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Altruismus - Wikipedia

Altruismus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Altruismus (von lateinisch: alter: der andere) ist die willentliche Verfolgung der Interessen oder des Wohls anderer oder des Gemeinwohls. Altruistisches Handeln wird allgemein auch mit selbstlosem Handeln gleichgesetzt. Dabei bleibt der Aspekt des Ziels der Handlungen, die aus Selbstlosigkeit erfolgen, unberücksichtigt. Die Auffassung als Selbstlosigkeit betont stattdessen die Zurückstellung eigener Anliegen bis hin zur Selbstaufopferung. Der Begriff Altruismus, als dessen Schöpfer Auguste Comte gilt, ist ein Gegenbegriff zu Egoismus. Die erlebte Aufhebung dieses Gegensatzes wird oft als Liebe bezeichnet. Neben Selbstlosigkeit ist Uneigennützigkeit ein weiteres Synonym für Altruismus. Die Sozialpsychologie spricht auch von prosozialem Verhalten.

Inhaltsverzeichnis

Arten und Formen des Altruismus

Moralischer und normativer Altruismus

Ein moralischer Altruist handelt prinzipiengeleitet altruistisch. Ein Beispiel für solch ein Prinzip ist der Kategorische Imperativ Kants. Verinnerlichte Moral kommt in der Gewissensstimme zum Ausdruck, der zu folgen zu altruistischem Handeln führen kann. Der moralische Altruist ist nicht mit dem Moralapostel zu verwechseln. Ein Moralapostel predigt mehr, als dass er selbst ein Vorbild eines Menschen, der richtig oder gut handelt, abgeben würde.

Kinderkrippe (Albert Anker 1831-1910)
Kinderkrippe (Albert Anker 1831-1910)

Gerechtigkeit ist einer der höchsten Werte unserer Gesellschaft. Wir handeln oft altruistisch um der Gerechtigkeit willen. Dazu gehört auch der Einsatz für Menschen, die ungerecht behandelt werden oder unter ungerechten Lebensverhältnissen zu leiden haben. Gerechtigkeit ist eine soziale Norm, die meist verinnerlicht ist.

Auch wenn wir nicht aufgrund von verinnerlichten Werten altruistisch motiviert sind, handeln wir oft altruistisch, weil dies von uns erwartet wird. Wenn z.B. ein Mensch auf der Straße zusammenbricht, wird erwartet, dass andere zu Hilfe eilen. Welche Motive sie dabei haben, ist zweitrangig. Ein Motiv für den Helfenden kann sein, den Erwartungen der Mitmenschen zu entsprechen, d.h. sich entsprechend einer sozialen Norm zu verhalten.

Ein Handeln, das über die Befolgung von Pflichten oder Erwartungen hinausgeht, und so gewissermaßen den Titel Altruismus im Sinne von Außerordentlichkeit erst eigentlich verdient, wird auch als supererogatorisches Handeln bezeichnet.

Sympathie-Altruismus

Nicht alle Formen der Sympathie setzen Empathie voraus; z.B. weckt Schönheit oft Sympathien; Empathie ist hier nicht erforderlich, da Schönheit offen liegt, oder, um es mit anderen Worten zu sagen, offen zu liegen scheint. Wohlwollen und Mitleid sind jedoch nicht denkbar ohne ein empathisches Vermögen.

Ein ganz wesentlicher Unterschied zwischen moralischem bzw. normativem Altruismus und Wohlwollen ist, dass Wohlwollen freiwillig ist und nicht in einem Sollen gründet. Handeln nach Prinzipien und Normen führt implizit die Botschaft mit sich, andere sollten auch so handeln. Wohlwollen ist jedoch allenfalls eine Einladung zur Nachfolge. Während im moralischen Altruismus die Tendenz liegt, anderen ihre Eigennützigkeit vorzuhalten, anerkennt der Wohlwollende diese Eigennützigkeit und bedient sie großzügig. Einen Altruisten aus Wohlwollen, dessen Wirkungskreis über den engeren Rahmen von Verwandtschaft, Nachbarschaft, Freundes- und Bekanntenkreis hinausgeht, bezeichnet man auch als Philanthropen (Menschenfreund).

Vom Handeln aus Wohlwollen ist das Handeln aus Mitleid zu unterscheiden. „Schopenhauer behauptet, daß, wer einmal den Zusammenhang aller Wesen durchschaut habe, des Egoismus unfähig sei, weil er erkannt habe, daß jedes Leid, das er anderen zufüge, ihn selbst treffe; er könne keinen Unterschied mehr zwischen sich und den anderen machen, deren Förderung ja die eigene sei.“ (Georg Simmel, 1892, Einleitung in die Moralwissenschaft. Bd. 1, 2. Kap.: Egoismus und Altruismus, S. 131)

Tierschutz (ein Kiwi)
Tierschutz (ein Kiwi)

In einem weniger anspruchsvollen und umfassenden Sinn wird dieses Phänomen in der Sozialpsychologie als Self-Other-Merging bezeichnet. Auch wenn viele Definitionen des Altruismus davon ausgehen, dass Altruismus mit einem Opfer verbunden ist, kann man beim Handeln aus Mitleid nur eingeschränkt von Opfer sprechen, weil durch die Identifikation mit dem Menschen oder auch Tier in Not die Getrenntheit zwischen Ego und Alter aufgehoben ist.

Abgesehen von Wohlwollen und Mitleid erfolgt altruistisches Handeln oft ganz einfach aus Zuneigung oder generalisierter Dankbarkeit dem Leben gegenüber.

Rationaler Altruismus

Will man nicht von vornherein Altruismus als rational nicht fassbare Liebe ansehen, stellt sich die Frage, wie es um die Rationalität des Altruismus bestellt ist. In diesbezüglichen Untersuchungen wird Rationalität meist auf die Konsequenzen bezogen, die das altruistische Verhalten oder Handeln für den Handelnden selbst, oder aber für das Gemeinwohl hat. Rationalität kann sich auch auf das Verhältnis beziehen, auf einen Ausgleich zwischen Eigeninteressen und denen anderer. Es gibt allerdings auch andere Auffassungen von Rationalität, die diese auf objektive Gründe beziehen, wobei das dann meist als moralisch oder ethisch aufgefasste Handeln nicht auf eine individuelle Interessenverfolgung bezogen wird, sondern seine Rationalität in dem Wert hat, dem Handeln nach Prinzipien, Werten oder Normen objektiv zukommt. Die Rationalität liegt dann in dem Wert des Handelns selbst, etwa als tugendhaft, ohne Berücksichtigung der Konsequenzen.

