Niedersächsische Sprache
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Das Niedersächsische oder Westniederdeutsche ist Teil der niederdeutschen Sprache. Im Nordosten der Niederlande und in Nordwestdeutschland wird das Niedersächsische in seinem Dialekt Nedersaksisch, zumeist aber gemeinsam mit dem Ostniederdeutschen ugs. Plattdeutsch („plattdüütsch”) genannt. Der ISO-Code nach ISO 639-2 ist nds.
Das große Gebiet des Niedersächsischen ist kein einheitliches Sprachgebiet, sondern Teil des niederdeutschen Dialektkontinuums; es werden unterschiedliche Mundarten gesprochen. Jeder Ort hat seine spezifischen mundartlichen Eigenarten, oft gibt es sogar zwischen den Nachbargemeinden beträchtliche Unterschiede in der Lautgebung bzw. in den einzelnen Wortschatzbereichen. Die Einzelmundarten gehen in die Hunderte und bilden die Niedersächsische Sprachgemeinschaft (siehe auch deutsches Dialektkontinuum).
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Abgrenzung
Zu der Gruppe des Niedersächsischen zählen
- das Westfälische (nördliches Westfalen und westliches Niedersachsen bis an die Weser)
- das Ostfälische (östlich der Weser)
- das Nordniedersächsische (nördliches Niedersachsen, Hamburg und westliches Schleswig-Holstein)
Durch die Isoglosse zwischen dem westlichen Plural Präsens auf -(e)t und dem östlichen auf -e(n) (mak(e)t versus make(n)) von diesem getrennt, schließt sich im Osten das Ostniederdeutsche an, das sich seinerseits aus dem Mecklenburgisch-Pommerschen, dem Mark-Brandenburgischen (Mark Brandenburg), dem Mittelpommerschen (ein schmaler Streifen an der Oder) und historisch auch aus dem Ostpommerschen (in Hinterpommern) und dem Niederpreußischen (in Ost- und Westpreußen) zusammensetzt.
Im Süden wird das niedersächsische (westniederdeutsche) Sprachgebiet durch die so genannte Benrather Linie vom Hochdeutschen getrennt, so dass z.B. das Westfälische bis nach Nordhessen und ins Ruhrgebiet hineinreicht.
Im Westen grenzt das Niedersächsische an das Niederfränkische, dessen Zuordnung zum Niederdeutschen umstritten ist. Historisch gehört es zu den fränkischen Dialekten und wird z.B. in Duisburg, Oberhausen, Wesel, Kleve und einem großen Teil der Niederlande gesprochen.
Im Norden bildete die Linie Eckernförde - Treene - Eider die historische Grenze zum Dänischen und Nordfriesischen. Seit dem späten Mittelalter setzte in Schleswig jedoch durch Einflüsse aus dem deutschen Sprachraum ein schleichender Sprachwandel zum Niedersächsischen ein. Besonders die schleswigschen Städte waren hiervon betroffen. Heute ist die deutsch-dänische Landesgrenze auch Sprachgrenze. In Grenznähe wird zum Teil noch Nordfriesisch und Sønderjysk (ein dänischer Dialekt) gesprochen.
[Bearbeiten] Abgrenzung des Niedersächsisch
Aufgrund des deutschen Dialektkontinuums gibt es keine eindeutig festlegbare Sprachgrenzen innerhalb des deutschen Dialektraumes und auch nicht zwischen dem Niedersächsischen und dem Niederfränkischen. Um Forschungsgebiete voneinander abzugrenzen, hat die Sprachwissenschaft allerdings eine Dialektgrenze an einer so genannten ”ick-ich-Linie” festgemacht, die von Deutschland weiter durch die Niederlande und Belgien bis zur Französischen Sprachgrenze verläuft. Der Nordosten der Niederlande gehört zum niedersächsischen Sprachraum. Dort wird - insbesondere in ländlichen Gegenden - umgangssprachlich ein niedersächsischer Dialekt ("Nedersaksisch") gesprochen. Dies gilt für die Provinzen Gelderland, Overijssel, Drenthe und Groningen. Spricht man dagegen in einem Kaufhaus einen Niederländer auf Niedersächsisch an, bekommt man aber oft als Antwort, dass er kein Nedersaksisch spricht, da er aus einem anderen Teil der Niederlande stammt. Diese niedersächsischen Mundarten werden aber - obwohl sie mit den Mundarten auf der deutschen Seite weitestgehend identisch sind - zumeist auch als niederländische Mundarten bezeichnet, was aber sprachwissenschaftlich kein Gegensatz ist, sondern eher etwas mit den Eigenstaatlichkeiten (Deutschland und Niederlande) zu tun hat. Nederduits war bis ins 19. Jahrhundert eine übliche Bezeichnung der Sprache in den Niederlanden (siehe auch Niederländisch (Name) über die verschiedenen Namen der Niederländischen Sprache). Die Zuordnung richtet sich nach sprachwissenschaftlichen Einordnungen und weniger nach der überdachenden Standardsprache.
