Kanone
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Eine Kanone ist ein Geschütz mit einem großen Verhältnis Rohrlänge zu Kaliber (Rohrlänge/Kaliber ≥ 20), die meist zum Flachfeuer verwendet wird.
Moderne Haubitzen verfügen ebenfalls über lange Rohre, und auch viele Kanonen können heute zum Steilfeuer verwendet werden, so dass der Begriff Kanone nicht mehr scharf gegen Haubitzen abgegrenzt werden kann. (Kanonen verleihen aufgrund der hohen Mündungsgeschwindigkeit dem Geschoss eine relativ gerade Flugbahn, man spricht deshalb auch von Flachfeuergeschützen. Haubitzen eignen sich besser für indirektes Feuer.)
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[Bearbeiten] Geschichte
Die Erfindung des Schwarzpulvers ist die grundlegende Entwicklung, die Feuerwaffen möglich machte.
Die Song-Chinesen verwendeten möglicherweise zuerst Bambusrohre um Schwarzpulver zum explodieren zu bringen, was man als Feuerlanze bezeichnete und noch keine Projektile verschoß. In der Yuan-Zeit kann man erstmals Metallrohre nachweisen, im Durchmesser bis zu 2,6 cm, um mittels Schwarzpulver verschiedene, nicht passgenaue Projektile, insbesondere Pfeile, Eisen- und Stahlsplitter sowie giftige Substanzen zu verschießen. Eine schlanke, gusseiserne Handfeuerwaffe von 2,8 cm Kaliber, 34 cm Länge, mit Zündloch, geradliniger Bohrung und verstärker Zündkammer wurde in der Mandschurei ausgegraben, sie stammt von 1288 und stellt den ältesten Beleg in China dar. Diese Art der Pfeilbüchse kann aber noch nicht als Kanone gelten, sondern stellt erst eine Vorstufe dar. Zu dieser Zeit kam offenbar auch die Verwendung passgenauerer Wurfpfeile aus Eisen auf, solche Projektile sind noch erhalten. Zahlreiche chinesische Techniker dienten in den Mongolenheeren, die in ihren Feldzügen Feuerwaffen einsetzten. Dies entwickelte sich fast analog zu den Frühformen der Flammenwerfer und der Raketenwerfer.
Das Konzept der mit Schwarzpulver betriebenen und mit Eisenpfeilen schießenden Pfeilbüchse kam über die offenen Handelswege Arabiens nach Europa. So soll Wilhelm von Rubruk angeblich 1256 Feuerwerkskörper mitgebracht haben und Roger Bacon (beides Franziskaner) könnte sie zum Vorbild seiner Forschungen genommen haben, was aber beides eher zweifelhaft ist.
In Europa selbst treten Feuerwaffen seit dem frühen 14. Jahrhundert auf. Sie wurden wohl erstmals 1326 in Italien, in Dokumenten der Republik Florenz erwähnt ("pilas seu palloctas ferreas et canones de metallo" - also eisernen Geschossen oder Kugeln und Kanonen aus Metall), später dann in Süddeutschland. Kurze Zeit später kamen Feuerwaffen praktisch in ganz Europa vor, sodass man hier von einem ersten Wettrüsten reden kann. Die eigentliche Leistung der Europäer bestand darin, dass sie die Eisenpfeile als erste durch schwere kugelige Projektile (Blei- oder Steinkugeln) ersetzten und diese unter Verwendung des Treibmittels Schwarzpulver in einer Büchse abfeuerten. Dazu war die Basisinnovation der Klotzverdämmung (um 1360) notwendig, um so aus einer recht primitiven Handfeuerwaffe, mit unzureichender Ladetechnologie und nur eng begrenztem militärischen Wert, ein vollwertiges Geschütz zu entwickeln. Diese frühe Form wurde noch als Feuertopf, Eisentopf oder Steinbüchse bezeichnet und zunächst bei Belagerungen verwendet, zur Hussitenzeit dann aber auch in Feldschlachten, aufmontiert auf Wagen oder mit Holzstützen. Bis zum letzten Drittel des 14. Jahrhunderts hatten sich die europäischen Feuerwaffen, durch die Entwicklung der echten Kanone, zu den fortschrittlichsten und schlagkräftigsten der Welt entwickelt. Insbesondere der Hundertjährige Krieg zwischen Frankreich und England sorgte für einen sehr dynamischen Innovationsschub. Allein bei den Hussiten verzehnfachte sich die Zahl der eingesetzten Feuerwaffen in zehn Jahren, so führten sie 1428 3000 Handfeuerwaffen, 300 Haubitzen und 60 große Geschütze gegen Meißen und Bayern ins Feld. Seit 1450 waren Geschütze absolut üblich, auch im Heer des noch auf die Ritterschaft setzenden Karls des Kühnen von Burgund.
