Komplexe Zahl
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Die komplexen Zahlen erweitern den Zahlenbereich der reellen Zahlen derart, dass auch Wurzeln negativer Zahlen berechnet werden können.
Dies gelingt durch Einführung einer neuen Zahl i als Lösung der Gleichung i2 = − 1. Diese Zahl i wird auch als imaginäre Einheit bezeichnet. In der Elektrotechnik wird als Symbol statt i ein j benutzt, um eine Verwechslung mit der Stromstärke zu vermeiden.
Der Ursprung der Theorie der imaginären Zahlen, das heißt aller Zahlen, deren Quadrat eine negative reelle Zahl ist, geht auf die italienischen Mathematiker Gerolamo Cardano und Raffaele Bombelli bis ins 16. Jahrhundert zurück. Die Einführung der imaginären Einheit i als neue Zahl wird Leonhard Euler zugeschrieben.
Komplexe Zahlen werden meist in der Form dargestellt, wobei a und b reelle Zahlen sind und i die imaginäre Einheit ist. Auf die so dargestellten komplexen Zahlen lassen sich die üblichen Rechenregeln für reelle Zahlen anwenden, wobei i2 stets durch -1 ersetzt werden kann und umgekehrt. Für die Menge der komplexen Zahlen wird das Symbol verwendet.
Der so konstruierte Zahlenbereich der komplexen Zahlen hat eine Reihe vorteilhafter Eigenschaften, die sich in vielen Bereichen der Natur- und Ingenieurwissenschaften als äußerst nützlich erwiesen haben. Einer der Gründe für diese positiven Eigenschaften ist die algebraische Abgeschlossenheit der komplexen Zahlen. Dies bedeutet, dass jede algebraische Gleichung über den komplexen Zahlen eine Lösung besitzt, was für reelle Zahlen nicht gilt. Diese Eigenschaft ist der Inhalt des Fundamentalsatzes der Algebra. Ein weiterer Grund ist ein Zusammenhang zwischen trigonometrischen Funktionen und der Exponentialfunktion, der über die komplexen Zahlen hergestellt werden kann. Ferner ist jede komplex differenzierbare Funktion unendlich oft differenzierbar, anders als in der Mathematik der reellen Zahlen. Die Eigenschaften von Funktionen mit komplexen Argumenten sind Gegenstand der Funktionentheorie, auch komplexe Analysis genannt.
[Bearbeiten] Definition
Als komplexe Zahlen bezeichnet man die Zahlen der Form (bzw. in verkürzter Notation oder auch ), wobei für die Addition
gilt und für die Multiplikation:
Die imaginäre Einheit i ist dabei eine nicht-reelle Zahl mit der Eigenschaft i2 = − 1; obige Formel für die Multiplikation ergibt sich damit durch einfaches Ausmultiplizieren und Neugruppieren.
Man nennt a den Realteil und b den Imaginärteil von und schreibt dafür und
Eine formale Präzisierung wäre beispielsweise die folgende: Die komplexen Zahlen sind ein Körper , der die reellen Zahlen als Teilkörper enthält, zusammen mit einem Element , das die Gleichung i2 = − 1 erfüllt, so dass sich jedes Element von auf eindeutige Weise in der Form mit schreiben lässt. Zwei Paare und können auf eindeutige Weise miteinander identifiziert werden.
[Bearbeiten] Notation
- Die Notation in der Form wird auch als kartesische oder algebraische Form bezeichnet. Die Bezeichnung kartesisch erklärt sich aus der Darstellung in der komplexen bzw. Gaußschen Zahlenebene (s. weiter unten).
- In der Elektrotechnik wird das kleine i schon für zeitlich veränderliche Ströme verwendet (siehe Wechselstrom) und kann zu Verwechselungen mit der imaginären Einheit i führen. Daher wird in diesem Bereich der Buchstabe j verwendet [z. B. Taschenbuch der Hochfrequenztechnik Bd.1..3; Meinke, Gundlach, 1992 ].
