Kloster Stift zum Heiligengrabe
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Das Kloster Stift zum Heiligen Grabe ist ein Ende des 13. Jahrhunderts gegründetes, ursprünglich von Zisterzienserinnen bewohntes Kloster in Heiligengrabe im brandenburgischen Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Die Klosteranlage gilt als besterhaltene in Brandenburg und ist seit 1998 als Denkmal nationaler Bedeutung eingestuft.
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[Bearbeiten] Geschichte
Das Kloster wurde 1287 durch Markgraf Otto V. gegründet und zwei Jahre später auf seine Veranlassung durch zwölf Nonnen des Zisterzienserinnenklosters Neuendorf (Altmark) bezogen. 1317 wurde erstmals die Existenz eines Heiligen Grabes erwähnt (Cenobium ad sanctum sepulchrum in Thegow, monasterium sanctimonialium in Thegow, cenobium tu den heiligen grabe). Aus dem 14. und 15. Jahrhundert liegen kaum gesichert dokumentierte Unterlagen vor. Rekonstruktionen des Klosterlebens aus anderen für die zisterziensische Klosterbewegung typischen und vorhandenen Bauten zuzuordnenden Funktionen lassen aber darauf schließen, dass in diesem Zeitraum die Klostergemeinde rund 180 Personen umfasste, mit einer Äbtissin an der Spitze des Klosterkonvents.
Wie in Zisterzienserniederlassungen üblich, wurde auch in Heiligengrabe durch das Kloster Pionierarbeit geleistet, in diesem Falle vor allem in der Urbarmachung des in einem durch zahlreiche Bäche durchzogenen Feuchtgebietes. Um 1500 umfasste das Klostergut 65.000 Morgen Land, vor allem in einem etwa acht Kilometer breiten Streifen zwischen Wittstock und Pritzwalk an den Seiten, der Dosse im Norden und der Jäglitz im Süden. Abgesehen von der Eigenwirtschaft, die den Grundbedarf des Klosters an Getreide, Fleisch und Fisch sicherte, wurden Naturalien- und Geldzehnt sowie Pachtzinse aus 17 Dörfern eingenommen.
[Bearbeiten] Gründungslegende
1521 erstmals in einem Druck belegt ist die Gründungslegende des Klosters, nach der ein Jude aus der Techower Kirche eine Hostie entwendet, sie dann in der Nähe (dem Standort der Heiliggrab-Kapelle, auch Blutkapelle genannt) unter einem Galgen vergraben hatte und anschließend zur Strafe hingerichtet wurde.
1532 wurde der Legendenzyklus durch die Äbtissin Anna von Rohr auf sechzehn Tafeln „veröffentlicht“, von denen heute noch sieben erhalten sind. 20 Jahre zuvor, 1512, war der Neubau der spätgotischen Heiliggrab-Kapelle eingeweiht worden und durch die Erzählung von der Bluthostie entwickelte sich die Anziehungskraft des Platzes als Wallfahrtsort.
[Bearbeiten] Reformation
1539 wurde die Reformation durch Kurfürst Joachim II. in Brandenburg eingeführt. Die in Heiligengrabe tätigen Nonnen unter der Leitung der Äbtissin Anna von Quitzow und der Priorin Elisabeth von Alvensleben verweigerten jedoch die Konversion und verließen zunächst 1548 das Kloster, kehrten aber in dem darauf folgenden Jahr zurück. Die Expansion des Klosters war allerdings damit beendet.
Der sich entwickelnde evangelische Frauenstift wurde mit dem Dreißigjährigen Krieg nicht mehr durch eine Äbtissin, sondern durch eine Domina geleitet. Aufgrund von Brandschatzungen während des Krieges war das Klostergut nach 1636 bis gegen Ende 1648 verlassen und wurde anschließend wieder von acht Klosterdamen unter Führung der Domina Anna von Rathenow wiederbelebt. Die Nutzung des Klosters änderte sich jetzt dahingehend, dass zunehmend die unversorgten Töchter wohlhabender Adelsfamilien aufgenommen wurden. Sie konnten sich in die Stiftsstellen einkaufen und erhielten im Stift eine für damalige Verhältnisse umfassende Erziehung.
