Geschichte Russlands
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Dieser Artikel bietet einen Überblick über die russische Geschichte von der Urzeit bis in die Gegenwart. Einzelne in diesem Artikel erwähnte Geschehnisse oder Epochen werden in separaten Artikeln im Detail beschrieben und behandelt.
Frühgeschichte
Bis Mitte des ersten Jahrtausends waren die südrussischen Steppen von unterschiedlichen nomadischen Völkern bewohnt, unter anderem von Skythen und Sarmaten. Nördlicher von ihnen waren in der Waldzone Finno-ugrische Völker und Balten beheimatet. Seit Anfang des ersten Jahrtausends begann aus dem Westen die kontinuierliche Ausbreitung der Slawen. Die slawischen Stämme, die sich unmittelbar auf dem Gebiet des heutigen Russlands niederließen, waren Ilmenslawen, Kriwitschen, Wjatitschen und Sewerjanen. Zwischen 552 und 745 befand sich auf einem Teil vom heutigen Territorium Russlands das Alte Großbulgarische Reich. Um 654 teilte sich Großbulgarien in drei Teile auf. Vom 10. bis zum 14. Jahrhundert gehörte das Land zwischen Wolga und Kama zum Reich der Wolgabulgaren.
Das Kiewer Reich
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Das Wort "Rus"(russisch Русь) leitet sich vermutlich vom finnischen "Ruotsi" ("Schweden") ab, was auf die Einwanderung von Wikingern (Waräger) hinweist, die aus Schweden kommend die großen Flüsse Dnepr und Wolga entlang ruderten. Die Chroniken besagen, dass die Slawen die Waräger zu sich riefen, damit diese ihre Stammesfehden beenden. Die Waräger gründeten ein riesiges Reich mit der Hauptstadt in Kiew. Neben Kiew entwickelte sich Nowgorod am Ilmensee zu einem zweiten Zentrum des Reiches. Als im 11. Jahrhundert der Reiterstamm der Polowezer Kiew verwüstete und die Ukraine besetzte, gewannen die nördlich und östlich gelegenen Fürstentümer in der Gegend von Nowgorod und Wladimir an Bedeutung. Nowgorod selber wurde zu einer einflussreichen Kaufmannsrepublik, die zu einer Hansestadt wurde.
Die mongolische Herrschaft
Die Zerstrittenheit der russischen Fürsten erleichterte die Eroberung des Gebietes durch Mongolen aus der ostasiatischen Steppe (siehe unter anderem Schlacht an der Kalka). Deren Khan Batu errichtete an der Wolga ein über 200 Jahre bestehendes Reich der Goldenen Horde mit Sitz in Sarai. Nowgorod hingegen konnte seine Unabhängigkeit behaupten, hatte aber mit Schweden und dem deutschen Orden zu kämpfen, die von Westen her Gebiet beanspruchten. An der Newa schlug das Heer von Alexander Newski das Heer der Schweden, auf dem Eis des Peipussees vernichtete er die Truppen des Deutschen Ordens (siehe Schlacht auf dem Peipussee). Alexander Newskis Sohn Daniil Alexandrowitsch bekam von der Goldenen Horde als Lehen das kleine Teilfürstentum Moskau.
Iwan Kalita wurde von den Mongolen zum "Großfürsten von Moskau" ernannt. Er nahm sich die "Sammlung russischer Erde" vor, womit die Wiederherstellung der Kiewer Rus gemeint war.
Bewertung der Mongolenherrschaft durch Historiker
Die Bewertung der mongolischen Herrschaft ist umstritten. Die russische Nationalhistoriographie bewertet sie traditionell überwiegend negativ. Die meisten Historiker vertreten die Ansicht, die Folgen der mongolischen Herrschaft seien die Zerstörung der persönlichen Würde des Menschen, der autokratische Regierungsstil und die grausamen Strafen (Folter, Verstümmelung). Die mongolische Fremdherrschaft führte demnach für zwei Jahrhunderte zu einem Abbruch der Beziehungen zum Westen und förderte die Abkapselung des orthodoxen Russlands. Unbestritten sind die katastrophalen Verwüstungen und Entvölkerungen, die vor allem beim ersten großen Feldzug von Batu 1237-1240 nach Schätzungen zu einer Bevölkerungsdezimierung um gut die Hälfte, sowie zur Auslöschung zahlreicher Städte geführt haben. Auch im Folgenden gab es immer wieder verheerende Straffeldzüge, sobald die Mongolen Widerstand und Ungehorsam entdeckten. Nicht selten bedienten sich russische Fürsten der mongolischen Militärhilfe bei Auseinandersetzungen mit ihren jeweiligen Nachbarn, die teils ihre Verwandten waren. Auch die schwere von Mongolen aufgebürdete wirtschaftliche Abgabenlast wird von Historikern als der russischen Entwicklung schädlich bewertet, da sie Russlands Entwicklung hemmte und Massenarmut förderte ([1], [2]).
Einige Historiker, so der Wiener Professor Kappeler bewerten dieser Epoche positiver. Danach habe während dieser Periode in Eurasien eine "Pax Mongolica" geherrscht, die zur Erschließung und Verbindung des weiten Raumes zwischen Ostmitteleuropa und China geführt habe. Betont wird auch die traditionelle religiöse Toleranz der Mongolen, die den Glauben der Unterworfenen respektierten, was aber im Falle Russlands im Vergleich zur vorherigen Situation keine Verbesserung darstellte, wie auch die indirekte Natur ihrer Herrschaft: Solange die unterworfenen Subjekte nicht Gefolgschaft und vor allem den Tribut (Jasak) verweigerten, mischten sich die mongolischen Herrscher nicht in die inneren Angelegenheiten der Fürstentümer ein. Der Aufstieg Moskaus zur Kontinental- und Weltmacht sei auch dem Umstand zu verdanken, dass die Moskauer Großfürsten sowie die späteren Zaren das indirekte Herrschaftsmodell der Mongolen weitgehend übernahmen, was auch an der Übernahme des Wortes "Jasak" (ясак) für den zu entrichtenden Tribut sichtbar werde.
Der Aufstieg Moskaus
siehe auch Großfürstentum Moskau
1380 gelang es dem Moskauer Großfürsten Dmitri Donskoi, die Mongolen erstmals in einer Schlacht zu schlagen, womit er den Niedergang des Reiches der Goldenen Horde einleitete (siehe Schlacht von Kulikowo). Deren Staatsgebiet zerfiel in die Khanate Kasan, Krim und Astrachan.