- In der Physik wird zwischen für Wechselstrom und für die imaginäre Einheit unterschieden. Dies führt durch die recht klare Trennung beim aufmerksamen Leser nicht zu Verwechslungen und wird in dieser Form weitgehend sowohl in der physikalisch-experimentellen als auch in der physikalisch-theoretischen Literatur angewendet. Siehe auch: komplexe Wechselstromrechnung
- Komplexe Zahlen werden häufig auch unterstrichen dargestellt, um sie von reellen Zahlen zu unterscheiden. (Manche Autoren benutzen dies jedoch auch, um (Vierer-)Vektoren zu kennzeichnen.)
[Bearbeiten] Rechnen in der algebraischen Form
Aus der Definition der Addition und Multiplikation lassen sich weitere Rechenregeln herleiten.
[Bearbeiten] Subtraktion
Analog zur Addition (siehe oben) funktioniert auch die Subtraktion
- .
[Bearbeiten] Division
Der Quotient zweier komplexer Zahlen und mit lässt sich berechnen, indem man den Bruch mit der zum Nenner konjugiert komplexen Zahl erweitert. Der Nenner wird dadurch reell:
[Bearbeiten] Rechenbeispiele
Addition:
Subtraktion:
Multiplikation:
Division:
[Bearbeiten] Weitere Eigenschaften
- Der Körper der komplexen Zahlen ist einerseits ein Oberkörper von , andererseits ein zweidimensionaler -Vektorraum.
- Die Körpererweiterung ist vom Grad ; genauer ist isomorph zum Quotientenkörper , wobei X2 + 1 das Minimalpolynom von i über ist. Ferner bildet bereits den algebraischen Abschluss von .
- Als -Vektorraum besitzt die Basis {1,i}. Daneben ist wie jeder Körper auch ein Vektorraum über sich selbst, also ein eindimensionaler -Vektorraum mit Basis {1}.
- i und − i sind genau die Lösungen der quadratischen Gleichung x2 + 1 = 0. In diesem Sinne kann i als „Wurzel aus − 1“ aufgefasst werden.
- ist im Gegensatz zu kein geordneter Körper, d. h. es gibt keine mit der Körperstruktur verträgliche Ordnungsrelation „<“ auf . Von zwei unterschiedlichen komplexen Zahlen kann man daher nicht sagen, welche von beiden die größere bzw. die kleinere Zahl ist.
[Bearbeiten] Komplexe Zahlenebene
Während sich die Menge der reellen Zahlen durch Punkte auf einer Zahlengeraden veranschaulichen lässt, kann man die Menge der komplexen Zahlen als Punkte in einer Ebene (komplexe Ebene, Gaußsche Zahlenebene) darstellen. Dies entspricht der "doppelten Natur" von als zweidimensionalem reellem Vektorraum. Die Teilmenge der reellen Zahlen bildet darin die waagerechte Achse, die Teilmenge der rein imaginären Zahlen (d. h. mit Realteil 0) bildet die senkrechte Achse. Eine komplexe Zahl besitzt dann die horizontale Koordinate a und die vertikale Koordinate b.
Gemäß Definition entspricht die Addition komplexer Zahlen der Vektoraddition. Die Multiplikation ist in der gaußschen Ebene eine Drehstreckung, was nach Einführung der Polarform weiter unten klarer werden wird. Besonders in der Physik wird die geometrisch anschauliche Ebene häufig als die komplexe Zahlenebene aufgefasst und der Notation der komplexen Zahlen der Vorzug vor der Vektordarstellung gegeben.
[Bearbeiten] Polarform
Verwendet man anstelle der kartesischen Koordinaten a und b die Polarkoordinaten r und , so kann die komplexe Zahl auch in der Form
dargestellt werden, da und ist.
- Die Darstellung einer komplexen Zahl durch Angabe ihrer Polarkoordinaten heißt Polarform.
- Die Darstellung mit Hilfe der komplexen e-Funktion heißt Exponentialform.
- Die Darstellung heißt trigonometrische Form.
