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Ärztemangel

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Als Ärztemangel wird der Zustand eines Gesundheitssystems bezeichnet, in dem der Bedarf an ärztlichen Arbeitskräften das Angebot übersteigt. Dieser Mangel kann sich auf einzelne Regionen, einzelne Sektoren des Gesundheitssystems oder das gesamte System erstrecken.

Die gegenteilige Situation, in der für ausgebildete Ärzte keine hinreichende Zahl von Stellen zur Verfügung steht, bezeichnet man als Ärzteschwemme.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Die Situation in der Welt

Während in den Industrienationen und Schwellenländern die medizinische Versorgung der Bevölkerung zumeist ständig verbessert wird, warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor einem massiven Ärztemangel insbesondere in Südost-Asien und Afrika. Der Trend einer Abwanderung von Ärzten und medizinischem Personal würde sich verschärfen, um die alternde Bevölkerung in den Industrienationen zu versorgen.

[Bearbeiten] Die Situation in Europa

Großbritannien bildet traditionell weniger Ärzte aus, als für das eigene Gesundheitssystem benötigt werden. Die Bedarfslücke wird zum Einen mit Ärzten aus dem europäischen Ausland (insbesondere auch aus Deutschland) gedeckt, zum Anderen mit Ärzten aus dem Commonwealth of Nations. Kritiker im In- und Ausland monieren, dass Entwicklungs- und Schwellenländer über die Ausbildungskosten für ihre Ärzte das britische Gesundheitswesen mitfinanzieren. Verlockend sind für die jungen ausländischen Ärzte die anerkannt gute klinische Ausbildung in Großbritannien und die relativ gute Bezahlung, der aber hohe Lebenshaltungskosten gegenüberstehen.

Norwegen hat seit vielen Jahren Schwierigkeiten, Fachärzte für die dünnbesiedelten Regionen im Norden des Landes zu finden. Daher werden gezielt Ärzte auch in Deutschland angeworben. Die Verdienstmöglichkeiten in Norwegen sind gut, die Arbeitszeiten sehr arbeitnehmerfreundlich.

Auch aus Schweden, Finnland, Belgien und Australien wird über Ärztemangel berichtet.

In Österreich besteht dagegen weiterhin noch eine Ärzteschwemme. Die dortigen Absolventen warten oft an die drei Jahre auf einen postpromotionellen Ausbildungsplatz.

[Bearbeiten] Die Situation in Deutschland

Kaum ein Politikfeld ist so umstritten wie die Gesundheitspolitk. Entsprechend ist auch der Arbeitsmarkt für Ärzte Projektionsfeld gegensätzlicher Interpretationen der politischen Parteien sowie der Handelnden im Gesundheitswesen (Gesundheitsminister, Krankenkassen, Ärztekammern, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Krankenhausgesellschaft, verschiedene Vertreter der Hausärzte, Fachärzte und Krankenhausärzte (Marburger Bund)).

Während Ärztevertreter gerne einen Ärztemangel postulieren, um ihre Forderungen besser durchsetzen zu können, erhöhen die ständig steigenden Ausgaben im Gesundheitswesen den Druck auf die Ärzte.

[Bearbeiten] Geschichte

Die Beschäftigungssituation für Ärzte folgt in Deutschland einem Schweinezyklus, wobei die Anzahl der Bewerber für einen Medizinstudienplatz immer über der Anzahl der Studienplätze lag, und die Zahl der Studienanfänger alleine durch das Angebot gesteuert ist. Ein Überangebot an Arbeitskräften gab es zuletzt ab Ende der 1970er bis über die 1990er Jahre hinaus. Die höchste Arbeitslosigkeit der Ärzte, mit kostenlos arbeitenden Gastärzten, wurde 1997 erreicht.

Gegenmaßnahmen wie die Einführung des Arzt im Praktikum (AIP) im Jahr 1988 nahmen den Druck der fehlenden Finanzierbarkeit von Stellen für Studienabsolventen. Einfache klinische Tätigkeiten konnten nun bezahlt werden, allerdings mit einer Bezahlung unter dem Niveau für nichtakademische Berufe.