Seit dem 13. Jahrhundert waren unterdessen zahlreiche Teilfürstentümer der zerfallenen Kiewer Rus im heutigen Weißrussland und der Ukraine unter die Oberherrschaft Litauens geraten. Dieses Herrschaftsgebilde, das von den bis ins 14. Jahrhundert heidnischen litauischen Großfürsten regiert wurde, war so zum zeitweilig aussichtsreichsten Kandidaten für die Nachfolge Kiews avanciert. Erst später als mit der Begründung Polen-Litauens die litauische Herrscherfamilie zum Katholizismus konvertierte, musste sie diese Option aufgeben und es entstand der Gegensatz zwischen katholischen Polen bzw. Litauern und orthodoxen Ostslawen auf der anderen Seite, der für die Geschichte dieser Gebiete weithin prägend wurde.
Der Moskauer Großfürst Iwan III. (1462-1505) baute seinen Herrschaftsbereich aus, indem er 1478 die frühere Regionalmacht und Stadtrepublik Nowgorod gewaltsam annektierte. 1475 besiegte Dmitrij von Moskau mit Twer den schärfsten Rivalen um das Großfürstentum. 1489 wurde auch Wjatka eingegliedert. 1480(90?) wurden die Tributzahlungen an die Mongolen beendet, was als endgültiges Ende der mongolischen Vorherrschaft angesehen wird. Bis 1521 kamen noch Smolensk, Pskow und Rjasan unter die Herrschaft Moskaus. Iwan III. heiratete die Nichte des letzten Kaisers von Byzanz und erklärte sein Reich zum 3. Römischen Reich und sich selber zum Kaiser (Zar).
Iwan IV.und Boris Godunow
Zar Iwan IV. Wassiljewitsch Grosny ("der Schreckliche") festigte den russischen Zentralstaat mit zum Teil brutalen Mitteln und unter Mithilfe seiner Leibgarde, der Opritschnina. 1552 wurde die Tatarenhauptstadt Kasan sowie 1556 Astrachan erobert, womit der Weg zur Kolonisierung Sibiriens offen war. 1579 drangen Kosaken unter ihrem Anführer Jermak und im Auftrag der Kaufmannsdynastie Stroganow erstmals nach Sibirien vor. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden auf diese Weise viele russische Stützpunkte - anfangs als Handelsstützpunkte - in Sibirien gegründet.
Im Westen des Reiches wurde Krieg um die Landschaft Livland geführt, mit dem das von den Meeren und dem Handel weitgehend isolierte Russland einen Zugang zur Ostsee gewinnen wollte. Die anfänglichen Gebietsgewinne im Baltikum gingen jedoch bald wieder verloren, Schweden sicherte sich für ein Jahrhundert russische Gebiete im Nordwesten. Der einzige Hafen, über den Russland Handel mit dem Westen treiben konnte, wurde das 1584 gegründete Archangelsk.
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Zur gleichen Zeit war Russland mit einer Invasion aus dem Süden konfrontiert. Krimtatarische und osmanische Armeen forderten das Wolga-Gebiet für den Islam zurück. 1571 gelang es einer kleinen Armee des Chans Dewlet-Giray die russischen Befestigungen unentdeckt zu umgehen und vor Moskau aufzutauchen. Die Vorstädte wurden in Brand gesteckt, woraufhin die ganze Stadt bis auf den Kreml abbrannte. Ein Jahr später kam der Chan mit einem wesentlich größeren Heer zurück, in der Hoffnung, das angeschlagene Russland endgültig niederzuwerfen. Er musste jedoch eine schwere Niederlage in der Schlacht bei Molodi hinnehmen, die die Bedrohung durch das Krimchanat in den folgenden Jahrhunderten beschränkte. Nichtsdestotrotz hielten die Raubzüge und Verschleppungen von Menschen im südlichen Grenzland noch lange an. Dies war einer der Faktoren, die die Entwicklung des Kosakentums als wehrhafter Bauern weiter förderte.
Durch das Fehlen direkter Nachkommen nach dem Tod Iwans IV - er hatte seinen einzigen Sohn in einem Wutanfall erschlagen - stürzte das Land in eine Zeit politischer Unruhen. Die Macht ging auf den Bojaren Boris Godunow über. Er war ein begabter Herrscher, führte jedoch die Leibeigenschaft ein, was viele Bauernaufstände nach sich zog. Als er 1605 starb, versuchten Schweden und Polen, die Wirren in Russland zu nutzen und zu intervenieren. So versuchte man von polnischer Seite aus, einen Zaren zu installieren, den man als den rechtmäßigen Thronfolger Dimitri ausgab (Pseudodemetrius). Dieser Versuch scheiterte jedoch, als Dimitri vom wütenden Volk umgebracht und aus einer Kanone in Richtung Polen gefeuert wurde. Als die Polen daraufhin im Jahr 1610 Moskau einnahmen, hielt ihre Herrschaft nur ein Jahr. Ein Volksaufstand, der von Kusma Minin und Dmitri Poscharski angeführt wurde, führte zur Befreiung Moskaus und zur Vertreibung der Polen. Mit diesem Ereignis und mit der Wahl von Michail Fjodorowitsch Romanow zum Zaren 1613 ging die sogenannte Smuta, die Zeit der Wirren, zu Ende. Der neue Zar begründete die Dynastie der Romanows, die bis zur Oktoberrevolution in Russland herrschte.
Die Romanows und Peter der Große
1654 erweiterte sich der Machtbereich Russlands um die Ostukraine und Kiew, nachdem die Ukrainer unter Bogdan Chmelnizki einen Volksaufstand gegen die polnische Oberherrschaft unternahmen und sich Russland anschlossen. Kurz darauf folgten innere Unruhen im Zusammenhang mit den Reformen der Russisch-Orthodoxen Kirche durch den Patriarchen Nikon. Die sogenannten Altgläubigen weigerten sich, den neuen Ritus anzunehmen und wurden daraufhin vom Staat verfolgt, so dass es zu einer erheblichen Auswanderungswelle ins Baltikum, ins Donau-Delta und über den Ural kam. 1670 hatte das Zarenreich außerdem mit einer großen Bauern- und Kosakenrevolte im Süden des Landes unter der Führung von Stenka Rasin zu kämpfen. 1676 konnte zusammen mit den Ukrainern eine massive türkische Aggression abgewehrt werden.