  • Klugheitsaltruismus

Eine Lebensweisheit ist, dass Egoisten gut beraten sind, Altruisten zu sein oder als solche zu erscheinen, weil sie dadurch den größten Profit machen. Aber wie steht es objektiv damit?

Ein anspruchsvoller Versuch, moralische Intuitionen des richtigen und guten Handelns als rational begründet im Eigeninteresse (prudentielle [von lat. prudentia - Klugheit] intrinsische Wünschbarkeit) des Handelnden auszuweisen unter Berücksichtigung der subtilsten psychischen Phänomene wurde von dem Philosophen Christoph Lumer vorgelegt. (Christoph Lumer, 2000, Rationaler Altruismus. Eine prudentielle Theorie der Rationalität und des Altruismus. Universitätsverlag Rasch, Osnabrück.)

  • Reziproker Tausch

Die Rationalität des reziproken Tausches ist offensichtlich. Obwohl das Handeln sich meist an der Reziprozitätsnorm (Gerechtigkeit, Fairness) orientiert, und nicht eine genaue Verrechnung von Leistung und Gegenleistung vorgenommen wird, geht es darum, die Ausnutzung von Altruisten durch Egoisten zu verhindern, damit die Tauschprozesse fortgesetzt werden können. Reziprozität ist ein Mittel, Ausnutzung zu unterbinden.

  • Generalisierter Tausch

Generalisierte Tauschsysteme sind dadurch charakterisiert, dass sie auf einseitigen Leistungen ohne direkte Gegenleistung beruhen. Sie können offen (jeder kann als Leistungsempfänger teilnehmen) oder geschlossen sein (Teilnehmer, die nicht selbst auch Leistungen erbringen, werden nicht akzeptiert). Ein Beispiel für einen offenen generalisierten Tausch sind die Hilfsleistungen im Straßenverkehr. Jeder kann z.B. einen Passanten um Auskunft nach einem Weg bitten. Die Auskunft wird als einseitige Leistung erbracht. Die Rationalität des generalisierten Tausches besteht darin, dass jeder, der der Hilfe bedarf, diese erhält, und darauf vertrauen kann.

  • Rationale Abwägung zwischen Selbstinteressen und den Interessen anderer

Ein Modell solcher Abwägung hat der Rational-Choice-Theoretiker Howard Margolis vorgelegt. (Howard Margolis, 1982, Selfishness, Altruism, and Rationality. A Theory of Social Choice. Chicago and London.)

Das Modell geht davon aus, dass neben egoistischen Präferenzen (Interessen, Motiven) altruistische Präferenzen bestehen. Die Herkunft solcher altruistischer Präferenzen ist nicht Gegenstand der Untersuchung[1], sondern die Frage ist, wie es um die Rationalität des Verhältnisses zwischen der Verfolgung eigener Interessen und der anderer bestellt ist.

Gegeben eine Gewichtung, die bei jedem Menschen verschieden ist, wird eine Ressource, z.B. ein Geldbetrag, oder Zeit, so eingesetzt, dass der größte marginale Nutzen entsteht, entweder für die eigenen Interessen, oder für die anderer. Je mehr ich mit meinen Geld meine eigenen Interessen bediene, desto geringer ist der marginale Nutzen einer weiteren Geldeinheit für mich. Je mehr Geld ich andererseits schon altruistisch, etwa als Spende, gegeben habe, desto geringer ist der subjektive marginale Nutzen einer weiteren Geldeinheit für die Allgemeinheit. Das Gleichgewicht ist dort, wo der egoistische und der altruistische Nutzen einer weiteren Geldeinheit den gleichen Wert haben.

Andere RC-Modelle (RC=Rational-Choice) versuchen, sofern sie nicht von vornherein Altruismus als irrational oder arational ausschließen, und damit Altruismus als durch das Modell nicht fassbar ansehen, Egoismus und Altruismus in eine einzige egozentrische Nutzenfunktion zu integrieren. Ein generelles Problem aller RC-Modelle ist es, Altruismus als anerkanntes Phänomen so im Modell abzubilden, dass das nicht einer Eliminierung des Altruismus gleichkommt. Ein Vorwurf an bestimmte Varianten von RC-Theorien ist häufig, sie würden Altruismus wegerklären, indem sie ihn auf Egoismus reduzieren. Altruismus wird dann als Klugheitsaltruismus verstanden.

  • Pareto-Altruismus

Das Pareto-Kriterium wurde von Vilfredo Pareto in die Ökonomie eingeführt. Es besagt folgendes: Ein Zustand ist einem anderen Zustand vorzuziehen, wenn durch eine Veränderung der Verteilung der Güter oder der Produktionsfaktoren mindestens ein Konsument besser gestellt und kein anderer Konsument schlechter gestellt wird.

Entsprechend diesem Kriterium sind altruistische Handlungen möglich, die mit keinem Opfer verbunden sind. Ein Beispiel: Mein Besuch bittet mich, ihn noch zur Bushaltestelle zu begleiten. Da ich ohnehin noch einen Spaziergang später am Abend machen wollte, willige ich ein, denn das Vorziehen des Spaziergangs macht für mich keinen Unterschied. Solche Handlungen sind im Alltag recht häufig, obwohl sie als altruistisch meist nicht weiter auffallen. Umgekehrt ist es genauso möglich, egoistische Interessen so zu verfolgen, dass anderen oder der Allgemeinheit dadurch kein Schaden entsteht. Diese Rücksichtnahme ist gleichfalls sehr häufig und kann unter das altruistische Handeln gerechnet werden.

  • Utilitarismus

Vergleiche hierzu den Artikel über den Utilitarismus als Ethik. Ein altruistisches Handeln, das auf die Verbesserung (Maximierung) des Gesamtwohls der Menschheit (oder partikularen Einheiten von ihr), eventuell auch unter Einbezug anderer Lebewesen, zielt, kann nur eingeschränkt als rational bezeichnet werden, da eine vollständige Kalkulation der Handlungsfolgen nicht möglich ist. Im kleineren überschaubaren Rahmen ist dies jedoch manchmal möglich und wird auch versucht. Utilitaristisches Handeln ist der Intention nach rational, ohne dass es möglich wäre, eine konkrete Handlung als rational im Hinblick auf die Maximierung des Wohls oder Glücks der Begünstigten auszuweisen.

