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Helmut Qualtinger - Wikipedia

Helmut Qualtinger

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Helmut Gustav Friedrich Qualtinger (* 8. Oktober 1928 in Wien; † 29. September 1986 in Wien; oft als Helmuth Qualtinger geführt) war ein österreichischer Schauspieler, Schriftsteller, Kabarettist und Rezitator.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

Qualtinger wuchs im Milieu des gehobenen Mittelstandes und Bildungsbürgertums in Wien auf. Sein Vater Friedrich war Gymnasiallehrer für Mathematik, Physik und Chemie und ein glühender Verehrer des Nationalsozialismus, seine Mutter Ida (geb. Ladstätter) Hausfrau. Zunächst studierte er Medizin und Publizistik, brach dann aber das Studium ab und begann eine Schauspielerausbildung am Max-Reinhardt-Seminar in Wien; frühe Theaterversuche in Wien und Graz endeten zunächst mit Misserfolgen.

Qualtinger betätigt sich nach dem Krieg als Journalist, ist Gasthörer am Max-Reinhardt-Seminar und spielt auf einer Studentenbühne. Erste Auftritte als Kabarettist folgen ab 1947 im Studio der Hochschulen in Wien, in der Kabarett-Revue Die Grimasse. Seinen ersten öffentlichen Auftritt hatte er aber schon im Mai 1945 als selbsternannter Kulturkommissar. Er wird von der sowjetischen Besatzungsmacht für drei Monate inhaftiert, weil er mit einem Sowjetstern auf der Brust und einem selbstausgefertigten Ermächtigungsschreiben eine Villa für die Gründung eines linksgerichteten Theaters beschlagnahmte und Schauspieler warb. Qualtinger behauptet, ein Freund des Bürgermeisters, Leopold Hofrichter, habe ihn dazu ermächtigt, was dieser bestreitet.

1949 hat sein erstes Theaterstück Jugend vor den Schranken in Graz Premiere. In den Jahren bis 1960 arbeitet er vor allem an verschiedenen Kabarett-Stücken mit dem namenlosen Ensemble (Gerhard Bronner, Carl Merz, Louise Martini, Peter Wehle, Georg Kreisler, Michael Kehlmann u.A.). Seine „Travnicek-Dialoge“ mit Gerhard Bronner (Autoren: Merz und Qualtinger) sind in die Kabarett-Geschichte eingegangen.

Qualtinger ist berühmt-berüchtigt für seinen Schabernack, seine „practical jokes“. 1951 erlangt Qualtinger internationale Popularität, als er es schafft, eine Zeitungsente zu lancieren, in der der Wien-Besuch des berühmten Eskimodichters Kobuk mit seinem Werk „Das brennende Iglu“ angekündigt wird. Zahlreiche Reporter versammeln sich am 3. Juli 1951 am Wiener Westbahnhof. Dem Zug entsteigt statt des erwarteten Gastes Helmut Qualtinger mit Pelzmantel und -mütze. Von einem Radioreporter nach seinem ersten Eindruck von Wien befragt, antwortet er: „Haaß is'“ (heiß ist's).

[Bearbeiten] Der Herr Karl

1961 tritt Qualtinger in Der Herr Karl als Feinkostmagazineur auf und schafft damit seinen Durchbruch im deutschen Sprachraum. Der Herr Karl arbeitet im Keller eines Lebensmittelladens und erzählt einem imaginären Mitarbeiter von seinem Leben vor, während und nach dem Krieg. Äußerlich erscheint der Herr Karl als netter Kerl mit liebem Blick. Doch nach und nach erfährt der Zuschauer von dem Wendehals und Opportunisten Herrn Karl, der eigentlich ein gefährlicher, weil unberechenbarer Mitläufer ist. Hier ist seine Intonation bezeichnend: von einer Bewunderung der Nazis auf Wienerisch wechselt er schlagartig in eine Art verordneten Ekel in der Hochsprache. Wahrscheinlich haben mehrere authentische Gestalten als Vorbilder für den Herrn Karl gedient, unter anderem ein Magazineur, mit dem Qualtingers Kollege Nikolaus Haenel in einer Wiener Feinkosthandlung arbeitete. Zusammen mit Carl Merz schafft Qualtinger eine Schreckensfigur, die ihm in Österreich viele Feinde und sogar Morddrohungen einbringt; so offen hat vor ihm noch niemand den Durchschnittsbürger als Mittäter entlarvt und dargestellt.

Helmut Qualtinger gilt als eher schonungsloser Kritiker des gemeinen Mannes denn als Kritiker der Mächtigen. Dennoch wird ihm nachgesagt, dass er mit dem Lied „Der Papa wird's schon richten“ (T.+ M.: Gerhard Bronner) den Rücktritt des damaligen Nationalratspräsidenten Felix Hurdes bewirkte; dessen Sohn war in einen Autounfall mit Todesfolge verwickelt, was vertuscht werden sollte.[1] Seine Meinungen und Kommentare schreibt er in einer bürgerlichen Zeitung, dem Kurier.

