Rohkost
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Der Begriff Rohkost wird unterschiedlich verwendet. Er bezeichnet zum einen Lebensmittel, die ohne vorherige Hitzebehandlung wie kochen, braten oder backen verzehrt werden, zum anderen auch Nahrung, die völlig unverarbeitet im "Naturzustand" gegessen wird.
Nach der Definition der "Gießener Rohkoststudie" von 1997 ist Rohkost-Ernährung eine Ernährung, „die weitgehend oder ausschließlich unerhitzte pflanzliche (teilweise auch tierische) Lebensmittel enthält. Es werden Lebensmittel einbezogen, die verfahrensbedingt erhöhten Temperaturen ausgesetzt sind (z.B. kaltgeschleuderter Honig und kaltgepresste Öle), ebenso Lebensmittel, bei deren Herstellung eine gewisse Hitzezufuhr erforderlich ist (z.B. Trockenfrüchte, Trockenfleisch und -fisch sowie bestimmte Nussarten). Außerdem können kaltgeräucherte Erzeugnisse (z.B. Fleisch und Fisch) sowie essig- und milchsaures Gemüse Bestandteil der Rohkost-Ernährung sein.“ Über diese Definition besteht jedoch kein Konsens. Es gibt im deutschen Sprachraum mehrere Rohkost-Ernährungslehren, deren Vertreter jeweils eine eigene Definition haben.
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[Bearbeiten] Auswahl der Nahrungsmittel
Rohkost kann vegetarisch sein, jedoch auch tierische Produkte enthalten. Entscheidendes Kriterium ist die fehlende Hitzebehandlung.
Zur vegetarischen Rohkost zählen Obst und Früchte, Gemüse, Kräuter (meist als Gewürzmittel), Nüsse & Samen, eine Reihe von Pilzen. Bei der nicht-vegetarischen Rohkost werden auch tierische Produkte wie Fisch (Matjes, Bismarckhering), Fleisch (Tatar) oder Eier roh verzehrt.
Mit dem Salat hat sich Rohkost auch als fixe Beilage der Gemischtkost durchgesetzt und ist Bestandteil vieler Menüs.
[Bearbeiten] Philosophie
Rohkostanhänger sehen den Vorteil ungekochter Nahrung unter anderem darin, dass Enzyme, Spurenelemente und vor allem hitzeempfindliche Vitamine, die beim Kochen verringert werden, besser erhalten bleiben. Als weiteres Argument wird angeführt, dass auf diese Weise die sogenannte Verdauungsleukozytose, die als unnötige Belastung des Immunsystems betrachtet wird, vermieden werden kann.
Man kann davon ausgehen, dass vor der Nutzung des Feuers durch den Menschen überwiegend rohe Nahrung verzehrt wurde, was eine beträchtliche Zeitspanne innerhalb der Entwicklung der Menschheit abdeckt. Der menschliche Körper sei daher an die Verdauung roher Nahrung optimal angepasst. Auch ernähren sich alle Tierarten in der Natur von roher Kost.
Heute sind weltweit keine Kulturen oder Völker bekannt, die sich ausschließlich von rohen Speisen ernähren. Die Hunzukuc im Hindukusch und die Matyodi in Südostafrika (Simbabwe) werden zwar häufiger in diesem Zusammenhang genannt, doch scheinen die Berichte - zumindest über die Hunzukuc - auf Unkenntnis oder sogar auf bewusster Verfälschung zu beruhen.
Zahlreiche Ernährungswissenschaftler wie Joel Fuhrman, Gillian McKeith und Colin Campbell (Leiter der sog. China-Studie) empfehlen einen hohen Anteil roher, naturbelassener Lebensmittel. Sie sehen dies als Vorsorge gegen zahlreiche Zivilisationskrankheiten.
Verwiesen wird auch auf das hohe Lebensalter bekannter Rohköstler: Norman W. Walker (99), Max Otto Bruker (92), John Tilden (90), James Caleb Jackson (84), Linus Pauling (93), Ralph Bircher (90), Walter Sommer (99). Es gibt aber auch mindestens ebensoviele Gegenbeispiele: Maximilian Bircher-Benner (72), Emil Drebber (70), Gustav Schlickeysen (70), Otto Greither (63), Theodor Hahn (59). Nach den Erkenntnissen der Biogerontologie lässt sich die Lebenserwartung nicht allein durch die Ernährung beeinflussen.