Vermöge der Eulerschen Identität sind Exponentialform und trigonometrische Form bedeutungsgleich und stellen alternative Schreibweisen für die Polarform dar. Des weiteren gibt es für die Polarform auch die alternativen Schreibweisen
die einer vereinfachten Schreibung dienen. Statt Form werden auch die Bezeichnungen Darstellung oder Darstellungsform verwendet.
In der komplexen Zahlenebene entspricht dabei r der euklidischen Vektorlänge (d. h. dem Abstand zum Ursprung 0) und dem mit der reellen Achse eingeschlossenen Winkel der Zahl z.
Üblicherweise wird r der Betrag oder Modul von z (Schreibweise r = | z | ) genannt, wird ein Argument (oder auch Winkel oder Phase) von z (Schreibweise ) genannt. Da und derselben Zahl zugeordnet werden können, ist die Polardarstellung zunächst nicht eindeutig. Deshalb schränkt man meist auf das Intervall ( − π;π] ein, also , und spricht dann von dem Argument oder Hauptwert von ; der Zahl 0 ließe sich jedes beliebige Argument zuordnen. Zum Zwecke einer eindeutigen Darstellung kann dieses beispielsweise auf 0 festgelegt werden.
Das Argument ist auch der Imaginärteil des komplexen natürlichen Logarithmus
Mit der Wahl eines auf ganz definierten Zweiges des Logarithmus ist also auch eine Argumentfunktion bestimmt (und umgekehrt).
Alle Werte bilden den Einheitskreis der komplexen Zahlen mit dem Betrag 1.
[Bearbeiten] Komplexe Konjugation
Dreht man das Vorzeichen des Imaginärteils b einer komplexen Zahl um, so erhält man die zu z konjugiert komplexe Zahl (manchmal auch z * geschrieben).
Die Konjugation ist ein Körperautomorphismus (involutorischer Automorphismus), da sie mit Addition und Multiplikation verträglich ist, d. h. für alle gilt
- .
In der Polardarstellung hat die konjugiert komplexe Zahl bei unverändertem Betrag gerade den negativen Winkel von z. Man kann die Konjugation in der komplexen Zahlenebene also als die Spiegelung an der reellen Achse identifizieren. Insbesondere werden unter der Konjugation genau die reellen Zahlen auf sich selbst abgebildet.
Das Produkt aus einer komplexen Zahl z = a + bi und ihrer komplex Konjugierten ergibt das Quadrat ihres Betrages:
Die Summe aus einer komplexen Zahl z = a + bi und ihrer komplex Konjugierten ergibt das Doppelte ihres Realteils:
Die Differenz aus einer komplexen Zahl z = a + bi und ihrer komplex Konjugierten ergibt das 2i-fache ihres Imaginärteils:
[Bearbeiten] Umrechnungsformeln
[Bearbeiten] Von der algebraischen Form in die Polarform
Für z = a + bi in algebraischer Form ist
Für z = 0 kann das Argument mit 0 definiert werden.
Für kann das Argument mit Hilfe des Arkustangens wie folgt im Intervall [ − π;π] bestimmt werden:
Die Berechnungsvariante über den Arcustangens benötigt relativ umständliche Fallunterscheidungen, da der Sonderfall a = 0 gesondert behandelt werden muss und da der Tangens denselben Wert zweimal im Intervall [0,2π] annimmt. Die neueren Programmiersprachen stellen aber meist eine Variante der Arkustangensfunktion zur Verfügung, die den Wert je nach Vorzeichen von a und b dem passenden Quadranten zuordnet (häufig mit dem Namen atan2 bezeichnet).
Mit Hilfe des Arkuskosinus kommt man mit nur drei Fallunterscheidungen aus:
[Bearbeiten] Berechnung des Winkels im Intervall [0, 2π)
Die Berechnung des Winkels φ' im Intervall [0, 2π) kann im Prinzip so durchgeführt werden, dass der Winkel zunächst wie vorstehend beschrieben im Intervall (−π, π] berechnet wird und dann um 2π vergrößert wird, falls er negativ ist:
(siehe Polarkoordinaten)
[Bearbeiten] Von der Polarform in die algebraische Form
Wie weiter oben stellt a den Realteil und b den Imaginärteil jener komplexen Zahl dar.
