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Niederländisch-deutsche Fußballrivalität

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Rivalität zwischen der niederländischen und der deutschen Fußballnationalmannschaft ist für beide Mannschaften die jeweils wichtigste Rivalität im internationalen Fußball. Beide Mannschaften gehören zu den besten Mannschaften der Welt; die besondere Rivalität hat sowohl historische Gründe außerhalb des Fußballs als auch eine dreißigjährige bewegte Geschichte auf dem Fußballplatz.

Während die Niederländer vor allem ihre moralische Überlegenheit ebenso wie ihren technisch schöneren Fußball gegen den größeren Nachbarn halten, empfinden die Deutschen eine unbegründete Arroganz der Niederländer, die sich immer wieder in äußerst unsportlichem Verhalten äußert. In ihrer gesamten Geschichte spielten beide Teams bisher 37 Partien gegeneinander; dabei gab es dreizehn Siege der deutschen Mannschaft, zehn der niederländischen Mannschaft und 14 Unentschieden.

Kontrahenten: Die deutsche...
Kontrahenten: Die deutsche...
... und die niederländische Mannschaft
... und die niederländische Mannschaft

Obwohl die zugrundeliegenden Gefühle bis zum Zweiten Weltkrieg zurückreichen, in dem Deutschland die Niederlande besetzte, etablierte sich die Rivalität erst bei der WM 1974 in Deutschland. Die durchaus unruhige Zeit vorher erlebte Bram Appel, der als Kriegsgefangener 1943 bis 1945 für Hertha BSC spielte und daraufhin vom niederländischen Fußballverband wegen Kollaboration mit dem Feind bis 1947 gesperrt wurde, sowie Frans de Munck, der 1950 unter großen Anfeindungen in der Heimat zum 1.FC Köln wechselte.

1974 besiegte Deutschland die Niederlande im Finale. Die Niederlande, die nach 1945 fußballerisch lange in der Bedeutungslosigkeit schmachteten, hatten sich 1974 erstmal seit den 1930ern für eine WM-Endrunde qualifiziert. Das Team um Johan Cruyff war durch Rinus Michels' "totalen Fußball geprägt. Es begann als Turnierfavorit und spielte auch dementsprechend. Die deutschen Gastgeber hatten die WM hingegen nur mit mäßigen Spielen, darunter einer Niederlage gegen die DDR begonnen, und galten als Außenseiter. Im Finale selbst retteten die deutschen ihre 2:1-Führung über die zweite Halbzeit gegen Anstürmende aber erfolglose Niederländer. Viele Niederländer empfanden die Niederlage als zweite Schmach nach der Besetzung, nachträglich oft als "Mutter aller Niederlagen" bezeichnet.[1] Explizit feindliche Gefühle gab es im Moment des Spiels aber noch kaum; der niederländische Spieler Wim van Hanegem weigerte sich mit der Begründung, er möge keine Deutschen, das Abschlussbankett zu besuchen. Sein Vater war, sein Bruder und mehrere Angehörige waren im Zweiten Weltkrieg getöten wurden, er selbst sagte vor dem Turnier: "Der Hass, er war immer da. Er hat Hintergründe, die jeder kennt und die noch nicht vergangen sind. Ich würde es bis an mein Lebensende nicht verwinden, wenn wir es nicht schafften, zu verhindern, dass sie später grölen könnten, sie seien Weltmeister – und wir nicht." [2] Er war dabei aber eine Ausnahme im niederländischen Team: Franz Beckenbauer und Johan Cruyff waren persönlich befreundet, Johnny Rep und Paul Breitner wehrten sich gemeinsam gegen das Fifa-Verbot des Trikottauschs, indem sie beim Abschlussbankett Jackett und Krawatte tauschten.