Reine Rohköstler haben angeblich oft eine reinere Haut (weniger Pickel, weniger Falten) und weniger Allergien, sind nicht übergewichtig, nicht so anfällig gegen Erkältungskrankheiten und Grippe. Der Mensch hat sich nach Ansicht der Rohkostanhänger die meiste Zeit im Laufe seiner Evolution roh ernährt und führt seinem Körper erst seit relativ kurzer Zeit Kochkost zu. Die vielen daraus resultierenden Zivilisations- und ernährungsbedingten Krankheiten zeigten, dass sich der Körper an diese geänderte Kost noch nicht ausreichend anpassen konnte. Unsere artnächsten Verwandten (Menschenaffen) ernähren sich durchschnittlich zu 52% von Früchten und Beeren, zu 35% von Blättern, Wildpflanzen und Sprossen, zu 7% von Wurzeln, Samen, Rinden und Gallen, zu 5% von Blüten und zu 1% von Kleingetier und Insekten. (Quelle: Prof. Jane Godall: »The Chimpanzees of Gombe«, Harvard University Press, Cambridge, S. 233)
[Bearbeiten] Verschiedene Konzepte
Zu den bekanntesten Rohkost-Varianten im deutschen Sprachraum gehören:
- Urkost nach Franz Konz, vegan, betont neben der Früchterohkost wilde Kräuter und Wildgemüse (z.B. Löwenzahn, Ampfer, Brennnessel usw.).
- Sonnenkost nach Helmut Wandmaker, vegetarisch mit Betonung des Verzehrs von Früchten und Nahrungsergänzungsmitteln.
- Primal Diet (nach Aajonus Vonderplanitz), nicht-vegetarisch mit stark reduzierter Aufnahme von Kohlenhydraten und Betonung des Verzehrs von Fleisch, Fett, frisch gepressten Gemüsesäften, Rohmilch und Rohmilchprodukten.
- Instinctotherapie nach Guy-Claude Burger, vegetarisch oder nicht-vegetarisch möglich. Es wird – dem Instinkt folgend – alles gegessen, was im Naturzustand gut riecht und schmeckt. Die Nahrung wird nicht gemischt, alle ursprünglichen, nicht verarbeiteten Nahrungsmittel sind erlaubt.
- Fit for Life nach Harvey und Marilyn Diamond, größtenteils vegan, fast ausschließlich Rohkost. Als Getränke zulässig sind nur destilliertes Wasser und frisch gepresster Orangensaft.
- Lichtkost nach Fritz-Albert Popp, vegetarisch, mit dem Schwerpunkt auf Sprossen, rohem Gemüse, Getreide, Nüssen und Rohmilch.
[Bearbeiten] Die Gießener Rohkoststudie
Die Gießener Rohkoststudie wurde von 1996 bis 1998 vom Fachbereich Ernährungswissenschaft der Universität Gießen unter Leitung von Claus Leitzmann durchgeführt. Ihr Ziel war es, die verschiedenen Richtungen der Rohkost in Deutschland zu erfassen sowie das Ernährungsverhalten und den Gesundheitsstatus von Rohköstlern zu untersuchen. Die Studienteilnehmer waren zwischen 25 und 64 Jahre alt und ernährten sich zu mindestens 70 Prozent von Rohkost. Sie mussten Nichtraucher sein und sich seit mehr als 14 Monaten in dieser Weise ernähren. In der Hauptphase gab es noch über 700 Teilnehmer, vollständige Datensätze lagen zum Schluss von 201 Personen vor. 63 davon ernährten sich fast ausschließlich von Rohkost, 73 zu über 80 Prozent. 57 Personen waren Veganer, 88 Vegetarier, 56 so genannte omnivore Rohköstler, die auch (ungekochtes) Fleisch und Fisch verzehren. Die Nährstoffversorgung wurde durch Blutuntersuchungen ermittelt.