Für die Stiftsdamen erfolgte 1722 die Grundsteinlegung für die Gebäude am künftigen Damenplatz, den Häusern für die durch ihren finanziellen Beitrag mit Wohnrecht versehenen Damen.
Allerdings nahm die weltliche Herrschaft, insbesondere Friedrich Wilhelm I., zunehmend Einfluss auf die Gestaltung des Klosterlebens und dessen personelle Besetzung. So wurden auch die Leitungspositionen und die Anwartschaften auf Stiftsstellen von herrschaftlicher Seite festgelegt. Mit der Erhebung des Klosters zum Damenstift und der Rücktitulierung der Leiterin zur Äbtissin 1740 durch König Friedrich II. endete diese äußerst bewegte Phase der Klosterentwicklung.
[Bearbeiten] 19. Jahrhundert
1811 ging das Stift eines großen Teils seiner Besitzungen und seines Einflusses verloren. Die Stein-Hardenbergschen Reformen beendeten die Leibeigenschaft in Preußen und reduzierten den Besitz des Klosters um alle bis dahin zugehörigen Dörfer auf drei verbliebene Rittergüter.
Die Aufgaben des Stifts erweiterten sich allerdings und erforderten funktionsfähige Einrichtungen. So wurde 1838 das Stiftshauptmannshaus errichtet, 1840 die Heiliggrabkapelle, seit der Reformation als Getreidespeicher zweckentfremdet, saniert. 1847 gründete Äbtissin Luise von Schierstedt zunächst eine Erziehungsanstalt für „Mädchen aus verarmten adligen Familien“, ein Waisenhaus folgte.
Nachdem 1853 die Verantwortung für das Kloster Stift zum Heiligen Grabe von König Friedrich Wilhelm IV. an den Evangelischen Oberkirchenrat übergeben wurde, kamen wieder geistliche Gesichtspunkte und Traditionen stärker zur Geltung. Soziale Tätigkeiten wie Armenspeisung, Waisen-, Alten- und Krankenbetreuung erhielten eine festen Platz in der Klostertätigkeit.
[Bearbeiten] 20. Jahrhundert – bis 1945
Kaiser Wilhelm II. initiierte 1904 die Neuausstattung der Heiliggrabkapelle. In den Jahren zuvor setzte er gegen interne Widerstände die Einsetzung der Äbtissin Adolphine von Rohr durch, die seit 1899 das Kloster ins 20. Jahrhundert führte. Sie förderte verstärkt die soziale Ausrichtung der Klostertätigkeit, aber auch 1909 die Einrichtung eines Heimatmuseums für die Prignitz im südlichen Klausurflügel, das durch seinen Publikumszuspruch auch das Klosterleben nach außen öffnete.
1933 konnte die schulische Mädchenausbildung in Heiligengrabe den Absolventinnen die Abiturprüfung anbieten. Durch die nationalsozialistische Machtergreifung wurde der Weiterentwicklung dieses Schulzweiges allerdings schnell Probleme in den Weg gelegt.
Die Äbtissin Elisabeth von Saldern, seit 1924 im Amt, und die christliche Erziehungspraxis in Heiligengrabe gerieten in Konflikt mit den Anhängern der neuen Machthaber inner- und außerhalb der Klosterorganisation. Zudem wurde die Besetzung der Schulplätze mit vor allem adligen Schülerinnen als „reaktionär“ bezeichnet. Die Unterrichtsinhalte mussten zwangsläufig angepasst werden. Allerdings gelang es der Äbtissin, durch starken persönlichen Einsatz und ihre Kontakte zu hohen gesellschaftlichen und Regierungskreisen, eine Schließung der Schule und eine völlige Säkularisierung der Unterrichtsinhalte zu vermeiden.
Nach ihrem Tod 1938 übernahm Armgard von Alvensleben 1939 das Äbtissinnenamt. Auch ihr gelang es in den folgenden Jahre, die Eingliederung der Schule in das nationalsozialistische staatliche Erziehungssystem zu verhindern.
Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges verließen immer mehr Schülerinnen das Stift, um zu ihren Familien zu gelangen. Ende April 1945 verließ die Äbtissin mit den letzten acht Schülerinnen das Kloster und ging nach Westdeutschland.
