Mitanni
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Mitanni war der bedeutendste hurritische Staat der Geschichte. Im 15. und frühen 14. Jahrhundert v. Chr. reichte sein Gebiet vom Norden Mesopotamiens bis in den Norden Syriens. Von der Mitte des 14. Jahrhunderts bis zu seinem Ende in der Mitte des 13. Jahrhunderts umfasste er das Gebiet der Quellflüsse des Habūr.
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[Bearbeiten] Name
Die Eigenbezeichnung ist Ma-i-ta-ni (Šuttarna I. und Šauštatar), später auch Mittani, Mittannu (Ungnad) und Mittanni. Die Assyrer nennen das Land Habingalbat, Hanigalbat oder Habilgalbat. Bei den Hethitern heißt es in akkadischen Texten Chanikalbat, in hethitischsprachigen Mitanna und in den Hieroglypheninschriften (L)Mi-ta-ni. Zuweilen findet hier auch (KUR(uru)) Hurri Verwendung. In den Inschriften der Ägypter zwischen der Zeit von Thutmosis III. und Scheschonq I. findet sich mìt_n und mìtn. Außerdem verwendeten die Ägypter für den Staat Mitanni die (Landschafts-)Bezeichnung Nah(a)rina (nhr).
Zur Neo-Assyrischen Zeit, nach dem Ende Mitannis als Staatswesen, wurde der Name Hanigalbat für das Land zwischen den beiden Flüssen Chabur und Euphrat verwendet.
[Bearbeiten] Geographie
Mitanni erstreckte sich zur Zeit seiner größten Ausdehnung von Nuzi (heute bei Kirkuk im Irak) im Osten über die Nordtigrisregion und Nordsyrien bis nach Kizzuwatna (in Kleinasien) im Westen. Sein Zentrum lag im Gebiet des Chabur und dessen Quellflüssen. Hier befanden sich auch die Hauptstädte Waššukkanna (wo Sauštatar seinen Palast hatte) und Taite (die Hauptstadt der Spätzeit). Beide Städte konnten noch nicht lokalisiert werden. Im Norden grenzte Mitanni an Išuwa und Alše.
[Bearbeiten] Wirtschaft
Der fruchtbare Boden und der ausreichende Niederschlag ermöglichte sowohl Ackerbau als auch die Haltung von Rindern, Schafen und Ziegen. Auf künstlich bewässerten Feldern waren zwei Ernten im Jahr möglich. In Arrapha war der Ertrag von Weizenfeldern deutlich geringer als der von Gerstenfeldern. Zudem gab es nomadische Viehzüchter, die Getreiderationen zugeteilt bekamen.
Der Handel wurde in Arrapha über den Palast von Palastsklaven organisiert. Es ist nicht klar, inwieweit sich das auf andere Provinzen Hanigalbats übertragen lässt.
[Bearbeiten] Bevölkerung
Die Bevölkerung bestand aus Hurritern, Amoritern und Assyrern.
[Bearbeiten] Sprache
Aus Mitanni sind hurritische, akkadische und alt-anatolische Sprachzeugnisse bekannt. Es finden sich zudem einzelne indoarische Wörter. Zu letzteren gehören Personennamen, hippologische Termini, Zahlen sowie Namen von Göttern, die zum Teil auch aus dem vedischen und persischen Pantheon bekannt sind.
[Bearbeiten] Quellen
Da die Hauptstädte bisher nicht ausgegraben werden konnten, stützt sich unser Wissen über Mitanni vor allem auf ägyptische, assyrische und hethitische Quellen. Aus mitannischem Gebiet selbst liefern die Palast- und Privatarchive aus Nuzi (der Hauptstadt Arraphas), Nagar (dem jetzigen Tell Brak, der früher fälschlicherwise mit Taite identifiziert wurde) und Alalach die wichtigsten Textfunde.
[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] Vorgeschichte und Frühzeit
Schon aus dem späten 3. Jahrtausend v. Chr. sind uns hurritische Staatswesen bekannt. Vor allem zu nennen ist hier das Fürstentum Urkeš, das unter seinen Fürsten Atal-Šen im 22. Jahrhundert und Tiš-Atal im 21. Jahrhundert v. Chr. (nach der mittleren Chronologie) ein recht großes Gebiet umfasste. Ist für diese Zeit eine hurritische Bevölkerung vom Gebiet des Zagros bis zu den Habūr-Quellflüssen belegt, so sind für das 18. und 17. Jahrhundert schon zahlreiche hurritische Personennamen bis in das Orontesgebiet hinein nachgewiesen worden. Nun fanden sich im Norden Mesopotamiens hurritische Fürstentümer wie Burundum und Elahut und während sich Hurriter in Mari und Babylonien vorrangig als einfache Arbeiter oder Sklaven verdingten, waren sie in Jamchad schon in die oberen Gesellschaftsschichten aufgestiegen. Als der Hethiterkönig Hattušili I. als Strafaktion gegen die expansiven Hurriter um 1630 gen Osten zog, hatte er es noch mit den hurritischen Königen von Suda und Ilanzura zu tun. Aus der Inschrift auf der Statue des Idrimi erhalten wir jedoch um 1470 erstmalig Nachricht über den Staat Hurri/Mitanni, welcher spätestens am Ende des 16. Jahrhunderts entstanden war und sich schon jetzt von Nordmesopotamien bis an das Mittelmeer erstreckte.
Der Beginn des Staates liegt völlig im Dunkeln. Mitannis Könige trugen ausschließlich nichthurritische Herrschernamen, von denen einige eindeutig als indoarisch identifiziert worden sind. Da sie zum Teil auch auf indoarische Gottheiten schworen und in Mitanni zudem indoarische Termini für das Pferdetraining verwendet wurden, ist vermutet worden, dass sich Indoarier irgendwann an die Spitze hurritischer Fürstentümer oder Stammesverbände gesetzt hatten. Einer anderen Ansicht zufolge waren (spätere) hurritische Eliten zu einem unbekannten Zeitpunkt von indoarischem Kulturgut beeinflusst worden, wofür auch sprechen könnte, dass mindestens ein Mitanni-König (Šattiwaza) vor seiner Thronbesteigung einen hurritischen Namen trug. Mangels hinreichender Belege ist diese Frage derzeit leider nicht entscheidbar. Idrimi entstammte jedenfalls einer in Halab ansässigen Dynastie, die sich zwei oder drei Generationen vor ihm vertraglich an das junge Hurriterreich gebunden hatte – eine Vorgehensweise, die ebenso im Falle Assurs und (später) Kizzuwatnas zu beobachten ist und die vielleicht auch typisch für die Entstehung des Reiches gewesen war. Um 1500 wurden Idrimi und seine älteren Brüder vertrieben, offenbar weil sich Halab seinem mitannischen Oberherrn gegenüber nicht mehr willfährig verhielt. Nach mehrjähriger Flucht unterwarf sich Idrimi dem Mitanni-König Parrattarna. Um der Eide willen, die sich die beiden Herrscherfamilien einst geschworen hatten, wurde Idrimi mit der Provinz Mukiš und ihrer Hauptstadt Alalach ausgestattet, welche auch schon von seinen Vorvätern regiert worden war.
[Bearbeiten] Das Großkönigtum Mitanni
Eine knappe biographische Notiz von Idrimis älterem Zeitgenossen, dem Pharao Thutmosis I. (1504-1492), könnte auf eine erste Begegnung zwischen Ägypten und Mitanni im Zuge von Thutmosis’ Syrien-Kampagnen hindeuten. Seinem Enkel Thutmosis III. zufolge soll Thutmosis I. sogar eine Stele am Westufer des Euphrat aufgestellt haben. Ob die vom König von Qadeš geführte syrische Koalition, die sich Thutmosis III. (1479-1425) bei der Schlacht von Megiddo 1456 entgegenstellte, tatsächlich (wie zuweilen behauptet) von Mitanni angestiftet wurde, ist zweifelhaft. Sicher belegt ist die Konfrontation zwischen Mitanni und Ägypten erst für 1446. Nachdem Thutmosis III. mehrere Kampagnen zur Konsolidierung seiner Stellung in Südsyrien unternommen hatte, konnte er nun weiter nordwärts ziehen. Am „Wacholderhügel“, westlich von Halab, schlug er den König von Mitanni, welcher über den Euphrat floh. Auch Thutmosis III. zog nun gen Osten, brachte die Siegesstele seines Großvaters mittels in Gubla vorgefertigter Boote in der Nähe von Karkemiš auf die östliche Euphratseite, pflanzte sie dort auf und verwüstete das Land flussabwärts bis Emar. Dass er danach auf seinem Weg nach Westen in Zentralsyrien aber noch weitere Kämpfe auszufechten hatte und auch 1445 wieder nach Syrien ziehen musste, könnte auf die keineswegs entschiedene Situation im Kampf mit Mitanni hindeuten, zumal schon 1444 im syrischen Raum erneut mitannische Truppen standen. Möglicherweise war deren Niederlage nun der Grund dafür, dass sogar das nordsyrische Alalach dem Pharao „Sklaven, Kupfer, Bauholz und süße Pflanzen“ sandte. Wie unsicher die Situation für Ägypten in dieser Region aber dennoch blieb, zeigen etwas später Aufstände im Libanon und im syrischen Küstenbereich, im Zuge deren Niederschlagung auch Soldaten aus dem mitannischen Einflussgebiet gefangen genommen wurden.
Während Ägypten in südsyrischen Städten wie Ullaza oder Gubla zeitweilig Garnisonen unterhielt, wurde Nordsyrien sicherlich niemals nachhaltig durch Ägypten kontrolliert. Wir dürfen bei der Bewertung der mitannisch-ägyptischen Auseinandersetzungen nicht außer Acht lassen, dass unser Wissen angesichts der spärlichen Quellen aus Mitanni selbst im Wesentlichen auf der mit Sicherheit tendenziösen Annalistik ägyptischer Herrscher beruht. Mitanni hatte in der Mitte des 15. Jahrhunderts offenbar den gesamten nördlichen Bogen entlang des Fruchtbaren Halbmondes von Arrapcha am Unteren Zāb im Osten bis in die nördliche Levanteregion im Westen an sich gebunden. Auch die nordsyrische Küstenstadt Ugarit war vorübergehend mitannisch, wurde aber meistenteils von Ägypten kontrolliert. Der Einfluss Ägyptens reichte allerdings aufgrund des Einsatzes seiner Flotte in der Küstenregion weiter nach Norden als im Landesinneren. Im Norden Mesopotamiens waren die hurritischen Länder Išuwa und Alše im Quellgebiet des Tigris zeitweilig in mitannischer Hand. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts löste sich Kizzuwatna vom Hethiterreich und verband sich mit Mitanni. Aber schon im selben Zeitraum wurde der Ehrgeiz der künftigen Erben des Mitanni-Reiches spürbar. Zum einen bot sich das Hethiterreich dem Pharao mittels Geschenken als Koalitionär an und war vorübergehend in der Lage, Halab an sich zu binden. Zum anderen machte sich das Mitanni untertänige Assur selbständig und erneuerte seine Verbindungen mit Babylon, was eine Wiedereinnahme und Plünderung der Stadt durch den Mitanni-König Šauštatar nach sich zog.
Thutmosis’ III. Sohn Amenophis II. (1427-1401) sah sich zu Beginn seiner Regierung noch zu mehreren Expeditionen nach Syrien genötigt. Es ist jedoch ein Zeichen der Ausgeglichenheit des Kräfteverhältnisses zwischen Mitanni und Ägypten, dass er später mit dem Hurriterstaat diplomatische Beziehungen aufnahm, die zunächst zwar noch von Waffengeklirr begleitet waren, allmählich aber doch zu einer dauerhaften Aussöhnung führten. Amenophis’ Sohn, Enkel und Urenkel nahmen mitannische Prinzessinnen in ihre Harems auf. Ein besonderer Verbundenheitsbeweis war die zweimalige Versendung der heilkräftigen Šawuška-Statue von Ninive durch die Mitanni-Könige Šuttarna II. und Tušratta an ihren kranken „Bruder“ Amenophis III. (1391-1353). In Amarna sind viele Zeugnisse eines regen Austausches von Briefen und Geschenken zwischen Theben und Waššukanni geborgen worden. So schreibt Tušratta: „Wir sind einander einig, und das hurritische Land und das ägyptische Land sind wie ein einziges Land einig. Ich bin wie der Herr des ägyptischen Landes, und mein Bruder ist wie der Herr des hurritischen Landes.“ In diesen Worten schwingt aber auch schon Tušrattas Wunsch mit, sich zur Bewältigung neuer Probleme an die Stärke des Pharao anzulehnen.
Bis in die ersten beiden Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts war Mitanni ein recht stabiler Machtfaktor im Vorderen Orient. Nach der Ermordung Atrašumaras durch einen wahrscheinlich dynastiefremden Usurpator entbrannte ein Kampf zwischen Atrašumaras Brüdern um den Thron: Tušratta entledigte sich des Usurpators und riss die Herrschaft an sich, während ein weiterer Prätendent, Artatama II., sowohl im Hethiterreich als auch in Assur um Unterstützung seiner Ansprüche warb. Die daher zu befürchtende Unzuverlässigkeit Mitannis wird wohl Šunaššura von Kizzuwatna veranlasst haben, sich unter Berufung auf ein älteres Abkommen dem Mitanni-Reich ab- und dem Hethiterreich zuzuwenden. Zudem besetzte Babylon Teile Arrapchas und Aššur-Uballit I. von Assur schüttelte das mitannische Joch ab. Dem Pharao Amenophis III. gegenüber beanspruchte Aššur-Uballit Gleichrangigkeit mit Tušratta von Mitanni. Der Feldzug, den er in Koalition mit dem König von Alše um 1330 zur Durchsetzung der Thronansprüche Artatamas II. und dessen Sohnes Šuttarna III. bis in die nördliche Euphratregion hinein unternahm, gilt als erste Manifestation der Macht des jungen mittelassyrischen Reiches. Šuttarna III. musste als Gegenleistung unter anderem Mitannis Kronschatz an Assur ausliefern. Die darauf folgende erfolgreiche Kampagne des Hethiterkönigs Šuppiluliuma I. zur Unterstützung des Thronanwärters Šattiwaza, einem Sohn Tušrattas, wird hingegen als der erste Höhepunkt des Hethitischen Großreiches betrachtet. Das ehemalige Reich Mitanni zerfiel somit im Wesentlichen in das Kernland des Mittelassyrischen Reiches, einige neu entstandene hethitische Provinzen westlich des Balīh sowie – dazwischen gelegen – das Königreich, das von den Hethitern Mitanna genannt wurde.
[Bearbeiten] Mitanna/Hanigalbat zwischen Hatti und Assur
Šattiwaza, Nachfahre der Mitanni-Herrscher und nun erster König Mitannas von hethitischen Gnaden, musste die Suzeränität des Hethiterkönigs anerkennen und obwohl Šuppiluliuma I. noch verkündete, „das tote Land wiederherstellen“ zu wollen, ist die nun folgende Geschichte gekennzeichnet vom Ringen der beiden neuen Großmächte um eine Provinz, die bei den Hethitern Mitanna und bei den Assyrern Hanigalbat hieß. Die Schwäche der unmittelbaren Nachfolger Aššur-Uballits und die hethitische Rückendeckung ermutigte die Könige von Mitanna zu Aggressionen gegen Assyrien, auf die Adad-Nērārī I. von Assur (1307-1274) mit einer Invasion in das Habūr-Gebiet reagierte. Šattuara I. von Mitanna wurde nach Assur gebracht und musste dort seine Unterwerfung unter die assyrische Oberhoheit beeiden. Šattuaras Sohn Wasašatta rebellierte jedoch erneut. Die Hethiter waren wahrscheinlich aufgrund ihrer Auseinandersetzungen mit Ägypten, die 1285 in der Schlacht bei Qadeš kulminierten, außerstande, dem Hilferuf des Wasašatta von Mitanna zu entsprechen, als Adad-Nērārī das Land erneut angriff. Nun okkupierte der Assyrerkönig mitannisches Gebiet jedoch dauerhaft, errichtete in Mitannas Hauptstadt Taite einen eigenen Palast und verschleppte die Angehörigen des Königs nach Assur.