[Bearbeiten] Multiplikation und Division in der Polarform
Bei der Multiplikation in der Polarform werden die Beträge multipliziert und die Phasen addiert. Bei der Division wird der Betrag des Dividenden durch den Betrag des Divisors geteilt und die Phase des Divisors von der Phase des Dividenden subtrahiert:
[Bearbeiten] Trigonometrische Form
[Bearbeiten] Exponentialform
[Bearbeiten] Wurzeln
Hauptartikel: Wurzel (Mathematik)#Wurzeln aus komplexen Zahlen
Beim Rechnen mit Wurzeln ist größte Vorsicht angebracht, da die bekannten Rechenregeln für nichtnegative reelle Zahlen hier nicht gelten. Egal, welchen der beiden möglichen Werte i oder − i man für festlegt, erhält man z. B.
[Bearbeiten] Pragmatische Rechenregeln
Am einfachsten lassen sich die Berechnungen folgendermaßen durchführen:
- Addition und Subtraktion komplexer Zahlen werden (in der algebraischen Form) komponentenweise durchgeführt.
- Die Multiplikation komplexer Zahlen kann je nach Vorgabe vorteilhaft in algebraischer Form oder in Exponentialform (Multiplikation der Beträge und Addition der Argumente (Winkel)) durchgeführt werden.
- Bei der Division komplexer Zahlen werden in Exponentialform ihre Beträge dividiert und ihre Argumente (Winkel) subtrahiert, oder in algebraischer Form mit dem konjugierten multipliziert und durch dessen Betragsquadrat dividiert.
- Beim Potenzieren einer komplexen Zahl mit einem reellen Exponenten wird ihr Betrag potenziert und ihr Argument (Winkel) mit dem Exponenten multipliziert; die Benutzung der algebraischen Form (mit Newton's Binomialsatz) ist bis auf Ausnahmen insbesondere für höhere Potenzen meist umständlicher.
- Beim Radizieren (Wurzelziehen) einer komplexen Zahl mit einem reellen Exponenten wird ihr Betrag radiziert und ihr Argument (Winkel) durch den Exponenten dividiert. Hierdurch entsteht die erste Lösung. Bei einer n-ten Wurzel entstehen n Lösungen, die im Winkel von 2π / n um den Ursprung der Gauß'schen Ebene verteilt sind. Siehe Wurzel (Mathematik). Eine Quadratwurzel kann auch recht einfach in kartesischer Form berechnet werden.
[Bearbeiten] Konstruktion der komplexen Zahlen
Damit die obige axiomatische Definition einen Sinn hat, muss nachgewiesen werden, dass es überhaupt einen Körper mit den benötigten Eigenschaften gibt. Dies leisten die folgende Konstruktionen.
[Bearbeiten] Paare reeller Zahlen
Die Konstruktion nimmt zunächst keinerlei Bezug auf die imaginäre Einheit i: Im 2-dimensionalen reellen Vektorraum der geordneten reellen Zahlenpaare z = (a,b) wird neben der Addition
(das ist die gewöhnliche Vektoraddition) eine Multiplikation durch
definiert.
Nach dieser Festlegung schreibt man , und wird zu einem Körper, dem Körper der komplexen Zahlen.
[Bearbeiten] Erste Eigenschaften
- Die Abbildung ist eine Körpereinbettung von in , vermöge derer wir die reelle Zahl a mit der komplexen Zahl (a,0) identifizieren.
Bezüglich der Addition ist:
- die Zahl 0 = (0,0) das Nullelement in und
- die Zahl − z = ( − a, − b) das inverse Element in .
Bezüglich der Multiplikation ist:
- die Zahl 1 = (1,0) das neutrale Element (das Einselement) von und
- das Inverse (Reziproke) zu ist .
[Bearbeiten] Bezug zur Darstellung in der Form a + bi
Durch i = (0,1) wird die imaginäre Einheit i festgelegt; für diese gilt i2 = − 1.
Jede komplexe Zahl besitzt die eindeutige Darstellung der Form
mit ; dies ist die übliche Schreibweise für die komplexen Zahlen.
[Bearbeiten] Polynome: Adjunktion
Eine weitere Konstruktion der komplexen Zahlen ist der Faktorring
des Polynomringes in einer Unbestimmten über den reellen Zahlen. Die Zahl i entspricht dabei dem Bild der Unbestimmten X, die reellen Zahlen werden mit den konstanten Polynomen identifiziert.
Dieses Konstruktionsprinzip ist auch in anderem Kontext anwendbar, man spricht von Adjunktion.
[Bearbeiten] Matrizen
Die Menge der -Matrizen der Form
- mit
bildet ebenfalls ein Modell der komplexen Zahlen: Reelle Zahlen entsprechen Diagonalmatrizen
die Zahl i ist die Matrix
Die zu diesen Matrizen gehörenden linearen Abbildungen sind, sofern a und b nicht beide null sind, Drehstreckungen im Raum . Es handelt sich genau um dieselben Drehstreckungen wie bei der Interpretation der Multiplikation mit einer komplexen Zahl a + bi in der gaußschen Zahlenebene.
[Bearbeiten] Geschichtliches
Die Unmöglichkeit der oben angegebenen Lösung ist bei der Behandlung der quadratischen Gleichung schon sehr früh bemerkt und hervorgehoben worden, z. B. schon in der um 820 n. Chr. verfassten Algebra des Muhammed ibn Mûsâ Alchwârizmî. Aber bei dem nächstliegenden und unanfechtbaren Schluss, dass diese Art von Gleichung nicht lösbar ist, blieb man nicht stehen.
In gewissem Sinne ist bereits der Italiener Gerolamo Cardano (1501–1576) in seinem 1545 erschienenen Buch Artis magnae sive de regulis algebraicis liber unus darüber hinausgegangen. Er behandelt dort die Aufgabe, zwei Zahlen zu finden, deren Produkt 40 und deren Summe 10 ist. Er hebt hervor, dass die dafür anzusetzende Gleichung:
- x(10 − x) = 40 oder x2 − 10x + 40 = 0
keine Lösung hat, fügt aber einige Bemerkungen hinzu, indem er in die allgemeine Lösung der quadratischen Gleichung
für p und q die Werte (−10) und 40 einsetzt. Wenn es also möglich wäre dem sich ergebenden Ausdruck
- oder
einen Sinn zu geben, und zwar so, dass man mit diesem Zeichen nach denselben Regeln rechnen dürfte, wie mit einer reellen Zahl, so würden die Ausdrücke
- oder
in der Tat eine Lösung darstellen.
Für die Quadratwurzel aus negativen Zahlen und allgemeiner für alle aus einer beliebigen reellen Zahl α und einer beliebigen reellen Zahl β zusammengesetzten Zahl
- oder
hat sich seit der Mitte des 17. Jahrhunderts die Bezeichnung imaginäre Zahl eingebürgert.
Im Gegensatz dazu wurden als gewöhnliche Zahl die reellen Zahlen bezeichnet. Eine solche Gegenüberstellung der zwei Begriffe findet sich in der 1637 erschienenen Geómetrie von Descartes und taucht dort wohl zum ersten Mal auf.
Heute bezeichnet man nur noch den Ausdruck, der durch die Wurzel aus einer negativen Zahl gebildet wird, als imaginäre Zahl und die von beiden Arten von Zahlen gebildete Menge von Zahlen als komplexe Zahlen. Man kann daher sagen, dass Cardano zum erstem mal im heutigen Sinne mit komplexen Zahlen gerechnet hat und damit eine Reihe von Betrachtungen angestellt hat.