Ein Beispiel soll das Grundprinzip der utilitaristischen Rationalität erläutern. Nehmen wir an, ich habe einen Geldbetrag übrig und möchte ihn nach Afrika spenden. Ich kann mich dann erkundigen, wie die verschiedenen Hilfsorganisationen ihre Gelder verwenden und wie die Qualität ihrer Arbeit ist. Ich spende dann an diejenige Hilfsorganisation, von der ich glaube, dass sie die Spende am effektivsten einsetzt, und daher meine Spende den größtmöglichen „Glücks“-Effekt hat.

Ein vollständiges utilitaristisches Kalkül würde auch die eigenen Interessen mit einbeziehen, also im obigen Beispiel auch berücksichtigen, ob das Gesamtwohl der Menschheit nicht noch eine größere Förderung erhielte, wenn etwa der Betrag der Spende verringert wird, und mit dem übrigen Betrag Eigeninteressen verfolgt werden. Ein solches Kalkül gerät typisch in schwere Schlagseite, weil Menschen dabei einem Bias zu Gunsten ihrer eigenen Interessen erliegen.

Selbstverwirklichungs-Altruismus

Individualismus und Selbstverwirklichung schließen Altruismus nicht aus. Die altruistische Einstellung und entsprechendes Handeln kann wesentlicher Bestandteil des Selbstverwirklichungsstrebens sein. Altruismus ist dann Ausdruck des Selbst, das sich mit anderen Menschen verbunden weiß. Individualistischer Altruismus ist freiwillig, als Ausdruck, Bestätigung oder Gestaltung des Selbst gewollt, ohne Nötigung durch soziale und moralische Normen.

Die Erforschung des Altruismus in Philosophie und Wissenschaft

Altruismus ist unter anderem Forschungsgegenstand der Verhaltensbiologie (speziell der Soziobiologie), der Sozialpsychologie, der Philosophie und zunehmend auch der Wirtschaftswissenschaften.

Philosophische Ethik, Moral- und Sozialphilosophie

  • Unterscheidung zwischen ethischem und moralischem Handeln

Die Unterscheidung zwischen Ethik und Moral bzw. Moralphilosophie ist umstritten. Für das Thema Altruismus scheint es sinnvoll, folgende Differenzierung zu machen. Das ethische Handeln ist bewusst um seine Qualität als gut oder richtig besorgt, jedenfalls solange es noch nicht in Gewohnheitshandeln oder Handeln nach gewonnenen Überzeugungen übergegangen ist. So ist etwa das Handeln für das Wohl von Tieren meist von ethischem Charakter. Die moralische Komponente hingegen fehlt typischerweise, denn diese beruht auf dem Geltungscharakter der Güte oder Richtigkeit von Handlungen. Vegetarismus aber z.B. hat jedenfalls in unserer Kultur diesen Geltungscharakter nicht. Mit dem ethischen Handeln kann jedoch ein Geltungsanspruch verbunden sein. Das moralische Handeln hingegen beruht ganz wesentlich auf solcher Geltung des Guten oder Richtigen. So gibt es eine ganz selbstverständliche Zuwendung der älteren Generationen zu den Kindern im allgemeinen. Ein entsprechendes Handeln muss nicht erst noch ethisch qualifiziert sein. (Ein erwachsener Mensch braucht nicht darüber nachzudenken, ob es richtig oder gut ist, ein Kind, das Angst hat, über die Straße zu gehen, an die Hand zu nehmen.) Moralische Geltung enthält das Potential, in Rechtsgesetze überzugehen. Dies ist z.B. bei den Tierschutzgesetzen der Fall: ein ursprünglich ethisches Verhalten gegenüber Tieren erlangte allgemeine Geltung, und hat inzwischen moralischen Charakter.

Im folgenden werden einige der wichtigsten Ethiken kurz vorgestellt, soweit sie Altruismus (oft nicht unter Verwendung dieses Wortes)zum Gegenstand haben. Wenn zwar die meisten Ethiker und Ethikerinnen im allgemeinen Altuismus für „besser“ halten als Egoismus, so darf doch nicht übersehen werden, dass es auch Ethiken gibt, die den Egoismus vertreten. Der wohl bekannteste Vertreter eines ethischen Egoismus ist Nietzsche. Als ein weiteres Beispiel sei der Objektivismus der Philosophin Ayn Rand genannt. Der ethische Egoismus ist nicht zu verwechseln mit Bemühungen, den Notwendigkeiten des Selbsterhalt, einem "wohlverstandenen" oder "berechtigten" Eigeninteresse, einem gewissen "gesunden" Egoismus Gewicht zu geben, um überzogene altruistische Neigungen, (An-)Forderungen oder (Selbst-)Ansprüche (z.B. Helfersyndrom), zu kompensieren.

  • Altruismus als Gegenstand philosophischer Ethiken

Soziobiologie, Evolutionstheorie und Neurowissenschaft

Die Biene - ein Symbol für selbstlosen Altruismus
Die Biene - ein Symbol für selbstlosen Altruismus

In der Soziobiologie versteht man unter Altruismus die Aufopferung eines Einzelnen oder Mehrerer, um den Fortbestand Anderer zu sichern, etwa bei Menschen, aber auch bei Ameisen, Schimpansen, Honigbienen oder anderen Tieren. Hierbei ist nicht in erster Linie das Opfern des eigenen Lebens gemeint, dies ist aber im Extremfall inbegriffen.

Altruismus kommt in der Natur vor, wenn ein Individuum Aufwand treibt, obwohl nur ein anderes Individuum davon direkt profitiert. Dies scheint auf den ersten Blick dem Darwinismus zu widersprechen. Dennoch besteht ein Zusammenhang zwischen egoistischen Verhaltensweisen und altruistischen Handlungen.




  • Reziproker Altruismus

Die Soziobiologie kann reziproken Altruismus erklären.

  • Gruppenselektion

Oft ergeben sich Gruppenvorteile aus diesem Handeln, woraus alle Mitglieder, etwa von staatenbildenden Insekten, langfristig wieder individuell profitieren. Der Sinn von Altruismus ist hier nicht die Vorteilserlangung des Individuums gegenüber einem anderen Individuum, sondern der Gruppe innerhalb einer Art oder der Art gegenüber konkurrierenden Arten.

  • Verwandtschaftsselektion

Vom reziproken Altruismus oder der Gruppenselektion abgesehen, hängt die Bereitschaft zum altruistischen Handeln zumindest bei Säugern häufig von Verwandtschaftskoeffizienten ab. Je höher der Grad der Verwandtschaft zwischen zwei Individuen ist, desto höher liegt die Bereitschaft zum altruistischen Handeln.

  • Neuere Multiselektionstheorien
  • Neuere Annäherungen bzw. Vermittlungsversuche zwischen biologistischen und kulturalistischen Theorien
  • Spezielle Themen
    • Price-Gleichung
Die Evolution des Altruismus kann mathematisch sehr elegant und einfach mit der Price-Gleichung verstanden werden.
    • Neurologische Aspekte (Spiegel-Neuronen, "altruistic punishment", etc.)
    • Unterscheidet sich menschlicher Altruismus von tierischem Altruismus?

Sozialpsychologie

Eine Zeit lang galt der Altruismusbegriff in der Wissenschaft als geeigneter Ersatz für den schwierig zu fassenden Liebesbegriff. Aber schon bald zeigte sich, dass auch Altruismus schwierig zu definieren ist. Untersuchungen und Erörterungen muss umständlich eine Definition vorangestellt werden, die dann aber meist nur geteilte Zustimmung findet. Die Sozialpsychologie hat deshalb einen neuen Begriff geprägt: Prosoziales Verhalten. Allerdings erfolgt dabei die erhöhte Klarheit des Begriffs auf Kosten des Begriffsumfangs. Mit prosozialem Verhalten ist relativ eindeutiges, beobachtbares Verhalten gemeint, das für die Mitmenschen unternommen wird oder sich an deren Wohlergehen orientiert, z.B. und in erster Linie Hilfsverhalten. Hilfsbereitschaft als Einstellung oder Mitleid als Motiv zu helfen sind dabei keine Bestandteile des Begriffs des prosozialen Verhaltens mehr, sondern gelten als Ursachen oder Bedingungen eines eindeutig beobachtbaren Phänomens des Helfens, der Zusammenarbeit, der Rücksichtnahme usw.

Die Bezeichnung Altruismus (meist dann in dem üblichen, weiteren Sinne, mit Einbezug der Motive etc.) hat sich daneben jedoch weiter behaupten können, zum Teil werden „Altruismus“ und „prosoziales Verhalten“ auch synonym verwendet.

Die Sozialpsychologie als Teilgebiet der Psychologie ist stark experimentell ausgerichtet und bevorzugt statt Befragungen, wie sie etwa in der Soziologie üblich sind, Untersuchungen im Labor. Berühmtheit haben die Milgram-Experimente erlangt, die zeigten, dass die Versuchspersonen bereit sind, Menschen Schmerzen zuzufügen, wenn eine akzeptierte Autoritätsperson sie dazu auffordert. Es werden neben Laborversuchen allerdings auch Experimente im Feld durchgeführt. Entsprechende Ergebnisse sind dann weniger der Kritik ausgesetzt, nur für eine unrealistische Laborsituation gültig zu sein. So legt man beispielsweise Theologiestudenten, die zu einem Seminar eilen, einen verletzten Menschen an die Straßenseite und beobachtet das Hilfsverhalten. Bei einem solcher Experimente hat sich gezeigt, dass Studenten, die im Seminar über das Thema „der barmherzige Samariter“ zu referieren hatten, eher bereit waren, um des Helfens willen verspätet zum Seminar zu erscheinen. Die Sozialpsychologie hat eine große Fülle von Daten und Theorien hervorgebracht, welche Ursachen, Bedingungen oder Faktoren das prosoziale Verhalten beeinflussen. Einen umfassenden Überblick über die Forschung gibt die Monographie Schroeder et al.

Im Hinblick auf Motivation zum prosozialen Handeln sind die Forschungen Batsons bekannt geworden und werden unter der sog. Empathie-Altruismus-Hypothese diskutiert. Wenn auch zwar die These Batsons, Empathie-Altruismus sei „wahrer“ Altruismus, bis heute umstritten geblieben ist, gelten die Forschungen Batsons als bedeutendster Beitrag zur Motivationsforschung und sind als Versuch anerkannt, einen durchgehenden Egoismus des Menschen zu widerlegen.

Als Erklärungsalternative zum Empathie-Altruismus sind von einer Forschergruppe um Cialdini [s. z.B.: J.K. Maner et al., siehe Lit.Verz.] die Experimente und Interpretationen zum self-other-merging (oneness) vorgestellt worden. Hilfsverhalten würde höher mit kognitiver Identifikation mit dem Hilfsbedürftigen als mit emotionaler Empathie korrelieren. Mit der Identifikation wird das Selbst des Helfenden gewissermaßen ausgeweitet und umfasst den Hilfsbedürftigen mit. Cialdini will mit dieser Theorie und entsprechenden empirischen Belegen auch gegen die Empathie-Altruismus-Hypothese die Grundannahme des psychologischen Egoismus retten, denn: Self-Other-Merging, Oneness, das bedeutet ja, dass das Ego, das dem anderen hilft, dabei im Grunde sich selbst hilft. Die fürsorgliche Zuwendung und Liebe der Mutter zu ihrem Neugeborenen wäre dann letztlich nicht auf das Kind als ein getrenntes Wesen gerichtet, sondern auf das Kind, das mit der Mutter in einer Einheit lebt, wobei die Zuwendung zum Kind dann analog zu verstehen ist wie etwa, den eigenen knurrenden Magen zu versorgen. Allerdings sträubt sich das Phänomen der Mutterliebe gegen solche theoretische Spitzfindigkeit, es auf Egoismus zu reduzieren. Das wird das Altruismusparadox genannt. Wenn man die Phänomene des Self-Other-Merging reduktiv erklärt, ergibt die Anwendung des Begriffspaars Egoismus-Altruismus keinen Sinn mehr. Das Altruismusparadox wird weiter unten unter dem Titel „Ungelöste Probleme“ noch näher erläutert.<[2]

Mit dem vorstehenden ist der Mainstream sozialpsychologischer Altruismusforschung gekennzeichnet, der experimentelle Methoden nach dem Vorbild der Naturwissenschaften anwendet. Daneben gibt es andere Richtungen sozialpsychologischen Forschens. So ist etwa Erich Fromm, der gewichtige Beiträge zur Altruismusforschung geleistet hat, selbstverständlich dem Paradigma der Psychoanalyse zuzuordnen. In Amerika sind die Disziplinen Sozialpsychologie und Soziologie weniger streng getrennt als in Europa.

Soziologie bzw. Sozialwissenschaft allgemein

  • Unterscheidung zweier soziologisch relevanter Typen altruistischen Handelns

Obwohl der Begründer der modernen Soziologie als eigenständiger Disziplin, Auguste Comte, den Altruismus (ein von ihm erfundenes Wort) mit geradezu missionarischem Eifer als einen säkularen Quasi-Religionsersatz predigte.[3], hat der Terminus Altruismus in der Soziologie keinen großen Widerhall gefunden. Comte predigte den moralischen Altruismus, der als Gegengewicht gegen die durch die Marktwirtschaft entfesselten egoistischen Antriebe Platz greifen müsse, um die Gesellschaft lebensfähig zu erhalten.

Soweit es um diesen moralischen Altruismus geht, spricht man in der Soziologie von moralischem Handeln, eine besondere Form des normenorientierten Handelns, das sich an den Erwartungen der Mitmenschen orientiert und das ein Hauptgegenstand der soziologischen Untersuchungen ist. Ein normenorientiertes Handeln ist jedoch nicht mit altruistischem Handeln gleichzusetzen, denn es gibt auch die Norm, egoistisch zu handeln, vornehmlich im Wirtschaftsleben.

In neuerer Zeit hat das Wort Altruismus in der Soziologie jedoch eine Wiederbelebung erfahren, und zwar durch den Einfluss der RC-Theorien. Dabei hat sich jedoch die Bedeutung des Begriffs gewandelt. Nicht mehr wie Comte versteht man darunter moralisches Handeln noch Handeln nach einer Norm, sondern Handlungen, die auf das Wohl anderer gerichtet sind, ohne dabei gesollt zu sein, also freiwilligen Charakter haben und aus Sympathie erfolgen.

Diese Unterscheidung zwischen altruistischem und moralischem Handeln geht auf den „Apfel-Test“, den der Ökonom und RC-Theoretiker Amartya K. Sen in seinem berühmten Aufsatz „Rational Fools“ zur Unterscheidung zweier, an anderen Menschen orientierten Typen des Handelns (other-regard) durchzuführen vorgeschlagen hat, zurück: Ego hat zwei Äpfel in der Hand: Einen großen und einen kleinen. Er bietet Alter an, einen der Äpfel zu wählen. Nimmt jetzt Alter den großen Apfel und empört sich Ego darüber („Das tut man nicht“), so wurde eine Norm verletzt. Alter hat die Norm missachtet, indem er den großen Apfel nahm, und wird von Ego dafür mit einer beleidigten Miene abgestraft. Wenn jedoch Ego den großen Apfel freudig hingibt und gerne sich mit dem kleinen zufrieden gibt, dann handelt es sich um eine Handlung, die aus sympatischem Altruismus erfolgt ist.

Jedoch hat die Zuordnung des Wortes Altruismus zu diesem freiwilligen, meist aus Sympathie erfolgenden Handeln, in Abgrenzung zum moralischen Handeln, keine allgemeine Zustimmung gefunden, indem einige Wissenschaftler den Terminus Altruismus, wie Comte das vorgesehen hatte, auf moralisches Handeln allein angewendet wissen wollen. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Typen des Handelns ist jedoch unumstritten und hat allgemeinen Beifall gefunden.

Das bedeutet jedoch nicht, dass es immer leicht wäre, ein gegebenes Handeln, das um anderer Willen geschieht, einem der Typen zuzuordnen. Comte meinte mit seinem Altruismus Menschenliebe. Liebe ist jedoch eher dem Sympathiealtruismus zuzuordnen. Entscheidend für den normativen Charakter bleibt, dass Liebe oder Altruismus gefordert wird. Es wird z.B. einem Menschen vorgeworfen, dass er lieblos sei. Soweit positive Gefühle, die doch eigentlich nicht erzwungen werden werden können, und ihr Ausdruck im Handeln, erwartet werden, und solchen Erwartungen entsprochen wird, ist die Zuordnung zum normativen oder moralischen Altruismus naheliegend. Über diese Wiedersprüchlichkeit hinaus, etwas zu erwarten, was aufgrund seines Charakters eigentlich nur freiwillig oder aus authentischen Gefühlen erfolgen kann, besteht das Problem, dass normative Erwartungen häufig durch Erziehung und Sozialisation internalisiert sind. Man glaubt, man handele nach eigenem Gutdünken oder gäbe seinen edlen Empfindungen nach, während man in Wirklichkeit nur den Erwartungen der Mitmenschen Folge leistet. Welcher Typus dann tatsächlich vorliegt, ist dann sehr schwierig festzustellen.

Trotz solcher typologischen Schwierigkeit ist die Unterscheidung hochbedeutsam, denn aus ihr ergeben sich je ganz unterschiedliche Folgerungen, wenn politische oder sozialreformerische Maßnahmen auf die Verbesserung der Lebensverhältnisse zielen. So glauben etwa die amerikanischen Kommunitaristen nicht daran, dass die Kultur des modernen Individualismus genügend freiwilligen Sympathiealtruismus hervorbringen könne, um die Abschwächung der normativen Kraft gesellschaftlicher Sitten zu kompensieren. So wird z.B. die liberale Einstellung zur Ehescheidung als ein Fehler angesehen. Es müsse durch die Gesellschaft mehr Druck ausgeübt werden, um es den Menschen zu erleichtern, ihren Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft gerecht werden zu können. (Unter ethischem Geschichtspunkt gibt es das Problem, dass Sympathiealtruismus oft parteilich oder unerwünscht partikular ist. Kant hatte sich dagegen verwahrt, dass Handlungen aus Neigung ethischen Wert haben könnten. Siehe dazu den Abschnitt „Philosophische Ethik, Moral- und Sozialphilosophie“).

Die Unterscheidung des Handelns, das durch Normbefolgung motiviert ist, nach dem Verinnerlichungsgrad der Normen ist nicht zu verwechseln mit der Unterscheidung zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass diese beiden Typen nicht die einzigen sind, weder in der Soziologie noch im Alltagsverständnis, und es gibt auch Mischtypen. Ein solcher Mischtypus ist z.B. der Kavalier.

  • Die zwei Forschungsrichtungen der Soziologie

Für die Soziologie ist Altruismus, altruistisches Verhalten oder Handeln entweder das zu erklärende Phänomen, wobei dann irgendeine soziale oder gesellschaftliche Bedingtheit dieses Handelns aufgesucht wird (soziologische Erklärung individuellen Verhaltens oder Handelns, oder sogar Erklärung bestimmter Aspekte der Individualität, der Persönlichkeit des einzelnen (soziale Bedingtheit der Identität)) (z.B. „produziert Kapitalismus Egoisten?“) - oder aber, Altruismus als gegebenes Phänomen (meist typologisch in einem Modell vereinfacht) dient dazu, gesellschaftliche Phänomene, wie Stablität einer Ordnung, oder sozialer Wandel, wie z.B. Entstehung, Aufrechterhaltung oder Auflösung generalisierten Tausches, zu erklären. Im folgenden werden einige prominente Forschungsfelder der Soziologie oder allgemeiner der Sozialwissenschaften vorgestellt.

  • Judenrettung während der Zeit des Naziterrors

Der amerikanische Soziologe Samuel P. Oliner, der selbst als jüdisches Kind vor den Nazis von Polen gerettet worden ist (durch Verstecktwerden), war durch diese Erfahrung so beeindruckt, dass er sein Lebenswerk der Erforschung dieser besonderen Art von Altruismus, die sich bei Judenrettern gezeigt hat, gewidmet hat. [4] Oliner spricht von heroischem oder Courage-Altruismus. Die Menschen, die solchen Altruismus zeigen, werden im englischen Sprachraum auch als "moral exemplars" bezeichnet. Neben den Arbeiten Oliners und anderen sind auch die Forschungen der Politikwissenschaftlerin Kristen Renwick Monroe bekannt geworden. [5] Monroe weist Erklärungsversuche, auch bei solchen Rettungsaktionen habe eine nutzenmaximierende Wahlhandlung stattgefunden, wohl mit Recht, [6] zurück und preferiert eine Theorie, die solche Rettungstätigkeiten als Result von sozialer Identität (Verbundenheit), moralischer Integrität, und Identifikation mit den Opfern (Perspektivenübernahme) ansieht. Der heroische oder Courage-Altruismus, wie ihn Judenretter während des Holocaust gezeigt haben, hatte eine besondere Ausprägung: Um den Juden zu helfen, wurde in manchen Fällen nicht nur das eigene Leben aufs Spiel gesetzt, sondern auch das Leben der eigenen Familien und von Freunden, ohne zuvor um deren Einverständnis nachzusuchen. Daher ist argumentiert worden, [7] dass diese Rettungsaktionen ethisch fragwürdig waren. Das mag stimmen, jedoch sind wohl alle Deutschen, und auch die Menschheit insgesamt, froh, dass es diese Helden in jener furchtbaren Zeit gegeben hat.

  • Generalisierter Austausch

Nietzsche meinte, Bettler sollten abgeschafft werden: "Man ärgert sich, wenn man ihnen gibt, und man ärgert sich, wenn man ihnen nicht gibt." Warum ist das so, warum stellt sich meist kein "feeling good" ein? Ein Grund könnte sein, dass Bettler als Endstationen des Nehmens empfunden werden. Mit anderen Worten: Sie gelten typischerweise nicht als Teilnehmer an einem generalierten Tausch, bei dem die Teilnehmer darauf vertrauen, dass die Nutzniesser ihrer Leistungen selber auch geben. Nur solche psychologische Aspekte, die mit der Teilnahme am Tausch direkt verbunden sind, können bei der Analyse solcher Systeme Berücksichtigung finden. Das ist z.B. dieses "feeling good", die Freude am Beitrag zu einer imaginären Tauschgemeinschaft. Ansonsten beschränkt man sich auf die Analyse des Verhaltens, (Altruismus im generalisierten Tausch ist also Hilfsverhalten, bei dem Motive in der Regel keine Rolle spielen), unter Hinzuziehung der Bedeutung der Reputation der Teilnehmer als "gute" Teilnehmer, eben als Altruisten.

  • Sozialkapital
  • Bürgerschaftliches bzw. zivilgesellschaftliches Engagement

Pädagogik

Rational-Choice-Theorien

Spieltheoretische Untersuchungen

Das Verhalten von Individuen in einer Population untersucht die Spieltheorie in Spielen der Kategorie „Kooperative n-Personen-Spiele“. Das berühmteste Spiel solcher Art ist das Gefangenen-Dilemma (Prisoner-Dilemma (PD)). Komplexere Spiele sind z.B. das Ultimatumspiel (Ultimatum Game (UG)) und das Diktatorspiel (Dictator Game (DG)). Das Handeln eines Spielers in einem Spiel wird nicht als egoistisch oder altruistisch, sondern als kooperativ oder nicht-kooperativ bezeichnet. Der typische rationale Spieler ist auf eine Maximierung seines Gewinns aus, und er verhält sich kooperativ, wenn er sich dadurch einen Vorteil verspricht. Ob und wann ein kooperativer Spielzug gemacht wird, hängt von den jeweiligen Spielregeln, der je besonderen Spielsituation, und dem Verhalten (oder dem erwarteten Verhalten) der Spielpartner ab.

Kooperation zwischen Menschen ist i. d. R. für alle Beteiligten vorteilhaft. Die Spieltheorie kann zeigen, wie Spieler aus Eigeninteresse dahin kommen, kooperatives Verhalten zu entwickeln, und unter welchen Bedingungen Kooperation als Standard sich etablieren und erhalten kann, bzw. unter welchen Bedingungen Kooperation nicht entsteht, oder zurückgeht.

