Sprechender Name
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Als sprechende Namen bezeichnet man Namen von Personen oder Örtlichkeiten, vor allem in literarischen und filmischen Werken, welche – gemäß der Redewendung „nomen est omen“ – die betreffenden Personen oder Orte durch ihre äußere Benennung ihrem inneren Wesen nach charakterisieren. Reizvoll erscheint eine solche Namensgebung insbesondere dann, wenn sie eine hintergründige Anspielung darstellt, die vom Leser eine Entschlüsselung verlangt. Demgegenüber gibt es vor allem in Kinderbüchern zahllose Beispiele für Namensgebung von Personen, die direkt und unverschlüsselt ein besonderes Charakteristikum der fiktiven Person ausdrücken.
Sprechende Namen zählen zu den ältesten Stilmitteln der Literatur. Bereits in der mündlichen Überlieferung von Mythen und Sagen der verschiedensten Kulturkreise wurden die Akteure häufig mit einem Namen bedacht, der ihre Eigenschaften verdeutlicht. So bedeutet etwa der Name des Prometheus der griechischen Sage „der Vorausschauende“, der seines Bruders Epimetheus „der danach Denkende“.
In der klassischen allegorischen Literatur bedürfen die Namen meist keiner Interpretation seitens des Lesers. So trifft der Pilger in John Bunyans The Pilgrim’s Progress unter anderem den Riesen „Verzweiflung“, der Herr der „Burg des Zweifels“ ist.
Eine ästhetisch reizvolle Codierung sprechender Namen kann mit den verschiedensten Stilfiguren erfolgen, insbesondere
- Wortspiel (Paronomasie, Polysemie, Buchstabendreher)
- Onomatopoesie (Lautmalerei)
- Akronym
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[Bearbeiten] Sprechende Personennamen in Büchern
- Gottlieb Biedermann erscheint in Max Frischs Biedermann und die Brandstifter seinem Namen entsprechend als die personifizierte Bravheit, der sich mit seiner kleinbürgerlichen Willensschwäche als unfähig erweist, den Brandstiftern Einhalt zu gebieten.
- Walter Faber, die Hauptfigur in Max Frischs Roman Homo faber repräsentiert den technikgläubigen modernen Menschentyp („homo faber“ ist übersetzt etwa: der technische/handwerklich tätige Mensch).
- Holly Golightly, die Protagonistin in Truman Capotes Roman „Breakfast at Tiffany’s“: der Name Golightly beinhaltet die englischen Wörter go und lightly die nebeinandergestellt etwa so viel bedeuten wie: „Nimm’s leicht“, eine Redewendung welche treffend die Lebenseinstellung der Figur der Holly widerspiegelt. Dieser Gedanke wird noch weiterentwickelt, indem ein ewig schimpfender chinesischer Mitmieter Holly in Dialogen stets als „Miss Gorightly“ anspricht, also als diejenige, die richtig lebt.
- Lemuel Gulliver, der Erzähler und die Hauptfigur aus Jonathan Swifts Roman Gullivers Reisen: In Anspielung auf das englische Wort gullible welches so viel wie „gutgläubig“, „leichtgläubig“ oder auch „einfältig“ bedeutet, spielt der Name auf den naiv-leichtgläubigen Charakter der Figur des Gulliver an.
- von Kalb, der Hofmarschall in Schillers Kabale und Liebe versinnbildlicht durch seinen Namen einen etwas dümmlichen Vertreter des Adels.
- Wurm, ebenfalls aus Kabale und Liebe, ist der schleimige, machthungrige und intrigante Sekretär des Präsidenten, der sich einerseits kriecherisch wie ein Wurm aufführt, andererseits durch stetigen "Wurmfraß" seine Umgebung zerstörerisch beeinflusst.
- Kantorek ist der Name eines Lehrers aus Erich Maria Remarques Roman Im Westen nichts Neues. Dieser überredet seine Schüler, sich freiwillig zum Frontdienst im Ersten Weltkrieg zu melden. „Kantor“ bezeichnet nicht nur einen Vorsänger, sondern war in Mitteldeutschland auch als Synonym für „Lehrer“ verbreitet.
- Klöterjahn ist der Name eines grobschlächtigen, aber lebensstarken Großhändlers in Thomas Manns Novelle Tristan. „Klöten“ ist das niederdeutsche Wort für Hoden, „Jahn“ leitet sich zudem von „Johannes“ her, einem umgangssprachlichen Beinamen des männlichen Glieds.
- Willy Loman: (englisch ausgesprochen Willy low man: „kleiner Mann; Mann der am Boden ist“) Der Handelsreisende in Arthur Millers Death of a Salesman, dessen Name ihn bereits als der vom Leben niedergedrückte Versager ausweist, als der er dem Leser vorgestellt wird.
- Major Major Major Major – ein Charakter im Roman Catch-22, dessen militärische Karriere ebenso absurd ist wie sein Name – siehe dazu den englischsprachigen Artikel.
