Landkreis
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Vertikale Verwaltungsstruktur Deutschlands |
Ein Kreis (in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein) oder Landkreis (in allen anderen Flächenländern) ist nach deutschem Kommunalrecht ein Gemeindeverband und eine Gebietskörperschaft. Er verwaltet sein Gebiet nach den Grundsätzen der gemeindlichen Selbstverwaltung.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Gliederung
Alle Kreise bzw. Landkreise Deutschlands untergliedern sich in mehrere (kreisangehörige) Gemeinden. Die Anzahl der Gemeinden je Kreis ist sehr unterschiedlich und reicht von 6 Gemeinden im Landkreis Ammerland (Niedersachsen) bis zu 235 Gemeinden im Eifelkreis Bitburg-Prüm (Rheinland-Pfalz). Dabei haben nicht alle Gemeinden eine eigene Verwaltung („Einheitsgemeinde“). Viele haben sich zur Erledigung ihrer Verwaltungsgeschäfte zu Verwaltungsgemeinschaften zusammengeschlossen. Diese haben je nach Bundesland unterschiedliche Bezeichnungen, Eigenschaften und Kompetenzen. Siehe hierzu den Artikel Zusammenarbeit von Gemeinden. Einzigartig in Deutschland ist die Region Hannover. In ihr sind die Gemeinden des ehemaligen Landkreises Hannover und die Stadt Hannover zusammengeschlossen. Hannover hat dabei viele Rechte als kreisfreie Stadt behalten.
[Bearbeiten] Bezeichnungen der Gemeinden
Einige kreisangehörige Gemeinden können auch besondere Bezeichnungen tragen, die sie aufgrund ihrer Geschichte oder Größe erhalten haben, Beispiele: Stadt, Markt, Flecken, Bergstadt etc. Bezeichnungen dieser Art sind verwaltungsrechtlich ohne Bedeutung. (Siehe hierzu den Artikel Gemeindearten in Deutschland).
Einige kreisangehörige Städte erhalten in verschiedenen Bundesländern auf Grund ihrer Einwohnerstärke einen verwaltungsrechtlichen Sonderstatus, der mit der Übertragung weiterer Aufgaben verbunden ist. Das geschieht von Land zu Land unterschiedlich auf Antrag oder von Amts wegen, sobald die vorgeschriebene Einwohnerzahl erreicht ist. Die Schwelle ist ebenfalls in den Bundesländern unterschiedlich festgelegt. Sie liegt in Baden-Württemberg bei 20.000, in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz bei 25.000 bzw. 60.000 Einwohnern. Diese Sonderstatusstädte bleiben zwar kreisangehörig, tragen dann aber eine besondere Bezeichnung, z. B. Mittelstadt, Große Kreisstadt, Große selbständige Stadt, Mittlere kreisangehörige Stadt oder Große kreisangehörige Stadt.
Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern (in einigen Bundesländern auch kleinere Städte) sind in den meisten Bundesländern kreisfrei, das heißt, sie gehören keinem Kreis/Landkreis an. In Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg gibt es jedoch Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern, die kreisangehörige Städte sind, z. B. Bergisch Gladbach, Hildesheim, Moers, Neuss, Paderborn, Recklinghausen, Reutlingen, Siegen, Witten.
Eine Große Kreisstadt muss nicht Sitz des Landkreises (Kreisstadt) sein. Beispiele:
- Backnang ist eine „Große Kreisstadt“ im Rems-Murr-Kreis, Sitz des Rems-Murr-Kreises ist jedoch Waiblingen, welche aber selbst ebenfalls Große Kreisstadt ist. Das heißt, auch eine Große Kreisstadt kann Sitz des Kreises sein.
- Die Große Kreisstadt Neuburg an der Donau ist Kreissitz des Landkreises Neuburg-Schrobenhausen, die Große Kreisstadt Freising ist Sitz des Landkreises Freising.
- Öhringen ist eine „Große Kreisstadt“ im Hohenlohekreis. Im Gegensatz dazu ist Künzelsau als Kreisstadt des Hohenlohekreises keine Große Kreisstadt, weil sie weniger als 20.000 Einwohner hat.
- Moers ist das extremste Beispiel. Die Stadt ist eine Großstadt und eine Große kreisangehörige Stadt im Kreis Wesel. Sitz des Kreises ist allerdings die etwa 45.000 Einwohner kleinere Große kreisangehörige Stadt Wesel. Auch die Große kreisangehörige Stadt Dinslaken, die ebenfalls im Kreis Wesel liegt, hat knapp 10.000 Einwohner mehr als Wesel.
