Yehudi Menuhin
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Yehudi Menuhin, Baron Menuhin, OM, KBE (* 22. April 1916 in New York, N.Y.; † 12. März 1999 in Berlin) war ein US-amerikanischer (von Geburt), später Schweizer (seit 1970) und britischer (seit 1985) Violinist und Dirigent. Er gehörte zu den größten Geigenvirtuosen des 20. Jahrhunderts.
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[Bearbeiten] Leben
Yehudi Menuhin wurde am 22. April 1916 in New York (Buchanan Street in der Bronx) geboren. Er wuchs in San Francisco auf. Seine Eltern jüdischen Glaubens, Moshe und Marutha, Nachfahren chassidischer Rabbiner, stammten aus Gomel in Weißrussland. Sie hatten ihre Jugend in Palästina verbracht und waren unabhängig voneinander nach Amerika gekommen. Kurz nach der Ankunft änderte der Vater seinen Familiennamen von Mnuchin in Menuhin. Moshe und Marutha heirateten in New York und hatten drei Kinder: den Sohn Yehudi, auf deutsch Jude – den Vornamen hatte die Mutter aus Trotz gegen eine antisemitische Bemerkung ihres Vermieters gewählt – und die beiden Töchter Hepzibah (* 1920, † 1981) und Yaltah (* 1921, † 2001). Aus der Nähe von Jalta stammte Marutha Menuhin.
Bereits 1925 gab Yehudi sein erstes Solokonzert, weitere folgten 1926 in New York. 1927 zog er nach Paris und wirkte fortan auf europäischen Bühnen, dort besonders von der Fachwelt beachtet. Menuhin erreichte schließlich als Zwölfjähriger seinen Durchbruch am Abend des 12. April 1929 mit dem „Konzert der Drei B“ (Bachs Violinkonzert E-Dur, Brahms' Violinkonzert und Beethovens Violinkonzert) und den Berliner Philharmonikern in der Berliner Philharmonie (vor den standing ovations herrschte im Saal minutenlang absolute Stille und Ergriffenheit). Der im Publikum sitzende Albert Einstein soll hinterher gesagt haben: „Jetzt weiß ich, dass es einen Gott im Himmel gibt“.
Seine Karriere als Konzertviolinist führte Menuhin anschließend um die ganze Welt. 1963 gründete er, unzufrieden mit dem Standard des Violinunterrichts in Großbritannien, eine eigene Violinschule in London (heute in Stoke d`Abernon). Neben seiner Konzerttätigkeit und späteren Arbeit als Dirigent (ab 1982 Chefdirigent des Royal Philharmonic Orchestra) hatte er stets auch ein Herz für die Bedürftigen der Welt. So gründete er 1977 in England die Konzertreihe „Live Music Now“, in der musikalischer Nachwuchs Auftrittsgelegenheiten in Einrichtungen bekommt, deren Bewohner keine Konzerte besuchen können (Altenheime, Krankenhäuser, Behindertenheime, Gefängnisse etc.) und die mittlerweile in mehr als einem Dutzend Ländern aktiv ist.
1999 gründete Yehudi Menuhin die „Yehudi Menuhin Stiftung Deutschland“. Die Arbeit der Stiftung trägt dazu bei, dass Kinder – insbesondere in sozialen Brennpunkten – in ihrer Kreativität gefördert, in ihrer Ausdrucksfähigkeit und ihrer Persönlichkeit gestärkt und in ihrer sozialen Kompetenz unterstützt werden.
Das Hauptprojekt der Yehudi-Menuhin-Stiftung ist MUS-E, das künstlerische Programm für Schulen. Einmal pro Woche bestreiten Künstler aus Theater, Tanz, Musik und bildender Kunst zwei Schulstunden im Kernbereich des Unterrichts unter Mitwirkung der Lehrer. MUS-E eröffnet Kindern den Zugang zu Kunst und macht erfahrbar, dass Vielfalt von Individualität und kultureller Herkunft jede Gemeinschaft bereichert. Europaweit engagieren sich 500 Künstler, fünfzig Koordinatoren (unter Mitwirkung von 1.000 Lehrern) und viele hundert ehrenamtlich aktive Menschen für MUS-E.
Yehudi Menuhin war wichtig, dass sich die Menschen an Musik erfreuen, da er die Auswirkung gemäß seinem Ausspruch sah: „Einige sagen, man könne ohne Musik, ohne Theater, ohne Gedichte, ohne Literatur leben. Aber das ist nicht so. Ich sage immer, von einer Musikschule kommen gewöhnlich keine Kriminellen.“ (Yehudi Menuhin, Rastede/1996)
[Bearbeiten] Familie
Verheiratet war Menuhin in zweiter Ehe (19. Oktober 1947 bis 12. März 1999) mit der Primaballerina Diana Gould (* 12. November 1912; † 25. Januar 2003). Lady Menuhin gab 1947 auf dem Gipfel ihrer Ballettkarriere das Tanzen auf.
Yehudi Menuhin hatte vier Kinder: Krov und Zamira mit seiner ersten Frau (1938–1947) Nola Nicholas (der Tochter eines australischen Industriellen) sowie die zwei Söhne Gerard und Jeremy mit seiner zweiten Frau Diana Gould.