Da das Rechnen mit diesen als „sinnlos“ angesehenen Zahlen zunächst als bloßes Spiel erschien, war man umso überraschter, dass dieses „Spiel“ sehr häufig wertvolle Ergebnisse lieferte oder schon bekannten Ergebnissen eine befriedigendere Form zu geben erlaubte. So kam Leonhard Euler zum Beispiel in seiner Introductio in analysin infinitorum zu einigen bemerkenswerten Gleichungen, die nur reelle Zahlen enthielten und sich ausnahmslos als richtig erwiesen, die aber auf anderem Wege nicht so einfach gewonnen werden konnten.
So kam es, dass man diese Zahlen nicht als widersinnig verwarf, sondern sich immer mehr mit ihnen beschäftigte. Trotzdem umgab dieses Gebiet der Mathematik noch immer etwas Geheimnisvolles, Rätselhaftes und Unbefriedigendes. Erst durch die Abhandlung Essai sur la répresentation analytique de la direction aus dem Jahre 1797 des norwegisch-dänischen Landmessers Caspar Wessels (1745–1818) wurde die Aufklärung über diese Zahlen angebahnt. Diese Arbeit, die er bei der dänischen Akademie einreichte, fand anfangs keine Beachtung. Ähnlich erging es Arbeiten anderer Mathematiker, sodass diese Betrachtungen noch mehrfach angestellt werden mussten.
Als Erster definierte Augustin Louis Cauchy 1821 in seinem Lehrbuch Cours d'analyse eine Funktion komplexer Variablen in die komplexe Zahlenebene und bewies viele grundlegende Sätze der Funktionentheorie.
Allgemeine Beachtungen fanden sie erst dann, als auch Carl Friedrich Gauß im Jahre 1831 in einem Artikel in den Göttingschen gelehrten Anzeigen dieselben Auffassungen entwickelte, offensichtlich ohne Wissen von irgendwelchen Vorgängern.
Heute machen diese Dinge keinerlei begriffliche oder tatsächliche Schwierigkeiten. Durch die Einfachheit der Definition, der bereits erläuterten Bedeutung und Anwendungen in vielen Wissenschaftsgebieten stehen die komplexen Zahlen den reellen Zahlen in nichts nach. Der Begriff der "imaginären" Zahlen, im Sinne von eingebildeten bzw. unwirklichen Zahlen, hat sich also im Laufe der Jahrhunderte als schiefe Auffassung erwiesen.
[Bearbeiten] Anwendung
[Bearbeiten] Die komplexen Zahlen in der Physik
Komplexe Zahlen spielen in der Grundlagenphysik eine zentrale Rolle. Sie finden dort Verwendung bei der Definition von Differentialoperatoren in der Schrödinger-Gleichung und der Klein-Gordon-Gleichung. Für die Dirac-Gleichung benötigt man eine Zahlbereichserweiterung der komplexen Zahlen, die Quaternionen. Alternativ ist eine Formulierung mit Pauli-Matrizen möglich, die aber die gleiche algebraische Struktur wie die Quaternionen aufweisen.
[Bearbeiten] Komplexe Zahlen in der angewandten Mathematik
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Komplexe Zahlen haben in der Physik und Technik eine wichtige Rolle als Rechenhilfe. So lässt sich insbesondere die Behandlung von Differentialgleichungen zu Schwingungsvorgängen vereinfachen, da sich damit die komplizierten Beziehungen in Zusammenhang mit Produkten von Sinus- bzw. Kosinusfunktionen durch Produkte von Exponentialfunktionen ersetzen lassen, wobei lediglich die Exponenten addiert werden müssen. So fügt man dazu beispielsweise in der komplexen Wechselstromrechnung willkürliche aber passende Imaginärteile in die reellen Ausgangsgleichungen ein, die man bei der Auswertung der Rechenergebnisse dann wieder ignoriert. Es handelt sich dabei lediglich um einen Rechentrick ohne philosophischen Hintergrund.
