Russen
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Die Russen (russisch Русские/ Russkie), auch Großrussen, sind ein zur ostslawischen Sprachgruppe gehörendes Volk mit etwa 137 Mio. Angehörigen, davon 115 Mio. in Russland, zirka 17 Mio. in den anderen Folgestaaten der Sowjetunion und etwa 6 Mio. in weiteren Staaten. Sie sind damit das größte Volk in Europa und übertreffen die anderen slawischen Völker (zum Beispiel Ukrainer 46 Mio., Polen 60 Mio.) jeweils um ein Vielfaches. Die Russen bekennen sich überwiegend zum orthodoxen Christentum.
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Geschichte
Die Vorfahren der Russen waren ostslawische Stämme, die die Gebiete des heutigen Westens von Russland, Weißrussland sowie die Ukraine bewohnten. An der Ethnogenese der Russen waren neben ihnen auch skandinavische und finno-ugrische Stämme beteiligt. Das zugrundeliegende Ethnonym „rus'“ bezeichnete ursprünglich die aus Skandinavien stammenden Waräger, die zunächst die Oberschicht der Kiewer Rus, des ersten Staatsgebildes der Region stellten (vgl. finnisch „Ruotsi“ = „Schweden“) und wurde später auf die gesamte Bevölkerung des Reiches übertragen, zumal die Skandinavier ziemlich rasch eine kulturelle Slawisierung erfuhren.
Die anfangs homogene altrussische Ethnie der Kiewer Rus begann sich ab dem 15. Jahrhundert kulturell in Großrussen, Weißrussen und Ukrainer (früher: Kleinrussen) aufzuspalten. Die Großrussen bewohnten anfangs das Gebiet, das den Nordwesten des heutigen Russlands umfasste. Mit den militärischen Erfolgen gegen die Goldene Horde und die Tataren breitete sich ihr Siedlungsgebiet entlang der Wolga nach Süden aus. Vor allem aber der Fall der Tatarenhauptstadt Kasan 1552 öffnete den Russen den Weg über den Ural nach Sibirien, das sie daran anschließend zu erschließen begannen. Im 17. Jahrhundert gelangten die Russen erstmals an den Pazifik. Eine wichtige Rolle bei der Kolonisierung neuer Gebiete spielten die russischen Kosaken. Ab dem 18. Jahrhundert expandierte der Siedlungsraum der Russen nach dem Zurückdrängen der Osmanen und Krimtataren in die Südukraine (Neurussland) und den Nordkaukasus. Vor 1917 lebten die Russen beinah ausschließlich auf dem Gebiet des Russischen Reiches, bis die Oktoberrevolution viele adlige und bürgerliche Familien zum fluchtartigen Auswandern veranlasste und eine weltweite Diaspora entstand.
Zur Zeit der Sowjetunion entstanden russische Minderheiten in beinahe allen Teilrepubliken. Während dies im Baltikum auf eine forcierte Siedlungspolitik des Staates zurückging, bestand in Zentralasien oder im Südkaukasus eher ein natürlicher Bedarf an qualifizierten Fachkräften zum Aufbau der Infrastruktur, der Industrie oder der Bildungseinrichtungen, der überwiegend nur von Russen gedeckt werden konnte. Seit der Auflösung der Sowjetunion gibt es jedoch Rückwanderungsbewegungen in die Russische Föderation.
Verteilung der Russen in den verschiedenen Ländern
Russen in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion
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Armenien - ca. 27.000 (0,9 % der Bevölkerung)
Aserbaidschan - ca. 150.000 (1,8 %)
Estland - ca. 380.000 (28,1 %)
Georgien - ca. 77.000 (1,5 %)
Kasachstan - ca. 4,5 Mio. (30,0 %)
Kirgisistan - ca. 635.000 (12,5 %)
Lettland - ca. 687.000 (29,6 %)
Litauen - ca. 218.000 (6,31 %)
Moldawien - ca. 551.000 (13,0 %)
Russland - ca. 116 Mio. (79,8 %)
Tadschikistan - ca. 69.000 (1,1 %)
Turkmenistan - 48.000 (9,8 %)
Ukraine - ca. 8,4 Mio. (17,3 %)
Usbekistan - ca. 1,4 Mio. (5,5 %)
Weißrussland - ca. 1,1 Mio.(11 %)
In Moldawien lebt ein großer Teil der Russen in Transnistrien (Dnjestr-Republik), das sich 1992 von Moldawien lossagte. Betrug der Anteil der Russen in dem Gebiet 1989 nur 25,4 %, sind inzwischen 30,3 % der 555.000 Einwohner Russen. Das sind ca. 30 % der Russen in Moldawien.
Einwohner Estlands und Lettlands, die erst während der Sowjetzeit in diese Länder kamen, bekamen die Möglichkeit deren Staatsbürgerschaft zu erlangen nur, nachdem sie einen Test erfolgreich abgelegt hatten, der ihr Wissen über die Landesgeschichte, dessen Sitten und der Landessprache überprüfte. Vor allem in Lettland kam es zu Protesten ethnischer Russen gegen den Unterricht in Lettisch und die Schließungen russischer Schulen. Etwa die Hälfte der russischen Minderheit in Lettland spricht nur Russisch. Seit 1992 haben in Estland auf diesen Weg 137.000 Einwohner die estnische Staatsbürgerschaft erhalten, wovon die meisten ethnische Russen waren. 136.000 oder 10 % der Einwohner sind immer noch ohne Staatsbürgerschaft. In Lettland stehen den bisher knapp 100.000 Einbürgerungen seit 1995 gut 400.000 „Nicht-Staatsbürger“ gegenüber - 17 % der lettischen Bevölkerung. Ihr juristischer Status als „Nicht-Staatsbürger“ ist einmalig in der weltweiten Rechtspraxis und widerspricht den Normen der Europäischen Union.