Wesentliche Ergebnisse der Studie: 57 Prozent der Studienteilnehmer hatten Untergewicht, nur ein Prozent Übergewicht. Innerhalb von vier Jahren hatten die Männer im Schnitt fast zehn Kilogramm Gewicht verloren, die Frauen etwa zwölf Kilo, und zwar unabhängig vom Ausgangsgewicht. Etwa ein Drittel der Frauen unter 45 Jahre hatte keine Menstruation mehr, litt also unter Amenorrhoe. Das ist ein Symptom von Unterernährung. Die Zufuhr der Vitamine A, C, E, B1, B6, Folsäure, Betacarotin, Selen und Antioxidantien war überoptimal, lag also über den empfohlenen Richtwerten. Bei Calcium, Zink, Iod, Vitamin D und Vitamin B12 wurde ein deutlicher Mangel festgestellt. Die Magnesiumzufuhr über die Nahrung war ausreichend, trotzdem lagen die Blutwerte unter den Richtwerten. Das zugeführte Magnesium wird bei Rohköstlern demnach nicht optimal vom Körper aufgenommen. Außerdem war die Zufuhr an Eisen nicht ausreichend, so dass 43 Prozent der Männer und 15 Prozent der Frauen an Anämie litten. Sie wurde um so häufiger festgestellt, je länger ein Studienteilnehmer bereits Rohköstler war.
Leitzmann leitete aus den Studienergebnissen den Schluss ab, dass eine fast ausschließliche Rohkosternährung aus gesundheitlichen Gründen nicht empfehlenswert ist. Bei Rohkostanhängern stieß die veröffentlichte Studie - nicht völlig unerwartet - auf heftige Kritik; die Gültigkeit der Ergebnisse wurde angezweifelt. Ein häufiger Einwand war, die Teilnehmer seien zum größten Teil keine "echten" Rohköstler, ein Teil nicht mal Vegetarier. Nach der Studie traten aber gerade bei den "reinen" Rohköstlern, die sich bereits jahrelang auf diese Weise ernährten, die häufigsten Mangelzustände auf.
[Bearbeiten] Kritik
- Einige Lebensmittel, wie zum Beispiel Reis, Kartoffeln, Hülsenfrüchte, einige Pilzarten werden durch Kochen leichter verdaulich oder überhaupt erst genießbar. Rohkost wird generell langsamer verdaut als gekochte Kost und bleibt daher länger im Magen. Blähungen können bei der Rohkost auftreten. Auch spielt die Kombination der Lebensmittel eine wichtige Rolle. Ungünstige Kombinationen können hier ebenfalls zu Blähungen führen.
- Durch Kochen werden möglicherweise in der Nahrung vorhandene Krankheitserreger wie Bakterien und Parasiten abgetötet und viele Nährstoffe leichter für den Organismus verfügbar gemacht.
- Rohkost kann zu Zahnschäden führen durch den hohen Säuregehalt von Früchten. Insbesondere Zitrusfrüchte oder saure Äpfel greifen den Zahnschmelz an. Aus diesem Grunde betont auch die Urkost einen hohen Gemüse- und Wildkräuteranteil.
- Ein kompletter Verzicht auf das Garen ist nicht nötig, da die in Rohkost enthaltenen Enzyme durch den Verdauungstrakt wie jedes andere Eiweiß aufgeschlossen und inaktiviert werden und daher in ihrer eigentlichen Enzymtätigkeit für den Körper ohnehin nicht nutzbar sind. Der Chemiker und Nobelpreisträger Artturi Virtanen entdeckte, dass pflanzliche Enzyme schon im Mund (beim Zerkauen) mit körpereigenen Enzymen interagieren.