WM-Finale 1974:
7. Juli 1974 BR Deutschland - Niederlande 2:1 (2:1) - München, Olympiastadion, 75.200 Zuschauer
Torschützen: 0:1 Neeskens (2.), 1:1 Breitner (26.), 2:1 Müller (43.)
Gelbe Karten: Vogts (4.), van Hanegem (22.), Neeskens (39.), Cruyff (45., auf dem Weg in die Halbzeitpause).
Deutschland: Maier - Vogts, Beckenbauer, Schwarzenbeck, Breitner - Bonhof, Hoeneß, Overath - Grabowski, G. Müller, Hölzenbein
Niederlande: Jongbloed - Suurbier, Rijsbergen (ab 68. de Jong), Haan, Krol - Jansen, Neeskens, Van Hanegem - Rep, Cruyff, Rensenbrink (ab 46. R. van de Kerkhof)

War vorher noch Belgien der wichtigste Gegner gewesen, entwickelte sich in der Folge Deutschland zum Hauptrivalen der Niederlande, die Spiele der Teams gegeneinander wurden zunehmend emotionaler. Bei der WM 1978 kam es beinahe zu einer Schlägerei zwischen Bernd Hölzenbein und Dick Nanninga, als Nanninga Hölzenbein in den Magen boxte, woraufhin Hölzenbein Nanninga an der Nase packte. Das offizielle Turnierbuch der EM 1980 bemerkte eine „seltsame Rivalität“ zwischen Deutschland und den Niederlanden, Karl-Heinz Rummenigge beschwerte sich über eine harte Spielweise der Niederländer, die mehr als einmal über das zulässige hinausginge. Unter anderem versetzte Johnny Rep dem deutschen Torhüter Toni Schumacher einen Tritt in den Magen als beide nach eine Flanke erreichen wollten.

Erfolgreich Revanche für das 74er-Finale nahmen die Niederländer bei der EM 1988, wiederum in Deutschland, als die Niederländer Deutschland mit einem 2:1 in der 89. Minute im Halbfinale besiegten und später Europameister wurden. Nach dem Spiel feierten geschätzt neun Millionen der damals 15 Millionen Niederländer den Sieg auf der Straße.[3], wobei sie unter anderem "1940 kamen sie//1988 kamen wir//Holadije, holadio" sangen.[4] Sah es kurz danach aus, als hätten die Niederländer Frieden geschlossen, so zumindest Coach Rinus Michels, flammten die Emotionen sofort wieder auf, als Ronald Koeman zugab, sich nach dem Deutschland-Spiel mit dem Trikot Olaf Thons den Hintern abgewischt zu haben, was auch den Deutschen die intensive Abneigung der Niederländer deutlich machte. Marco van Basten sprach zum EM-Sieg von einem "wunderbaren Gefühl, besonders weil wir auf dem Weg ins Finale diese widerwärtigen Deutschen rausgeworfen haben"[5]. Nachdem die Rivalität vorher eine vor allem von den Niederländern gepflegte Angelegenheit war, entwickelte sich nach 1988 zu einer beiderseits gepflegten Haltung.

EM-Halbfinale 1988:
21. Juni 1988 BR Deutschland - Niederlande 1:2 (0:0) - Hamburg, Volksparkstadion, 61.330 Zuschauer
Torschützen: 1:0 Matthäus (55.), 1:1 Koeman (74., Foulelfmeter), 1:2 van Basten (89.)
Gelbe Karten: van Breukelen
Deutschland: Immel - Herget (ab 45. Hans Pflügler, Brehme, Kohler, Borowka - Matthäus, Thon, Rolff, Mill (ab. 85. Littbarski - Klinsmann, Völler
Niederlande: van Breukelen - van Aerle, R. Koeman, Rijkaard, van Tiggelen - Vanenburg, Wouters, E. Koeman (ab 89. Suvrijn - Mühren (ab 59. Kieft, Gullit, van Basten

1989 versuchten die beiden Fußballverbände die Wogen zu glätten, indem sie das Qualifikationsspiel zur WM 1990 als "Fan-Freundschaftsspiel" deklarierten. Zu dem Spiel rückten die beiden damals sehr akiven Hooligan-Szenen beider Länder an. In der Stadt Rotterdam kam es zu stundenlangen Ausschreitungen samt einiger Schwerverletzter. Im Rotterdamer Feijenoord Stadion verglich ein Transparent den deutschen Spieler Lothar Matthäus mit Adolf Hitler. Das Spiel selbst endete friedlich 1:1.

