblinks
- Deutsches Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG)
- Informationen der Zentralen Bußgeldstelle in Bayern
[Bearbeiten] Siehe auch
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