[Bearbeiten] 20. Jahrhundert – ab 1945
Nach einjähriger Nutzung durch die sowjetische Armee zogen 1946 aus Oberschlesien vertriebene Friedenshort-Diakonissen aus Oberschlesien in das verlassene Kloster ein. In den Folgejahren konzentrierte sich ihre Arbeit auf die Betreuung von Waisenkindern, die Pflege behinderter Menschen und die Betreuung älterer Schwestern des Ordens. Hinzu kam eine bekannte Paramentenwerkstatt.
1952 wurde die Dorfpfarrerin, die ehemalige Stiftsschülerin Ingeborg-Maria Freiin von Werthern, als Äbtissin ins Amt eingeführt, das sie 43 Jahre ausübte. In den 60er bis 90er Jahren kamen mehrere Häuser hinzu, um die Wohn- und Betreuungssituation zu verbessern, darunter auch der Vorgängerbau eines heute mit dem Kloster verbundenen Hotels. Nach 1998 begann die Restaurierung und Sanierung der gesamten Klosteranlage, 2001 konnte im Stiftshauptmannshaus wieder ein Museum eröffnet werden.
1996 wurde mit zwei neuen Stiftsdamen ein neuer Konvent gegründet, den seit 2001 Dr. Friederike Rupprecht als Äbtissin leitet. Das Kloster erfährt heute durch Veranstaltungen, Tagungen und Konzerte wieder Zuspruch, so dass mit einer personellen Erweiterung die Lebensfähigkeit der noch kleinen Stiftsgemeinschaft wahrscheinlich gesichert werden kann.
[Bearbeiten] Die Gebäude der Klosterzeit
Größter und wichtigster Gebäudekomplex ist die dreiflügelige Klausur, im Süden geschlossen durch die Klosterkirche, den Kreuzgang und den Kreuzgarten umschließend.
[Bearbeiten] Kirche
Die Kirche, im zisterziensischen Stil turmlos erbaut, stammt vom Ende des 13. Jahrhunderts. Sie ist ein siebenjochiger Saalbau mit Kreuzrippengewölbe, im Osten abschließend der schiffbreite 5/8-Chor mit Lanzettfenstern, an seinen Wänden mehrere Grabplatten aus dem 17./18. Jahrhundert.
Im Süden wird das Kirchenschiff belichtet mit zweigeschossig angeordneten Fenstern, die Strebepfeiler dieser Seite enthalten mehrere Grabplatten. Der überwiegende Teil der Kirche ist aus Backsteinmauerwerk, ergänzt mit aus Feldstein gemauerten Abschnitten. Maßwerk, Friese und rot und schwarz glasierte Backsteine bilden den Schmuck zu gotischen Formen wie Stufengiebel im Westen und Spitzbogenportal. Im Bereich der westlichen fünf Joche befand sich ursprünglich eine hölzerne Nonnenempore, vermutlich mit direktem Zugang zum westlichen Klausurflügel mit Schlafräumen, Refektorium und Küche, seit dem 19. Jahrhundert findet sich hier eine über zwei Joche ziehende Westempore.
Brände 1636 (Dreißigjähriger Krieg) und 1719 erzwangen Umbauten, weitere Restaurierungen erfolgten 1890, 1904 und in den 1950er Jahren. Im Inneren kontrastiert ein prächtiger zweiflügeliger Schnitzaltar (Leihgabe des Brandenburger Dommuseums) mit einfacher Kanzel und Taufstein. Vermutlich um 1420/30 entstanden beeindruckt die plastische Darstellung der Maria im mittleren Schrein des Altars, auf den Flügeln Aposteldarstellungen.
Auf der Westempore befindet sich der Orgelprospekt von 1725 mit Akanthusschnitzerei von David Baumann, darunter ein Raum mit sechs der sieben erhaltenen von 16 ursprünglichen Tafeln von 1532 mit Darstellungen der Gründungslegende.
[Bearbeiten] Klausur
Neben dem schon kurz beschriebenen Westflügel der Klausur wurde der Nordflügel wahrscheinlich ursprünglich zur Beherbergung adeliger und geistlicher Gäste und ihres engeren Gefolges genutzt, während der Ostflügel als Wirtschaftsflügel Lager-, Umschlags- und Produktionszwecken diente.
