Regelkreis
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Ein Regelkreis ist ein rückgekoppeltes System, das mindestens aus einer Regelstrecke, einem Regler und der Rückführung besteht. Kennzeichnend für einen Regelkreis ist der geschlossene Wirkungskreis mit einer negativen Rückkopplung. Regelkreise werden auch als Regelsysteme bezeichnet insbesondere dann, wenn in einem Regelsystem mehrere Regelkreise ineinandergreifen.
Regelkreise werden verwendet, wenn das Verhalten der Regelstrecke nicht den Anforderungen genügt. Dazu wird der Regler so entworfen, dass der Regelkreis das gewünschte Verhalten möglichst gut annimmt. Das gewünschte Verhalten kann vielfältig sein. Beispielsweise kann das Ziel in der Stabilisierung einer instabilen Regelstrecke bestehen. Eine weitere übliche Forderung, die Sollwertfolge, verlangt, dass der Ausgang dem Sollwert asymptotisch folgen soll.
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[Bearbeiten] Der Standardregelkreis
In der Regelungstechnik werden im Regelkreis fünf Teile unterschieden, die im Blockschaltbild dargestellt sind:
1. FR = Regelglied / Regler
2. FSt = Stellglied
3. FS = Regelstrecke
4. FZ = Störgrößenübertragungsglied
5. FM = Messglied
Es ergeben sich folgende Größen innerhalb des Regelkreises:
- w Führungsgröße
- e Regelfehler / Regeldifferenz
- yr Hilfsstellgröße / Reglerausgangsgröße
- y Stellwert / Stellgröße
- z Störgröße
- x Ausgangs- / Regelgröße
- r Rückführgröße
Das Messglied nimmt von der Regelstrecke die Regelgröße x als Eingangsgröße auf und verarbeitet sie zur Rückführgröße r weiter, die an die Regeleinrichtung geleitet wird.
Aus der Differenz der Führungsgröße w und der Rückführgröße r entsteht der Regelfehler e.
e = w − r
Die Regeldifferenz e wird im Regelglied verarbeitet zur Hilfsstellgröße yr. Das Stellglied verarbeitet die Hilfsstellgröße yr zur Stellgröße y und beeinflusst damit die Regelstrecke.
Durch Veränderung der Stellgröße y ändert sich die Regelgröße x.
Die Rückführung der Regelgröße über das Messglied schließt den Regelkreis.
An jeder Stelle des Regelkreises können Störungen z' eingreifen. Im Bild oben verändert die Störgröße z die Regelgröße x. Regelkreise können auch komplexer aufgebaut sein.
[Bearbeiten] Mathematische Beschreibung
Regelkreise werden mathematisch mit Hilfe der Systemtheorie beschrieben, die parallel zur Regelungstechnik entwickelt wurde. Diese Theorie vermag sowohl zeitkontinuierliche als auch zeitdiskrete Systeme und Signale zu beschreiben.
[Bearbeiten] Signal
Unter einem Signal wird der Verlauf einer physikalischen Größe in Abhängigkeit der Zeit verstanden. Signale sind mathematisch gesehen Wert-kontinuierliche oder Wert-diskontinuierliche Funktionen.
Eine sinusförmige Spannung ist beispielsweise durch die Zeitfunktion
beschrieben.
[Bearbeiten] System
Unter einem System wird ein mathematisches Modell verstanden, das in sehr allgemeiner Weise zur Beschreibung und zur Untersuchung technischer Prozesse verwendet werden kann. Auch der Regelkreis ist ein System, dass sich jedoch durch eine Rückkopplung auszeichnet. Auch die Bestandteile des Regelkreises (Regler, Regelstrecke, usw.) selbst sind wiederum Systeme. Es ist charakteristisch für Systeme, dass sie Ein- und Ausgangssignale besitzen. In der hier gewählten blockorientierten Darstellung hängen alle Ausgangsgrößen ursächlich (kausal) von den Eingangssignalen ab.
