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Arthur Schopenhauer

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Arthur Schopenhauer
Arthur Schopenhauer

Arthur Schopenhauer (* 22. Februar 1788 in Danzig; † 21. September 1860 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Philosoph. Er vertrat als einer der ersten Philosophen des 19. Jahrhunderts die Überzeugung, dass der Welt ein irrationales Prinzip zugrunde liegt.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Arthur Schopenhauer wurde in der Freien Hansestadt Danzig geboren. Seine Eltern, beide aus Danzig stammend, waren Heinrich Floris Schopenhauer und Johanna Schopenhauer. Heinrich war ein angesehener Kaufmann, seine Frau Johanna wurde später eine bekannte Schriftstellerin.

Arthur Schopenhauer
Arthur Schopenhauer

Die Familie Schopenhauer verließ Danzig 1793, nachdem es von Preußen annektiert worden war, und siedelte sich in Hamburg an. Freiheitsdrang hatte den Vater Heinrich Floris Schopenhauer veranlasst, seiner Heimat unter erheblichen finanziellen Verlusten den Rücken zu kehren.

1799 besuchte Schopenhauer die Rungesche Privatschule, er wuchs über das dort Erlernbare schnell hinaus und bat den Vater, ihn auf ein Gymnasium zu schicken. Der Vater hielt humanistische Studien jedoch für überflüssig und hatte seinen Sohn für den Kaufmannsstand bestimmt. Er stellte seinen Sohn vor die Wahl: Gymnasium oder eine mehrjährige Bildungsreise durch Europa; so bereiste Schopenhauer von 1803-1804 Holland, England, Frankreich, die Schweiz, Österreich, Schlesien und Preußen. Vorher verbrachte er mehrere Wochen zum Erlernen der englischen Sprache in Wimbledon.

1805 kehrte er nach Hamburg zurück. Er folgte dem Willen des Vaters und trat eine Kaufmannslehre in der Firma Jenisch an. Am 20. April des Jahres erlag der Vater unter ungeklärten Umständen einem tödlichen Unfall. Es gibt Vermutungen über einen Suizid. Dies wäre ein früher Baustein für die sich entwickelnde Weltanschauung des Sohnes. Schopenhauer hatte zudem eine kritische Einstellung zum Wesen und Verhalten seiner Mutter, welche nunmehr die einzige Erziehungsberechtigte war.

Nach Auflösung des väterlichen Geschäfts im September 1806 zogen Johanna und ihre Tochter Adele nach Weimar. Schopenhauer blieb jedoch zunächst allein zurück. Er war zerrissen zwischen pflichtmäßiger Fortsetzung der Kaufmannslehre und seiner Neigung zu einem geistigen Lebensberuf.

Im Juni 1807 wurde Schopenhauer auf Ratschlag Carl Ludwig Fernows Schüler des Gymnasialdirektors Doering in Gotha. 1807 folgte die Übersiedlung ins nahe Weimar, sein wichtigster Lehrer wurde Franz Passow. Er pflegte Umgang mit Johannes Daniel Falk und Zacharias Werner und entwickelte leidenschaftliche Neigungen zu Karoline Jagemann. Die erotischen Wirrnisse bewirkten bei Schopenhauer heftige seelische Krisen.

Der junge Schopenhauer. Portraitiert von L.S.Ruhl
Der junge Schopenhauer. Portraitiert von L.S.Ruhl

Volljährig geworden bekam Schopenhauer seinen Anteil am väterlichen Erbe ausgezahlt. Durch dieses ansehnliche Erbe war Schopenhauer vermögend und frei von finanziellen Sorgen. 1809 begann er an der Universität Göttingen ein Studium der Medizin, das er jedoch bald zugunsten der Philosophie aufgab. Den Doktortitel der Philosophie an der Universität Jena erhielt Schopenhauer am 18. Oktober 1813 für die Schrift Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde, zu deren ersten Lesern Johann Wolfgang Goethe gehörte. Goethe war bereits vorher über seinen Kontakt zur Mutter Schopenhauers, die in Weimar eine Art Salon betrieb, auf ihn aufmerksam geworden. Häufigere Begegnungen mit Goethe folgten, der gerade seine Farbenlehre ausformulierte. Schopenhauer äußerte bald Zweifel an dieser Theorie des von ihm als Dichter bewunderten Goethe, wodurch sich das gute Verhältnis allmählich löste. Durch Friedrich Majer wurde Schopenhauer mit der altindischen Philosophie, dem Brahmaismus, bekannt gemacht. 1814 überwarf er sich mit seiner Mutter und ging nach Dresden, wo er in Literatenkreisen verkehrte und Studien in den reichen Sammlungen und Bibliotheken der Stadt trieb.