Die ersten Geschosse waren eigenartige, gewaltige Eisen- und Brandpfeile (siehe z.B. die Handschrift von Walter de Milimete 1326), die aber bald von der Steinkugel verdrängt wurden. Bald experimentierte man auch mit gusseisernen Kugeln, die aber in der Herstellung wesentlich teurer waren und auch mehr Pulver benötigten, dem wiederum waren die Steinbüchsen nicht gewachsen. Diese Nachteile sorgten dafür, dass die steinernen Kugeln noch teilweise bis ins 16. Jahrhundert hinein benutzt wurden. (siehe dazu auch die Reformen im Geschützwesen von Kaiser Maximilian I. im Artikel Kartaunen)
Die spätmittelalterlichen Rohre waren aus Eisen, Kupfer, Bronze oder Messing in einem Stück gegossen, wobei man sich die Erfahrungen der Glockengießer zunutze machte, oder aus schmiedeeisernen (entspricht heute: Baustahl) Stäben mit trapezförmigem Profil, die mit Eisenringen zusammengehalten wurden.
Die Schwerpunkte lagen dabei auf Bronze und Eisen. Sehr früh musste man feststellen, dass die Exemplare aus Eisen immer wieder zu platzen drohten, weil das Verschlusstück nicht funktionierte. Selbst Schraubverschlüsse waren ungeeignet, da sich die Gewinde nach jeder Explosion verzogen und der Verschluss stundenlang auskühlen musste.
In der Frühen Neuzeit setzte sich dann Bronze wegen ihrer Stabilität und ihrer guten Gießeigenschaft bei allen Feldgeschützen durch. Eisengeschütze wogen zudem bei gleichem Kaliber erheblich mehr. Zudem spielte die Zusammensetzung des Eisens (insbesondere sein hoher Phosphorgehalt, sein niedriger Schwefelgehalt) eine erhebliche Rolle für die Festigkeit einer Kanone, so dass sich bestimmte Regionen innerhalb Europas, obwohl identisches Knowhow auch anderswo vorhanden war, für die Fertigung durchsetzten. Zudem setzte zeitgleich ein regelrechter Wettbewerb um Kanonengießer ein, die bestimmte Standorte (z.B. Asslar und Marsberg in Deutschland, Sussex und Kent in England) noch zusätzlich bevorzugten.
Schiffs- und Festungsgeschütze aber mussten nur wenig bewegt werden, sodass man für sie weiterhin das billigere Eisen bevorzugte.
Mitte des 17. Jahrhunderts gab es dann auch Raum für Experimente: so wurden Kanonen sogar aus Leder und Holz hergestellt, die aber schnell kaputt gingen. Dafür waren sie um ein Vielfaches leichter als die Metallkanonen. Diese Feststellung hinsichtlich der Mobilität einer Kanone führte dann dazu, dass die Kanonen generell immer leichter wurden. Im April 1629 gelang es der königlichen Gießerei Stockholm den ersten Dreipfünder "regementsstycke" herzustellen, der mit 123 kg sehr beweglich war. Wenig später reduzierte man das Gewicht sogar auf nur 116 kg.
Als Mitte des 19. Jahrhunderts die Herstellung hochwertigen Stahls sehr viel billiger wurde, konnte man dieses extrem stabile Material für die Massenproduktion von Kanonen einsetzen. Zu diesen ersten Gussstahl-Kanonen gehörten die Hinterladerkanonen Alfred Krupps, die eine wahre waffentechnische "Revolution" auslösten und zunächst vor allem von Preußen eingesetzt wurden. (Schon einige Jahre zuvor waren gezogene Kanonen, bald auch mit explosiven, länglichen Granaten, statt Kugeln, eingeführt worden.)
Ende des 19. Jahrhunderts stellte Frankreich mit der Canon de 75 mle 1897 die erste echte Schnellfeuerkanone in Dienst. Hauptmerkmal war der lange Rohrrücklauf, dazu kamen noch mehrere andere Details, die die Feuergeschwindigkeit deutlich erhöhten.
Die Entwicklung der Kanone und ihre Perfektionierung in Europa hat letztlich entscheidend dazu beigetragen, dass europäische Staaten, wenn auch zahlenmäßig unterlegen, sich gegen Annektierungsversuche anderer Völker und Staaten anderer Kontinente durchsetzen konnten. Oftmals hatten diese Völker zwar auch Kanonen, da es auch schon zu damaligen Zeiten einen Rüstungsmarkt - ähnlich wie heute - gab. So wurden gerne Kanonengießer "abgeworben" oder fehlende Stückzahlen im Ausland, manchmal sogar im verfeindeten Ausland, gekauft. Der entscheidende Fehler war jedoch offensichtlich: Die Europäer waren zunehmend bestrebt Kanonen zu bauen, die leicht waren - und somit mobiler und schneller zu laden. Die Nicht-Europäer setzten hingegen oft auf große Kaliber, die vermeintliche Reichweitenvorteile boten - dafür aber schwer zu bewegen und nur langsam nachgeladen werden konnten. So gab es Schlachten, in denen diese langsamen Kanonen nur einmal abgefeuert werden konnten.