1682 wurde Peter I. ("der Große") zusammen mit seinem geistig kranken Halbbruder Iwan V. Zar. 1694 übernahm Peter allein die Regierungsgeschäfte. Er machte eine Schiffbauerausbildung in den Niederlanden und versuchte, Russland in Richtung Westen zu öffnen. Im Großen Nordischen Krieg gegen Schweden gelang es Russland, Gebiete an der Ostsee zu erobern und Schweden als vorherrschende Ostseegroßmacht abzulösen. 1703 wurde Sankt Petersburg als geplante russische Hauptstadt und "Tor zur Welt" im neu eroberten Mündungsdelta der Newa angelegt. Um diese Stadt zu bauen, wurden viele Leibeigene eingesetzt und sehr hohe Steuern erhoben. Es kam zu Unruhen, vor allem in Südrussland. 1721 wurde die Kirche in Russland dem Staat untergeordnet. Peter reformierte Russland von Grund auf, führte neue Vorschriften ein, verstärkte die Armee, baute die russische Flotte auf, gründete zahlreiche Kollegien und Einrichtungen, förderte die Technik und die Wissenschaft.
Von Katharina I. bis Katharina II.
Nach dem Tod Peters folgte ihm seine Frau Katharina I. auf den Thron. Sie stand unter dem Einfluss von Alexander Danilowitsch Menschikow, dem sie die Regierungsgeschäfte praktisch uneingeschränkt überließ. Doch schon zwei Jahre nach ihrem Regierungsantritt starb Katharina. Ihr Nachfolger wurde der Enkel Peters des Großen, Peter II., der Menschikow schon bald entmachtete und seinen Hof nach Moskau verlegte. Doch auch Peter starb schon bald nach seinem Regierungsantritt an den Pocken, ohne einen Erben zu hinterlassen.
Seine Nachfolgerin als Zarin wurde seine Tante, Anna Iwanowna. Sie bremste viele Reformen Peters des Großen, die zu diesem Zeitpunkt noch wirksam waren. Das Geld wurde der Förderung von Bildung und anderen Unternehmungen entzogen und für aufwändige und verschwenderische Hofzeremonien ausgegeben. Zu den militärischen Ereignissen ihrer Regierungszeit zählte der Feldzug von Burkhard Christoph von Münnich gegen das Krimchanat, der diesen langen gefährlichen Feind Russlands wesentlich schwächte. Unter Anna gewannen viele Deutsche einen erheblichen Einfluss im russischen Staat, darunter Ernst Johann von Biron und Heinrich Johann Ostermann. Ihre repressiven Herrschaftsmethoden wurden bald sehr unpopulär und führten im Jahr 1741 zu einem Staatsstreich, bei dem die Tochter Peters des Großen Elisabeth Petrowna Zarin wurde.
Die Regierungszeit von Elisabeth war das Gegenteil des Herrschaftsmodells von Anna. Hohe Staatsämter wurden wieder an Russen vergeben, Modernisierung und Weiterentwicklung des Landes wurde wieder angestoßen. Beispielsweise unterstützte Elisabeth Michail Lomonossow bei der Gründung der Moskauer Staatsuniversität. Elisabeth Petrowna erließ sehr liberale Gesetze, unter anderem wurde in Russland die Todesstrafe abgeschafft und während ihrer Regierungszeit kein einziges Mal vollzogen. Elisabeth förderte die Künste und die Architektur, auf ihre Initiative wurde das Winterpalais von Sankt-Petersburg, das Katharinenpalast und viele andere bekannte Bauwerke errichtet. Im Siebenjährigen Krieg eroberte die russische Armee weite Teile Preußens, darunter auch Berlin. Der Tod von Elisabeth 1761, bekannt als das Mirakel des Hauses Brandenburg, wendete die totale Niederlage Preußens ab. Der deutschfreundliche Neffe (sein Vater war der Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorp) von Elisabeth, Peter III., gab Preußen alle eroberten Gebiete zurück.
Aus der allgemeinen Unzufriedenheit mit der Politik Peters III. entstand eine Verschwörung, im Zuge derer seine Ehefrau Katharina II. ("die Große") an die Macht kam. Auch sie setzte den Modernisierungskurs ihrer Vorgängerin fort. Zusammen mit ihrem Favoriten Grigori Potjomkin entwarf sie eine kühne Vision, das sogenannte "Griechische Projekt". Es sah vor, die Macht des Osmanischen Reiches auf dem Balkan zu brechen und ein zusammenhängendes orthodoxes Reich von der Ägäis bis nach Russland zu erschaffen. Die Meerengen sowie Konstantinopel sollten unter die Kontrollen Russlands fallen. Eine Reihe von Kriegen gegen das Osmanische Reich brachte dieses Ziel tatsächlich näher, auch wenn es nie vollständig realisiert wurde. Weite Teile Südrusslands und der Südukraine kamen zum Russischen Reich. In den neuen Landstrichen, die unter dem Namen Neurussland zusammengefasst waren, wurden zahlreiche neue Städte wie Sewastopol, Odessa oder Jekaterinoslaw gegründet. Katharina besaß eine große Macht in Polen und übte großen Einfluss auf dessen Entscheidungen und Thronverhältnisse aus. Schließlich beschloss sie zusammen mit Preußen und Österreich die Polnischen Teilungen.
Im Inland war sie 1783 mit einem massiven Bauern- und Kosakenaufstand (Pugatschow-Aufstand) konfrontiert. Er resultierte aus den verschärften Regelungen für die Leibeigenschaft. Katharina konnte den Aufstand blutig niederschlagen, doch weite Teile des südlichen Wolga- und Uralgebietes blieben noch lange von dem bürgerkriegsähnlichen Aufstand verwüstet. Zum Wiederaufbau und -besiedlung dieser Landstriche wurden viele Deutsche als Siedler nach Russland eingeladen. Katharina beseitigte außerdem die Autonomie der ukrainischen Kosaken und gab ihnen stattdessen Ländereien im Krasnodar-Gebiet. Die französische Revolution von 1789 hat sie endgültig von den liberalen Ideen abgestoßen, die sich in der Anfangszeit ihrer Herrschaft noch pflegte.
Bis 1812 wurden Finnland, Georgien und Bessarabien russisch..