Der persönliche Nachlass der Menuhins wurde im Mai 2004 im Londoner Auktionshaus Sotheby’s versteigert.
[Bearbeiten] Preise, Ehrungen
1979 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, 1982 den Kulturpreis der deutschen Freimaurer. Im März 1997 wurde er mit dem Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet, im selben Jahr wurde ihm die Otto-Hahn-Friedensmedaille in Gold von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) in Berlin verliehen.
1970 wurde Menuhin in der Schweiz in Grenchen (Kanton Solothurn) eingebürgert. Kurze Zeit später erhielt er in seinem Schweizer Wohnort Gstaad (Kanton Bern) das Ehrenbürgerrecht. Sowohl Gerard wie Jeremy Menuhin sind auch Schweizer Staatsbürger.
1985 nahm Menuhin die britische Staatsbürgerschaft an. Für seine Verdienste um die Musik wurde er im selben Jahr in den Ritterstand erhoben. 1993 schließlich erhob man ihn zu einem Life Peer als Baron Menuhin, of Stoke d'Abernon im County of Surrey.
Menuhin war Ehrenvorsitzender des Kuratoriums des Institutes für kulturelle Infrastruktur Sachsen in Görlitz.
[Bearbeiten] Musikalische Entwicklung
Menuhin wurde Eugène Ysaÿe, der ihn unterrichten sollte, als Wunderkind vorgestellt. Ysaÿe verlangte eine C-Dur-Tonleiter. Menuhin weigerte sich und wollte lieber Konzerte spielen. Ysaÿe verlangte, dass Menuhin (wenn Ysaÿe ihn als Schüler annehmen sollte) das Geigen „bewusst“ lernen solle. Nicht phantastisch solle er spielen, sondern alles können, was er tat. Menuhin wurde nicht sein Schüler, sondern jener des Ysaÿe-Schülers Louis Persinger und 1927 Schüler George Enescus. 1929–30 war er Privatschüler Adolf Buschs in Basel, den er im April 1927 in Berlin kennen gelernt hatte.
Jahre später brach das Wunderkind-Phänomen in sich zusammen. Menuhin konnte nicht mehr spielen. Später fand er erneut, und wie behauptet wird, den bewussten Zugang zu seinem Instrument. Seelische Verletzungen blieben zurück. Um ein unkritisches Publikum zu haben, spielte er die ersten öffentlichen Konzerte nach seinem Zusammenbruch vor Frontsoldaten im Zweiten Weltkrieg.
Nach dem Krieg spielte er weiterhin Violinkonzerte. Diese, so wurde von Kritikern bemängelt, hatten angeblich meistens durchschnittliche Qualität, eben „gelernte“ Qualität. Nur einige Passagen – manche Zugaben zum Beispiel – hatten die atemberaubende Qualität des intuitiven Könnens, des einstigen Genies. Es gibt allerdings Aufnahmen, die das widerlegen.
[Bearbeiten] Literatur
[Bearbeiten] Eigene Werke
- Variationen, Betrachtungen zu Musik und Zeit, Piper, 1972
- Unvollendete Reise, Autobiographie Teil 1, 1976
- Unterwegs, Erinnerungen 1976–1995 (Memoiren Teil 2), Piper
- Violine und Viole (Coautor William Primrose), Yehudi Menuhins Musikführer, Fischer, 1978
- Ich bin fasziniert von allem Menschlichem (Conversations with Menuhin), 1979, ISBN 3492-182-593 und ISBN 3795-782-597
- Kunst als Hoffnung für die Menschheit, 1986
- Lebensschule, 1987
- Worte wie Klang in der Stille, Thematisch gegliederter Aphorismen- und Maximenband, Herder, 1993
[Bearbeiten] Werke über Yehudi Menuhin
- Hommage à Yehudi Menuhin (Festschrift zum 70. Geburtstag), 1986, Nomos Verlagsgesellschaft, ISBN 3789012785
- Gstaad und die Menuhins (Hrsg. vom Menuhin Festival Gstaad in Zusammenarbeit mit dem Menuhin Center Saanen), 2006, Verlag Benteli Bern, ISBN 3-7165-1446-2
- ZEIT Klassik-Edition. 20 große Interpreten in 20 Bänden. Band 1: Yehudi Menuhin. Hamburg: Zeitverlag Gerd Bucerius, 2006 (mit einer CD Menuhin spielt Brahms, Beethoven, Bruch. Violinkonzerte). ISBN 3-476-02201-3
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Yehudi Menuhin im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Yehudi Menuhin Stiftung Deutschland und das künstlerische Programm für Schulen – MUS-E
- Yehudi Menuhin Live Music Now
- Yehudi Menuhin Center Saanen/Gstaad Schweiz
- Menuhin Stiftung Grenchen Schweiz
Personendaten | |
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NAME | Menuhin, Yehudi |
ALTERNATIVNAMEN | Lord Menuhin of Stoke d'Abernon |
KURZBESCHREIBUNG | amerikanisch-britischer Violinist und Dirigent |
GEBURTSDATUM | 22. April 1916 |
GEBURTSORT | New York, N.Y. |
STERBEDATUM | 12. März 1999 |
STERBEORT | Berlin |