Was nach der (wohl nur teilweisen) Einverleibung Hanigalbats durch Adad-Nērārī geschah, ist sehr umstritten. Wahrscheinlich floh der mitannische König bei Adad-Nērārīs zweitem Angriff samt seiner Hausmacht in ein Gebiet jenseits der neuen assyrischen Grenzen (vielleicht in die Region des Tur Abdin oder nördlich davon) und regierte dort entweder einen Reststaat oder kam in einem verbündeten Fürstentum unter. Der Hethiterkönig Hattušili III. konnte sich wieder seinem östlichen Alliierten, dem König von Mitanna, widmen, nachdem er sich mittels seines berühmten Friedensabkommens mit Ramses II. den Rücken im Westen frei gemacht hatte. Er formte eine Koalition, an der sich außer Šattuara II., der neue König von Mitanna, nun auch aus dem Westen eingewanderte Aramäerstämme beteiligten, die dem Assyrerreich von nun an für viele Jahrzehnte zu schaffen machen sollten. Im Jahre 1267 kam es zu einem Zusammenstoß zwischen Adad-Nērārīs Sohn Salmanassar I. (1273-1244) und dieser Koalition.
Auch die Frage, ob dem Hurriterstaat hierbei (wie eine Inschrift Salmanassars suggeriert) endgültig der Todesstoß versetzt wurde, ist von Historikern äußerst unterschiedlich beurteilt worden. Fest steht, dass Šattuara II. in dieser Region der letzte quellenmäßig belegte Fürst mit einem indoarischen Herrschernamen war. Zudem ist von keinem der hurritischen Herrscher, die Salmanassar I. und seinem Nachfolger Tukultī-Ninurta I. (1243-1207) auch in der Folge noch zusetzen sollten, bekannt, dass er für sich den Titel „König von Mitanni/Hanigalbat“ beansprucht hätte. Ein großer Teil Hanigalbats war während der Herrschaft dieser beiden Königen sicherlich fest in assyrischer Hand. Assyrische Truppen patrouillierten hier und assyrisches Recht wurde hier eingeführt. Hurriter wurden systematisch aus der Verwaltung ausgeschlossen, sogar hurritische Tempel unterstanden Assyrern. Salmanassar I. begann in dieser Region mit einer Umsiedlungspolitik, die unter Tukultī-Ninurta I. im Zuge seiner Eroberungszüge, die ihn auch in hurritische Länder wie Alše, Kašiari (Tur Abdin) und Šubaru führten, zu einer regelrechten Deportationspolitik ausgebaut wurde. Das alles spiegelt vor allem wider, wie sehr die Assyrier die Wiedererrichtung eines starken Hurriterreiches durch neu aufflammende, von den Hethitern unterstützte Aufstände fürchteten. Und in der Tat mehren sich am Ende von Tukultī-Ninurtas Regentschaft die Anzeichen für Spannungen zwischen Hatti und Assur merklich. Im Herzen Hanigalbats lieferten sich schließlich der Hethiterkönig (wohl Tuthalija IV.) und der Assyrerkönig eine Schlacht. Tuthalija, der von seinem hurritischen Verbündeten, dem König von Išuwa, im Stich gelassen worden war, musste geschlagen abziehen. Tukultī-Ninurta hatte nun ein Reich geschaffen, das von Babylonien bis in die Naīri-Gebiete reichte. Die Deportierten (darunter viele Hurriter) setzte er sowohl zur Bestellung königlicher Güter als auch für den Bau seiner aus dem Boden gestampften neuen Kapitale Kār-Tukultī-Ninurta ein. Doch schien er am Ende seines Lebens bereits gespürt zu haben, dass seine gewaltsam errichtete Ordnung keine Dauer haben würde, wenn er seinen Gott Assur mit folgenden Worten anruft: „Ein böser Kreis hat (Deine) Länder und Deine Stadt umzingelt, Gott Assur(!) … Arglistig hat man sich verabredet, Dein Land Assyrien zu plündern. Sämtliche Länder wünschen die Zerstörung Deiner Wunder; Tag (und Nacht) eifern sie, Deine Städte im Norden wie im Süden zu vernichten…“
Darauf, dass Hanigalbat unter Salmanassar I. vielleicht nicht gänzlich in das Assyrerreich inkorporiert wurde, könnte die Tatsache hindeuten, dass das von ihm eroberte Gebiet des Tur Abdin, das ein integraler Bestandteil Mitannis gewesen war, auch wieder Gegenstand von Tukultī-Ninurtas Kampagnen wurde. Außerdem wird in einem Textfragment aus Ninive ein gewisser Atal-Teššub (offensichtlich ein hurritischer Name!) um 1200 als „König von Hanigalbat“ bezeichnet, was eventuell auch die unsichere Situation in Assyrien nach dem Tode Enlīl-Kūdur-Ušurs (1196-1192) widerspiegeln könnte. Die Assyrerkönige Adad-Nērārī II. (911-891), Tukultī-Ninurta II. (890-884) und Aššur-Nāsirpal II. (883-859) unternahmen dann wieder Eroberungszüge in dieses Land. Jedoch verschob sich das ethnographische Gewicht schon am Ende des 2. Jahrtausends (vielleicht auch durch die Deportationspolitik Tukultī-Ninurtas I. begünstigt) zunehmend zugunsten der Aramäer. Der Name „Hanigalbat“ wurde hingegen noch lange als Bezeichnung für eine geographische Landschaft verwendet.