Die Zeit der Napoleonischen Kriege
Nach Katharinas Tod am 17. November 1796 folgte ihr Sohn Paul I. (1796-1801), der laut seiner Gegner durch eine verkehrte Erziehung ein misstrauischer, launenhafter Tyrann geworden war. Anfangs erließ er einige wohltätige Verordnungen zugunsten der Leibeigenen und Altgläubigen. Wichtig ist auch das von ihm 1797 erlassene Familiengesetz. Dieses bestimmte für die Thronfolge das Recht der Erstgeburt in direkt absteigender Linie und dabei den Vorrang der männlichen Nachkommen vor den weiblichen als Reichsgrundgesetz. Ein anderes Gesetz trennte einen Teil der Kronbauern als Eigentum der kaiserlichen Familie unter dem Namen Apanagebauern ab. Aus Misstrauen gegen die revolutionären Ideen verbot Paul aber den Besuch ausländischer Lehranstalten und Universitäten, führte eine verschärfte Zensur und strenge Aufsicht über alle im Reich lebenden Ausländer und fremden Reisenden ein und bestrafte jede freie Meinungsäußerung mit launischer Willkür.
An den Koalitionskriegen gegen Frankreich nahm er erst teil, als die aus Malta vertriebenen Malteserritter ihn im Oktober 1798 zum Großmeister gewählt und seine Hilfe gegen Frankreich angerufen hatten. Im zweiten Koalitionskrieg stellte er Hilfstruppen unter General Hermann für die von den Engländern beabsichtigte Landung in den Niederlanden, für den Krieg in Süddeutschland (unter Korssakow) und in Italien (unter Suworow). Sogar Sultan Selim III. schickte er eine Flotte mit 4000 Soldaten nach Konstantinopel zu Hilfe.
Die glänzendsten Erfolge erzielte Suworow in Italien, wo er mit den Österreichern vereint durch die Siege bei Cassano d'Adda (27. April 1799), an der Trebbia (17.–19. Juni) und bei Novi Ligure (15. August) die Franzosen aus dem Pogebiet vertrieb. Als er dann auf seinem berühmten Marsch über den Sankt Gotthard in die Schweiz vordrang, um sich mit Korssakow zu vereinigen, war dieser eben (26. September) bei Zürich geschlagen worden, und Suworow musste sich über den Panixerpass nach Graubünden wenden, von wo er nach Russland zurückkehrte.
Auch die Landung in den Niederlanden endete mit einer schimpflichen Kapitulation (19. Oktober). Zar Paul schrieb diese Misserfolge der Unfähigkeit der verbündeten Befehlshaber zu. Er sagte sich von der Koalition los und schloss nach dem Muster des von Katharina II. veranlassten Neutralitätsvertrags vom 26. Februar 1780 zur Beschränkung der britischen Seemacht im Dezember 1800 einen solchen mit Schweden, Dänemark und Preußen. Großbritannien antwortete sofort mit einem Angriff auf Kopenhagen. Noch ehe es zu Feindseligkeiten zwischen Großbritannien und Russland kam, wurde Paul am 24. März 1801 von einigen Adligen ermordet.
Sein 23-jähriger Sohn Alexander I. (1801–1825) entsagte sofort in einem Vertrag mit England der bewaffneten Neutralität, um sich den Werken des Friedens widmen zu können. Nach Rousseau'schen Grundsätzen erzogen, schwärmte er für humane Ideale, ohne jedoch seine unbeschränkte Herrschergewalt, auf die er nicht verzichtete, mit Energie und Ausdauer für deren Verwirklichung anzuwenden. An Stelle der von Peter I. begründeten Kollegien errichtete er acht Ministerien (1802), schuf für die Prüfung und Beratung aller neuen Gesetze und Maßregeln der Regierung den Reichsrat, suchte die Finanzen zu regeln und legte zur Verminderung der Heereskosten Militärkolonien an. Die Leibeigenschaft hob er in den baltischen Provinzen auf und milderte sie in Russland selbst. Die Zahl der Gymnasien und Volksschulen wurde beträchtlich vermehrt, Universitäten neu errichtet (in Kasan und Charkow) oder reorganisiert (in Dorpat und Wilna).
Bald erkannte er, dass seine friedliche, ja freundschaftliche Haltung zu Frankreich von Napoleon nur benutzt wurde, um in Mitteleuropa nach Willkür schalten zu können. 1805 trat er der "dritten Koalition gegen Frankreich" bei. Doch wurde das russische Heer unter Kutusow, das sich in Mähren mit den Österreichern vereinigte, am 2. Dezember 1805 bei Austerlitz geschlagen und musste infolge des Waffenstillstandes zwischen Frankreich und Österreich das österreichische Gebiet räumen.
Seinem sentimentalen Freundschaftsbündnis mit Friedrich Wilhelm III. getreu, kam Alexander 1806 Preußen zu Hilfe, als dessen Heerestrümmer nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt über die Oder zurückgedrängt waren (vierte Koalition). Die Russen lieferten den Franzosen in Polen die unentschiedenen Gefechte von Czarnowo (23.–24. Dezember), Schlacht von Pultusk und Golymin (26. Dezember 1806), in Preußen die mörderische, aber nicht entscheidende Schlacht bei Preußisch Eylau (7.–8. Februar 1807), wurden aber nach einem längeren Waffenstillstand 10. Juni bei Heilsberg und 14. Juni bei Friedland (Ostpreußen) geschlagen.
Bei einer persönlichen Zusammenkunft mit Alexander am 25. Juni gelang es Napoleon, den Zaren völlig für sich zu gewinnen. Alexander schloss am 7. Juli mit Napoleon den Frieden von Tilsit. Dabei ließ er Preußen völlig im Stich. Er bereicherte sich sogar auf dessen Kosten am Grenzdistrikt Bialystok. In einem geheimen Bundesvertrag teilten sie sich die Herrschaft über Europa. Genaueres wurde bei einer zweiten Zusammenkunft in Erfurt (Erfurter Fürstenkongress, September bis Oktober 1808) bestimmt. Russland überließ Napoleon die Herrschaft über Deutschland, Spanien und Portugal und trat der Kontinentalsperre gegen England bei. Dafür durfte Russland Schweden und die Türkei erobern.
Schon Anfang 1808 hatte Russland Schweden den Krieg erklärt und ein Heer in Finnland einrücken lassen, das in kurzer Zeit erobert wurde; 1809 gingen russische Truppen über das Eis des Bottnischen Meerbusens, besetzten die Ålandinseln und die gegenüberliegende schwedische Küste. Karl XIII. von Schweden musste den Frieden von Frederikshamn schließen (17. September 1809) und ganz Finnland bis zum Fluss Tornea und die Alandinseln an Russland abtreten.