Ein besonders denkwürdiges Spiel fand im Achtelfinale der WM 1990 statt: Vor dem deutschen Sieg gab es den berühmten Spuck-Zwischenfall zwischen Frank Rijkaard und Rudi Völler[6], der zu medial intensiv berichteten Schlägereien an der Grenze führte. Der von Problemen in Team und mit seiner Frau gefrustete Rijkaard spuckte Völler dreimal ins Gesicht; beide flogen vom Platz, Rijkaard entschuldigte sich später bei Völler. Das Spiel gewannen die Deutschen, die sich gegen den großen Rivalen nun auch in moralischer Hinsicht durch die Herausstellung Völlers überlegen sahen, nicht zuletzt dank der wohl besten Leistung Jürgen Klinsmanns mit 2:1.

WM-Achtelfinale 1990:
24. Juni 1990 Deutschland - Niederlande 2:1 (0:0) - Mailand, Giuseppe-Meazza-Stadion, 74.559 Zuschauer
Torschützen: 1:0 Klinsmann (50.), 2:0 Brehme (84.), 2:1 Koeman (88., Elfmeter)
Gelbe Karten: Völler - Rijkaard, Wouters, van Basten
Rote Karten: Völler - Rijkaard
Deutschland: Illgner - Augenthaler, Berthold, Kohler - Reuter, Littbarski, Matthäus, Buchwald, Brehme - Völler, Klinsmann
Niederlande: van Breukelen - van Aerle, R. Koeman, Rijkaard, van Tiggelen - van 't Schip, Wouters, Winter, Witschge - Gullit, van Basten
Bekannte Protagonisten: Lothar Matthäus (D) und...
Bekannte Protagonisten: Lothar Matthäus (D) und...
...Frank Rijkaard (NL)
...Frank Rijkaard (NL)

Einen Höhepunkt außerhalb des Stadions erreichte die Rivalität 1993. Erst wurde in Deutschland eine Umfrage bekannt, die zeigte, welch negatives Deutschlandbild niederländische Jugendliche haben. Sie setzte sich fort, als Lothar Matthäus auf dem Oktoberfest einen Niederländer mit „Ach, auch noch Holländer, das sind sowieso alles Arschlöcher, und du bist wohl vergessen worden vom Adolf“[7] beleidigte.

Nach der intensiven Rivalität Anfang der 1990er ist ein niederländisch-deutsches Spiel immer noch wichtig, hat aber an intensiver Rivalität verloren. Als Lothar Matthäus 2000 ausgerechnet in Amsterdam sein 144. Länderspiel spielte und damit einen Weltrekord aufstellte, überreichten ihm die Niederländer einen Blumenstrauß. Matthäus, der jahrelang in den Niederlanden der Prototyp des widerwärtigen Deutschen gewesen war, erhielt dabei deutlich mehr Applaus als Buh-Rufe. Zur WM 2002, für die sich die Niederlande nicht qualifizierten, war „Ohne Holland fahr’n wir zur WM“ einer der häufigsten Slogans in deutschen Stadien, wie die Website ihrseidnichtdabei.de populär wurde. Die Rivalität selber wird aber mittlerweile auch mit Ironie gesehen - so zum Beispiel bei einem Werbespot für die WM 2006, bei dem sich Michael Ballack und Oliver Kahn sagen, sie müssten noch zu den Niederländern.

[Bearbeiten] Anmerkungen

  1. van Houtum, van Dam:244
  2. Kuper 2004
  3. van Houtum, van Dam 2002:243
  4. Kuper 2004
  5. Kuper 2004
  6. “Cheeseheads vs Krauts”: 30 Years of Enmity, Ajax-USA.com, 14. Juni 2004
  7. Der Spiegel No. 42 v. 18.10.1993 S. 322 zit. n. Schiweck: 5

[Bearbeiten] Literatur

  • Ulrich Hesse-Lichtenberger: "Tor! The Story of German Football." WSC Books 2003. ISBN 095401345X
  • Henk van Houtum und Frank van Dam: Topophilia or Topoporno? Patriotic Place Attachment in International Football Derbies In: International Social Science Review, Vol. 3(2) 2002: 231-248
  • Ingo Schiweck: "Kicken beim Feind? - Der ganz alltägliche Friede hinter dem deutsch-niederländischen Fußballkrieg." Düsseldorf 2006, MaveriX. ISBN 978-3-9810957-4-6
  • David Winner: Brilliant Orange.

[Bearbeiten] Weblinks

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