- Weiterhin fällt bei einigen Rohkostlehren auf, dass diese eine Ideologie mit der Ernährung verbinden und behaupten, allein mit Rohkost Krankheiten heilen zu können. So nehmen reine Rohkostformen wie Urkost, Sonnenkost und Instincto für sich in Anspruch, viele Krankheiten heilen zu können, wenn man die Empfehlungen des Ernährungskonzeptes konsequent befolge, bzw. entstünden alle existierenden Krankheiten nur und ausschließlich durch falsche Ernährung. Dabei widersprechen sich die einzelnen Rohkostideologien in entscheidenden Punkten deutlich. Bei einigen Ideologien dürfen verdorbene Lebensmittel und rohes Fleisch verzehrt werden, wenn der postulierte Instinkt dies zulässt. Andere Rohkostideologien lehnen den Verzehr von Fleisch strikt und kategorisch ab. Andererseits erlauben manche Rohkostideologien den Genuss von Milch, Honig oder kalt verarbeiteten oder fermentierten Nahrungsmitteln wie Sauerkraut oder Stockfisch, wieder andere erlauben nur den Verzehr von wild gewachsenen Pflanzen aus der unmittelbaren Umgebung. Einige Ideologien erlauben nur den sortenreinen Verzehr von Nahrungsmitteln, Mischen ist nicht erlaubt, andere hingegen empfehlen Mischungen aus verschiedenen Nahrungsmitteln ausdrücklich. Teilweise wird auch der Verzehr von fremden und exotischen Früchten abgelehnt, andere Ideologien schreiben den Verzehr von exotischen Früchten jedoch vor, sodass Früchte wie Durian oder Cassia aus Asien eingeflogen werden müssen. Weitere Teile dieser Rohkostideologien beschäftigen sich mit Ethik und Moral.
- Ein gewisser Anteil roher Nahrungsmittel gehört zu einer gesunden Ernährung. Die reine Rohkosternährung kann zu Mangelerscheinungen führen, wenn keine bewusste und möglichst abwechslungsreiche Ernährung dem Körper zugeführt wird. Studien haben ergeben, dass die meisten Rohköstler kontinuierlich Gewicht verlieren und zwar auch dann noch, wenn sie bereits Normalgewicht erreicht haben, also nicht übergewichtig sind. Die meisten Ernährungsexperten halten die langzeitige strenge Anwendung der Rohkost für eine dauerhafte gesunde Ernährung für ungeeignet.
[Bearbeiten] Siehe auch
Vegetarier, Veganismus, Vollwerternährung, Steinzeiternährung, Frutarier.
[Bearbeiten] Rohkost-Literatur
- Norman Walker: Täglich frische Salate erhalten Ihre Gesundheit. ISBN 3442136814
- Harvey Diamond: Fit fürs Leben. Goldmann, ISBN 3-442-135338
- Devanando O. Weise: Harmonische Ernährung. ISBN 3980247104
- Franz Konz: Der große Natur-Gesundheits-Konz. Universitas-Verlag, 2003, ISBN 3-800-41314-0
- Helmut Wandmaker: Willst Du gesund sein? Vergiß den Kochtopf!, Goldmann, 1992, ISBN 3-442-13635-0
- Guy-Claude Burger: Rohkosttherapie. Heyne, ISBN 3-453-122550
- Leslie und Susannah Kenton: Kraftquelle Rohkost. Vitalität und Gesundheit durch naturbelassene Ernährung. 5. Auflage. München 1993, ISBN 3-453-41741-0
- Lynelle Scott-Aitken: Lust auf Rohkost - frisch & knackig. Neuer Umschau Buchverlag, 2006, ISBN 3-86528-257-1
- Galina Schatalova: Wir fressen uns zu Tode. Goldmann, ISBN 3442142229
- Henning Müller-Burzler: Auf den Spuren der Methusalem-Ernährung. Gesund und allergiefrei. Windpferd, ISBN 3893854371
- Louis Kuhne: "Die neue Heilwissenschaft". Lorber & Turm, ISBN 3799900845
- Arjuna: "Menschennahrung". Tuchenbach, ISBN 300005197X
[Bearbeiten] Sekundärliteratur
- Claus Leitzmann u.a.: Alternative Ernährungsformen, Verlag Hippokrates, Stuttgart 1999, ISBN 3-7773-1311-4
- Carola Strassner: Ernähren sich Rohköstler gesünder? Die Gießener Rohkoststudie, Verlag für Medizin und Gesundheit, 1998, ISBN 3-932977-04-1