1815 veröffentlichte Schopenhauer eine eigene Farbenlehre mit dem Titel Ueber das Sehen und die Farben, die 1816 im Druck erschien. Er entwarf sein Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung, das Anfang 1819 bei Friedrich Arnold Brockhaus erschien und später von ihm noch erheblich erweitert werden sollte. Schopenhauer war sich über die geistesgeschichtliche Bedeutung seines Werkes völlig im klaren, auch wenn es geschäftlich gesehen kein Erfolg war.

1819 unternahm Schopenhauer eine Reise nach Italien, die ihn über Venedig, Rom, Neapel, Paestum, Rom und Venedig nach Mailand führte. Dort erreichte ihn im Juni 1819 die Nachricht vom Zusammenbruch des Danziger Bankhauses L. A. Muhl, bei dem er einen Teil seines Vermögens deponiert hatte. Er brach die Reise sofort ab, um die Angelegenheit an Ort und Stelle zu regeln, wobei es erneut zu Spannungen zwischen ihm und seiner Mutter kam. Seine momentan prekäre Situation veranlasste Schopenhauer, sich um eine Dozentur an der Universität Berlin zu bewerben.

1820 begann Schopenhauer an der noch jungen Berliner Universität zu lehren. Dabei kam es zu dem berühmten Streit mit Hegel. Schopenhauer setzte seine Vorlesungen zeitgleich mit denen des berühmten Hegel an und hatte daher nur wenige Zuhörer. Bald begann er, die Universitätsphilosophie zu verachten. Als das Bankhaus 1821 seine Forderungen auszahlte, verließ er die Universität und setzte seine Italienreise fort. Er kehrte, nach längeren, z.T. krankheitsbedingten Aufenthalten in München, Bad Gastein und Dresden, erst im April 1825 wieder nach Berlin zurück und begann, ohne große Erwartungen, einen erneuten Versuch, die universitäre Laufbahn einzuschlagen.

Trotz einer rühmenden Besprechung der Welt als Wille und Vorstellung von Jean Paul erzeugten seine Ideen noch immer keine Resonanz beim Publikum.

Bei Ausbruch einer Choleraepidemie in Berlin 1831 floh Schopenhauer - anders als Hegel, der ihr zum Opfer fiel - nach Frankfurt am Main, wo er sich auf Dauer niederließ. 1837 griff Schopenhauer in die Gestaltung der Gesamtausgabe der Schriften Immanuel Kants ein, indem er erfolgreich für die Aufnahme der ersten Fassung der Kritik der reinen Vernunft anstatt der zweiten Fassung plädierte.

1838 starb Schopenhauers Mutter, im folgenden Jahr krönte die Königlich Norwegische Societät der Wissenschaften seine Preisschrift Ueber die Freiheit des menschlichen Willens. 1841 erschien sie, zusammen mit einer anderen, nicht gekrönten Preisschrift, Ueber das Fundament der Moral, unter dem zusammenfassenden Titel Die beiden Grundprobleme der Ethik.

1840 war Julius Frauenstädt als erster einer Reihe von „Aposteln und Evangelisten“ Schopenhauers aufgetreten. Ein zweiter, Friedrich Dorguth, nannte 1843 in seiner Schrift Die falsche Wurzel des Idealrealismus den noch wenig bekannten Schopenhauer einen Denker von weltgeschichtlicher Bedeutung. 1844 vollendete Schopenhauer den zweiten Teil der Welt als Wille und Vorstellung, so dass die ergänzte und überarbeitete 2. Auflage des Hauptwerks erscheinen konnte.

1851 erschienen die Parerga und Paralipomena (2 Bde.) mit dem Hauptstück Aphorismen zur Lebensweisheit.

Grabstein auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt am Main
Grabstein auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt am Main

Richard Wagner ließ dem verehrten Schopenhauer seine Dichtung Der Ring des Nibelungen überreichen. Julius Frauenstädts Brief über die Schopenhauer'sche Philosophie erschien. Eine Serie von Schopenhauer-Porträts von Jules Lunteschütz und anderen Künstlern entstanden. Im Mai 1857 besuchte Friedrich Hebbel Schopenhauer in Gesellschaft Wilhelm Jordans.

Am 9. September 1860 brach bei Schopenhauer eine Lungenentzündung aus, an der er bereits am 21. September starb. Am 26. September wurde er auf dem Frankfurter Hauptfriedhof beigesetzt.

Philosophie

Unter dem Einfluss Platons und Immanuel Kants vertrat Schopenhauer in seiner Erkenntnistheorie die Position des Idealismus. Er beschritt jedoch innerhalb dieser Grundauffassung einen eigenen, subjektivistischen Weg („subjektiver Idealismus“) und lehnte die Geschichtsphilosophie Hegels ab. Gegen den zu Lebenszeit erfolgreicheren Kollegen entwickelte er gar eine persönliche Abneigung und verfasste zahlreiche Hasstiraden gegen dessen Ideen. Aber auch gegen Schelling und Fichte polemisierte er, obwohl er bei beiden studiert hatte und durch sie beeinflusst wurde, sie aber schließlich überwunden zu haben glaubte. An dem zunächst hochverehrten Schleiermacher kritisierte er den Vorlesungsstil.

