Robert Hübner
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Robert Hübner (* 6. November 1948 in Köln) ist ein deutscher Schachgroßmeister.
Der 1976 an der Universität Köln promovierte Papyrologe gilt als bester deutscher Schachspieler seit Emanuel Lasker. Seine beste historische Elo-Zahl betrug 2732 (April 1973), im Dezember 1974 lag er auf Platz 6 der Weltrangliste. Derzeit belegt er mit einer Elo-Zahl von 2608 (Stand: 1. Januar 2007) Platz 127 der FIDE-Rangliste und Platz 4 der deutschen Rangliste.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Jugend
Hübner lernte als 5-Jähriger das Schachspielen von seinem Vater. 1957 wurde er Mitglied im Eisenbahnschachverein Turm Köln. Mit seinem Verein spielte er 1961 in Minden um die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft und erzielte am 8. Brett 5 aus 7. 1963 wurde er in Bad Schwalbach Deutscher Jugendmeister. Ein Jahr später belegte er in Groningen in einem internationalen Jugendturnier mit Hans Ree den geteilten 1. Platz. Bei der Jugendweltmeisterschaft in Barcelona 1965 erreichte er Rang 5 bis 7. Bei der nächsten Jugendweltmeisterschaft 1967 in Jerusalem wurde er hinter Kaplan, Keene und Timman Vierter.
Betreut wurde Hübner von Paul Tröger.
[Bearbeiten] Internationale Laufbahn
Danach belegte er bei der Deutschen Meisterschaft in Kiel 1967 zusammen mit Besser den geteilten ersten Platz. 1968 gewann er das internationale Turnier in Büsum. 1969 wurde er Internationaler Meister. Beim Zonenturnier in Athen qualifizierte er sich mit dem 2. bis 3. Platz für das Interzonenturnier.
[Bearbeiten] Interzonenturnier Palma und erster Anlauf zur Weltmeisterschaft
Seinen internationalen Durchbruch schaffte er bei diesem Interzonenturnier 1970 in Palma de Mallorca, bei dem er hinter dem späteren Weltmeister Bobby Fischer (die Partie zwischen den beiden endete remis) den geteilten 2. Platz erreichte und sich für die Kandidatenkämpfe qualifizierte. Gleichzeitig erfüllte er die Großmeisternorm und wurde zum jüngsten deutschen Großmeister.
Im Kandidatenturnier unterlag er allerdings in Sevilla dem Ex-Weltmeister Tigran Petrosjan bereits im Viertelfinale. In diesem Wettkampf war Hübner benachteiligt, weil im Turniersaal großer Lärm herrschte. Petrosjan war schwerhörig, stellte sein Hörgerät ab und hatte keinerlei Störung, aber Hübner konnte sich nicht konzentrieren und brach nach der 7. Partie den Wettkampf ab.
[Bearbeiten] Weitere Turniere (1972 - 1979)
1972 spielte er in der deutschen Nationalmannschaft bei der Schacholympiade in Skopje. Hier erzielte er an Brett 1 das beste Ergebnis aller Spitzenbretter (+12,-0,=6) und schlug auch Petrosjan.
1973 konnte er sich beim Interzonenturnier in Leningrad als Fünfter nicht für das Kandidatenturnier qualifizieren. Ein Wettkampf mit Kortschnoi in Solingen ging mit 3,5:4,5 verloren. 1974 und 1975 wurde er mit der Solinger SG 1868 Deutscher Mannschaftsmeister.
Beim Interzonenturnier in Biel 1976 lag Hübner lange Zeit in Führung. In der vorletzten Runde verlor er seine Partie gegen Petrosjan, nachdem er eine klare Gewinnmöglichkeit (Matt in vier Zügen) ausgelassen hatte. Platz 5 bis 7 reichte nicht zur Qualifikation.
1979 belegte er beim Großmeisterturnier in München den geteilten 1. bis 4. Platz.