[Bearbeiten] Könige von Mitanni
Die folgenden Jahreszahlen sind auf der mittleren Chronologie beruhende Schätzungen.
- Kirta (kann chronologisch nicht eingeordnet werden)
- Šuttarna I. (kann chronologisch nicht eingeordnet werden)
- Parrattarna I., P/Barat(t)ama 1500 v. Chr. - 1470 v. Chr.
- Parša(ta)tar (möglicherweise identisch mit Parrattarna I.) 1470 v. Chr. - 1450 v. Chr.
- Sauštatar (Sohn des Parša(ta)tar) 1450 v. Chr. - 1410 v. Chr.
- Artatama I. 1410 v. Chr. - 1400 v. Chr.
- Šuttarna II. 1400 v. Chr. - 1385 v. Chr.
- Artaššumara 1385 v. Chr. - 1380 v. Chr.
- Tušratta 1380 v. Chr. - 1350 v. Chr.
- Šattiwaza oder Mattiwaza, Sohn des Tušratta 1350 v. Chr. - 1320 v. Chr.
- Šattuara I. 1320 v. Chr. - 1300 v. Chr.
- Wasašatta, Sohn des Šattuara 1300 v. Chr. - 1280 v. Chr.
- Šattuara II., Sohn oder Neffe des Wasašatta 1280 v. Chr. - 1267 v. Chr., wurde von Salmanassar I. besiegt.
[Bearbeiten] Pferdezucht
Mitanni war berühmt für seine Pferdezucht und den militärischen Einsatz von Streitwagen. (Siehe auch: die Anweisungen des Kikkuli zu Pferdehaltung und -training)
[Bearbeiten] Verwaltung
Die einzelnen Städte wurden gewöhnlich von Verwandten des Königs verwaltet, daneben gab es aber auch eine Versammlung der Ältesten (Senat). Der Palast sowie die großen Tempel besassen eigenes Land, Viehherden und Obstgärten. Das Land wurde von abhängigen Bauern, taluhi, bearbeitet. Außerdem mussten auch freie Bauern einen Teil ihrer Arbeitskraft in den Dienst des Palastes stellen (ILKU). Der Palastwirtschaft stand der ŠAKIN BITI vor. Den Marijanni (rākib narkabti) , den Streitwagenfahrern, wurde Land zugewiesen, mit dem sie ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten und das sie oft mit Hilfe von Sklaven bebauten. Der Titel Marijannu wurde teilweise erblich, Texte aus Alalaḫ erwähnen Marijanni-na, die keine Streitwagen besitzen, im Arrapha verloren diese aber ihr Land, wenn sie keine Streitwagen stellen konnten. Vom König zugeteiltes Land ("Kronland") konnte nur vererbt, aber nicht verkauft werden, in Arrapha umging man diese Regel aber oft durch Adoption. Einige Marijanni-na wurden so zu Großgrundbesitzern. Die Bauern und Handwerker waren in Familien (BITU) organisiert, die sowohl wirtschaftliche wie religiöse Einheiten waren.
