Michail Sergejewitsch Gorbatschow
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Michail Sergejewitsch Gorbatschow (russisch Михаи́л Серге́евич Горбачёв anhören ?/i, wiss. Transliteration Michail Sergeevič Gorbačёv; * 2. März 1931 in Priwolnoje in der russischen Region Stawropol) ist ein russischer Politiker und war von März 1985 bis August 1991 Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und von März 1990 bis Dezember 1991 Präsident der Sowjetunion.
Er erhielt 1990 den Friedensnobelpreis.
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[Bearbeiten] Leben
Nach seiner Kindheit als Bauernjunge und ersten Berufserfahrungen als Mähdreschermechaniker studierte Gorbatschow Jura an der Lomonossow-Universität in Moskau und lernte dort seine spätere Frau Raissa († 1999) kennen. Sie heirateten im September 1953 und zogen gemeinsam zurück in seine Heimatregion Stawropol im nördlichen, russischen Kaukasus, nachdem Gorbatschow 1955 sein Studium beendet hatte.
1952 trat er im Alter von 21 Jahren in die Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) ein und agierte von da an 22 Jahre lang als Apparatschik im heimatlichen Stawropol. 1966, im Alter von 35 Jahren machte er seinen Abschluss als Agrarbetriebswirt am Landwirtschaftlichen Institut. Mit seiner Karriere ging es steil aufwärts, 1970 wurde er zum Ersten Sekretär für Landwirtschaft berufen. Im folgenden Jahr wurde er Mitglied des Zentralkomitees. 1972 führte er eine sowjetische Delegation nach Belgien und zwei Jahre später, 1974, wurde er Repräsentant des Obersten Sowjets und Vorsitzender der Ständigen Kommission für Jugendpolitik (russ. Комиссия по делам молодёжи Совета Союза Верховного Совета). Er wurde 1979 befördert und kam ins Politbüro. Nach nur einjähriger Kandidatenzeit nahm ihn das Politbüro 1980 als Vollmitglied auf. Während seiner Tätigkeit im Politbüro lernte er Juri Andropow, den Chef des KGB, kennen, der ebenfalls aus Stawropol kam und der Gorbatschow in den kommenden Jahren in seiner Karriere im Parteiapparat unterstützte.

Durch seine Position in der Partei wurde ihm erlaubt, auch das westliche Ausland zu bereisen, was seine politischen und sozialen Ansichten stark beeinflusste. 1975 besuchte er mit einer Delegation die Bundesrepublik Deutschland, 1983 führte er eine sowjetische Kommission nach Kanada, um sich mit Pierre Trudeau, dem damaligen Premierminister, und Mitgliedern des kanadischen Parlaments zu treffen. 1985 reiste er nach Großbritannien und traf sich mit Premierministerin Margaret Thatcher. Diese war die erste Politikerin im Westen, die den neuartigen Politikstil Gorbatschows erkannte und ihn insbesondere beim misstrauischen US-Präsidenten Ronald Reagan empfahl.
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Nach dem Tod des damaligen Generalsekretärs der KPdSU Konstantin Tschernenko wurde Gorbatschow am 11. März 1985 mit 54 Jahren zum (nach Stalin) zweitjüngsten Generalsekretär der Kommunistischen Partei gewählt. Er war nach 21 Jahren, in denen die KPdSU von Breschnew und den schwerkranken, nur kurzzeitig amtierenden Andropow und Tschernenko regiert worden war, ein Vertreter einer völlig neuen Generation. Als de facto-Herrscher der Sowjetunion versuchte er den Verfall des Kommunismus durch die Einführung von Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umstrukturierung) aufzuhalten. Dieser Prozess begann während des 27. Parteitages der KPdSU im Februar 1986. Er bekannte sich zu den politischen Fehlern der Partei seit Stalins Zeiten und den Verbrechen während des Zweiten Weltkrieges. Unter seiner Verantwortung wurde die Existenz des zuvor hartnäckig geleugneten geheimen Zusatzprotokolls zum Hitler-Stalin-Pakt zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion von 1939 zugegeben, ebenso wie das daran anschließende Massaker von Katyn sowjetischer Truppen gegen die polnische Führungsschicht 1940. Außerdem sorgte er für den Rückzug der Sowjetunion aus Afghanistan.
1987 kam es zu einer Rehabilitierung Bucharins, Trotzkis (Held und Märtyrer) und der Opposition gegen Stalin.
1988 verkündete Gorbatschow, dass die Sowjetunion die Breschnew-Doktrin aufgeben würde und erlaubte den osteuropäischen Staaten die Demokratie einzuführen. Im Scherz nannte sein Außenminister Eduard Schewardnadse diese neue Haltung die Sinatra-Doktrin. Die neue Freiheit führte 1989 zu einer Reihe überwiegend friedlicher Revolutionen in Osteuropa. Dies beendete den Kalten Krieg und ermöglichte die Deutsche Wiedervereinigung, an der Gorbatschow zusammen mit Helmut Kohl, George H. W. Bush und François Mitterrand maßgeblich beteiligt war. Für diese Leistung erhielt Gorbatschow 1990 den Friedensnobelpreis.
Am 14. März 1990 wurde Gorbatschow auf einem Sonderkongress der Volksdeputierten zum Präsidenten der UdSSR gewählt, wobei er 59,2 % der Stimmen erhielt. Allerdings führte die Demokratisierung der UdSSR und Osteuropas zu einer massiven Machtverminderung der Kommunistischen Partei und letztendlich zum Zusammenbruch der Sowjetunion und des gesamten Ostblocks. 1991 versuchten einige konservative Politiker (aus der Nähe Gorbatschows) zusammen mit einem Teil des Militärs einen Putsch, auch bekannt als Augustputsch, in Moskau, währenddessen Gorbatschow, seine Frau Raissa und die Leibwache drei Tage unter Hausarrest in einer Datscha im Krimgebiet stand. Russlands Präsident Boris Jelzin gelang es, die Putschisten auszuschalten und die Staatsgewalt zu übernehmen. Damit war die Sowjetmacht in die Hände der Russischen Föderation übergegangen, was als nächst logischen Schritt einen Tag nach der Niederschlagung des Putsches die Unabhängigkeitserklärung der Ukraine zur Folge hatte. Auf die Unabhängigkeitserklärung des Baltikums von 1989 hatte Gorbatschow noch mit militärischer Gewalt reagiert, diese jedoch sehr schnell eingestellt. Statt dessen war die Unabhängigkeit des Baltikums von der Sowjetunion einfach ignoriert worden. Während der traditionellen Maiparade 1990 wurden Gorbatschow und die sowjetische Staatsführung vor dem Kreml ausgepfiffen. Nach dem Scheitern des Augustputsches de facto durch Jelzin entmachtet, erkannte Gorbatschow noch im August 1991 die Unabhängigkeit der baltischen Staaten an. Obwohl die Ukraine ihre Unabhängigkeit bis zu einem Referendum aussetzte, erklärten bis auf Russland nach und nach auch die anderen Sowjetrepubliken ihre Unabhängigkeit. Insbesondere in den zentralasiatischen Republiken geschah dies jedoch hauptsächlich, um - erfolgreich - der lokalen KP-Führung Macht und Pfründe zu sichern. Gorbatschows Versuch in den folgenden Monaten, die Sowjetunion als eine eher lose Konföderation zu retten, scheiterte am Widerstand der Ukraine, ohne deren Mitgliedschaft auch Russland nicht zu einer neuen Union bereit war.
Nach dem misslungenen Putsch wurde die Tätigkeit der KPdSU auf russischem Boden durch Boris Jelzin verboten, die Putschisten (Bande der Acht) wurden festgenommen. Jelzin erließ den Ukas zum Verbot der Tätigkeit der KPdSU auf russischem Boden während einer weltweit übertragenen Ansprache Gorbatschows vor dem russischen Parlament und unterbrach Gorbatschows Rede zur Verkündigung seines Erlasses. Gorbatschow - nicht nur sowjetischer Präsident, sondern zu diesem Zeitpunkt auch noch Generalsekretär der gerade für illegal erklärten KPdSU - wirkte völlig überrumpelt. Diese demütigende Machtdemonstration Jelzins gegenüber Gorbatschow beschleunigte den Abspaltungsprozess der übrigen Republiken, da sich die Entmachtung des Zentralstaates zu Gunsten der Teilrepubliken vor aller Welt eindrucksvoll manifestierte. Es ist fraglich, ob sich Jelzin der vollen Tragweite seiner Handlung bewusst war.
Am 25. Dezember 1991 trat Gorbatschow als Präsident der Sowjetunion zurück. Im Westen wird Gorbatschow hoch geschätzt, weil er den Kalten Krieg beendet hat und maßgeblich am Gelingen der Deutschen Einheit beteiligt war. Zudem kanalisierte er die beim Zerfall des Sowjetreiches frei werdenden Kräfte nach innen, in eine Implosion, anstatt sie in aggressiver Form nach außen dringen zu lassen, etwa in einem Krieg. In Russland ist sein Ruf dagegen sehr schlecht, weil er nach Meinung vieler Menschen den Zusammenbruch der Sowjetunion, den wirtschaftlichen Niedergang des Landes und die später daraus resultierenden Leiden verursacht hat. Bei den Präsidentschaftswahlen 1996 bekam er nur noch weniger als ein Prozent der Stimmen. Viele Russen sagen, er habe das Land verkauft.
1992 gründete Gorbatschow die Gorbatschow-Stiftung, 1993 die Umweltschutzorganisation Internationales Grünes Kreuz. Er wurde Mitglied im Club of Rome. Anfang des 21. Jahrhunderts kritisierte Gorbatschow die weltweite Machtpolitik der amerikanischen Regierung. Sein Einfluss ist allerdings relativ gering.
[Bearbeiten] Ehrungen und Auszeichnungen
- 1989 - Otto-Hahn-Friedensmedaille in Gold
- 1990 - Träger des Friedensnobelpreises
- 1999 - Sonderstufe des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
- 2005 - Gemeinsam mit George H. W. Bush und Helmut Kohl: Point Alpha Preis
- 2005 - Augsburger Friedenspreis
Seit dem 6. Juli 2005 ist Gorbatschow Ehrendoktor der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Die Verleihung erfolgte auf Grund "seiner maßgeblichen Beteiligung an der Beendigung des Ost-West-Konflikts".
[Bearbeiten] Politik
Typisch für Gorbatschow war seine zögerliche Entscheidungsfindung, da er lieber auf ad-hoc-Entscheidungen vertraute. Er musste von seinen Mitarbeitern oft zu Entscheidungen gedrängt werden, da er sich gern in allgemeine Erklärungen zu den großen Maßstäben flüchtete. Geradezu atypisch für die sowjetische und russische Politik stellte Gorbatschow jedoch seine Herrschaft zumindest pro forma unter das Gesetz. Alle seine Beschlüsse ließ er absegnen, erst durch das ZK der KPdSU, später durch das Parlament. Dies wurde ihm oft als Schwäche ausgelegt, aber diese Art von Politik gehört zu den wichtigsten Voraussetzungen für einen demokratisch verfassten Rechtsstaat. Sie barg aber auch das Risiko des Scheiterns, da Gorbatschow die Sprengkraft der extrem föderalistischen Sowjetverfassung (Recht auf freien Austritt aus der Union für die Republiken) bei einem Wegfall der zentralistischen Macht der KPdSU offenkundig unterschätzte. Es gelang ihm nicht, hinreichend zentralistische Staatsstrukturen gegen die um ihre Pfründe fürchtenden Führungen der Teilrepubliken und die nach Wiedererlangung der Unabhängigkeit strebenden baltischen Republiken als Ersatz für den Wegfall des Parteiapparates zu schaffen.
Zu einem Gipfelgespräch traf sich US-Präsident George H. W. Bush mit dem sowjetischen Generalsekretär am 2. und 3. Dezember 1989 vor Malta. Dort betonte Gorbatschow „Der Kalte Krieg ist zu Ende.“
Während der Entwicklung der Wende der DDR und Osteuropas Ende 1989 war Gorbatschow von den dramatischen Entwicklungen in der sowjetischen Innenpolitik (Abspaltung nicht nur des Baltikums, sondern auch des Kaukasus, akut drohender Staatsbankrott, Streiks) abgelenkt. So musste er ohne Konzept und Alternativen letztlich die Vorschläge des Westens zur Wiedervereinigung und NATO-Mitgliedschaft Gesamtdeutschlands akzeptieren, obwohl dies ursprünglich nicht von ihm beabsichtigt war. Er erntete dafür jedoch von Seiten Deutschlands eine erhebliche Friedensdividende. Seine Rolle beim bewaffneten Einschreiten sowjetischer Truppen im Baltikum war zunächst von der Staatsraison diktiert, letztlich kapitulierte er aber vor dem Volkswillen.
Gorbatschow ist Schirmherr des im Jahre 2000 von Andrologen der Universität Wien ins Leben gerufenen Weltmännertages.