[Bearbeiten] Interzonenturnier Rio und zweiter Anlauf zur Weltmeisterschaft
Danach nahm er einen zweiten Anlauf für die Weltmeisterschaft. Beim Interzonenturnier in Rio de Janeiro qualifizierte er sich mit Rang 1 bis 3 (neben Portisch und Petrosjan) für das Kandidatenturnier. Hier besiegte er 1980 in Bad Lauterberg zunächst den Ungarn Adorjan mit 5,5:4,5 (+2,-1,=7) und danach im Halbfinale in Abano Terme (Italien) Portisch mit 6,5:4,5 (+2,-0,=9). Nach diesem Sieg stand Hübner auf Platz 3 der Weltrangliste (hinter Karpov und Kortschnoi).
Das auf 16 Partien angesetzte Kandidatenfinale gegen Kortschnoi, 1980 in Meran, brach Hübner nach zehn Partien ab. Nach sechs Partien führte er nach Siegen mit 2:1, übersah aber in der siebten in einem ausgeglichenen Endspiel eine Springergabel und verlor einen ganzen Turm. Hübner unterlag auch in der achten Partie, die beiden letzten Partien (Hängepartien) blieben unbeendet und wurden nach Hübners Abbruch für Kortschnoi gewertet.
1982 gewann Hübner überlegen ein doppelrundiges Turnier mit sechs Teilnehmern in Chicago: 2,5 Punkte vor Walter Browne und drei Punkte vor Kortschnoi.
[Bearbeiten] Dritter Anlauf zur Weltmeisterschaft
1983 erreichte Hübner zum dritten mal das Kandidatenturnier. Im Viertelfinale traf er in Velden am Wörther See auf den ehemaligen Weltmeister Wassili Smyslow. Nach 10 Partien stand es 5:5 unentschieden (+1,-1,=8). In der Verlängerung endeten alle 4 Partien remis. Danach wurde der Wettkampf durch das Los (mittels einer Roulettekugel) entschieden. Hier hatte Hübner Pech und schied aus.
[Bearbeiten] Vierter Anlauf zur Weltmeisterschaft
1990 qualifizierte sich Hübner beim Interzonenturnier in Manila (7. Platz, 8 Punkte aus 13) nochmals für das Kandidatenturnier. Bei der Olympiade 1990 in Novi Sad erzielte er an Brett 1 ein Ergebnis von 7 aus 10; Aufsehen erregte sein Gewinn gegen Iwantschuk.
Im Januar 1991 scheiterte er in Sarajevo im Achtelfinale des Kandidatenturnieres an Jan Timman mit 2,5:4,5.
[Bearbeiten] Weitere Turniere (nach 1991)
Hübner begleitete den Briten Nigel Short als Sekundant sowohl zu seinen Kandidatenkämpfen als auch zu seinem Weltmeisterschaftskampf gegen Garri Kasparow 1993 in London. Im Interzonenturnier Biel 1993 konnte er sich nicht mehr für das Kandidatenturnier qualifizieren. 1999 wurde der vielfache Nationalspieler nochmals Deutscher Meister. Bei der Schacholympiade im folgenden Jahr in Istanbul spielte er wiederum überragend und hatte am Gewinn der Silbermedaille der deutschen Mannschaft großen Anteil. 2001 spielte er in Dortmund einen Wettkampf gegen das Computerprogramm Fritz, bei dem alle sechs Partien remis endeten.
[Bearbeiten] Autor
Hübner gilt als einer der besten und gründlichsten Schachanalytiker. Seine Analysen erinnern an wissenschaftliche Arbeiten: Er zitiert mit exakten Quellenangaben, im Gegensatz zu manch anderen Autoren, die auch einmal abschreiben und die Gedanken anderer als eigene Ideen darstellen.
