Rosa Jochmann
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Rosa Jochmann (* 19. Juli 1901 in Wien; †28. Januar 1994 ebenda) war eine österreichische Widerstandskämpferin und Politikerin (SPÖ).
Rosa Jochmann kam 1901 als Tochter einer Wäscherin und eines Eisengießers im 20. Wiener Gemeindebezirk (Brigittenau) zur Welt. Mit 14 Jahren verlor sie ihre Mutter, die an "Erschöpfung" starb. Ihr Vater starb als sie 19 war. Nach dem Tod ihrer Mutter musste sie für Geschwister und Vater sorgen. Der Vater war Mitglied einer Gruppe mährischer Sozialdemokraten, Rosa Jochmann wuchs über ihn in die Sozialdemokratie hinein und nahm an Demonstrationen und Versammlungen teil.
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[Bearbeiten] Schulbildung
Sie besuchte fünf Klassen Volksschule, drei Klassen Bürgerschule, sowie den ersten Lehrgang der Arbeiterhochschule in Wien 1926.
[Bearbeiten] Beruflicher und politischer Werdegang
Ihre jugendlichen Berufswünsche waren Nonne und Lehrerin.
Von 1915 bis 1916 war sie Arbeiterin in der Wiener Süßwarenfabrik Schmidt & Söhne. 1916 war sie kriegsdienstleistungsverpflichtete Arbeiterin in der Simmeringer Kabelfabrik "Ariadne". 1917 wurde sie Arbeiterin in der Kerzenfabrik "Apollo" (heute Unilever) und Funktionärin im Chemiearbeiterverband 1917. 1920 wurde sie Arbeiterin und Betriebsrätin in der Simmeringer Firma Auer (Erzeugung von Glasglühstrümpfen). Ab 1925 wurde sie Sekretärin der Gewerkschaft des chemischen Verbandes. Diese Funktion hatte sie bis 1932 inne. Als solche Anschluss an die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP).
1926 gehörte sie zur Elitegruppe des ersten Absolventenlehrganges der Parteihochschule im Döblinger Schlößl. Danach rascher Aufstieg in die Parteispitze.
1932 wurde sie Zentralsekretärin der Sozialistischen Frauen Österreichs. 1933 Wahl in den Bundesvorstand der Sozialdemokratischen Partei SdP 1933 und Vorsitzende des Frauen-Zentralkomitees der SPÖ.
Im Jahre 1934 war sie während der Februarkämpfe Stenotypistin von Radioberichten für die Rumpfparteileitung. Nach dem Parteiverbot durch die Austrofaschisten Vertretung des alten Parteivorstandes im Führungskomitee der Revolutionären Sozialisten Österreichs (RS). Fortsetzung der politischen Arbeit unter dem Decknamen Josefine Drechsler. Im August 1934 wurde sie in Wiener Neustadt bei einer Untergrundaktion verhaftet. Verurteilung zu einem Jahr Kerker und drei Monate Polizeistrafe.
Als Bundeskanzler Kurt Schuschnigg kurz vor dem Anschluss an Deutschland zaghaft doch noch eine Versöhnung mit der Arbeiterbewegung suchte, war es Rosa Jochmann, die ein letztesmal zu Otto Bauer nach Brünn reiste. Die berühmte Abschiedsrede Schuschniggs hörte sie gemeinsam mit Franz Rauscher im Palais der Enkelin Kaiser Franz-Josephs, Elisabeth Windisch Graetz, die den illegalen Revolutionären Sozialisten Österreichs in der Zeit das Austrofaschismus tatkräftig zur Seite stand.
[Bearbeiten] Gestapohaft und KZ
Im März 1938 neuerliche Verhaftung, nach zwei Tagen allerdings wieder freigelassen. Sie verweigert die Emigration. Beginnt in einem jüdischen Textilgeschäft am Salzgries in Wien zu arbeiten.
Obwohl man ihr die Möglichkeit zur Flucht bot, blieb Rosa Jochmann in Wien, wo sie unmittelbar vor Kriegsausbruch, am 22. August 1939 verhaftet und nach monatelanger Gestapohaft im März 1940 mit dem Vermerk "Rückkehr unerwünscht" in ihrem Schutzhaftbefehl ins KZ Ravensbrück deportiert wurde (Schutzhäftling 3014). Sie wurde durch Fürsprache von Käthe Leichter von der Lagerleitung zur Blockältesten bestimmt. Sie war Vermittlungsinstanz zwischen Lagerleitung und Häftlingen, trotz großer psychischer und physischer Belastung relative Stabilität. Sie musste der Deportation Käthe Leichters nach Auschwitz tatenlos zusehen. In Ravensbrück kam es u.a. zu einer sechsmonatigen Dunkelhaft mit Essensentzug und Zwangsarbeiterin im Industrieblock.