Die Eingangssignale von Systemen werden durch die Eigenschaften des Systems in Ausgangsgrößen überführt. Dieser Sachverhalt wird mathematisch folgendermaßen allgemein beschrieben:
Eingangsgröße: x(t)
Ausgangsgröße: y(t)
Transformation: T
y(t) = T{x(t)}
Die Transformation T ist beliebig, es kann beispielsweise ein nichtlinearer Zusammenhang vorliegen, der selbst zeitlicher Veränderung unterliegen kann. Das beschriebene System ist dann ein Nichtlineares zeitvariantes System . Eine lineare zeitinvariante Transformation (LZI-System) wird im Zeitbereich durch die Impulsantwort (auch Gewichtsfunktion) g(t) vollständig beschrieben, die im Mehrgrößenfall eine Matrix der Impulsantworten ist. Man erhält den Ausgang aus dem Eingang durch Faltung der Gewichtsfunktion mit dem Eingangssignal,
- y(t) = g(t) * x(t)
wobei * den Faltungsoperator bezeichnet. Im Frequenzbereich ist die Gewichtsfunktion durch die sogenannte Übertragungsfunktion repräsentiert, die man durch Anwendung der Laplace-Transformation erhält.
Die Funktionen des Zeitbereichs werden in Funktionen des Frequenzbereichs mit der komplexen Frequenz s = σ + jω transformiert. Symbolisch:
Zeitbereich Frequenzbereich
Abhängig von t Abhängig von s
x(t) o-O X(s) y(t) o-O Y(s) g(t) o-O G(s)
In diesem Falle werden Integral- und Differentialoperatoren auf einfache Multiplikationen und Divisionen reduziert.
Eingangsgröße: X(s) Ausgangsgröße: Y(s) System / Übertragungsfunktion: G(s)
Lineare zeitinvariante Signale und Systeme werden im zeitkontinuierlichen Fall durch Differentialgleichungen und Übertragungsfunktkionen auf Basis der Laplace-Transformation beschrieben. Im zeitdiskreten Fall werden stattdessen Differenzengleichungen bzw. im Frequenzbereich die Übertragungsfunktion aus der Z-Transformierten verwendet. Des Weiteren wird im Zeitbereich das Zustandsraummodell verwendet.
[Bearbeiten] Verhalten des Regelkreises
[Bearbeiten] Stabilität
- Hauptartikel: Stabilitätstheorie
Die Stabilität des Regelkreises ist eine grundlegend wichtige Eigenschaft, da in der Praxis Instabilität meist zu Schäden führt (z. B. Absturz eines Flugzeuges, Explosion eines Kessels usw.). Grundlegende Erkenntnisse zur Stabilitätstheorie wurden von Maxwell, Routh und Hurwitz beigetragen.
Zur Beurteilung der Stabilität eines Regelkreises existieren mehrere Stabilitätsbegriffe und dazugehörige Analysemethoden, welche die Stabilitätstheorie bilden. Grundvoraussetzung für die Stabilitätsprüfung ist, dass ein mathematisches Modell der Regelstrecke vorliegt.
Gängige Stabilitätsbegriffe sind die Zustandsstabilität und Eingangs-/Ausgangs-Stabilität (E/A-Stabilität). Die Zustandsstabilität fordert anschaulich, dass alle Zustandsvariablen ohne äußeren Einfluss auf ein Gleichgewicht zustreben. Bei LZI-Systemen ist dies der Ursprung, bei nichtlinearen Systemen kann es mehrere Gleichgewichtszustände geben. Zur ihrer Analyse ist die Eigenbewegung des Systems maßgeblich. Die E/A-Stabilität (auch BIBO-Stabilität, engl. bounded input-bounded output) fordert lediglich, dass die Ausgangssignale bei beschränkten Eingangssignalen und verschwindendem Anfangszustand beschränkt bleiben.
Die Stabilität kann durch mehrere Verfahren bestimmt werden, die unterschiedliche Aspekte einbeziehen; zum Beispiel nach Nyquist, Hurwitz, Routh oder mit dem Cross-over Modell von McRuer.
[Bearbeiten] Sollwertfolge
Die Erfüllung der Sollwertfolge im Standardregelkreis ist eine strukturelle Entscheidung, die von den genauen Parametern des Reglers und der Regelstrecke unabhängig ist. Sie wird durch Erfüllung des Inneres-Modell-Prinzips gesichert, das besagt, dass die offene Kette aus Serienschaltung von Regler und Regelstrecke das Führungsgrößenmodell beinhalten muss, für das Sollwertfolge erreicht werden soll.
Das Führungsgrößenmodell umfasst immer eine Klasse von Signalen, beispielsweise sprungförmige, rampenförmige, oder sinusförmige Signale. Da Signale und Systeme im Frequenzbereich gleichartig behandelt werden, kann das Innere-Modell-Prinzip dort leicht überprüft werden. Für sprungförmige Führungssignale besagt es, dass die offene Kette einen I-Anteil beinhalten muss. Es ist dabei unerheblich, ob dieser im Regler oder in der Strecke vorliegt.