[Bearbeiten] Zitate
- „Bau eines neuen europäischen Hauses“ (ab 1987 in verschiedenen Reden zur Zukunft Europas)
- "Euch steck ich noch alle in die Tasche" (ZK KPdSU Sitzung im Oktober 1981)
- Den am häufigsten zitierten Satz „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ (Ostberlin, 7. Oktober 1989) hat Gorbatschow selbst, zumindest wörtlich und öffentlich, so nie gesagt. Dieses Zitat entstand, als Gorbatschow sich laut Augenzeuge Jens Reich anlässlich des 40. Jahrestags der Gründung der DDR vor einer Menschenmenge in Ost-Berlin auf Russisch folgendermaßen äußerte: „Трудности подстерегают тех, кто не реагирует на жизнь“ („Trudnosti podsteregajut tech, kto ne reagirujet na shisn“). [1] Zu Deutsch: „Schwierigkeiten lauern auf den, der nicht auf das Leben reagiert“.
- Umstritten ist nun, wie es zu der - möglicherweise gewollten - Verschärfung dieses Satzes im Deutschen gekommen ist. Hierzu gibt es folgende Anhaltspunkte:
- Auf einer anschließenden informellen Pressekonferenz soll der damalige Sprecher Gennadi Gerassimow Gorbatschows die Gedanken, die Gorbatschow während seines Besuches mehrmals äußerte, auf den Punkt gebracht haben. Und zwar zunächst auf Englisch: „Those who are late will be punished by life itself“.[2].
- Laut Zeit-Kolumnist Christoph Drösser schreibt Gorbatschow in seinen Memoiren, er habe zwei Tage später Honecker in einem Vieraugengespräch gesagt: „Das Leben verlangt mutige Entscheidungen. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“[3]
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ Universität Frankfurt am Main, Neuere Forschungen und Funde zur deutschen Sprache
- ↑ Ulla Plog, 15 Jahre danach.
- ↑ Christoph Drösser: Stimmt's ?
[Bearbeiten] Literatur
- Michail Gorbatschow: Wie es war. Die deutsche Wiedervereinigung Erschienen: Berlin Ullstein, 1999. 222 Seiten ISBN 3-550-07005-5
- In der bibliographischen Internet-Datenbank RussGUS (frei zugänglich) werden zu "Gorbatschow" ca. 700 Literaturnachweise angeboten (dort suchen unter Formularsuche Sachnotationen:16.2.2/Gorbacev, M*).
- Michail Gorbatschow: Erinnerungen, Michail Gorbatschow, btb Taschenbuch im Goldmann Verlag, 1996. 1216 Seiten ISBN 3-442-72037-0
- Michail Gorbatschow: Perestroika, die zweite russische Revolution. Eine neue Politik für Europa und die Welt, Droemer Knaur Verlag, München 1987
- Michail Gorbatschow: Die Rede "Wir brauchen die Demokratie wie die Luft zum Atmen" - Referat vor dem ZK der KPdSU am 27. Januar 1987
- Michail Gorbatschow: Das gemeinsame Haus Europa und die Zukunft der Perestroika, Econ Verlag, Düsseldorf 1989
- Gerd Ruge: Michail Gorbatschow, Biographie, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1990
- Karl Held (Hrsg.) Das Lebenswerk des Michail Gorbatschow: Von der Reform des 'realen Sozialismus' zur Zerstörung der Sowjetunion. Gegenstandpunkt Verlag München, 1992. 416 Seiten. ISBN 3-929211-00-9
- Klaus-Rüdiger Mai: Michail Gorbatschow. Sein Leben und seine Bedeutung für Russlands Zukunft. Campus Verlag, Frankfurt, 2005. 396 Seiten. ISBN 3-593-37400-5
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Michail Sergejewitsch Gorbatschow im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Biographieeintrag zu Michail Sergejewitsch Gorbatschow bei LeMO (Deutsches Historisches Museum und Haus der Geschichte)
- Informationen der Nobelstiftung zur Preisverleihung 1990 für Michail Gorbatschow (englisch)
- Michail Gorbatschow, History is not preordained: a new cold war can be averted ("The Guardian", 18. Januar 2007 - vgl. Kalter Krieg)
Vorgänger |
Generalsekretär der KPdSU 1985-1991 |
Nachfolger Wladimir Iwaschko |
Vorgänger |
Staatsoberhaupt der Sowjetunion 1988-1991 |
Nachfolger - |
Personendaten | |
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NAME | Gorbatschow, Michail Sergejewitsch |
ALTERNATIVNAMEN | Михаил Сергеевич Горбачёв (russisch), Michail Sergeevič Gorbačëv (wiss. Transliteration) |
KURZBESCHREIBUNG | russischer Politiker, Generalsekretär des ZK der KPdSU in der Sowjetunion (1985-1991) |
GEBURTSDATUM | 2. März 1931 |
GEBURTSORT | Priwolnoje bei Stawropol |