In der Fluiddynamik werden komplexe Zahlen eingesetzt, um ebene Potentialströmungen zu erklären und zu verstehen. Jede beliebige komplexe Funktion eines komplexen Arguments stellt immer eine ebene Potenzialströmung dar – der geometrische Ort entspricht dem komplexen Argument in der gaußschen Zahlenebene, das Strömungspotenzial dem Realteil der Funktion, und die Stromlinien den Isolinien des Imaginärteils der Funktion mit umgekehrtem Vorzeichen. Das Vektorfeld der Strömungsgeschwindigkeit entspricht der konjugiert komplexen ersten Ableitung der Funktion. Durch das Experimentieren mit verschiedenen Überlagerungen von Parallelströmung, Quellen, Senken, Dipolen und Wirbeln kann man die Umströmung unterschiedlicher Konturen darstellen. Verzerren lassen sich diese Strömungsbilder durch konforme Abbildung – das komplexe Argument wird durch eine Funktion des komplexen Arguments ersetzt. Beispielsweise lässt sich die Umströmung eines Kreiszylinders (Parallelströmung + Dipol + Wirbel) in die Umströmung eines tragflügel-ähnlichen Profils (Schukowski-Profil) verzerren und die Rolle des tragenden Wirbels an einer Flugzeug-Tragfläche studieren. So nützlich diese Methode zum Lernen und Verstehen ist, zur genauen Berechnung reicht sie im allgemeinen nicht aus.
Wichtig ist auch die Anwendung komplexer Zahlen bei der Berechnung uneigentlicher reeller Integrale im Rahmen des Residuensatzes der Funktionentheorie.
[Bearbeiten] Komplexe Zahlen in der reinen Mathematik
Die komplexen Zahlen sind der algebraische Abschluss des Körpers der reellen Zahlen. Deshalb treten sie beispielsweise als Eigenwerte reeller Matrizen auf. Sie ermöglichen auch eine Verbindung zwischen trigonometrischen Funktionen und der Exponentialfunktion, die bei Fouriertransformation und Fourierreihen ausgenutzt wird.
Das Studium differenzierbarer Funktionen auf Teilmengen der komplexen Zahlen ist Gegenstand der Funktionentheorie. Sie ist in vieler Hinsicht starrer als die reelle Analysis und lässt weniger Pathologien zu, Beispiele sind die Aussage, dass jede in einem Gebiet differenzierbare Funktion bereits beliebig oft differenzierbar ist, oder der Identitätssatz für holomorphe Funktionen.
Die Funktionentheorie ermöglicht oft auch Rückschlüsse auf rein reelle Aussagen, beispielsweise lassen sich manche Integrale mit dem Residuensatz berechnen. Ein wichtiges Einsatzgebiet dieser Methoden ist die analytische Zahlentheorie, die Aussagen über ganze Zahlen auf Aussagen über komplexe Funktionen zurückführt, häufig in der Form von Dirichletreihen. Ein prominentes Beispiel ist die Verbindung zwischen Primzahlsatz und riemannscher ζ-Funktion, die bei der riemannschen Vermutung eine zentrale Rolle spielt.
Die oben erwähnte Starrheit holomorpher Funktionen tritt noch stärker bei globalen Fragen in Erscheinung, d. h. beim Studium komplexer Mannigfaltigkeiten. So gibt es auf einer kompakten komplexen Mannigfaltigkeit keine nichtkonstanten globalen holomorphen Funktionen; Aussagen wie der Einbettungssatz von Whitney sind im Komplexen also falsch. Diese so genannte analytische Geometrie ist auch eng mit der algebraischen Geometrie verknüpft, viele Ergebnisse lassen sich übertragen. Die komplexen Zahlen sind auch in einem geeigneten Sinne ausreichend groß, um die Komplexität algebraischer Varietäten über beliebigen Körpern der Charakteristik 0 zu erfassen (Lefschetz-Prinzip).
[Bearbeiten] Verwandte Themen
[Bearbeiten] Weblinks
- Wikibooks: Komplexe Zahlen
- Geschichte der komplexen Zahlen
- Eine Facharbeit, die eine Einführung in die komplexen Zahlen gibt
- Rechnen mit komplexen Zahlen
- Java-Applet zur geometrischen Deutung
- Java-Klasse, zur Berechnung komplexer Zahlen
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p-adische Zahlen