[Bearbeiten] Geschichte und offizieller Status
Im Mittelalter diente das Lübecker Mittelniederdeutsch ("Lübsch") als Lingua Franca der Hanse und erreichte so eine große Bedeutung im Ostseeraum und Skandinavien. Im Hanseraum war das stark standardisierte Mittelniederdeutsch die bevorzugte Schriftsprache auch für diplomatische und juristische Dokumente. Es hat viele Spuren in den skandinavischen und baltischen Sprachen hinterlassen.
Im Laufe des 17. Jahrhunderts wurde das Niedersächsische jedoch als geschriebene Sprache durch Standarddeutsch in Deutschland bzw. durch Niederländisch in den Niederlanden verdrängt. Dabei hat die Reformation eine wichtige Rolle gespielt.
Das Niedersächsische und Niederfränkische konnte sich bis nach dem Zweiten Weltkrieg als vorrangige Umgangssprache im niederdeutschen Sprachraum halten, ist aber durch das Hochdeutsche inzwischen stark in seiner Existenz gefährdet. In Deutschland existiert kein einziges Radio-Vollprogramm in Plattdeutsch.
Es gibt jedoch auch Sprachwissenschaftler, die das Niedersächsische ungeachtet der offiziellen Anerkennung lediglich als deutschen bzw. niederländischen Dialekt auffassen, da es ihrer Ansicht nach weder das Kriterium einer Abstandsprache noch das Kriterium einer Ausbausprache erfülle, wohl aber in Gebieten mit deutscher bzw. niederländischer Dachsprache gesprochen werde.
[Bearbeiten] Heutige Verbreitung
Das Niederdeutsche und damit das Niedersächsische verliert bei der jüngeren Bevölkerung in Deutschland und in den Niederlanden durch die hochdeutsche bzw. standardniederländische Amts- und Schulsprache zunehmend an Sprechern. Überwiegend die ältere einheimische Generation verwendet ihre jeweilige Mundart noch im Gespräch miteinander. Der Dialekt wird aber auch von der mittleren Generation noch sehr gut verstanden, teilweise benutzt oder auch mit dem Hochdeutschen (Missingsch) oder Dänischen (Petuh) vermischt. In manchen Teilen Norddeutschlands und der östlichen Niederlande werden die Mundarten intensiver gesprochen als in anderen Landesteilen. Im Oldenburger Land, in Ostfriesland, in der Lüneburger Heide, in der Mittelweserregion, im Emsland, in der Grafschaft Bentheim in der Wümmeniederung, in Teilen Schleswig-Holsteins und regional in Hamburg, Bremen und Westfalen hat die Sprache noch sehr viele Sprecher, in Hannover und anderen Großstädten ist es fast ausgestorben.
In Schleswig-Holstein versucht die Landesregierung, mit Förderprogrammen und Wettbewerben das Plattdeutsche wieder in die Schulen zu bringen. Auf Eigeninitiative von Lehrkräften gibt es vereinzelt auch wöchentlichen „Fremdsprachenunterricht“. Landtagssitzungen auf Platt werden zwar regelmäßig gehalten, haben aber eher darstellenden Charakter, da für echte Diskussionen den meisten Abgeordneten das Sprachwissen fehlt.
Niedersächsisch ist keine Sprache wie das Standarddeutsche, sondern eine Dialektgruppe, weil ihm eine Standardversion fehlt. Die relativ geringe räumliche Mobilität bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat dazu geführt, dass sich Aussprache und Wortschatz teilweise stark voneinander (selbst von Ort zu Ort, vergl. den vielen alemannischen Dialekten in der Schweiz) unterscheiden (Dat gifft 'n Hümpel Grootdialekten un soveel Dörpsdialekten as Fleigen op de Mess).