[Bearbeiten] Aufgaben
Der Land-/Kreis und die kreisangehörigen Gemeinden stehen zueinander in einem engen partnerschaftlichen Verhältnis. Sie teilen sich die Erledigung derjenigen Aufgaben, die von einer kreisfreien Stadt allein wahrgenommen werden. Aufgrund der Einwohnerzahl und der damit verbundenen unterschiedlichen Leistungsfähigkeit erledigen größere kreisangehörige Gemeinden zusätzlich Aufgaben, die für kleinere Gemeinden der Kreis wahrnimmt. Der Kreis nimmt sich also dann einer Aufgabe an, wenn die Leistungsfähigkeit der Gemeinde nicht ausreicht oder ein finanzieller Ausgleich zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Kreis notwendig, aber auch wenn eine einheitliche Erledigung über Gemeindegrenzen hinweg erforderlich ist.
Er gewährt Leistungen nach Sozialgesetzbuch XII, organisiert den Öffentlichen Personennahverkehr, richtet Natur- und Landschaftsschutzgebiete ein und pflegt sie. Er sorgt für die Abfallbeseitigung. Er ist verantwortlich für das Rettungswesen und den Brand- und Katastrophenschutz, das Gesundheitswesen und die Lebensmittelüberwachung. Weitere Aufgaben sind die Tierseuchenbekämpfung und der Tierschutz, das Führerscheinwesen, die Kraftfahrzeug-Zulassung sowie der Bau und die Unterhaltung von Kreisstraßen. Er ist Träger der Berufsbildenden Schulen und der Sonderschulen. Der Kreis führt Vermessungen an Grundstücken, Gebäuden und in der Landesvermessung durch. In einigen Bundesländern ist er für die Führung des Liegenschaftskatasters zuständig. Für kleinere Gemeinden nimmt er die Jugendpflege, -betreuung und -erziehung wahr und ist Bauaufsichtsbehörde.
Zur Verwaltung des Land-/Kreises ist am Sitz der Gebietskörperschaft (in der „Kreisstadt“) eine Behörde (Landratsamt, Kreisverwaltung, Kreishaus etc.) eingerichtet. Hier hat der Landrat seinen Dienstsitz. Dieser nimmt neben den kommunalen Aufgaben „als verlängerter Arm des Staates“ aber auch Aufgaben als untere staatliche Verwaltungsbehörde (Organleihe) wahr. Im Fall der Vollkommunalisierung werden diese Aufgaben von Landrat und Landratsamt nicht als untere staatliche Verwaltungsbehörde sondern als übertragene Aufgabe vom Landkreis selbst ausgeführt. So führt er die allgemeine Aufsicht und die Sonderaufsicht über die kreisangehörigen Gemeinden aus. Er kann zum Beispiel auch Leiter des Schulamts und der Kreispolizeibehörde sein.
Der Deutsche Landkreistag beschreibt ausführlich die Aufgaben der Kreise.
[Bearbeiten] Geschichte
Anfangs des 19. Jahrhunderts versuchte der Preußische Staatsmann Freiherr vom Stein nach dem Modell der Städteordnung von 1808 auch im ländlichen Raum die volle Selbstverwaltung der Bürger einzuführen. Realisiert wurde sein Vorschlag erst in den achtziger Jahren, als die ersten Kreisordnungen erlassen wurden, z. B. für die preußische Provinz Westfalen 1886 und die Rheinprovinz 1887.
Im 19. Jahrhundert und bis zum I. Weltkrieg gab es in Deutschland rd. 1000 Landkreise; die Größe war so bemessen, dass der Landrat zur entferntesten Gemeinde seines Kreises am gleichen Tage mit der Pferdekutsche hin- und zurückfahren konnte und ihm dort noch genügend Zeit zur Erledigung seiner Amtsgeschäfte blieb.
[Bearbeiten] Politik
Organe des Kreises sind
- der Kreistag, die Volksvertretung des Kreises, die alle fünf (in Bayern alle sechs Jahre) gewählt wird,
- der Landrat je nach Bundesland als Vorsitzender des Kreistages bzw. des Kreisausschusses und Leiter der Kreisverwaltung und
- in einigen Ländern der Kreisausschuss.
Zur Deckung ihres Finanzbedarfs erheben die Kreise eine Kreisumlage von den kreisangehörigen Gemeinden.
[Bearbeiten] Interessenvertretung
Zur Koordination und zur politischen Interessenvertretung sind alle 323 Landkreise in 13 Landesverbänden und auf Bundesebene im Deutschen Landkreistag (DLT) zusammengeschlossen. Dieser repräsentiert 74 % der Aufgabenträger, 68 % der Bevölkerung und 96 % der Fläche Deutschlands.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Historische Liste aller Kreise (Landkreise) der Bundesrepublik Deutschland
- Kreisreformen in Deutschland bis 1949
- Kreisreformen in der Bundesrepublik Deutschland
- Liste der Landkreise in Deutschland
[Bearbeiten] Weblinks
Wiktionary: Landkreis – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen |
- Homepage des Deutschen Landkreistages mit Kreisnavigator und Listen