[Bearbeiten] Etymologie
Der Begriff stammt vom italienischen Wort canna (französisch quennon) für "Röhre" oder "Rohr", das um die Augmentativendung "-one" erweitert ist.
[Bearbeiten] Rekorde
Die Kanonen mit der höchsten Reichweite und größtem Kaliber waren allesamt Eisenbahngeschütze:
- das Paris-Geschütz, welches im Ersten Weltkrieg von der deutschen Front bei Laon bis nach Paris schießen konnte (ca. 120 km).
- Die K12 im Zweiten Weltkrieg hatte 196 Kaliberlängen, ein Kaliber von 211 mm und eine Reichweite von 115 km. Das Geschütz war jedoch nicht sehr einsatztauglich, es ging hierbei mehr darum, den Rekord zu brechen.
- Das größte Gewicht lag bei 1.345 Tonnen (Geschütz Gustav und Geschütz Dora im Zweiten Weltkrieg)
- Das größte Kaliber lag bei 914 mm beim amerikanischen "Little David"-Mörser
- Die derzeit größte Frontladekanone der Welt steht auf der Insel Malta im ehemals britischen Fort Rinella. Das dortige Geschütz ist eine 100t Armstrong-Kanone
[Bearbeiten] Spezielle Einsatzbereiche der Kanone
- PAK (Panzerabwehrkanone)
- FLAK (Flugabwehrkanone)
[Bearbeiten] Spezielle Kanonen
- V3, auch HDP (Hochdruckpumpe) oder "Tausendfüßler" genannt, der offizielle Tarnname lautete "Fleißiges Lieschen"
- Rückstoßfreies Geschütz
- Industrial Sounding System
[Bearbeiten] Verwendung außerhalb des Kampfes
- Bei einer Staatsvisite oder der Geburt eines Thronfolgers werden Salutschüsse mit meist historischen Kanonen abgefeuert.
- Historisch: Anwendung als Mittagskanone
- Als Starthilfe für Satelliten, HARP-Projekt
- Zum absichtlichen Auslösen von Lawinen wird der gefährdete Berghang mit einer Kanone beschossen
[Bearbeiten] Siehe auch
Feldschlange - Kartaune - Artillerie - Kanonenboot - Kanonenfutter - Schneekanone - Gulaschkanone - Zündeisen - Kanonenkugel - Balist - Menschliche Kanonenkugel
[Bearbeiten] Redensart
"Kanonenstiefel" wurden metaphorisch hohe und mächtige Stiefel genannt.
Die Redensart „unter aller Kanone“ (eine außerordentlich schlechte Leistung) hat mit der Kanone als Geschütz nichts zu tun und geht auf die lateinische Floskel sub omni canone zurück.
Eine weitere Redensart bezeichnet eine auf einem bestimmten Gebiet herausragende Person als Kanone (Beispiel: Sportskanone).
[Bearbeiten] Literatur
- Karl-Heinz Ludwig, Volker Schmidtchen: Metalle und Macht. 1000 bis 1600. Berlin, Frankfurt/Main: Propyläen Ullstein, 1992
(= Propyläen Technikgeschichte, Band 2, hg. von Wolfgang König). ISBN 3-549-05227-8 - Akos Paulinyi, Ulrich Troitzsch: Mechanisierung und Maschinisierung. 1600 bis 1840. Berlin, Frankfurt/Main: Propyläen Ullstein, 1991
(= Propyläen Technikgeschichte, Band 3, hg. von Wolfgang König). ISBN 3-549-05228-6 - Wolfgang König, Wolfhard Weber: Netzwerke, Stahl und Strom. 1840 bis 1914. Berlin, Frankfurt/Main: Propyläen Ullstein, 1990
(= Propyläen Technikgeschichte, Band 4, hg. von Wolfgang König). ISBN 3-549-05229-4 - Uta Lindgren: Europäische Technik im Mittelalter 800-1400. Tradition und Innovation. Berlin: Gebr. Mann, 1998. ISBN 3-786-11748-9
- Rohr, Christian: Kompass, Papier und Schießpulver, Salzburg 2003
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Kanone – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
Wiktionary: Kanone – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen |