Pax Americana
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Die Pax Americana (lat. amerikanischer Friede) ist ein an überkommene historische Friedensordnungen angelehntes politisches Schlagwort, mit dem plakativ auf eine Weltanschauung und ein Konzept der weltpolitischen Dominanz in der heutigen Zeit angespielt werden soll. Die Begriffe 'Pax Americana' und 'Pax Sovietica' werden u.a. in der wissenschaftlichen Literatur verwendet, um die antagonistischen Lager des Kalten Krieges nach dem Zweiten Weltkrieg und deren Einflusssphäre zu charakterisieren (z.B. Wilfried Loth). Dabei war und ist strittig, inwieweit damit gfs. vorgenommene Vergleiche und Gleichsetzungen plausibel bzw. zulässig sind. Nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Untergang der früheren Sowjetunion soll mit dem Begriff der 'Pax Americana' vor allem der amerikanische Gestaltungsanspruch hinsichtlich der Weltordnung zum Ausdruck gebracht werden ("Pax Americana - The New World Order").
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[Bearbeiten] Vorbilder: Pax Romana und Pax Britannica
Die Idee ist - in Anlehnung an die Pax Romana (Pax Augusta; "Kaiserfrieden") des alten Rom und die Pax Britannica im elisabethanischen Zeitalter der Seeherrschaft Englands - die Welt oder zumindest die westliche Welt mit Hilfe der Ideen und Konzepte des freien Handels, der christlichen Religion und einer Ethik der Freiheit nach amerikanischem und - allerdings unter Vorbehalt - europäischem Verständnis zu organisieren und zu regieren. Wer sich wirtschaftlich betätigen will, solle sich möglichst von keiner staatlichen und weltanschaulichen Einflussnahme in seinem Handeln Schranken setzen lassen. Staatlicher Einfluss ist gemäß dem Konzept der Pax Americana auf ein Minimum zu reduzieren, solange es um die freie Entfaltung wirtschaftlicher Kräfte geht.
[Bearbeiten] "Wohlwollende Hegemonie" oder Imperialismus?
Die Dominanz des "Westens" auf dem Planeten und die Freiheit wirtschaftlichen Handelns sollen gesichert und ausgebaut werden, unter Vorherrschaft der USA. Organisationen und Staaten, die diese Vormachtstellung und ihre Träger angreifen, müssen mit der Anwendung institutionalisierter Macht und gegebenenfalls militärischer Gewalt rechnen. Das dahinterstehende Konzept ist das der Befriedung durch überwältigende (wissenschaftliche, wirtschaftliche und technologische) Überlegenheit. Seine Verfechter sprechen von einer "wohlwollenden Hegemonie" der Vereinigten Staaten (Thomas Donnelly), die an die Stelle des in ihren Augen gescheiterten Völkerrechts und seiner Institutionen - etwa der Vereinten Nationen - treten soll. Sie erklären die amerikanischen Werte für universell und fordern die "unipolare Welt" des "democratic capitalism".
Diese Haltung stößt insbesondere in der muslimischen Welt auf große Skepsis und Widerstände (siehe Kampf der Kulturen): Im Westen als selbstverständlich angesehene Werte gelten dort vielfach als Ausdruck von Schwäche oder Dekadenz, etwa die Gleichberechtigung von Frau und Mann, die Trennung von Staat und Kirche, die Freiheit der Wissenschaft oder die sexuelle Emanzipation. Dort erkennt man in den Befürwortern der Pax americana vielfach neue Kreuzfahrer. Aber auch in westlichen Gesellschaften und besonders in der so genannten Dritten Welt sind bei weitem nicht alle Menschen mit der so empfundenen Amerikanisierung der Welt einverstanden: Mit der Dominanz wirtschaftlicher Werte über geistige und seelische, mit der Dominanz des Eigennutzes, dem damit verbundenen Rückgang von Solidarität mit den Schwachen, mit der Fokussierung auf das diesseitige Glück in der Welt gemäß dem Pursuit of Happiness, dass jeder Mensch das Recht habe, für sein irdisches Glück zu kämpfen (s. auch American Way of Life). Auch in den christlichen Kirchen (zumindest außerhalb der USA), ganz prominent natürlich in der katholischen, stößt dieser materialistisch und machtpolitisch gründende Entwurf einer globalen Gesellschafts- und Friedensordnung auf massive Vorbehalte. Die Befürworter schreiben hingegen der Pax Americana eine solche Anziehungskraft zu, dass sie sie für die einzig denkbare und realistische künftige Neue Weltordnung halten.
In der Diskussion wird das Schlagwort - von den Gegnern der dahinterstehenden Konzeptionen bisweilen durchaus auch pejorativ oder gar parodistisch, von den Verfechtern eher euphemistisch - als Synonym für einen neuen US-amerikanischen Unilateralismus und (Neo-)Imperialismus gebraucht. Besonders in der Folge der Anschläge vom 11. September 2001 tauchte es - inspiriert durch US-amerikanische Think-Tanks - vermehrt in der politischen Auseinandersetzung auf.
[Bearbeiten] Zitate
- In der Ausübung unserer Führerschaft werden wir die Werte, Entscheidungen und Interessen unserer Freunde und Partner respektieren. Aber wir sind bereit, allein zu handeln, wenn es unsere eigenen Interessen und unsere einzigartigen Verantwortungen erfordern. (Aus der Studie zur National Security Strategy der USA)
[Bearbeiten] Siehe auch
Bush-Doktrin, Bush-Regierung, Neokonservatismus in den USA, Der Krieg der USA gegen den Terrorismus, Project for the New American Century, Globalisierung, Global Governance, Weltmacht, The Great Game, Seidenstraßenstrategie, National Space Policy
[Bearbeiten] Literatur
- Doug Bandow: Foreign Follies: America's New Global Empire. - Taschenbuch. - Xulon Press, Oktober 2006. - ISBN 1-59781-988-3 (10); ISBN 978-1597819886 (13); vgl. Doug Bandow, America's budget black hole ("Japan Times", 3. März 2007 - über die Militärausgaben der USA; Doug Bandow war "Special Assistant" des US-Präsidenten Ronald Reagan)
- Peter Scholl-Latour: Koloß auf tönernen Füßen. Amerikas Spagat zwischen Nordkorea und Irak. Berlin: Ullstein, November 2006. - ISBN 3-54836-890-5
- Ralph Bollmann: Lob des Imperiums - Der Untergang Roms und die Zukunft des Westens. Berlin: wjs-Verlag, 2006. - ISBN 3-93798-921-8
- Jürgen Hübschen: Die Zukunft des Irak - Pax Americana? Wiesbaden: Dr. Böttiger-Verlag, 2005. - ISBN 3-92572-553-9 (Rezension: [1])
- Michael Mandel: Pax Pentagon. Wie die USA der Welt den Krieg als Frieden verkaufen. Frankfurt am Main: Zweitausendeins, 2005. - ISBN 3-86150-715-3
- Christian Hacke: Zur Weltmacht verdammt. Die amerikanische Außenpolitik von J. F. Kennedy bis G. W. Bush. Berlin: Ullstein, 2005. - ISBN 3-54836-722-4
- Josef Joffe: Die Hypermacht. Bonn: BPB, November 2006 (Schriftenreihe, Bd. 560; vgl. [2])
- Löw, Konrad/Effenberger, Wolfgang: Pax americana. Herbig, 2004. - ISBN 3-77662-360-8
- Tuschl, Ronald H.: Pax Americana und Pax Europaea. Agenda Verlag, 2004. - ISBN 3-89688-221-X
- Czempiel, Ernst-Otto: Weltpolitik im Umbruch. Die Pax Americana, der Terrorismus und die Zukunft der internationalen Beziehungen. München: C.H. Beck, 2002. - 1. Aufl. - ISBN 3-40649-416-1
[Bearbeiten] Weblinks
Deutsch
- Interview mit Bernard-Henri Levy: „Wer 'Stoppt den US-Imperialismus' wiehert, hat nichts begriffen” (FAZ.NET, 24.01.2006 - vgl. Bernard-Henri Levy)
- Ulrich Speck, Amerika, der gute König („Die Zeit“ Nr. 52/2005, 23.1 Dezember 2005 ‒ Längerer apologetischer Essay über die „Weltmacht ohne Alternative“)
- Alexandra Homolar-Riechmann, Pax Americana und gewaltsame Demokratisierung („Das Parlament“ Nr. 46/2003 - PDF)
- Jens von Scherpenberg, Pax Americana als globales öffentliches Gut (Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, Mai 2003 ‒ PDF-Download)
- Raymund Schwager, Krieg gegen Irak und Friedensbotschaft von Johannes Paul II. - Zwei gegensätzliche Visionen für eine weltweite Friedensordnung (Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Theologische Fakultät, 7. Januar 2003)
- Pax Americana or International Rule of Law? Europe's Options in World Politics (Symposium der Friedrich-Ebert-Stiftung im Dezember 2002 mit Online-Dokumentation von Beiträgen im Volltext - engl.)
- Leseprobe: Zbigniew Brzezinski, Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft (1997)
Englisch
- Militarized Globalism and Empire -- advocates, skeptics, and critics (Defense Strategy Review Page; ergiebige Linksammlung des Commonwealth Institute, mit Artikeln 1993 ff.)
- Martin Jacques, Imperial overreach is accelerating the global decline of America ("The Guardian", 28. März 2006 - vgl. The Great Game)
- Laura Carlsen and Tom Barry, U.S. Hegemony or Global Good Neighbor Policy? (International Relations Center, 7. Februar 2006 - vgl. [3])
- Gore Vidal, President Jonah (Alternet, 28.01.2006 - Vidal sieht Vergleichbarkeiten zwischen dem heutigen Amerika unter Bush und dem anbrechenden Mittelalter nach dem Untergang des Römischen Reiches)
- William Arkin, Not Just A Last Resort? A Global Strike Plan, With a Nuclear Option („Washington Post“, 15. Mai 2005 ‒ Über das Militärkonzept CONPLAN 8022 der USA)
- Thomas Donnelly, Brave New World - An Enduring Pax Americana (American Enterprise Institute, Short Publications: National Security Outlook, 25. März 2003 - Printausgabe: 1. April 2003)