Russen in anderen Staaten der Welt
Brasilien - 122.000 Russen und Russischstämmige
VR China - ca. 15.000
Deutschland - ca. 180.000
Finnland - ca. 28.000 (0,54 %)
Israel - etwa 1 Mio. Russischsprachige (15 %)
Kanada - 80.000 Russen und Russischstämmige
Rumänien - ca. 43.000 (0,2 %)
Türkei - 20.000
USA - ca. 338.000 Russen und 5,1 Mio. Russischstämmige
In der Volksrepublik China sind die Russen (俄罗斯族) als offizielle Minderheit anerkannt, die dort schon seit Generationen existiert. Hier leben sie im Norden von Xinjiang, der inneren Mongolei und in Heilongjiang. Seit dem Ende der Sowjetunion gibt es erneut größere Einwanderungsbewegungen, sowohl von Russen nach China, als auch von Chinesen nach Russland.
In Deutschland lebten Ende 2005 185.931 Staatsbürger der Russischen Föderation. 4.381 nahmen 2004 die deutsche Staatsbürgerschaft an.
Aus der früheren Sowjetunion sind über eine Million jüdische Einwanderer nach Israel gekommen, davon alleine in der Zeit von 1989 bis 1999 mehr als 750.000. Heute geht man davon aus, dass etwa 1 Mio. Israeli Russisch sprechen. In wie weit man sie als Russen bezeichnen kann, ist Ansichtssache. In der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten werden Juden als eigene Volksgruppe gezählt, obwohl die weite Mehrheit Russisch als Muttersprache spricht.
In Rumänien leben die russischsprachigen Lipowaner.
Man schätzt, dass 5,1 Millionen Einwohner der USA russischstämmig sind. Besonders erwähnenswert ist hier Alaska, das ursprünglich Teil des Russischen Reichs war, bis es 1867 an die USA verkauft wurde. In der Hochzeit der Kolonie lebten 40.000 Russen in Alaska, hauptsächlich auf den Aleuten. Hier findet sich immer noch eine kleine orthodoxe Minderheit. Laut der Volkszählung von 2000 nennen aber nur 706.242 US-Amerikaner Russisch als ihre Alltagssprache. Größere Gruppen von Russian-Americans leben in New York, Los Angeles, Chicago, Philadelphia, San Francisco und Boston. Etwa 90 % der russischsprechenden US-Amerikaner sind Juden. Etwa 80 % der russischsprechenden US-Amerikaner sind nicht in den USA geboren. Man geht davon aus, dass zwischen 1990 und 2000 mehr als eine halbe Millionen Einwanderer aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion sich in den USA niederließen.
Teilgruppen
Die an der Küste des Weißen Meeres lebenden Russen heißen seit je her Pomoren, sie sind die Nachfahren der alten Nowgoroder und besitzen eigene kulturelle Züge in Tracht, Folklore und Aussprache. Im Donau-Delta leben Nachfahren der russischen Altgläubigen, die Lipowaner. Zu einer weiteren russischen Teilgruppe kann man die Don- und die Kuban-Kosaken zählen. Oft weisen auch die sibirischen Russen auf ihre gewisse kulturelle Eigenständigkeit hin.
Bezeichnung
Im Deutschen werden Bürger der Russischen Föderation oft pauschal als Russen bezeichnet, unabhängig ihrer jeweiligen ethnischen Zugehörigkeit. Im Russischen dagegen meint „russkij“ primär ethnische Russen. Die Staatszugehörigkeit bezeichnet dagegen das Adjektiv „rossijskij“ (российский), das von „Rossija“ (Россия = Russland) abgeleitet ist. Ein russischer Staatsbürger beliebiger ethnischer Zugehörigkeit heißt dementsprechend „Rossijanin“ (Россиянин), Plural „Rossijane“ (Россияне), was mit „Russländer“ übersetzt werden könnte. In der Umgangssprache kann diese Unterscheidung jedoch manchmal verloren gehen.
Russische Nachnamen
Die Formierung moderner russischer Nachnamen fand zwischen dem 16. und dem 17. Jahrhundert statt. Die typischen Endungen waren dabei die Genitivendungen -ow /-ew bzw. -in, die heute ca. 2/3 der russischen Nachnamen besitzen. Meistens bildete man dabei den Genitiv zu Vornamen, Tiernamen oder Berufen. Seltenere Namensendungen waren -ski (Adjektiv; bezog sich entweder auf die geografische Herkunft oder wurde von Einwanderern aus polnisch-litauischem Reichsgebiet importiert), -ych (Pluralgenitiv, vor allem im Ural), -itsch, -ez, -ak, -ago. In der neueren Zeit kamen aus dem ukrainischen Raum auch Namen auf -enko und -uk.
Da der Genitiv im Russischen je nach Genus dekliniert wird, erhalten weibliche Nachnamen bei den Endungen -ow, -ew und -in jeweils ein zusätzliches a angehängt. Die Adjektivendung -ski ändert sich zu -skaja. Alle anderen Nachnamen werden nicht dekliniert.
Siehe auch
Geschichte Russlands, Reußen (Volksstamm), Weißrussen, Ukrainer (Kleinrussen) und Ruthenen, Kosaken.