[Bearbeiten] Heiliggrabkapelle (Blutkapelle)
Etwa 30 Meter westlich der Klausur, in gedachter Fortsetzung des Kirchenschiffs, befindet sich die 1512 geweihte Heiliggrabkapelle, ein einschiffiger vierjochiger sterngewölbter Backsteinsaalbau, in den Mauern durchmischt mit behauenem Feldstein. Sie stellt den eigentlichen Wallfahrtsort in der Klosteranlage dar, der Legende nach erbaut über einem Hinrichtungsplatz (Galgenberg).
In Ost- und Westfassade Spitzbogenportale mit darüber angeordnetem viergeteiltem Fenster. Beeindruckend sind vor allem darüber die Giebel der Kapelle. Über dem Mauersockel durchgehendes Maßwerkgesims, der fünfstöckige westliche Stufengiebel mit maßwerkartigen Zierfriesen, durchbrochen von gegliederten schlanken Pfeilern, die Zwischenräume weiß verblendet. Sie gelten als Vorbild für mehrere ähnliche Bauten in der Prignitz, namentlich Alt-Krüssow, Falkenhagen und Wülfersdorf.
Die Innenausstattung nach neugotischer Neugestaltung mit Malereien an der Ostwand, Klostergründung und Reformationszeit darstellend, Chorgestühl und Orgel; der Raum wird gegliedert durch wandhohe Spitzbogennischen, die Jochgrenzen markierend.
Die Reste eine Vorgängerbaus aus dem 13. Jahrhundert konnten beim Einbau einer Fußbodenheizung 1986 freigelegt werden. Hierbei kam auch ein nach Westen offenes Backsteingewölbe zum Vorschein, dass als ursprüngliches Heiliges Grab interpretiert wird.
[Bearbeiten] Baudiskussion
Es ist umstritten, ob die heute vorhandene Kirche so auf das Ende des 13. Jahrhunderts zurückzuführen ist. Möglicherweise ist auch im 14./15. Jahrhundert ein Neubau, auf jeden Fall tiefgreifende Umbauten durchgeführt worden.
Der Kunsthistoriker und Bauarchäologe Dirk Schumann stellt anhand neuer dendrochronologischer Untersuchungen am Dachwerk der Heiligengrabkapelle die architektonische Vorbildfunktion zumindest für die Kirche in Alt-Krüssow in Frage. Ohne das überlieferte Weihedatum 1512 zu bezweifeln, weist er darauf hin, dass die Holzdatierungen auf ein früheres Ende der Bauarbeiten in Alt-Krüssow weisen und es möglich erscheinen lassen, dass der Bau in Heiligengrabe erst mehrere Jahre danach vollendet wurde.
Das kleine freigelegte Backsteingewölbe in der Heiliggrabkapelle wird auch als Grab der Bluthostie interpretiert.
[Bearbeiten] Literatur
- Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler / Georg Dehio. Neubearb. durch die Dehio-Vereinigung. Bd. Brandenburg, bearb. von Gerhard Vinken et. al. Deutscher Kunstverlag München/Berlin, 2000. ISBN 3-422-03054-9
- Lebenswerke. Frauen im Kloster Stift zum Heiligengrabe zwischen 1847 und 1945. Hrsg. Simone Oelker, Astrid Reuter. Deutsche Stiftung Denkmalschutz – Monumente Publikationen. Bonn, 2002. ISBN 3-935208-19-7
- Dirk Schumann: Dorfkirchen zwischen Klosterarchitektur und Wallfahrtslandschaft. In: Offene Kirchen 2006. Hrsg. Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg e.V., Berlin, 2006.
[Bearbeiten] Weblinks
- Website des Klosters Stift zum Heiligengrabe
- Ausführliche Diplomarbeit über die gesamte Klosteranlage unter besonderer Berücksichtigung der Außenanlagen
- Weitere ausführliche Seiten zu Heiligengrabe
- Bilder zum Kloster aus eine Website zu Kirchen Nordbrandenburgs
- Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg