Vernichtungslager
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Als Vernichtungslager bezeichnet man eine Reihe von Konzentrationslagern, die während der Zeit des Nationalsozialismus von Organen des NS-Staats im deutsch besetzten Polen und in Weißrussland zum Zwecke der Durchführung des Massenmord an den europäischen Juden sowie den Angehörigen anderer Völker und verfolgter Minderheiten errichtet wurden. Der Name Auschwitz stand damals und steht heute für viele als deutsches Wort für ein schier unfassbares Verbrechen in den verschiedenen Vernichtungslagern.
Von ihrer Errichtung bis zu ihrer Befreiung im Zuge des Vorrückens der Roten Armee 1944/45 wurden in den großen Vernichtungslagern weit über 3 Millionen Menschen durch Vergasung in Gaskammern oder Hinrichtung fabrikmäßig ermordet oder starben an den Folgen von Folter, Unterernährung, Krankheiten und anderen Todesursachen. Neben den ebenfalls praktizierten Massenerschießungen in den deutsch besetzten Gebieten stellen die Vernichtungslager einen Hauptbestandteil des Holocaust dar.
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[Bearbeiten] Entstehung der Vernichtungslager
Zwischen 1941 und 1942 wurden sieben große Vernichtungslager in den eroberten Gebieten im Osten in Betrieb genommen. Sie entstanden mit dem Ziel, die bereits im großen Maßstab durchgeführte massenhafte Ermordung von Juden und anderen „Fremdrassigen“ sowie als potentielle Gegner der Naziherrschaft identifizierten Personen in den eroberten Gebieten Osteuropas zu „rationalisieren“ (vermindern).
Insbesondere sollten die mit den zuvor praktizierten Erschießungen, hauptsächlich durch die Einsatzgruppen der SS und des SD, verbundenen „Probleme“ vermieden werden:
- unvollständige Beseitigung der Leichen bzw. Zurückbleiben von identifizierbaren Massengräbern, daraus folgend Bestimmbarkeit von Opferzahlen
- Möglichkeit des Bruchs der Geheimhaltung durch zufällige Zeugen, Mittäter/Mitwisser aus anderen Einheiten, Flucht einzelner Opfer
- psychische Belastung der Täter durch Tötungsmethoden wie Erschießen, bei denen unmittelbarer Kontakt zum Opfer bestand
Ziel der Vernichtungslager war demzufolge die vollständige physische Vernichtung der Opfer inklusive aller sterblichen Überreste sowie die Isolierung und Abschirmung gegenüber der Gesellschaft und den nicht unmittelbar zugeordneten Teilen von Armee und Verwaltung.
Ein weiteres wichtiges Merkmal war die Anbindung der Lager an das Reichsschienennetz, damit sollte die Zuführung vorher zusammengestellter „Transporte“ und somit eine planmäßige und wirtschaftlich rationalisierte Massentötung - mithin die von den Nazis als „Endlösung“ bezeichnete Ausrottung des europäischen Judentums - ermöglicht werden.
[Bearbeiten] Unterscheidung Konzentrations-/Vernichtungslager
Im Gegensatz zum Konzentrationslager, welches nach dem Prinzip „Vernichtung durch Arbeit“ funktionierte, wo also die Häftlinge durch Krankheit und Unterernährung sowie übermäßiger Arbeit starben, verfolgten die Vernichtungslager einzig die Vernichtung der Häftlinge bzw. derer, die mittels spezieller Züge in das Lager gebracht wurden. Somit war der einzige Zweck des Vernichtungslagers die sofortige Tötung durch Gas. Nachdem ein Transportzug im Lager angekommen war, wurden die Menschen selektiert und anschließend, ungeachtet von Alter, Geschlecht oder Arbeitsfähigkeit (welche in den Konzentrationslagern ausschlaggebend über Tod oder Leben war) vergast. Es wurde aber aus jedem Transport eine bestimmte Zahl Arbeitsfähiger Menschen zurückgehalten, die für die Aufrechterhaltung der Funktion des Lagers z. B. als Totengräber, Leichenverbrenner und in Sortier- und Reparaturwerkstätten benötigt wurden. Als diese Menschen arbeitsunfähig wurden, vergaste und ersetzte man sie durch neue Kräfte. Die Unterscheidung lässt sich beispielhaft an der Trennung des KZ-Komplex Auschwitz in die Hauptlager Auschwitz I und Auschwitz III sowie mehrere Nebenlager und das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau (Auschwitz II) nachvollziehen.
Auch einige Konzentrationslager im Reichsgebiet verfügten über eigene kleine Gaskammern, wie zum Beispiel Mauthausen, Sachsenhausen, das Frauenlager Ravensbrück, Neuengamme, Stutthof und Natzweiler. Diese Gaskammern wurden jedoch nicht zum ausschließlichen Zweck der Ermordung der europäischen Juden errichtet, sondern dienten überwiegend der Vernichtung von als „arbeitsunfähig“ erklärten KZ-Häftlingen, unter denen sich neben Juden auch sowjetische Kriegsgefangene befanden. Die Zahl aller in regulären Konzentrationslagern mit Gas Ermordeten erreicht nicht einmal annähernd die Zahl der im kleinsten Vernichtungslager ermordeten Juden. Ohne Vernichtungslager wäre der Holocaust nicht in diesem Ausmaße durchführbar gewesen. Um den untrennbaren Zusammenhang der Vernichtungslager mit der Endlösung der Judenfrage hervorzuheben, haben Historiker bereits vor Jahrzehnten den spezielleren Begriff Vernichtungslager eingeführt.