Ein Problem der praktischen Anwendung spieltheoretischer Forschungsergebnisse ist die Künstlichkeit der Modelle, die nicht perfekt abbilden können, wie es im „wirklichen Leben“ zugeht. Als Grundregel gilt auch hier: Modelle gelten dann in einer gegebenen Realität als anwendbar, wenn sich mit ihnen in dieser Realität ausreichend gute Vorhersagen machen lassen.

Die praktische Relevanz ist immer dann gegeben, wenn die Unterstellung rational egoistischen Verhaltens ratsam scheint. Solche Unterstellung ist z.B. selbstverständlich in zwischenstaatlichen Beziehungen. Haben Staaten jedoch nur wenige Handlungsoptionen (z.B. Nordkorea), dann kann die Drohung mit scheinbar irrationalem Verhalten das Spiel verändern. Die Spieltheorie hat daher große Bedeutung für die Friedensforschung.


Theologie und Religionswissenschaft

Ungelöste Probleme in Philosophie und Wissenschaft

  • Definitionsprobleme
  • Gibt es „wahren“ bzw. „echten“ Altruismus?
  • Die Rationalität bzw. Vernünftigkeit des Altruismus

Quellen, Anmerkungen

  1. Einen Versuch, die Herkunft solcher altruistischen Präferenzen aufzuklären, macht der RC-Theoretiker David Schmidtz, allerdings mit einer sehr weiten RC-Version, der fast schon der Übergang in ein anderes Paradigma droht. David Schmidtz: Reasons for Altruism, in Paul, Miller, Paul (eds.)[s. Lit.-Verz.], S. 52 - 68.
  2. Man könnte meinen, es sei recht einfach, ein vermeintlich altruistisches Verhalten als „im Grunde“ doch egoistisch zu entlarven. Das ist überhaupt nicht der Fall, gewisse altruistische Phänomene lassen sich in keiner Weise auf Egoismus reduzieren, darin besteht gerade das Paradox, dass die Möglichkeit, sich solches Verhalten als egoistisch zu erklären, nicht gegeben ist. Ein Beispiel dafür ist der altruistische Charakter, wie er im Märchen Frau Holle geschildert wird. Abgesehen von dem genannten Paradox, dass ein wahrgenommenes Phänomen im Widerspruch steht zu theoretischen Annahmen oder Grundüberzeugungen, haben freilich diese Phänomene manchmal auch Vexierbildcharakter. So wird berichtet, dass manche Muttis ihren Kleinen bis ins Klassenzimmer nacheilen, um ihnen dort die Stühlchen zurechtzurücken. Ihren Kleinen, versteht sich. Entsprechend gibt es Auffassungen, die darauf verzichten, Egoismus bzw. Altruismus als reale Eigenschaften des Verhaltens oder der handelnden Person aufzufassen (bzw. diese Frage offen lassen), sondern davon ausgehen, dass solches Verhalten von Beobachtern (auch Selbstbeobachtung) zugeschrieben, „attribuiert“ wird (Attributionstheorien). Für die soziale Relevanz des „altruistischen“ Charakters von Verhalten kommt es denn auch häufig darauf an, dass dieses als ein solches wahrgenommen und anerkannt wird. Ein Verhalten oder Charakter „gilt“ dann als egoistisch oder altruistisch, oder als eine Mischung aus beidem.
  3. Comtes Schriften sind bis heute nicht ins Deutsche übersetzt. Äußerungen zum Altruismus finden sich besonders in Système de politique positive, Paris, 4 Bde, 1851-1854 und im Catéchisme, zuerst Paris 1852. Eine Einführung in Comte bietet Werner Fuchs-Heinritz: Auguste Comte, Opladen 1998, Westdeutscher Verlag. Abgesehen von der Wortgebung ist der Beitrag Comtes zum Altruismusdiskurs allerdings nicht von großer Bedeutung.
  4. Siehe z.B. Samuel P. Oliner: Do Unto Others. Extraordinary Acts of Ordinary People, Boulder (Colorado), 2003
  5. Siehe z.B. Kristen Renwick Monroe, Kay Mathiesen, Jack Craypo: If Moral Action Flows Naturally from Identity and Perspective, Is It Meaningful to Speak of Moral Choice? Virtue Ethics and Rescuers of Jews during the Holocaust. In: Altruismus und Supererogation, 1999, Jahrbuch für Recht und Ethik, Bd. 6, 1999 [siehe Lit.Verz.] S. 231 - 249.
  6. Dagegen: Karl-Dieter Opp: 1997, Can Identity Theory Better Explain the Rescue of Jews in Nazi Europe than Rational Actor Theory? in: Research in Social Movements, Conflicts and Change, 223-253. (Erklärung mittels einer weiten RC-Version sei möglich, vgl. auch FN 1)
  7. Quelle