Das zweite Opfer des Tilsiter Bündnisses war die Türkei. Von Napoleon provoziert, begann sie am 30. Dezember 1806 den dritten russisch-türkischen Krieg (1806–1812). Die Russen drangen in die Donaufürstentümer ein, siegten im September 1810 bei Batin an der Donau und im Oktober 1811 bei Rustschuk über die Türken und erzwangen den Frieden von Bukarest (28. Mai 1812), durch welchen der Pruth zur Grenze zwischen den beiden Reichen bestimmt wurde. Ein Krieg mit Persien wurde gleichzeitig durch Abtretung eines Länderstreifens am Westufer des Kaspischen Meers mit Baku beendet.
Kaum waren diese Kriege beendet, musste die russische Donauarmee unter Admiral Tschitschagow in den Krieg mit Frankreich 1812 eingreifen lassen. Ursache des Krieges war der Übermut Napoleons, der Russland als Bündnispartner nicht mehr zu brauchen glaubte und allein in Europa herrschen wollte. Er vergrößerte 1809 das Herzogtum Warschau um Westgalizien, beraubte Herzog Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg, einen nahen Verwandten des russischen Kaiserhauses, willkürlich seines Landes und forderte eine Verschärfung der Kontinentalsperre, lehnte aber die von Russland verlangte Räumung Preußens ab.
Im Sommer 1812 überschritt Napoleon mit der Großen Armee von 477.000 Mann die russische Grenze. Die Russen waren zahlenmäßig weit unterlegen (sie zählten kaum 200.000 Mann). Trotzdem besiegten sie Napoleon, indem sie eine offene Feldschlacht vermieden, sich in das unermessliche Innere des Reiches zurückzogen und den Feind durch Kleinkrieg ermüdeten. Um die Bevölkerung von jeder Unterstützung des Feindes abzuhalten, wurde die orthodoxe Religion für gefährdet erklärt und der heilige Krieg proklamiert.
Der linke Flügel der Franzosen unter Jacques MacDonald, dem das preußische Hilfskorps beigegeben war, rückte in die baltischen Provinzen ein; der rechte unter Karl Philipp Fürst zu Schwarzenberg drang in Wolhynien vor. Die Hauptarmee unter Napoleon selbst schlug die Richtung nach Moskau ein, erreichte 28. Juni Wilna, 28. Juli Witebsk und stieß erst Mitte August bei Smolensk auf die 116.000 Mann starke russische Westarmee unter Barclay de Tolly. Sie leistete Widerstand, wurde aber am 17. August geschlagen.
Die Russen deckten den weiteren Rückzug durch die Gefechte bei Walutina Gora (19. August), Dorogobusch (26. August), Wjasma (29. August) und Gschatsk (heute Gagarin, 1. September). Nachdem Kutusow den Oberbefehl übernommen hatte, wagten sie am 7. September noch einmal eine Schlacht von Borodino. Zwar mussten sie nach einem hartnäckigen und furchtbar blutigen Kampf ihre Stellung räumen und Moskau preisgeben, in das Napoleon am 14. September einzog; aber das französische Heer war nicht nur auf 100.000 Mann zusammengeschmolzen, sondern auch erschöpft und kriegsmüde, und statt durch den Besitz Moskaus den Frieden erzwingen zu können, fand Napoleon die Stadt von fast allen Einwohnern verlassen und der Vernichtung geweiht; denn am Abend des 15. September begann der angeblich vom Gouverneur Rostoptschin befohlene Brand von Moskau (er selbst hat diese Version später zurückgewiesen), der in sechstägigem Wüten fast die ganze Stadt in Asche legte und die Franzosen der Mittel des Unterhalts beraubte.
Napoleon konnte nun nicht in Moskau überwintern, und nachdem seine Friedensanträge von Alexander erst hingehalten, dann zurückgewiesen worden waren, trat er am 18. Oktober den Rückzug an. Er wandte sich zuerst gegen Kaluga, um in den noch unberührten südlichen Landstrichen Winterquartiere zu finden, wurde aber bei Malojaroslawez am 24. Oktober von Kutusow nach dem Norden zurückgeworfen und musste nun durch völlig ausgesogene Gegenden seinen Rückzug nach Smolensk fortsetzen, wobei seine Nachhut fortwährend von Kosaken umschwärmt und angegriffen wurde. Durch den Mangel an Lebensmitteln und die früh eingetretene Kälte litt die Armee fürchterlich und war schon in Auflösung, als sie am 9. November Smolensk erreichte.
Der weitere Rückzug wurde dadurch gefährdet, dass die russische Südarmee unter Tschitschagow nach Zurückdrängung Schwarzenbergs und die Nordarmee unter Wittgenstein, welche den Vormarsch der Franzosen in die Ostseeprovinzen nicht hatte hindern können und zweimal ohne Erfolg bei Polozk gekämpft hatte (17.–18. August und 18.–19. Oktober), sich nun auf der Rückzugslinie Napoleons vereinigen konnten. Mit Mühe, unter Aufbietung der letzten Kräfte, erzwangen die Franzosen am 26.–28. November noch vor dieser Vereinigung den Übergang über die Beresina; aber in bejammernswertem Zustand erreichte der Rest des Heers am 6. Dezember Wilna, wo es sich auch nicht behaupten konnte. Ja, der Abfall Yorcks von den Franzosen (30. Dezember) nötigte dieselben Anfang 1813 auch zur Räumung der Weichsellinie.
Auch die russischen Truppen waren durch die Verluste und die Strapazen des Winterfeldzugs stark vermindert und erschöpft, und im russischen Hauptquartier waren viele einflussreiche Personen für einen sofortigen, möglichst vorteilhaften Frieden mit Frankreich. Aber zu einem solchen zeigte sich Napoleon keineswegs geneigt, und auch Alexander verlockten Ehrgeiz und Herrschsucht sowie der Wunsch, sich den Besitz ganz Polens zu sichern, zur Fortsetzung des Kriegs im Bund mit Preußen (siehe Befreiungskriege).
