Franko-Provenzalische Sprache
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Das Franko-Provenzalische (auch Frankoprovenzalische) oder Arpitanische (französisch francoprovençal bzw. arpitan) ist eine romanische Sprache, die im östlichen Frankreich (mittleres Rhônetal und Savoyen), im größten Teil der französischsprachigen Schweiz (Romandie) und im Nordwesten Italiens (vor allem im Aostatal) in verschiedenen Dialekten gesprochen wird. Es bildet zusammen mit den Langues d'oc (Okzitanisch) und den Langues d'oïl die Gruppe der Galloromanischen Sprachen.
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[Bearbeiten] Namen der Sprache
Da das Franko-Provenzalische keine eigenständige Standardsprache ausgebildet und das Sprachgebiet in der neueren Geschichte auch keine politische Einheit gebildet hat, existiert bei den Muttersprachlern kein einheitlicher Name für die Sprache.
Die Bezeichnung Franko-Provenzalisch wurde im Jahre 1873 durch den italienischen Sprachwissenschaftler Graziadio-Isaia Ascoli als Sammelbegriff für diejenigen galloromanischen Dialekte geprägt, die sich nach dialektologischen Kriterien weder zu den zu den langues d'oïl (die damals insgesamt als Französisch bezeichnet wurden) noch zu den langues d'oc (die damals insgesamt als Provenzalisch bezeichnet wurden) gehören, sondern eine eigenständige dritte Gruppe bilden, die eine Zwischenstellung zwischen den beiden anderen einnimmt. Diese Bezeichnung hat sich in der romanistischen Literatur durchgesetzt, ist außerhalb akademischer Kreise jedoch kaum gebräuchlich und zudem missverständlich, da sie fälschlich den Eindruck erwecken kann, es handele sich nicht um eine eigenständige sprachliche Varietät.
In neuerer Zeit wird vor allem in Frankreich auch die Bezeichnung Arpitanisch (Arpitan) verwendet, manchmal nur für die Dialekte der Alpenregion, manchmal für das gesamte Franko-Provenzalische.
[Bearbeiten] Verbreitung der Sprache
[Bearbeiten] Frankreich
Frankoprovenzalisch war Jahrhunderte lang die Umgangssprache in einem großen Teil der jetzigen französischen Region Rhône-Alpes (Beaujolais, Bresse, Bugey, Dauphiné, Dombes, Lyonnais, Savoyen), im Süden der Franche-Comté (Départements Jura und Doubs), sowie im Südosten der Region Burgund (Louhannais, im Département Saône-et-Loire). Diese romanische Sprache wurde von der Rhône-Metropole Lyon aus verbreitet. In Frankreich wird sie in ihren verschiedenen Dialekten nur noch von älteren Leuten (vor 1940 geboren) verstanden (anders als etwa im Aostatal und im schweizerischen Évolène) und von den wenigsten unter ihnen noch als Zweitsprache in der Familie benutzt. Da die französische Sprache in Lyon schnell Latein als Amtssprache ablöste, hatte Frankoprovenzalisch in Frankreich nie den Status einer offiziellen Sprache. Anders als bei einigen Regionalsprachen gab es nie den Versuch einer Vereinheitlichung, sodass es als Unterrichtssprache nie in Frage kam und vom französischen Erziehungsministerium nicht als Abiturfach anerkannt wird (anders als etwa Provenzalisch, Bretonisch usw.). Geschrieben wurde die Sprache aber immer, vor allem um Lieder und mündlich überlieferte Geschichten zu tradieren, aber auch um Texte mit literarischem Anspruch zu dichten. Im Jahr 2006 wurde sogar eines der populären Tintin-Comics (Tim und Struppi) ins Franko-Provenzalische übersetzt, genauer: ins Bressanische, eine Mundartvariante, die in der Region Bresse gesprochen wird. Dort gibt es noch verhältnismäßig viele Menschen, die Patois (wie die Mundarten entweder abschätzig oder doch mit Stolz in der Stimme genannt werden) zumindest verstehen, obschon immer seltener selber sprechen.
Das von Manuel und Josine Meune in ihre Mundart übersetzte Heft "Lé Pèguelyon de la Castafiore" (Die Juwelen der Sängerin, Casterman) wurde in der Bresse und in Rhône-Alpes sehr positiv aufgenommen. Dies zeugt von einem gewissen erneuten Interesse der jüngeren Generationen an diesem in Vergessenheit geratenden sprachlichen Erbe. Wie überall in Frankreich wurde auch diese Regionalsprache in der Schule unterdrückt, sodass schon Anfang des 20. Jahrhunderts viele den Standpunkt verinnerlicht hatten, dass ihr Patois nichts als eine primitive „Bauernsprache“ sei. Immerhin hat die Sprache etliche Spuren im gesprochenen Regionalfranzösisch hinterlassen – was vielen nicht unbedingt bewusst ist. Benutzt wurde im Tintin-Heft eine halbphonetische Schreibweise („graphie de Conflans“), die sich an der französischen Sprache orientiert. 2007 soll aber ein neues Tintin-Heft erscheinen: auf Arpitanisch, wie das Frankoprovenzalische in diesem Fall genannt wird, damit nicht der Eindruck entsteht, dass es sich um keine eigenständige Sprache handele. Eine neue, vom Sprachwissenschaftler Dominique Stich ausgearbeitete standardisierte Rechtschreibung soll dann zum Einsatz kommen, in der Hoffnung, dass die Dialektsprecher (bzw. –schreiber) aus den verschiedenen Regionen künftig diese Schriftsprache nutzen.
[Bearbeiten] Schweiz
Ursprünglich wurde fast in der gesamten heutigen französischsprachigen Schweiz (Romandie) Frankoprovenzalisch gesprochen. Eine Ausnahme bilden lediglich der Kanton Jura, der nördlichste Teil des Kantons Neuenburg und der französischsprachige Teil des Kantons Bern, wo Varietäten der Langues d'oïl gesprochen wurden.
In Laufe der neueren Zeit sind die Varietäten des Frankoprovenzalischen in der Schweiz jedoch fast vollständig durch regionale Formen des Französischen verdrängt worden, ausser im Kanton Freiburg (Greyerz) und vor allem im Kanton Wallis, wo im Dorf Evolène die Mundart auch für Kinder noch die Umgangssprache ist.
Siehe auch: Schweizer Französisch
[Bearbeiten] Italien
Frankoprovenzalische Dialekte spricht man im Aostatal und in einigen Tälern der Region Piemont, im Val Sangone, im Valle Cenischia, im Piantonetto-Tal und im Val Soana. Eine weitere frankoprovenzalische Sprachinsel liegt in den beiden Gemeinden in Apulien: Faeto und Celle San Vito.
Im Aostatal ist das Frankoprovenzalische nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend vom Italienischen verdrängt worden. Es wird heute nur noch von einer kleinen Minderheit beherrscht.
[Bearbeiten] Weblinks
Wikipedia auf Franko-provenzalisch |