Siehe auch

Literatur

Sozialwissenschaft/Philosophie allgemein bzw. interdiziplinär
  • Heinz Harbach: Altruismus und Moral. Westdeutscher Verlag, Opladen 1992, ISBN 353112272X
(Untersucht, wie die Sozialwissenschaften die Herausforderungen des Altruismusparadox (Anerkennung des Phänomens Altruismus, das aber im Widerspruch zu den theoretischen Grundannahmen einer Theorie oder auch der impliziten Voraussetzung des psychologischen Egoismus steht) bewältigen. Beinhaltet auch eine eindrucksvolle Reihe von Zitaten von Definitionsversuchen.)
  • Morton Hunt: Das Rätsel der Nächstenliebe. Der Mensch zwischen Egoismus und Altruismus. Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York 1992, ISBN 3593346214
(zum Einstieg ins Thema geeignet)
  • Ellen Frankel Paul, Fred D. Miller Jr., Jeffery Paul (eds.): Altruism. Cambridge University Press, Cambridge 1993, ISBN 0521447593
(Aufsätze von Philosophen und Ökonomen über Altruismus)
  • Jonathan Seglow (eds.): The Ethics of Altruism. Frank Cass Publishers, Portland 2004, ISBN 0714655945
(Aufsätze von Politikwissenschaftlern und Philosophen über Altruismus)
  • Ernst Fehr & Urs Fischbacher : The nature of human altruism. In: Nature. 425, 2003, S. 785–791
(Review-Artikel über den Forschungsstand zum Altruismus (Evolutionstheorie und Spieltheorie))
  • Analyse und Kritik: Zeitschrift für Sozialtheorie, Bd. 27, H.1, 2005, ISSN 0171-5860
(Diskussion der Forschungsresultate Ernst Fehrs und Mitarbeiter, insbesondere die Interpretation „altruistischen Bestrafens“ :(altruistic punishment) in spieltheoretischen Experimenten als „echten“ Altruismus)
  • B. Sharon Byrd (Hrsg.): Themenschwerpunkt: Altruismus und Supererogation = Altruism and supererogation. Duncker und Humblot, Berlin 1999 (Jahrbuch für Recht und Ethik, Bd. 6) ISBN 342809770X
(Aufsätze von Philosophen und Wissenschaftlern über Altruismus, teilweise in englischer Sprache)
  • Stephen G. Post et al.(eds.): Research on Altruism & Love. An Annotated Bibliography of Major Studies in Psychologie, Sociology, Evolutionary Biology & Theology. Templeton Foundation Press, Philadelphia 2003, ISBN 1932031324
  • Thomas Leon Heck (Hrsg.): Das Prinzip Egoismus. Noûs Verlag, Tübingen 1994, ISBN 3924249121
(Zahlreiche kleinere Aufsätze zum „Egoismus-Prinzip“, darunter auch die Vorstellung der Auffassungen abendländischer Geistesgrößen von Platon bis heute, zusammengestellt von einem wohlwollenden Zyniker)
  • Pearl M. Oliner et al. (eds): Embracing the other. Philosophical, Psychological, and Historical Perspectives on Altruism. New York University Press, New York 1992, ISBN 0814761755
(20 Aufsätze aus Philosophie und Wissenschaft über Altruismus)

Philosophie
  • Christoph Lumer: Rationaler Altruismus. Eine prudentielle Theorie der Rationalität und des Altruismus. Universitätsverlag Rasch, Osnabrück 2000, ISBN 3934005551
(Ein schwieriges Buch, in das aber mal hineinzuschauen lohnt, siehe dazu oben im Text)
(In diesem Buch revidiert Nagel teilweise Auffassungen, die er in dem Buch Die Möglichkeit des Altruismus vertreten hat.); (Die Untersuchungen Nagels dienen vielen Philosophen als Diskussionsgrundlage)
  • Donald L.M. Baxter: Altruism, Grief, and Identity. In: Philosophy and Phenomenological Research. Vol. 70, No. 2, 2005, S. 371-383

Spieltheorie und RC-Theorie
  • Howard Margolis: Selfishness, Altruism, and Rationality. A Theory of Social Choice. University of Chicago Press, Chicago 1982, ISBN 0226505243 (siehe dazu oben im Text)
  • Stefano Zamagni (Hrsg.): The Economics of Altruism. Edward Elgar Publishing, Brookfield 1995 (The International Library of Critical Writings in Economics; 48), ISBN 1852789530
  • Nobuyuki Takahashi: The Emergence of Generalized Exchange. In: American Journal of Sociology. Vol. 105, No. 4, 2000, S. 1105-1134 (Ein Versuch, die Entstehung generalisierten Tausches bei methodologischer Voraussetzung rationaler Egoisten (die allerdings jeweils nach einer subjektiven Fairnessnorm handeln) verständlich zu machen)
  • Amartya K. Sen: Rational Fools: A Critique of the Behavioral Foundations of Economic Theory. In: Jane J. Mansbridge (ed.): Beyond Self-Interest. Chicago und London, 1990 (Wiederabdruck, zuerst 1978)

Sozialpsychologie, Psychologie
  • Hans Werner Bierhoff, Leo Montada (Hrsg.): Altruismus. Bedingungen der Hilfsbereitschaft. Verlag für Psychologie Hogrefe, Göttingen/Toronto/Zürich 1988, ISBN 3-8017-0253-7
  • Hans Werner Bierhoff: Prosoziales Verhalten. In: Wolfgang Stroebe (Hrsg.): Sozialpsychologie. Eine Einführung. 4. Auflage. Springer, Berlin 2002, S. 319-354, ISBN 3-540-42063-0
  • David A. Schroeder et al.: The psychology of helping and altruism. McGraw-Hill, New York 1995, ISBN 0070556113
  • C. Daniel Batson: The altruism question. Toward a social-psychological answer. Erlbaum, Hillsdale NJ 1991, ISBN 0805802452 (Historischer Überblick zum Thema Altruismus, Darstellung der Empathie-Altruismus-Hypothese, Forschungsergebnisse zur Stützung der Hypothese)
  • Steven L. Neuberg et al.: Does Empathy lead to Anything More Than Superficial Helping? Comment on Batson et al.. In: Journal of Personality and Social Psychology. Vol. 73, No. 3, 1997, S. 510-516
  • C. Daniel Batson: Self-Other Merging and the Empathy-Altruism Hypothesis - Reply to Neuberg et al. In: Journal of Personality and Social Psychology. Vol. 73, No. 3, 1997, S. 517-522
  • J. K. Maner et al.: The Effects of Perspective Taking on Motivations for Helping - Still No Evidence for Altruism. In: Personality and social psychology bulletin. Vol. 28, No. 11, 2002, S. 1601 - 1610
(Maner et al. verstehen Self-Other-Merging (Perspective Taking) als aus dem psychologischen Egoismus folgend, und glauben deshalb, Batsons Empathie-Altruismus-Hypothese (Altruismus aus Empathie als „wahrer“ Altruismus) widerlegt zu haben.)
(Zum Thema Altruismus und Self-Other-Merging vgl. auch den Artikel von Baxter (Lit. Angabe unter Philosophie)

Biologie und Soziobiologie
  • Pjotr Alexejewitsch Kropotkin: Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt. Ullstein, Frankfurt am Main/Berlin/Wien 1976, ISBN 3548032257
  • Matt Ridley: Die Biologie der Tugend. Warum es sich lohnt, gut zu sein. Ullstein, Berlin 1997, ISBN 3550069537
  • Edward O. Wilson: Kin Selection as the Key to Altruism: Its Rise and Fall. In: Social Research. Vol. 72, No. 1, 2005, S. 159-166

Weblinks

wikt:
Wiktionary
Wiktionary: Altruismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen

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