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Der erste Feldzug, welchen russische Feldherren, Wittgenstein und Barclay, befehligten, endete nach den Schlachten bei Großgörschen und bei Bautzen mit dem Rückzug nach Schlesien. Im zweiten Teil des Kriegs aber, als Österreich, England und Schweden der sechsten Koalition beigetreten waren, nahmen die russischen Truppen hervorragenden Anteil an den Siegen, besonders der schlesischen Armee 1813–1814, durch welche Napoleon aus Deutschland vertrieben und endlich gestürzt wurde. Im Rate der Verbündeten spielte Kaiser Alexander neben Metternich die hervorragendste Rolle. Er verhalf den zu energischem Handeln drängenden Ratschlägen der preußischen Staatsmänner und Generale oft zum Sieg. Nach Vereitelung seines Plans, Bernadotte auf den französischen Thron zu erheben, bewirkte er die Restauration der Bourbonen und die übermäßige Schonung Frankreichs im ersten Pariser Frieden.
Auf dem Wiener Kongress forderte er, dass Preußens Erwerbungen der dritten polnischen Teilung an Russland fallen und Preußen dafür mit Sachsen entschädigt werde. Damit führte er einen Konflikt mit Österreich und den Westmächten herbei, der aber im Februar durch einige Zugeständnisse Russlands beigelegt wurde. Russland erhielt das eigentliche Polen (das so genannte Kongresspolen) als besonderes Königreich, dem auch eine eigene liberale Verfassung verliehen wurde. Seine Besitzungen dehnten sich nun im Westen bis nahe an die Oder aus, während es sich im äußersten Osten über die Beringstraße hinaus über einen Teil Nordamerikas ausbreitete; es umfasste über 20 Millionen Quadratkilometer mit etwa 50 Millionen Einwohnern.
Der Aufstieg zur Weltmacht
1812 drangen französische Truppen unter Napoleon Bonaparte nach Russland ein und kamen bis Moskau. Dieser Krieg ging als Vaterländischer Krieg in die russische Geschichte ein. In der Schlacht an der Beresina ging der Krieg um Russland für Napoleon verloren. Unter General Michail Kutusow beteiligte sich Russland an den europäischen Befreiungskriegen gegen Napoleon. 1815 wurde Zar Alexander I. in Europa als „Retter Europas“ gefeiert und bestimmte beim Wiener Kongress maßgeblich die Neuordnung Europas mit. Auf seine Anregung hin wurde unter anderem die Heilige Allianz gegründet. Russland gewann außerdem endgültig die Herrschaft über Polen, das fortan als „Kongreßpolen“ bezeichnet wurde.
Nach dem Tod Alexanders kam es aus Enttäuschung über ausgebliebene innenpolitische Reformen 1825 zum erfolglosen Dekabristenaufstand. Ab 1850 gewann die Kolonialpolitik auch in Russland zunehmend an Bedeutung. Russland dehnte hierbei 1852-1888 sein Einflussgebiet auf Turkestan und den Kaukasus aus und hegte wenig realistische Ambitionen auf China und Indien (The Great Game). Als Reaktion auf die in der Niederlage im Krimkrieg zutage getretene Rückständigkeit Russlands nahm Alexander II. weitreichende Reformen in Angriff, deren wesentlichste Bestandteile die seit 1861 durchgeführte Aufhebung der Leibeigenschaft und eine neue Militärorganisation waren. Alexander setzte diese Reformen gegen große Widerstände durch. Nach dem Türkisch-Russischen Krieg 1877-1878, in dessen Verlauf Russland die Unabhängigkeit Bulgariens vom Osmanischen Reich erreichte, entstand die Idee des Panslawismus, also der Vereinigung der slawischen Völker unter russischer Herrschaft. 1881 wurde der Zar von einem Anarchisten ermordet. 1896 erhielt Russland durch den Bau der Transmandschurischen Eisenbahn Einfluss auf die Mandschurei, was aber zu kollidierenden Interessen mit Japan führte. So kam es 1904-1905 zum Russisch-Japanischen Krieg, der für Russland verloren ging.
Zwischen Reaktion und Revolution
Durch ausgebliebene innenpolitische Reformen und den Konflikt zwischen Anhängern einer Annäherung an den Westen (Westler) und Gegnern einer solchen Annäherung (Slawophile) geriet Russland wirtschaftlich immer mehr ins Hintertreffen gegenüber den anderen Großmächten. In Moskau und Sankt Petersburg, aber auch in anderen russischen Städten entstanden Kreise von Intellektuellen, Kommunisten und Anarchisten. Sie wurden von Zar Alexander III., dem Sohn des ermordeten Zaren Alexander II., brutal verfolgt. Hinzu kamen soziale Probleme, die im Zuge der Industrialisierung des Landes entstanden, sowie eine Hungersnot im Jahre 1890. 1898 wurde die Vorgängerpartei der KPdSU von W. I. Lenin gegründet (siehe auch Kommunistische Partei). Nach dem Petersburger Blutsonntag 1905 fand von 1905 bis 1907 eine erfolglose Revolution in Russland statt, die jedoch dem Zaren die Unzufriedenheit im Land zeigte.
Zar Nikolaus II. rief ein kurzexistierendes Parlament, die Duma, zusammen, die er jedoch bald wieder auflösen ließ. Die Duma wird in der Geschichtwissenschaft auch als Scheinparlament bezeichnet.
Der Erste Weltkrieg
1914 brach der Erste Weltkrieg aus. Den Oberbefehl im Hauptquartier in Baranowitschi (ab dem 8. August 1915 in Mogiljow) übernahm zunächst der Großfürst Nikolai Nikolajewitsch (2. August - 5. September 1915). Aufgrund der katastrophalen Niederlagen der russischen Armeen übernahm Zar Nikolaus II. am 9. September das Oberkommando. Doch war er nicht wesentlich erfolgreicher, nach zwei Jahren stand Russland vor dem wirtschaftlichen und militärischen Ende.
Im Februar 1917 kam durch die Februarrevolution das Ende der Zarenherrschaft. Alexander Kerenski rief eine demokratische Republik aus. Am 15. März wurde der Zar als Oberbefehlshaber abgelöst. Der Versuch des Großfürsten Nikolai Nikolaijewitsch, sich erneut an die Spitze der Armee zu setzen blieb Episode, unter dem Druck der Protestierenden war die Provisorische Regierung gezwungen, ihn des Amtes zu entheben.