Ab den 1970er Jahren verstärkt Qualtinger seine schriftstellerische Tätigkeit und geht vermehrt auf Lesetourneen. Seine Lesungen eigener und fremder Texte (u.a. auch Adolf HitlersMein Kampf“) sind so erfolgreich, dass sie auch auf zahlreichen Sprechplatten erscheinen. Neben und vor allem nach seinen Kabarettzeiten spielt er unzählige Theater-, Film- und Fernsehrollen, zuletzt den Remigio da Varagine in Der Name der Rose nach Umberto Ecos Roman an der Seite von Sean Connery.

Während der Aufnahmen zum Film „Der Name der Rose“ ist er ernsthaft krank. In den letzten Filmszenen muss häufig unterbrochen werden, da er unter starken Schmerzen leidet. „Der Name der Rose“ wird sein letzter Film.

Im Alter von 57 Jahren stirbt Qualtinger am 29. September 1986 in seiner Geburtsstadt Wien an seinem Leberleiden, welches sich vermutlich durch seinen Alkoholismus verstärkt hatte. Seine Grabstelle befindet sich auf dem Zentralfriedhof in Wien.

[Bearbeiten] Theaterarbeiten

Am Theater trat Qualtinger vor allem am Wiener Volkstheater unter der Regie und in der Direktion von Gustav Manker auf. In Johann Nestroys „Eine Wohnung zu vermieten“ (1962) und als Titus Feuerfuchs in „Der Talisman“ (1969), als Untersuchungsrichter Porfiri Petrowitsch in Dostojewskis „Schuld und Sühne“ (1969) und als Zauberkönig in "Geschichten aus dem Wiener Wald" (1968), aber auch in Shakespeare/Dürrenmatts „König Johann“ (1970) und unter der Regie von Bernd Fischerauer in Wolfgang Bauers Uraufführung von „Sylvester oder das Massaker im Hotel Sacher“ (1971) und als Dorfrichter Adam in KleistsDer zerbrochne Krug“ (1972). Am Theater in der Josefstadt spielte Qualtinger in Schillers "Der Parasit" (1950, Regie: Gustav Manker), des Fiscur in Molnars "Liliom" (1960) und den Schuster Knieriem in Nestroys "Lumpazivagabundus" (1964).

[Bearbeiten] Familie

Helmut Qualtinger war zweimal verheiratet – zunächst ab 1952 mit der Kinder- und Jugendbuchautorin Leomare Seidler und ab 1982 mit der Schauspielerin Vera Borek. Er hatte aus erster Ehe einen Sohn, den Maler, Schriftsteller, Musiker und Kaberettisten Christian Heimito Qualtinger (* 1958). In den Jahren von 1960 bis 1976 lebte Helmut Qualtinger in einem Wiener Gemeindebau in Wien Döbling (Daringergasse-Paradisgasse, zwischen Sieveringerstraße und Grinzinger Allee). Dieser Gemeindebau trägt seit 1998, durch die Gemeinde Wien veranlasst, ehrenhalber den Namen „Helmut-Qualtinger-Hof”.

[Bearbeiten] Zitate

  • "Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen..."
  • "In Wien musst erst sterben, dass dich hochleben lassen. Aber dann lebst lang."
  • "Manche Leute können keiner Fliege etwas zu Leide tun, weil sie nicht imstande sind, eine zu fangen..."
  • "Für alle Generationen gilt dasselbe: wer nicht mit der Zeit geht, wird mit der Zeit gehen müssen..."
  • "Viele tun nur deshalb etwas nicht, weil es ihnen keiner verbietet..."

[Bearbeiten] Werke

[Bearbeiten] Filme

[Bearbeiten] Kabarettprogramme

  • „Die Grimasse“, 1947, im „Studio der Hochschulen“ (Regie: Michael Kehlmann)
  • „Blitzlichter“, mit Michael Kehlmann, Carl Merz, 1950, im „Kleinen Theater im Konzerthaus“
  • „Reigen 51“, mit Michael Kehlmann, Carl Merz, Gerhard Bronner, 1951, im „Kleinen Theater im Konzerthaus“
  • „Brettl vor'm Kopf“, mit Michael Kehlmann, Carl Merz, Gerhard Bronner u.a., 1952, im „Kleinen Theater im Konzerthaus“
  • „Blattl vor'm Mund“, mit Michael Kehlmann, Carl Merz, Gerhard Bronner u.a., 1956, im „Intimen Theater“
  • „Glasl vor'm Aug“, 1956, im „Intimen Theater“
  • „Spiegel vor'm Gsicht“, 1958 (Fernsehproduktion)
  • „Dachl über'm Kopf“, 1959
  • „Hackl vor'm Kreuz“, 1959
  • „Der Herr Karl“, mit Carl Merz, 1961
  • „Alles gerettet“, mit Carl Merz, 1963
  • „Die Hinrichtung“, mit Carl Merz, 1965