[Bearbeiten] Erweiterte Regelkreisstrukturen
[Bearbeiten] Dezentrale Regelung
Die dezentrale Regelung ist ein spezieller Ansatz zur Regelung von Mehrgrößensystemen mit gleicher Anzahl m von Ein- und Ausgängen. Jeder Regelgröße wird ein Eingang zugeordnet, der möglichst großen Einfluss auf die Regelgröße hat. Für jedes Paar von Ein- und Ausgängen wird ein Eingößenregler entworfen und realisiert, insgesamt also m Eingrößen-Regelkreise.
Das Verfahren funktioniert besonders gut, wenn die Querkopplungen in der Regelstrecke (im Bild gestrichelt dargestellt) klein sind. Zur ihrer Bewertung wurden verschiedene Koppelmaße entwickelt.
[Bearbeiten] Kaskadenregelung
- Hauptartikel: Kaskadenregelung
Die Idee der Kaskadenregelung besteht in der Ineinanderschachtelung von Regelkreisen. Es werden zunächst Hilfsregelgrößen mit schnellen inneren Regelkreisen geregelt, deren Sollwerte aus den Stellwerten der äußeren, langsameren Kreise bestehen.
[Bearbeiten] Smith-Prädiktor
[Bearbeiten] Split-Range Regelung
Die Split-Range Regelung betrifft die Realisierung einer Stellgröße durch mehrere Aktoren mit beschränktem Wirkbereich. Beispielsweise werden zur Temperaturregelung in einem Batch-Reaktor sowohl eine elektrische Heizung als auch eine von einem Kühlmedium durchflossene Kühlschlange eingesetzt. Ein positives Stellsignal ist durch die Ansteuerung der Heizkerzen zu realisieren. Ein negatives Stellsignal hingegen bedeutet die Anforderung von Kühlung, sodass die Heizung auszuschalten, stattdessen ein Ventil zu öffnen ist, um das Kühlmedium freizugeben.
[Bearbeiten] Störgrößenaufschaltung
Normalerweise sind Störungen ihrer Natur gemäß unbekannt. Liegt jedoch eine Messung oder Schätzung der Störung vor, so kann diese durch Aufschaltung im Regelkreis verwendet werden, um die Störunterdrückung zu verbessern.
Ein Beispiel für messbare Störungen ist die Außentemperatur in Raumtemperatur-Regelungen. Sie wird in Heizungen zur Anpassung der Vorlauftemperatur eingesetzt.
Eine Möglichkeit zur Schätzung von Störungen ist der Einsatz eines Störgrößenbeobachters.
[Bearbeiten] Vorsteuerung
- Der Hauptteil des Stellsignals bei einem Sollwertwechsel wird mit einem inversen Modell der Regelstrecke aus dem Führungssignal erzeugt, also von einer Steuerung. Entspricht die Regelstrecke ideal dem Modell, so ist kein weiterer Eingriff des Reglers erforderlich. Dieser korrigiert also nur Abweichungen infolge Modellunsicherheiten und Störungen.
- Die Eigenschaft der Flachheit (Systemtheorie) ist besonders vorteilhaft zur Bestimmung des inversen Modells geeignet, und insbesondere auch für nichtlineare Systeme anwendbar.
[Bearbeiten] Simulation
Eine Vielzahl kommerzieller und freier Software erleichtert die Arbeit mit technischen Systemen und Regelkreisen. Mit Hilfe bestimmter Anwendungen lassen sich Regelkreise auf dem Computer modellieren.
Das Verhalten der technischen Systeme kann über die Ausgabe von x-t-Diagrammen, Übertragungsfunktionen, Frequenzgängen, Ortskurven und Wurzelortskurven graphisch dargestellt werden.
Die erstellten Modelle können auf Wunsch mit geeigneter Ausstattung kompiliert und auf eine Elektronik übertragen werden.
[Bearbeiten] Beispiele
- Siehe auch: Regelungstechnik#Anwendungen und Beispiele
Regelkreise werden in zahlreichen Bereich der Technik zielgerichtet eingesetzt, beispielsweise in Maschinenbau, Elektrotechnik und Verfahrenstechnik. Darüber hinaus sind Regelkreise Bestandteile von Lebewesen (siehe auch: Biokybernetik). Eine umfassendere Betrachtung von Beispielen ist in Regelungstechnik#Anwendungen und Beispiele zu finden.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Portal:Steuerungs- und Regelungstechnik
- Regelung (Begriffsabgrenzung)
- Regelungstechnik
- Kaskadenregelung
- Zustandsregelung
- Kybernetik
- Systemtheorie
- Selbstregulation