Nach Alexejew (24. März - 4. Juni) und Brussilow (4. Juni - 1. August) wurde Kornilow (1. August - 9. September) Oberbefehlshaber. Kornilow sah in der Linken und in den Arbeiter- und Soldatenräten die entscheidende Gefahr für Russland und forderte von Kerenski diktatorische Vollmachten. Der setzte daraufhin Kornilow als Oberbefehlshaber ab. Kornilow weigerte sich jedoch, seine Befehlsgewalt abzugeben und appellierte an die Bevölkerung von Petersburg, ihm gegen die Räte und die Provisorische Regierung zu folgen. Aber der Putschversuch Kornilows hatte keinen Erfolg, weil die Bevölkerung – und die linken Gruppen – Kerenski unterstützten. Kerenski wird neuer Oberbefehlshaber (12. September - 16. November). Da das Deutsche Reich die Lage Russlands destabilisieren wollte, gelangte der bisher im Exil lebende Lenin nach Petrograd, wo es im Oktober zur kommunistischen Oktoberrevolution kam. Die Hauptstadt Russlands wurde zurück nach Moskau verlegt. Polen, Finnland, das Baltikum und vorübergehend auch Weißrussland und die Ukraine wurden unabhängig.
Das Hauptquartier nahm gegenüber den Bolschewisten eine feindliche Haltung ein, und am 7. November wandte es sich einem Aufruf an die Armee, gegen die Bolschewisten zu kämpfen. Am 20. November erhielt das Hauptquartier eine Weisung von Lenin, Verhandlungen über einen Waffenstillstand mit Deutschland und seinen Verbündeten zu beginnen, aber am 22. November lehnte es der Oberste Befehlshaber Duchonin ab, diese Weisung auszuführen.
Er wurde darauf hin seines Amtes enthoben und Krylenko am 22. November zum sowjetischen Obersten Befehlshaber ernannt. Am 3. Dezember entließ das Hauptquartier Kornilow und andere Generäle aus der Haft im Kloster Bychow, wodurch der Beginn eines Bürgerkriegs begünstigt wurde.
Am 3. Dezember 1917 wurde das Hauptquartier von revolutionären Kräften unter der Führung von Krylenko eingenommen, der das Amt des Obersten Befehlshabers übernahm. An diesem Tag wurde das Hauptquartier bis auf den Stab des Obersten Befehlshabers, der für die Ausführung der Demobilisierung der Armee verantwortlich war, aufgelöst. Am 5. März 1918 wurde das Amt des Obersten Befehlshabers der Armee aufgehoben und sein Stab aufgelöst.
Bürgerkrieg und Gründung der UdSSR
Siehe auch den Hauptartikel: Geschichte der Sowjetunion
Nach dem Vertrag von Brest-Litowsk wurde 1918 die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR) gegründet, die sich sofort einem Einmarsch Deutschlands und des wieder unabhängigen Polens ausgesetzt sah. Hinzu kam, dass sich die im Zuge der Februarrevolution an die Macht gekommene Regierung nicht aufgeben wollte und als Weiße Armee mit Unterstützung ausländischer Interventionstruppen im Baltikum, im Süden (Briten, Franzosen) und in Fernost (Japan, USA, Tschechoslowakische Legion) den Bürgerkrieg gegen die kommunistische Rote Armee anfing. Der Bürgerkrieg hatte hohe Verluste unter der Zivilbevölkerung zur Folge. Der Roten Armee gelang es, Weißrussland, die Ukraine und Georgien zu erobern und dort Sowjetrepubliken zu errichten, die 1922 zusammen mit der RSFSR die Sowjetunion begründeten.
Stalin
In Zeiten der Sowjetunion war Russland in Form der RSFSR die größte und wirtschaftlich, sozial und politisch dominierende Sowjetrepublik. Vor allem in Sibirien wurde die Besiedelung und die wirtschaftliche Erschließung, oft durch die Arbeit politischer Gefangener, vorangetrieben. Während der Herrschaft Stalins kamen Millionen von Bürgern des Landes gewaltsam in Lagern oder in Gefängnissen ums Leben – die genaue Anzahl der Opfer ist unbekannt.
Im Zweiten Weltkrieg war Russland neben Weißrussland und der Ukraine einer der Hauptkriegsschauplätze. Dabei brachten die deutschen Eroberer im Zeichen nationalsozialistischen Rassenideologie schlimmstes Leid über die Bevölkerung: Ermordung und Verschleppung mehrerer Millionen sowjetischer Zivilisten und Kriegsgefangener, Rassenmorde an Juden, Sinti und Roma, Versklavung und Ausbeutung der besetzten Gebiete. In Anlehnung an den Vaterländischen Krieg gegen Napoleon Bonaparte wurde der Zweite Weltkrieg auf sowjetischem Gebiet als Großer Vaterländischer Krieg bezeichnet. Bei Stalingrad und Kursk (siehe Schlacht um Stalingrad und Schlacht bei Kursk) erlitt die eingedrungene deutsche Wehrmacht entscheidende Verluste, was den Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg einleitete.
1945 annektierte die RSFSR das nördliche Ostpreußen und bildete auf diesem vom inzwischen sowjetischen Litauen und von Polen umschlossenen Gebiet die Oblast Kaliningrad. Ferner gewann sie von Japan das südliche Sachalin und die Kurilen. 1954 wurde die Krim von Russland der Ukraine zugeschlagen. (Zur Zeit von 1958 bis 1985 vgl. Geschichte der Sowjetunion)
Perestroika und Ende der Sowjetunion
Ende der 1980er Jahre geriet die sowjetische und damit auch die russische Wirtschaft immer mehr in eine Krise. Auf einigen Gebieten der Versorgung herrschte schwerer Mangel. Im Zuge der Politik Michail Sergejewitsch Gorbatschows (Perestrojka, Glasnost) trat die wirtschaftliche Krise immer klarer zutage. Der Unmut der Bevölkerung entlud sich immer offener. 1991 erklärten sich im Zuge des Machtzerfalls der sowjetischen Regierung und nach dem erfolglosen Putsch gegen Gorbatschow im August zunächst Litauen, Lettland und Estland, später auch die übrigen Sowjetrepubliken für unabhängig. Am 8. Dezember 1991 beschlossen die Staatsoberhäupter der letzten drei Unionsrepubliken - der russischen, ukrainischen und weißrussischen - die offizielle Auflösung der Sowjetunion. Die RSFSR trat unter der Bezeichnung Russische Föderation ihre Rechtsnachfolge an.