Alternative Berufsfelder außerhalb deutscher Krankenhäuser wurden gefördert. Ein erheblicher Abbau von Studienplätzen in der Humanmedizin führte außerdem zur gegenwärtigen Situation.

Die weniger werdenden Studienplätze wurden zunehmend von Frauen besetzt. Nach dem Studium und der Geburt von Kindern steigen einige davon aus dem Beruf des Arztes im Krankenhaus aus.

[Bearbeiten] Arbeitsmarkt: Vollbeschäftigung für Ärzte

Der ärztliche Arbeitsmarkt weist derzeit (2005) Vollbeschäftigung auf. Die Arbeitslosenquote liegt für Ärzte bei etwa 2 %. Gegenwärtig sind ca. 6.140 Ärztinnen und Ärzte als arbeitssuchend gemeldet. Davon sind 80 % (also etwa 4.800 Personen) kurzzeitig arbeitslos (maximal drei Monate). Es verbleibt eine ärztliche Sockelarbeitslosigkeit von ca. 1.200 Ärztinnen und Ärzten. Der Zahl freier Stellen allein in den Krankenhäusern und Kliniken wird mit 3.000 bis 6.000 angegeben. Es ist umstritten, ob dieser Bedarf mit der ruhenden Reserve zu decken sei. Jedoch war auch zu Zeiten der Ärzteschwemme durch die Flexibilität vieler Mediziner die offizielle Arbeitslosigkeit nie sehr hoch. Im Januar 1997 verzeichnete die Bundesanstalt für Arbeit 10.594 arbeitslos gemeldete Ärztinnen und Ärzte.

[Bearbeiten] Indikatoren eines Ärztemangels

Folgende Indikatoren werden angeführt, die für einen Ärztemangel sprechen sollen:

  • stetig zunehmendes Durchschnittsalter der niedergelassenen Haus- und Fachärzte,
  • sinkende Zahl praktizierender Hausärzte in Problem-Regionen,
  • steigende Zahl ärztlicher Immigranten aus dem osteuropäischen Ausland.
  • Im Jahr 2006 waren 15 % bei einer der Ärztekammern neu registrierten Ärzte ein Ausländer.[1]

[Bearbeiten] Indikatoren gegen einen Ärztemangel

Folgende Indikatoren werden angeführt, die gegen einen Ärztemangel sprechen sollen:

  • Die Anzahl der Ärzte ist kontinuierlich gestiegen.
  • Viele Stellen sind nicht aufgrund mangelnder Bewerber, sondern durch die Verwaltung nicht besetzt.
  • Die meisten Stellen für Ärzte sind weiterhin befristet, mit Dauern von teilweise unter einem Monat.
  • Abbau von Betten- und Krankenhauskapazitäten.
  • steigende Zahl ärztlicher Emigranten in das europäische und außereuropäische Ausland (insbesondere Skandinavien, Großbritannien, Niederlande, Belgien, Schweiz, Österreich, USA, Kanada und Australien).
  • Steigende Zahl von Ärzten, die in nichtklinische Felder abwandern.
  • Es gibt wenige Länder mit einer so hohen Arztdichte pro Einwohner wie Deutschland.
  • Einsparpotential durch EDV und nichtärztliches Personal wurde bisher unzureichend genutzt.
  • Das Potential der Wiedereingliederung von Frauen mit Familie wurde bisher nicht ausgeschöpft.

[Bearbeiten] Ursachen eines Ärztemangels

Über die zu Grunde liegenden Faktoren und die erforderlichen Gegenmaßnahmen besteht gesellschaftlich Uneinigkeit. Folgende Erklärungen sind häufig anzutreffen:

Die sich verschlechternde wirtschaftliche Perspektive des Arztberufes

Gelder, mit denen medizinische Leistungserbringer (Ärzte, Krankenhäuser, Apotheker, Pharmaindustrie und weitere) bisher vergütet wurden, werden zunehmend budgetiert. Die Verwaltung wird entsprechend aufwändiger, die Personaldichte dort erhöht, so dass Gelder in den Krankenkassen- und Verwaltungsapparat gelenkt werden und nicht mehr zur Honorierung ärztlicher Tätigkeit und für die Patientenversorgung zur Verfügung stehen. Auslaufende Verträge wurden nicht mehr neu besetzt. Andrea Fischer sagte als damalige Gesundheitsministerin, der Anstieg der Ausgaben im Gesundheitswesen würde mit der steigenden Zahl der Ärzte korrelieren. Daher sei eine Reduktion anzustreben.

Das Grundgehalt eines unverheirateten Facharztes auf einer Assistentenstelle liegt bei etwa 1800,- € netto.

Viele alternative Berufsmöglichkeiten sind erst in der Zeit der Ärzteschwemme ins Bewusstsein gerückt und wurden (und werden weiterhin) zum Beispiel vom Marburger Bund gefördert.

Auch die langfristige Perspektive ändert sich. Hatte man früher nach der ärztlichen Weiterbildung zum Facharzt die Position eines Oberarztes oder Chefarztes bei einer Karriere im Krankenhaus vor Augen bzw. die Freiheit des niedergelassenen Arztes, so wurden diese Positionen zunehmend unattraktiver, um schlechte Anfangsbedingungen zu ertragen.

Für den niedergelassenen Arzt bedeutet die zunehmende Budgetierung, dass er zwar das Risiko eines Freiberuflers trägt, den wirtschaftlichen Erfolg seiner Praxis jedoch nicht mehr selbst in der Hand hat.

Der zunehmende Druck begrenzter Ressourcen

Die ständig steigenden Ausgaben im Gesundheitswesen führen zu einem zunehmenden Druck auf die Leistungserbringer. Ein postulierter Ärztemangel kann die Verhandlungsposition und die Streikbereitschaft der Ärzte stärken. Bei einem Ärztemangel wird der mögliche Verlust des aktuellen Arbeitsplatzes eher riskiert.

Die vom Marburger Bund geförderte Vermittlung von Ärzten ins Ausland und in nichtklinische Bereiche führt ebenso wie die Unterstützung der europäischen Arbeitszeitbestimmungen zu einer Verknappung des Angebots.

Die Zunahme von Protesten der Ärzte steht im Zusammenhang mit einer zunehmenden Propagierung eines Ärztemangels.

Veränderungen des ärztlichen Berufsbilds

Durch Änderungen des Abrechnungswesens und Einführung neuer Dokumentationspflichten im Rahmen von Diagnosis Related Groups, Disease-Management-Programmen und zur Qualitätskontrolle sind im Praxis- und Krankenhausbetrieb zusätzliche Aufgaben entstanden. Aus dem helfenden Beruf, den viele Studienanfänger anstreben, wird zunehmend eine weniger attraktive Verwaltungstätigkeit. Der Wechsel in nichtklinische Felder wird dadurch attraktiver.

Das sich ändernde Bild des Arztes in der Bevölkerung

Parallel dazu verändert sich die gesellschaftliche Rolle des Arztes. War er traditionell Helfer, Hoffnungsträger, Vertrauens- und Respektsperson, wird er inzwischen vorwiegend als „Anbieter von Dienstleistungen im Gesundheitswesen“ betrachtet und vom „Kunden“ in Regress genommen, wenn sich der erwünschte Erfolg (Gesundheit, aber auch Verordnung bestimmter Arzneimittel oder Rehabilitationsleistungen) nicht einstellt. Darüber hinaus wird er vom Gesundheitssystem in Regress genommen, wenn er zuviele Ressourcen für seine Patienten verbraucht. Berichte über Kunstfehler oder Abrechnungsbetrug in Einzelfällen werden nicht selten auf den Berufsstand als solchen übertragen.

[Bearbeiten] Prognosen zur Arztzahlentwicklung

Im Februar 2004 sprach die deutsche Bundesärztekammer von einem Ärztemangel, der vor allem die neuen Bundesländer und dort ländliche Regionen beträfe. Versorgungslücken im ambulanten Sektor gäbe es bereits in den alten Bundesländern, etwa in Nordbayern, Süd-Württemberg, Nordbaden, Niedersachsen, der Eifel und dem äußersten Nordwesten der Republik. Hingegen gibt es ein Überangebot an Ärzten in attraktiven Großstädten.

Im Mai 2005 konstatiert Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung, anlässlich des 108. Deutschen Ärztetages in Berlin, dass sie „der Ärztemangel in einigen ländlichen Regionen, vor allem in Ostdeutschland“ beschäftige.