[Bearbeiten] Diskographie

  • „Der böhmische Herr Karl (Bohumil Hrabal)“, Preiser Records 93104
  • „Der ewige Spiesser (Ödön von Horvath)“, Preiser Records 90198
  • „Der g'schupfte Ferdl“
  • „Der Herr Karl (H. Q., Carl Merz)“, Preiser Records 93001
  • „Der Qualtinger - ein kabarettistisches Porträt“, Preiser Records 93095
  • „Die Hinrichtung (H. Q., Carl Merz)“, Preiser Records 90318
  • „Der Rosenkavalier (Hugo von Hofmannsthal)“, 90130 (2 CD)
  • „Die letzten Tage der Menschheit (Karl Kraus)“, Teile 1 bis 5, Preiser Records 93009, 93014, 93018, 93228, 93266
  • „Die Qualtinger-Songs“, Preiser Records 90065
  • „Fifi Mutzenbacher (Wolfgang Bertrand)“, Preiser Records 90950
  • „Frühere Verhältnisse (Johann Nestroy)“, Preiser Records 93156
  • „Hackl vor'm Kreuz“, Kabarettprogramm mit Gerhard Bronner, Carl Merz, Louise Martini, Peter Wehle u. A., Preiser Records 90162
  • „Helmut Qualtinger liest Jaroslav Hasek: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk“, Preiser Records 1986 (3CD)
  • „Kabarett aus Wien“, Preiser Records 90081
  • „Kabarettisten singen Klassiker“, Preiser Records 93098
  • „Mein Kampf (Adolf Hitler)“, Preiser Records 93224 (2 CD)
  • „Mit fremden Federn (Robert Neumann)“, Preiser Records 90194
  • „Moritaten (mit Kurt Sowinetz)“, Preiser Records 90016
  • „Österreichisches Lesebuch (Anton Kuh)“, Preiser Records 93006
  • „Qualtinger in Linz“, Preiser Records 93039
  • „Qualtinger liest Qualtinger (Gesamtausgabe)“, Preiser Records 90280 (4 CD)
  • „Qualtingers böseste Lieder“, Preiser Records 90312
  • „Reigen (Arthur Schnitzler)“, Preiser Records 93124 (2 CD), Regie: Gustav Manker, mit Hilde Sochor, Helmuth Lohner, Hans Jaray, Blanche Aubry, Christiane Hörbiger, Peter Weck, Robert Lindner)
  • „Schallplattl vor'm Mund“, Preiser Records 90026
  • „Schwarze Lieder“, Preiser Records 90007, nach Gedichten von H.C. Artmann und Gerhard Rühm, Musik: Ernst Kölz
  • „Schüttelreime (Franz Mittler, Hans Grümm u. a.)“, Preiser Records 90178
  • „Travniceks gesammelte Werke (H. Q., Carl Merz)“, Preiser Records 9310
  • Villon (übersetzt von H. C. Artmann, mit Jazz von Fatty George)“, Preiser Records 93037
  • „Wiener Bezirksgericht (Günther Fritsch)“, Teile 1 bis 4, Preiser Records 93041, 93136, 93184, 90253
  • „Toller. Szenen aus einer deutschen Revolution (Tankred Dorst)“, Preiser Records 99009

[Bearbeiten] Literatur

  • Günter Krenn: Helmut Qualtinger: die Arbeiten für Film und Fernsehen. Filmarchiv Austria, Wien 2003, ISBN 3901932259.
  • Helmut Qualtinger: Werkausgabe. Herausgegeben von Traugott Krischke. Deuticke, Wien.
    • Band 1: „Der Herr Karl“ und andere Texte fürs Theater. 1996
    • Band 2: „Brettl vor dem Kopf“ und andere Texte fürs Kabarett. 1996
    • Band 3: „Travniceks gesammelte Werke“ und andere Texte für die Bühne. 1996
    • Band 4: „Heimat bist du großer Zwerge“ und andere Texte für die Bühne. 1997
    • Band 5: Carl Merz und Helmut Qualtinger: „Blattl vorm Mund“. Satiren für den „Neuen Kurier“. Illustrationen von Rudolf Angerer. 1997
  • Gunna Wendt: Helmut Qualtinger. Ein Leben. Deuticke, Wien 1999. ISBN 3216304396
  • Arnold Klaffenböck: "Die Zunge kann man nicht überschminken ..." Der Schriftsteller Helmut Qualtinger und seine Texte 1945-1965. Edition Praesens, Wien 2003. ISBN 3706901811
  • Quasi ein Genie - Helmut Qualtinger (1928-1986). Herausgegeben von Arnold Klaffenböck. Deuticke, Wien. Katalog zur Ausstellung des Wien Museum, 2. Oktober 2003 bis 6. Jänner 2004. ISBN 3216307174

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Großmeister der Kleinkunst ist tot Nachruf auf Gerhard Bronner. Der Standard 20./21.1.2007. http://derstandard.at/?url=/?id=2733206

[Bearbeiten] Weblinks

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