[Bearbeiten] Vernichtungslager in chronologischer Reihenfolge
Als Vernichtungslager wurden 1941/1942 folgende sieben Einrichtungen des Massenmordes an den europäischen Juden in Betrieb genommen:
[Bearbeiten] auf damaligem Reichsgebiet (annektiert; heute Polen)
- Chelmno (dt. Kulmhof, im Landkreis Warthbrücken (Koło) im Reichsgau Wartheland - ab 8. Dezember 1941),
- Auschwitz-Birkenau (im Landkreis Bielitz (Bielsko) in Ost-Oberschlesien - wahrscheinlich ab 30. April 1942, spätestens ab Anfang Mai), Auschwitz als ein gesamter Lagerkomplex war in Teilen gleichzeitig auch Arbeitslager und Konzentrationslager.
[Bearbeiten] auf dem Gebiet des Generalgouvernements (Polen)
- Belzec (in der Kreishauptmannschaft Zamość im Distrikt Lublin, Generalgouvernement - ab 17. März 1942)
- Sobibor (in der Kreishauptmannschaft Cholm im Distrikt Lublin, Generalgouvernement - spätestens ab 6. Mai 1942)
- Treblinka (in der Kreishauptmannschaft Sokolow im Distrikt Warschau, Generalgouvernement - ab 22. Juli 1942)
- Majdanek (in der Kreishauptmannschaft Lublin im Distrikt Lublin, Generalgouvernement - ab 14. September 1942)
[Bearbeiten] im Bezirks des Reichskommissariats Ostland (heute: Weißrussland)
- Maly Trostinez (bei Minsk im Kreisgebiet Minsk-Land, Generalbezirk Weißruthenien - wahrscheinlich ab 30. April 1942, spätestens ab Anfang Mai).
[Bearbeiten] Tötungstechniken
In den Vernichtungslagern wurden drei verschiedene technisierte Formen des Massenmordes betrieben:
- In Belzec, Sobibor und Treblinka, den Lagern der Aktion Reinhardt im Generalgouvernement, wurden die Menschen durch das Einführen von Benzinmotorabgasen (Kohlenmonoxid) in Gaskammern getötet. Für sehr kleine Transporte aus der näheren Umgebung wurde in Belzec zeitweise auch ein zum Gaswagen umgebautes kleines Postauto eingesetzt.
- In Auschwitz-Birkenau und Majdanek, die zugleich auch Konzentrationslager waren, wurden die Vergasungen mit Hilfe von Blausäuregas (Zyklon B) vorgenommen.
- In Chelmno und Maly Trostinez wurden statt stationärer Gaskammern mobile Gaswagen mit Benzinmotoren eingesetzt.
Nicht mehr Gehfähige, also überwiegend sehr Alte, Kranke und Sterbende, wurden in den Reinhardt-Lagern zumeist erschossen.
[Bearbeiten] Organisation und Instanzen
Mit der Durchführung der Endlösung der Judenfrage in den Vernichtungslagern wurden ab Herbst 1941 drei verschiedene zentrale nationalsozialistische Instanzen betraut:
- Chelmno und Maly Trostinez unterstanden dem Polizeiapparat des Reichssicherheitshauptamtes beziehungsweise den nachgeordneten Dienststellen des Inspekteurs der Sicherheitpolizei und des SD in Posen (Wartheland) und des Kommandeurs der Sicherheitpolizei und des SD in Minsk (Weißrussland).
- Belzec, Sobibor und Treblinka unterstanden als Lager der Aktion Reinhardt Hitlers Privatkanzlei, der Kanzlei des Führers unter Reichsleiter Philipp Bouhler. Diese Kanzlei war auch hauptverantwortlich für die Aktion T4, den Massenmord an Behinderten und Kranken in der so genannten Euthanasie. Bei der Durchführung der Aktion Reinhardt im Generalgouvernement bediente sich die Kanzlei des Führers der Unterstützung des SS- und Polizeiführers im Distrikt Lublin, SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei Odilo Globocnik, der wiederum dem Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler, persönlich unterstellt war.
- Auschwitz-Birkenau und Majdanek (genauer: KZ Lublin) unterstanden dem Inspekteur der Konzentrationslager Richard Glücks im SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt unter Oswald Pohl.
[Bearbeiten] Literatur
- Adalbert Rückerl (Hg.): Nationalsozialistische Vernichtungslager im Spiegel deutscher Strafprozesse. Belzec, Sobibor, Treblinka, Chelmno. München 1977 (dtv 2904), ISBN 3423029048.
- Yitzhak Arad: Belzec, Sobibor, Treblinka. The Operation Reinhard Death Camps. Bloomington and Indianapolis 1987 (Indiana University Press), ISBN 0253342937.
- Jules Schelvis: Vernichtungslager Sobibór. Hamburg/Münster 2003, ISBN 3897718146.
- Christian Gerlach: Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrußland 1941 bis 1944. Hamburg 1999 (Hamburger Edition), insbesondere S. 768-770, ISBN 3930908549. - Maly Trostinez.
- Unsere Ehre heißt Treue. Wien/München/Zürich 1965 (Europa Verlag), S. 246, 250-257, ISBN 3203508427. - Tätigkeitsberichte des SS-Unterscharführers Arlt, unter anderem über das Eintreffen von Zügen mit deutschen, österreichischen und tschechischen Juden und ihrer Ermordung in Maly Trostinez.
- Tadeusz Mencel (Hg.): Majdanek 1941-1944. Lublin 1991 (Wydawniczwo Lubelskie), ISBN 832220566X. - Polnisches Standardwerk.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Portal:Nationalsozialismus
- Holocaust
- Liste der Konzentrationslager
- Liste der Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus
- Liste Ärzte und Beteiligte an NS-Medizin
- Medizin im Nationalsozialismus
- Sonderkommando