- Peter Schlemihl, die Hauptfigur in Peter Schlemihls wundersame Geschichte von Adelbert von Chamisso erweist sich, ganz der jiddischen Bedeutung des Namens Schlemihl entsprechend, als Pechvogel, nachdem er einem fremden Herren seinen Schatten verkauft.
- Simplicius ist die titelgebende Figur im Schelmenroman Der abenteuerliche Simplicissimus von Grimmelshausen, der bereits durch seinen Namen (den er von einem Einsiedler erhält) seine natürliche Einfalt und Ahnungslosigkeit demonstriert, die mit den Gräueln des Dreißigjährigen Krieges, die er erlebt, scharf kontrastiert.
- Eine geradezu exzessive Verwendung sprechender Namen weisen auch die Harry Potter-Romane von J.K. Rowling auf. Siehe dazu hier.
[Bearbeiten] Sprechende Personennamen in Comics
- Clark Kent, die bürgerliche Geheimidentität von Superman setzt sich zusammen aus den Namen der Schauspieler Clark Gable und Kent Taylor, zweier beliebter Akteure zur Zeit der Erfindung des Comichelden. Der Name sollte die Popularität und Dynamik der Schauspieler auf den Comichelden übertragen. Der Name Clark Kent ist nunmehr ein „verstummter“ sprechender Name, da Taylor in Vergessenheit geriet.
- Daniel Düsentrieb, eine Figur der Donald Duck-Comics, dessen Name seine unermüdliche Erfindungsgabe plastisch auf den Punkt bringt.
- Droopy, eine Figur aus Zeichentrickserien und -filmen sowie Comics von Metro-Goldwyn-Mayer: Das englische Wort droopy bedeutet so viel wie „herunterhängend“ oder „schlaff und kraftlos“ und spielt sowohl auf die herunterhängenden Lefzen des Beagles als auch auf seine lethargische Wesensart an.
- Edward Nigma, (E. Nigma, phonetisch enigma [englisch für Rätsel]) ist das Alter Ego des Riddlers einer Comicfigur die dafür bekannt ist Rätsel (also englisch enigmas) zu stellen.
- Isnogud (englischer und französischer Name Iznogoud: Slang: Is no good, „Taugt nichts“), der unglückselige Titelheld einer gleichnamigen französischen Comic-Reihe: Isnogud ist ein intriganter Großwesir, der immerzu vergeblich versucht, seinen Herren, den gutherzigen Kalifen Harun al Puschah, durch Anschläge zu beseitigen, damit er selbst Kalif werden kann: Isnoguds charakterliche Verderbtheit wird schon aus seinem Namen ersichtlich.
- Karla Kolumna, die Journalistin in den Kindergeschichten über Bibi Blocksberg und Benjamin Blümchen (von Kolumne)
- Lucky Luke, der Held der gleichnamigen Comicserie von Morris: Ein Cowboy, dem es häufig gelingt, sich durch eine ungewöhnliche Glückssträhne aus brenzligen Situationen zu retten und der daher lucky ist, also vom Glück begünstigt.
- Preston Payne, ein Schurke in der Comic-Reihe Batman: Der Name klingt ausgesprochen wie „pressed in pain“ (Englisch für: „von Schmerz gedrückt“, freier: „getrieben“), was darauf anspielt, dass der von einer seltenen Krankheit befallene Payne durch die von dieser Krankheit verursachten Schmerzen zu seinen Verbrechen getrieben wird, welche hauptsächlich die Übertragung seiner „drückenden Schmerzen“ auf andere durch Körperkontakt zum Inhalt haben, wodurch ihm selbst Linderung zuteil wird (Payne besitzt eine Art umgekehrten Midas-Touch: wer von ihm berührt wird, stirbt).
- Temple Fugate (phonetisch nahe am lateinischen tempus fugit) ist das Alter Ego des Clock King eines Comic-Schurken, dessen Taten sich zumeist um das Thema Uhren und Zeit drehen.
- Tunichtgud, eine Figur in der Comicreihe Isnogud: Tunichtgud ist der Handlanger des bösen Großwesirs Isnogud und erledigt auf dessen Befehl zahllose fragwürdige Aufträge (er „tut“ daher „nicht gut“, sondern beteiligt sich an allerlei schlechten Unterfangen).
- Wile E. Coyote – Charakter der Looney Tunes. Der Vorname ist klanggleich zu wily, was auf deutsch soviel wie schlau oder gerissen bedeutet.
- Die Figuren aus den Asterix-Comics haben auch oft sprechende Namen, die im Deutschen jedoch meist auf das Konto des jeweiligen Übersetzers gehen
[Bearbeiten] Sprechende Personennamen in Filmen und Serien
- Pussy Galore, Bond-Girl aus Goldfinger (dargestellt von Honor Blackman). Pussy ist im englischen sowohl ein Katzenname als auch die umgangssprachliche Bezeichnung der weiblichen Geschlechtsteile; galore bedeutet „im Überfluss“. In den mittlerweile drei Teilen der James-Bond-Parodie Austin Powers wurde diese Namensgebung mehrfach aufgegriffen:
- Alotta Vagina: Dieser vorgeblich italienische Name karikiert durch seine über-explizite, schon fast brutalisierend-direkte, nicht zu übersehende Anspielung auf einen körperlichen Reiz der Figur (englisch a lot of vagina – „jede Menge Vagina“) die leicht frivol angehauchte Namensgebungspraxis der Bond-Produzenten bei den Bond-Girls.
- Felicity Shagwell: (deutsch Felicity Chiquefick); von shag (dt. ficken), well (dt. gut)
- Schwanzus Longus, (im englischen Original Biggus Dickus) ein römischer Offizier in Das Leben des Brian von Monty Python: sein Name soll wohl auf seine anatomische Beschaffenheit anspielen.
- Truman, der Hauptcharakter des Films Die Truman Show: Truman klingt gesprochen wie „true man“ (= wahrer, echter Mensch), was darauf anspielt, dass Truman der unwissende Hauptdarsteller einer Reality-TV-Sendung ist, der einzige „echte“ und real agierende Mensch in der Realität der Truman-Show, die ansonsten nur von Schauspielern bevölkert wird, die lediglich ihre vorgegebene Rolle verkörpern.
- Major Arschloch in Spaceballs. Im englischen Original heißt er Major Asshole, was im deutschen soviel wie Oberarschloch bedeutet.
- Viele Charaktere in den Büchern und Sendungen von Thomas Brezina tragen sprechende Namen, z.B. Rudi Ratte, Fritz Fantom und Gustav Geldsack bei der Serie Tom Turbo.
- Kraven in Underworld: craven ist englisch für "vollkommener Feigling"
- Cruella de Ville in 101 Dalmatiner setzt sich zusammen aus engl. cruel (dtsch. grausam) und devil (dtsch. Teufel)
[Bearbeiten] Sprechende Personennamen in Videospielen
- Besonders die Videospiel-Reihe Donkey Kong erzeugt durch scheinbares Abkürzen des Vornamens sprechende Namen. So zum Beispiel der Kremlinboss King K. Rool (ausgesprochen King Cruel, was auf englisch soviel wie „König Grausam“ bedeutet), K. Lumsy (sprich Clumsy, engl. „ungeschickt“) oder B. Locker (sprich Blocker, eine Holzfigur die Eingänge in Donkey Kong 64 versperrt). Andere Beispiele aus der Serie die nicht diese Technik verwenden wären z.B. Cranky Kong, der Name des Affengroßvaters, bedeutet so viel wie schrulliger Affe.
[Bearbeiten] Sprechende Ortsnamen in Büchern
- Lake Wobegon ist der Name einer fiktiven Kleinstadt im amerikanischen Mittelwesten, in dem viele Geschichten Garrison Keillors spielen. Angeblich leitet sich der Name von einem indianischen Wort her, das so viel bedeutet wie „Wir saßen den ganzen Tag im Regen und habe auf euch gewartet“, das englische woebegone bedeutet allerdings „jammervoll“ oder „leidgeprüft“.
- Nimmerland (englisch Never-Never-Land) ist der Name eines fiktiven Zauberlandes in dem Jugendbuch „Peter Pan or the Boy who would not grow up“ von Sir James Matthew Barrie, welches sich an keinem geographisch fixierbaren Ort befindet, sondern vielmehr durch eine mystische Bewegungsfolge am Sternenhimmel erreicht werden kann und damit praktisch „nirgendwo ist“
[Bearbeiten] Sprechende Ortsnamen in Filmen und Serien
- Metropolis ist auch die fiktive Stadt, in der die Superman-Geschichten spielen. Metropolis (Metropole) ist ein Begriff für eine große Stadt und stammt aus dem Griechischen, wo es wörtlich so viel wie „Mutterstadt“ bedeutet.
- Smallville ist denn auch das Gegenstück zu Metropolis. In der Kleinstadt (small, engl. für klein) verbringt Clark Kent, der spätere Superman, in der gleichnamigen Fernsehserie Smallville seine Kindheit und Jugend.
- Seahaven ist die Stadt, in der der Filmheld Truman Burbank sein Leben verbringt. Seahaven ist in Wirklichkeit ein riesiges Filmareal in Big-Brother-Manier, wo alle Bewohner außer Truman Burbank Schauspieler sind. Truman ahnt davon nichts, sein Leben wird als Reality-Show in die Welt gesendet. Seahaven soll dem englischen Zuschauer eine Assoziation zu dem Begriff see heaven, auf Deutsch etwa Sieh das Himmelreich, nahelegen.
[Bearbeiten] Sprechener Gasthausname
- Zum Goldenen Löwen ist ein aus dem französischen übernommener sprechender Name für eine Herberge. Durch die Verschiebung des Akzents wird aus "Au Lion d'Or" (Zum Goldenen Löwen) "Au lit on dort" (Im Bett schläft man), ein Hinweis darauf, dass in diesem Haus Gästebetten vorhanden sind.