Angesichts des postulierten Nachwuchsmangels bei den niedergelassenen Ärzten ist unklar, ob die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ihren gesetzlichen Sicherstellungsauftrag dauerhaft erfüllen können wird. In diesem Fall drohte staatliche Ersatzvornahme und eventuell Beendigung der Körperschaft durch Bundestagsbeschluss.

Im Jahr 2004 nahm die Zahl der Ärzte in Deutschland zwar erneut um 1  % auf 304.000 zu, nur fiel das Wachstum etwas geringer aus als in den Vorjahren, bei wieder zunehmender Arbeitslosigkeit. In Ostdeutschland sank die Zahl der Ärztinnen und Ärzte um 1,3 Prozent, 17% der niedergelassenen Ärzte sind über 60 Jahre alt und fallen bald aus der fach- und hausärztlichen Versorgung.

Der Ansturm auf das Medizinstudium nimmt wieder zu, so dass mit der eventuell höheren Selektion zu Beginn des Studium die Durchfallquote während des Studiums wieder sinken könnte.

[Bearbeiten] Folgen eines Ärztemangels

Die augenfälligste Folge des aktuellen Nachfragemarktes ist die Forderung nach Stärkung der wirtschaftlichen Position von Ärztinnen und Ärzten. Deshalb wird von dieser Seite ein Ärztemangel postuliert.

So hat der Marburger Bund zeitgleich zum Beginn der Proteste Stellenangebote für Ärzte in seine Mitgliederzeitschrift aufgenommen, und demonstriert damit eine Nachfrage nach Ärzten. Trotz weiterhin befristeter Arbeitsverträge konnte damit die Streikbereitschaft gesteigert werden.

Die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen verzeichnet steigende Bewerberzahlen für den Studiengang Humanmedizin.

[Bearbeiten] Maßnahmen gegen Ärztemangel

Durch die Abschaffung des Arztes im Praktikum zum Oktober 2004 ist das Einstiegsgehalt für Absolventen des Medizinstudiums höher geworden, womit Studium und Arztberuf entsprechend der erklärten Zielsetzung attraktiver geworden sein sollen. Studienanfänger erleben nun bei der ersten Stelle ihren zukünftigen Verdienst, ohne erst nach anderthalb Jahren damit konfrontiert zu werden.

Einige Krankenhäuser in Deutschland versuchen, die bestehenden Lücken durch Einstellung ausländischer Ärztinnen und Ärzte aus Polen, Tschechien, Rumänien, Russland, Moldawien, der Ukraine, aus Usbekistan und anderen Ländern zu schließen.

Eine Erhöhung der Ausbildungskapazitäten als mögliche staatliche Maßnahme wird bisher nicht genutzt, durch die Einführung der neuen Approbationsordnung für Ärzte wurde im Gegenteil die Ausbildungskapazität an vielen Fakultäten um ca. 10% gesenkt.

Eine Übertragung von Aufgaben, die zur Zeit von Ärzten geleistet werden, auf nichtärztliche Berufsgruppen erlaubt anderen Ländern eine Versorgung mit niedrigeren Arztzahlen pro Einwohner.

Mit Quartage wird ein Stratifizierungsalgorithmus bezeichnet, der konsequent das Sozialgesetzbuch V, §12 umsetzt, wobei die ärztliche Behandlung gesetzesgemäß nur "wirtschaftlich, ausreichend, notwendig und zweckmäßig" sein darf. Dadurch würde sich die Forderung der Regierungen nach mehr Effizienz im Gesundheitswesen umsetzen lassen. Das vielfach genannte "Jammern auf hohem Niveau" wäre dann für den Kassenarzt kein Behandlungsgrund zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen.

England hat wegen Ärztemangels ein umfassendes Gastarztsystem (locum) organisiert, an dem auch deutsche Ärzte wegen der guten Honorierung an Wochenenden teilnehmen.

Eine Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Entlohnung wurde bisher nicht genutzt, zumal der deutsche Vertragsarzt vom Arbeitsschutz ausgeschlossen ist.

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=heft&id=54919

[Bearbeiten] Weblinks

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