Als das Lager im Frühjahr 1945 von sowjetischen Truppen befreit wurde, blieb Rosa Jochmann mit vielen anderen zur Betreuung der Kranken zurück und wartete vergeblich darauf, dass die österreichische Regierung ihre Leute heimholt. Schließlich machte sie sich mit ihrer Lagergefährtin Friedl Sedlacek selbst auf den Weg nach Wien, um eine Heimfahrgelegenheit zu organisieren. Ihre Wohnung in Wien fand sie ausgebombt vor. Das Angebot, in eine arisierte jüdische Villa in Döbling zu ziehen, aus der die Nazibesitzer geflüchtet waren, lehnte sie entschieden ab und gab sich jahrelang mit einem Einzelraum als Bleibe zufrieden.
[Bearbeiten] Nach dem Krieg
Nach der Rückkehr sofortige Wiederaufnahme ihrer politischen Tätigkeit in der SPÖ, in der sie bis 1967 Mitglied des Parteivorstandes war. Sie galt als Repräsentatin des linken Flügels innerhalb der Partei.
Vom 19. Dezember 1945 bis 16. Mai 1967 war sie Abgeordnete zum Nationalrat (V.-XI.Gesetzgebungsperiode) der SPÖ und von 1956 bis 1967 Mitglied der Parteiexekutive der SPÖ und stellvertretende Vorsitzende der SPÖ.
Darüber hinaus war sie Vorsitzende des "Bundes sozialistischer Freiheitskämpfer", einer Vereinigung ehemaliger Revolutionären Sozialisten Österreichs.
Zeitlebens war sie eine Warnerin vor Rechtsextremismus und Antisemitismus. Sie hielt zahllose Vorträge, und vermittelte als Zeitzeugin ihre Erfahrungen und Gesinnung in Schul- und Kongressbesuche im In- und Ausland.
Ihren letzten großen, öffentlichen Auftritt hatte sie beim Lichtermeer 1993, der größten Demonstration der Zweiten Republik, gegen das Anti-Ausländer-Volksbegehren ("Österreich zuerst") der FPÖ, wo sie als Rednerin ein letztes Mal gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus mahnte.
Innerparteilich forderte Sie die aktive Rückholung österreichischer Exilanten.
1967 schied sie aus allen offiziellen Funktionen aus.
Anlässlich ihres 80. Geburtstags (1981) Ernennung zur Ehrenbürgerin der Stadt Wien.
[Bearbeiten] Ein Gedicht an Erwin Lanc
Als Antwort auf ein Glückwunschschreiben anlässlich ihres 85. Geburtstages schickte Rosa Jochmann an Erwin Lanc, ehem. österreichischer Verkehrs-, Innen- und Außenminister, folgendes Gedicht von Georgi Ladonstschikow mit der Bemerkung "Deine politische Auffassung teile ich immer!":
Was ich liebe
Ich liebe den Frühling, der rauscht und blüht,
Ich liebe den Sommer, der farbig glüht,
Ich liebe den Herbst mit dem linden Regen
und den Winter mit denverschneiten Wegen,
Ich liebe den Morgen, so warm und klar,
Ich liebe den Tag und die Kinderschar,
Ich liebe den Abend beim Märchenbuch - und die Nacht,
wenn der Schlaf mich ins Traumland trug,
Ich liebe die Vögel, die Schmetterlinge,
das Brausen des Windes und des Wasserfalls -
und alle Tiere - alle Dinge,
doch die Menschen liebe ich über alles!
Erwin Lanc antwortete: ...Du hast Dein Lieblingsgedicht "Was ich liebe" beigelegt. Das liebe ich alles auch, aber vor allem liebe ich Dich, Deine Geradelinigkeit, deine Menschlichkeit und vieles andere mehr, was sich schwer in Worte fassen lässt.
[Bearbeiten] Literatur
- Rosa Jochmann, Portrait einer Sozialistin. Zeitdokumente 40., o.J., Verlag: Verlag der SPÖ.
- Blimlinger, Eva, 100 Österreicherinnen des 20. Jahrhunderts. In: Dr. Karl-Renner-Institut (Hg.): Zukunft. 2/1999. Frauen. Körper. Macht., 1999, S. 40-43, hier S.42, Wien, Verlag: Echo Ges.m.b.H.
- Etzersdorfer, Irene, Rosa Jochmann. In: Dachs, Herbert; Gerlich, Peter; Müller, Wolfgang C. (Hg.): Die Politiker. Karrieren und Wirken bedeutender Repräsentanten der Zweiten Republik., S. 244-249.
- Sporrer, Maria; Steiner, Herbert (Hg.):, Rosa Jochmann. Zeitzeugin., 1983, Wien.
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Rosa Jochmann im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Biografie, Kontaktangaben und Debattenbeiträge von Rosa Jochmann im österreichischen Parlament
- BiografiA - Biografische Datenbank und Lexikon österreichischer Frauen
- Wiener Zeitung online Dossier: Rosa Jochmann
- Rosa Jochmann - Ein Leben für die Meschlichkeit
- Renner-Institut
- Kurzbiographie von Peter Lhotzky auf www.alsergrund.spoe.at
Personendaten | |
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NAME | Jochmann, Rosa |
KURZBESCHREIBUNG | Österreichische Politikerin |
GEBURTSDATUM | 19. Juli 1901 |
GEBURTSORT | Wien |
STERBEDATUM | 28. Januar 1994 |
STERBEORT | Wien |