Die GUS und die Russische Föderation
Gleichzeitig mit der Auflösung der Sowjetunion gründete Russland zusammen mit Weißrussland und der Ukraine die GUS, der sich später mit Ausnahme der baltischen Staaten auch die anderen ehemaligen Sowjetrepubliken anschlossen. Die GUS als Nachfolgeorganisation der Sowjetunion stellt seitdem eine Art Diskussionsforum zwischen diesen Staaten dar.
1992 ließ der russische Präsident Boris Jelzin einen Föderationsvertrag unterzeichnen, der den Subjekten (Bundesländern) Russlands weitreichende Vollmachten zubilligte. 1993 kam es in Moskau zu blutigen Auseinandersetzungen, als sich der Machtkampf zwischen dem konservativ dominierten Parlament und dem Präsidenten zuspitzte (siehe Russische Verfassungskrise 1993). Russland blieb in den 1990er Jahren instabil, was sich in zum Teil gravierenden Wirtschaftsproblemen und in Nationalitätenkonflikten (Menschenrechtsverletzungen und Geiselnahmen im Konflikt um Tschetschenien) zeigte.
1996 gründete Russland zusammen mit der Volksrepublik China, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan die Shanghai Five, eine internationale Organisation die sich vor allem der Bekämpfung von Separatismus und Terrorismus verschrieben hat.
1998 brach das russische Bankenwesen zusammen, wodurch viele Russen ihr Guthaben verloren. Seitdem befindet sich Russland aber in einer Phase wirtschaftlicher und politischer Konsolidierung. Der Konflikt um Tschetschenien konnte auch unter Jelzins Nachfolger Wladimir Wladimirowitsch Putin nicht gelöst werden. Die Politik gegenüber Westeuropa ist zunehmend von Vertrauen und Stabilität geprägt. Gleichzeitig ist Russland bemüht, seinen Einfluss in den Nachbarländern, vor allem in Zentralasien und Weißrussland wieder auszubauen. So wurde mit Weißrussland eine Wirtschafts-, Verteidigungs- und Zollunion abgeschlossen (Russisch-Weißrussische Union), die aber auf Grund der unberechenbaren Politik des weißrussischen Präsidenten Alexander Grigorjewitsch Lukaschenko zunehmend in Frage gestellt wird. Auch in Russland selbst geht mit der wirtschaftlichen Stabilisierung eine Einschränkung der demokratischen Rechte einher (siehe auch Medien in Russland).
Am 14. Juni 2001 entstand durch die Aufnahme Usbekistans aus der Shanghai Five die Shanghai Cooperation Organization (SCO), durch die Russland beim Kampf um den zukünftigen Einfluss auf Zentralasien und seine Rohstoffe mehr Einfluss gewinnen will.
Siehe auch
- Geschichte Sibiriens
- Geschichte der Sowjetunion
- Russische Ostasienpolitik (1890-1905)
- Russische Zivilisation
- Islam in Russland
- Russland-Kasan-Kriege
Literatur
- Werner Adam: Das neue Russland.Putins Aufbruch mit schwerem Erbe. Holzhausen, Wien 2000, ISBN 3-85493-018-6.
- Erich F. Beck: Die russische Kirche. Ihre Geschichte, Lehre und Liturgie mit besonderer Berücksichtigung ihrer Unterscheidungslehren und ihres Verhältnisses zur römischen Kirche. Unitas-Verlag, Bühl/Baden 1926.
- Thomas M. Bohn (Hrsg.): Geschichte des russischen Reiches und der Sowjetunion. Böhlau, Köln 2002, ISBN 3-412-14098-8.
- Hans Ebeling, Wolfgang Birkenfeld: 19. Jahrhundert. Ein geschichtliches Arbeitsbuch (Die Reise in die Vergangenheit; Bd. 4). Westermann Schulbuchverlag, Braunschweig 1991, ISBN 3-14-140704-5
- Valentin Giterman: Geschichte Rußlands. Athenäum-Verlag, Frankfurt/M. 1987, ISBN 3-610-08461-8 (Repr. d. Ausg. Hamburg 1949)
- Heiko Haumann: Geschichte Russlands. Chronos-Verlag, Zürich 2003, ISBN 3-03-400638-1.
- Michel Heller: Histoire de la Russie et de son Empire. Flammarion, Paris 1997, ISBN 2-08-081410-9.
- Manfred Hellmann, Stefan Plaggenborg (Hrsg.): Handbuch der Geschichte Russlands. Hiersemann, Stuttgart 1986/2004, ISBN 3-7772-7621-9 (6 Bde.)
- Edgar Hösch: Geschichte Rußlands vom Kiever Reich bis zum Zerfall des Sowjetimperiums. Kohlhammer, Stuttgart 1996, ISBN 3-17-011322-4.
- Andreas Kappeler (Hrsg.): Die Geschichte Russlands im 16. und 17. Jahrhundert aus der Perspektive seiner Regionen ("Forschungen zur osteuropäischen Geschichte; Bd. 63). Harrassowitz, Wiesbaden 2004, ISBN 3-447-05029-2 (dt., engl., franz. und russ. Beiträge)
- Robin Milner-Gulland: Bildatlas der Weltkulturen, Russland. Kunst, Geschichte, Lebensformen. Bechtermünz, Augsburg 1997, ISBN 3-86047-787-0.
- Dimitrij S. Mirskij: Russland. Von der Vorgeschichte bis zur Oktoberrevolution. Magnus-Verlag, Essen 1975.
- Gottfried Schramm: Altrusslands Anfang. Historische Schlüsse aus Namen, Wörtern und Texten zum 9. und 10. Jahrhundert. Rombach-Verlag, Freiburg/B. 2002, ISBN 3-7930-9268-2.
- Günther Stökl: Russische Geschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 6. erweiterte Aufl. Kröner, Stuttgart 1997, ISBN 3-520-24406-3.
- Tanja Wagensohn: Russland nach dem Ende der Sowjetunion. Pustet, Regensburg 2001, ISBN 3-7917-1751-0.
Weblinks
- Klaus Städtke (Hg.) unter Mitarbeit von Dr. Kristina Küntzel: Chronologische Daten zur Politik- und Kulturgeschichte Rußkands (18.-20.Jh.); Reader für den Studiengang Kulturgeschichte Ost- und Ostmitteleuropa der Universität Bremen
- Historische Farbfotos aus dem Russischen Reich (en/ru)
- 100(0) Schlüsseldokumente zur russischen und sowjetischen Geschichte, Digitalisierungsprojekt der Bayerischen Staatsbibliothek
- 1000 Jahre Russland: Geschichte, Fakten, Personen