Auch in einigen Regionen Nord- und Südamerikas werden von Nachfahren niederdeutscher (norddeutscher und ostniederländischer) Auswanderer noch heute niedersächsische Dialekte gesprochen.
[Bearbeiten] Grammatikalische Besonderheiten
Das Niederdeutsche unterscheidet sich vom Hochdeutschen insbesondere dadurch, dass es - ebenso wie das Englische, das Niederländische und das Friesische - die zweite (hochdeutsche)Lautverschiebung nicht mitgemacht hat. Dies haben alle diese Sprachen mit den skandinavischen Sprachen (Dänisch, Schwedisch, Norwegisch, Isländisch) gemein.
Auch das Vokabular und die Grammatik unterscheiden sich deutlich vom Hochdeutschen. So gibt es im Niedersächsischen nur zwei Fälle (Nominativ und Objektfall). Akkusativ und Dativ sind wie im Englischen zum Objektfall verschmolzen; der (Genitiv) wird mit Hilfe einer Präposition gebildet.
Typisch für die nördlichen Dialekte der niedersächsischen Sprache ist auch, dass das Perfekt-Partizip stets ohne die Vorsilbe ge gebildet wird. So heißt es
- Ik hebb köfft für Ich habe gekauft,
- He is lopen für Er ist gelaufen oder
- Sett di neet/nich up de anstreken Stohl für Setze dich nicht auf den angestrichenen Stuhl.
[Bearbeiten] Gliederung
[Bearbeiten] in Norddeutschland
- Westfälisch (in Westfalen und in der Südhälfte des Osnabrücker Landes)
- Münsterländisch
- Ostwestfälisch
- Südwestfälisch
- Westmünsterländisch
- Ostfälisch (im südlichen Niedersachsen und in Teilen Sachsen-Anhalts)
- Göttingisch-Grubenhagensch
- Zentralostfälisch
- Elbostfälisch
- Heideostfälisch
- Nordniedersächsisch oder Nordsächsisch (im nördlichen Niedersachsen, Bremen (Land), Hamburg und Schleswig-Holstein)
- Hamburger Dialekt
- Unterelbe-Mundart
- Holsteinisch
- Schleswigsch
- Ostfriesisch
- Oldenburgisch
- Diepholzer Mundart
- Emsländisch oder Emsländer Platt
[Bearbeiten] Westniedersächsische Varietäten in den Niederlanden
Wikipedia auf Nedersaksisch |
Diese Unterteilung ist basiert auf der Dialektkarte von Jo Daan[1].
- Westerkwartiers
- Kollumerpompsters
- Gronings und Noord-Drents
- Hogelandsters
- Stadsgronings
- Oldambtsters
- Westerwolds
- Veenkoloniaals
- Stellingwerfs
- Midden-Drents
- Zuid-Drents
- Twents
- Twents-Graafschaps
- Gelders-Overijssels
- Achterhoeks
- Sallands
- Urkers
- Veluws
- Oost-Veluws
- West-Veluws
[Bearbeiten] in anderen Ländern
Nicht-mennonitische Dialekte aus verschiedenen Gebieten Norddeutschlands und der östlichen Niederlande (besonders in Kanada, USA und Brasilien; darunter im 19. Jahrhundert von Schleswig-Holstein und Pommern aus in den Mittleren Westen der USA und von Pommern aus ins südliche Brasilien (Pomerano) verpflanzte und dort weiterentwickelte spezifisch amerikanische Mundarten des Niedersächsischen)
[Bearbeiten] Bedeutende „niedersächsisch-plattdüütsche” Dichter und Schriftsteller
- Oswald Andrae
- Helmut Debus - Sänger
- Georg Droste
- Gorch Fock (Johann Wilhelm Kinau)
- Klaus Groth
- August Hinrichs
- Rudolf Kinau
- Hinrich Kruse
- Wolfgang Sieg
- Julius Stinde
- Augustin Wibbelt
[Bearbeiten] Quellen
[Bearbeiten] Weblinks
Wikipedia auf Plattdüütsch (neddersassisch un ostnedderdüütsch) |
Wikipedia auf Nedersaksisch |
- http://www.radiobremen.de/bremeneins/platt/news/index.php3
- http://www.plattmaster.de
- http://www.sassisch.net
- http://www.plattnet.de Wegweiser durch Plattdeutsche Internetangebote
- http://www.zfn-ratzeburg.de Zentrum für Niederdeutsch
- http://www.plautdietsch-freunde.de Verein für Plautdietsch