[Bearbeiten] Religion
König Tušratta nennt in seinen Briefen an den ägyptischen Pharao regelmäßig den Wettergott Tešub, die Göttin Šauška/Inanna, deren Götterbild er dem kranken Pharao gesendet hat, Šimigi, Sonnengott, und Eyašarri, der identisch ist mit dem akkadischen Gott Ea. Im Vertrag seines Sohnes Šatiwaza werden neben hurritischen und akkadischen Gottheiten auch die Götter dmi-it-ra-aš, da-ru-na/ú-ru-ua-na, din-da-ra und dna-ša-at-ti-ia-an-na genannt, die den rigvedischen Göttern Mitra, Indra, Varun̩a und den beiden Nāsatyā entsprechen. Das Pantheon der Mitanni ist eine Mischreligion verschiedener vorderasiatischer Völker. Ob die genannten Indischen Gottheiten eine grosse Rolle im Kult spielten, darf bezweifelt werden.
[Bearbeiten] Glyptik
Von Sauštatar (um 1440) ist das königliche Siegel bekannt. Es zeigt einen geflügelten Genius mit einfacher Hörnerkrone, der zwei Löwen an den Hinterbeinen hochhält, im Hintergrund weitere tierbezwingende Figuren, u.a. eine Frau mit einer Schlange. Am oberen Rand sitzen zwei Löwen mit erhobener Tatze und einem Vogel auf dem Rücken unter einem Lebensbaum, der von einem Stern gekrönt wird. Ein Siegelabdruck aus dem Amarna-Archiv ist in Register gegliedert und gehört vermutlich zu Tušratta. Es zeigt u.a. eine Adorationszene sowie einen geflügelten Genius mit verschlungenen Beinen.
[Bearbeiten] Literatur
- Eva Cancik-Kirschbaum, "Konfrontation und Koexistenz. Hattuša und die nordmesopotamischen Staaten Mittanni und Assyrien." In: Ausstellungskatalog Die Hethiter und ihr Reich. Das Volk der 1000 Götter., Konrad Theiss, Stuttgart, 2002, ISBN 3-8062-1676-2, 282-287.
- Erich Ebeling, Bruno Meissner u. a. (Hrsg.): Reallexikon der Assyriologie (und vorderasiatischen Archäologie). Berlin, Leipzig 1932-2005 (bisher 10 Bde.)
- E. Gaal, "The economic role of Hanilgalbat at the beginning of the Neo-Assyrian expansion." In: Hans-Jörg Nissen/Johannes Renger (eds.), Mesopotamien und seine Nachbarn. Politische und kulturelle Wechselbeziehungen im Alten Orient vom 4. bis 1. Jahrtausend v. Chr. Berliner Beiträge zum Vorderen Orient 1. Reimer, Berlin, 1982, ISBN 3496007109, 349-354.
- Amir Harrak, "Assyria and Hanilgalbat. A historical reconstruction of the bilateral relations from the middle of the 14th to the end of the 12 centuries BC." Studien zur Orientalistik. Georg Olms, Hildesheim, 1987, ISBN 3487079488.
- Horst Klengel: Syria: 3000 to 300 B.C. A Handbook of Political History. Berlin 1992
- C. Kühne, "Politische Szenerie und internationale Beziehungen Vorderasiens um die Mitte des 2. Jahrtausends vor Chr. (zugleich ein Konzept der Kurzchronologie). Mit einer Zeittafel." In: Hans-Jörg Nissen/Johannes Renger (eds.), Mesopotamien und seine Nachbarn. Politische und kulturelle Wechselbeziehungen im Alten Orient vom 4. bis 1. Jahrtausend v. Chr. Berliner Beiträge zum Vorderen Orient 1. Reimer, Berlin, 1982, ISBN 3496007109, 203-264.
- N. Özgüç, Seals and seal-impressions of the level Ib from Karum-Kanish (Ankara 1968).
- E. Porada, Seal impressions of Nuzi. Annual American School Oriental research 24, 1947.
- R. F. S. Starr, Nuzi (London 1938).
- Thieme, P. , The 'Aryan Gods' of the Mitanni Treaties, Journal of the American Oriental Society 80, 301-317 (1960)
- Weidner, "Assyrien und Hanilgalbat". Ugaritica 6 (1969)
- Gernot Wilhelm, Notes in the Mittani Letter. Nuzi 9, 1998, 181 ff.
- Yak Yakar, Ethnoarchaeology of Anatolia : rural socio-economy in the Bronze and Iron Ages (Jerusalem).