Sein 1996 erschienenes Buch Twenty-five annotated games (ISBN 3-924833-22-2) umfasst stattliche 416 Seiten. Er veröffentlichte zuvor, 1990, ein Buch mit dem Titel Fünfundfünzig feiste Fehler (ISBN 3-925355-65-0) mit Beispielen aus seiner eigenen Spielpraxis. Sein jüngstes Werk trägt den Titel Materialien zu Fischers Partien, Schachzentrale Rattmann Ludwigshafen 2004. (ISBN 3-88086-181-1) In diesem Buch setzte er sich mit Fischers Werk Meine 60 denkwürdigen Partien auseinander.
Seine regelmäßigen Kolumnen im ChessBase Magazine sind oft in Form eines sokratischen Dialoges abgefasst.
[Bearbeiten] Urheberrecht
In den 1990er Jahren setzte sich Hübner mit dem Urheberrecht an Schachpartien auseinander. Er vertrat die Auffassung, dass jeder Spieler ein Recht an seiner Partie besitze, welche eine eigene geistige Schöpfung sei, und eine Partie daher nicht ohne das Einverständnis des Spielers veröffentlicht werden durfte. Mit dieser Ansicht stand er zwar nicht alleine, konnte sich aber nicht durchsetzen.
Um das Problem zu klären schuf Hübner einen Präzedenzfall: Nach der Bundesligapartie Kuczynski - Hübner (28. Februar 1993) weigerte sich Hübner, seine Partienotation an den Wettkampfleiter zu übergeben. Daraufhin wurde diese Partie, die "am Brett" mit remis endete, für Hübner als verloren gewertet. Schließlich entschied das Bundesturniergericht am 21. Mai 1993, dass Hübner unmittelbar nach jeder Partie eine lesbare Partiemitschrift dem Schiedsrichter auszuhändigen habe, die umstrittene Partie wurde remis gegeben.
1994 erstellten Wolfgang Unzicker (Rechtsberater des Deutschen Schachbundes) und Ernst Bedau (Rechtsanwalt) ein Gutachten, wonach an Schachpartien kein Urheberrecht besteht. Begründung: Wenn an einem Werk zwei (oder mehrere) Personen mit gemeinsamer Zielrichtung arbeiten, dann hat jeder ein Miturheberrecht. Bei einer Schachpartie ist aber eine gemeinsame Zielrichtung nicht gegeben, da jeder selbst auf Sieg spielt und die Bemühungen des Gegners zu stören versucht. Deshalb haben die Spieler kein Miturheberrecht an einer Schachpartie.
Im April 1994 beantragte Hübner beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages, dass dieser Schachpartien urheberrechtlich schütze. Der Antrag wurde in der Bundestagssitzung vom 31. März 1995 abgelehnt.
[Bearbeiten] Auszeichnungen
1990 wählten die Leser des Schach-Kalenders Robert Hübner zum deutschen Spieler des Jahres.
[Bearbeiten] Chinesisches Schach
Hübner ist auch einer der stärksten deutschen Xiangqi-Spieler. Er nahm 1993 an der Weltmeisterschaft in Peking teil.
[Bearbeiten] Familie und Privates
Hübners Bruder Wolfgang (* 17. Juni 1943) ist auch ein starker Schachspieler, trat aber lediglich auf nationaler Ebene in Erscheinung und reicht bei weitem nicht an die Spielstärke Roberts heran. Er war z.B. einst Meister des Kölner Schachverbandes.
Robert Hübner beherrscht mehrere Fremdsprachen und betätigt sich auch als Übersetzer. 1993 veröffentlichte er im Selbstverlag eine deutsche Ausgabe von Satiren des finnischen Autors Väinö Nuorteva. Ihm wird eine besondere Zuneigung zu Finnland nachgesagt.
Hübner gilt - im Gegensatz etwa zu Kasparow - als medienscheu.
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Robert Hübner im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- 45 entscheidende Positionen von seinen Spielen (engl.)
Personendaten | |
---|---|
NAME | Hübner, Robert |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Schachspieler |
GEBURTSDATUM | 6. November 1948 |
GEBURTSORT | Köln |