Die Welt als Vorstellung

Schopenhauer vertrat mit dem irischen Philosophen George Berkeley die Auffassung, dass eine von der Wahrnehmung unabhängige Außenwelt nicht existiere. Durch das Aufgreifen neuer naturwissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelte Schopenhauer eine Physiologie der Wahrnehmung. Nach seiner Konzeption existiere die Erscheinungswelt nur insoweit, als sie wahrgenommen werde und im menschlichen Bewusstsein sei, also als Vorstellung.

Er widersprach Kant in der Überzeugung, dass das „Ding an sich“ jenseits aller Erfahrung liege und deshalb nicht erkannt werden könne. Kants Ding an sich war für ihn zwar auch unerkennbar (wir sehen immer nur das, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen), jedoch nicht unerfahrbar. Durch eine Selbstbeobachtung unserer Person können wir uns dessen gewiss werden, was wir letzten Endes sind: Wir erfahren in uns den Willen, er ist das Ding an sich. Dieser sei nicht nur die Triebfeder allen Handelns von Mensch und Tier, sondern auch die selbst grundlose Ursache hinter den Naturgesetzen. Die Welt sei letztlich blinder, vernunftloser Wille. Schopenhauer ist der klassische Philosoph und Hauptvertreter des metaphysischen Voluntarismus.

Doch die Welt ist nicht nur Wille, sondern erscheint auch als Vorstellung. Sie ist die durch Raum und Zeit sowie Kausalität, die den a priori gegebenen Erkenntnismodus von uns Verstandeswesen bilden, individuierte und verknüpfte Erscheinung des einen Willens. Die Welt ist meine Vorstellung ist der erste Hauptsatz seiner Philosophie. Was uns als Welt erscheine, sei nur für uns, nicht an sich. Es gibt für Schopenhauer nichts Beobachtetes ohne Beobachter, kein Objekt ohne ein Subjekt. Die Welt, als Vorstellung betrachtet, zerfalle in Subjekte und Objekte, die sowohl untrennbar als auch radikal voneinander verschieden, jedoch letzten Endes beide nur Erscheinungen des Willens sind. Dieser ist nach Schopenhauer das Wesen der Welt, das sich, in Subjekt und Objekt erscheinend, gleichsam selbst anschaut.

Die Welt als Wille

Der Vorstellungswelt liegt der Wille zu Grunde, den Schopenhauer als grund- und ziellosen blinden Drang versteht. Der Wille liege nicht nur dem Handeln des Menschen zugrunde, sondern umfasse die gesamte Wirklichkeit, das heißt die organische und die anorganische Natur. Er objektiviert sich in der Erscheinungswelt als Wille zum Leben und zur Fortpflanzung. Diese Lehre vom „Primat des Willens“ bildet die zentrale Idee der Schopenhauer'schen Philosophie, sie hatte weit reichenden Einfluss und begründet die Aktualität von Schopenhauers Werk.

Schopenhauer schränkte die Willensfreiheit stark ein. Bei jeglichem Handeln liege immer und stets der Wille, das heißt das Wollen zu Grunde. Dies kommt in dem berühmt gewordenen Ausspruch: „Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.“ zum Ausdruck. In der streng kausal geordneten empirischen Welt, der Welt der Vorstellung ist kein Platz für einen frei, also ohne rein-empirische Ursache handelnden Menschen. Und auch aus der nicht-empirischen Welt, der Welt des Willens, kann keine Freiheit herrühren, da ebenjener Wille blind, sinn- und ziellos ist. Außerdem glaubt Schopenhauer, jeder Mensch habe einen vorgezeichneten Charakter, der sich nicht ändern lasse. Man kann ihm nur gemäß handeln („tun, was man will“). Dasjenige, was man will (was der jeweilige Charakter vorgibt), könne man aber nicht nicht wollen (den Charakter nicht ändern). Andererseits spricht er von einer intelligiblen Willensfreiheit: Wenn das erkennende Subjekt dem diesen zugrundelegenden Willen erkennt, kann es diesen in bestimmten Momenten der Kontemplation beispielsweise durch intensiven Kunstgenuss verneinen. Dies bezeichnet einen Zustand der Melancholie.

Pessimismus

Schopenhauer begründete ein System des empirischen und metaphysischen Pessimismus. Die Welt ist für ihn als Erzeugnis des blinden, grundlosen Willens durch und durch etwas Schlechtes, etwas, was nicht sein sollte, eine Schuld (WWV I. § 56). Eine schlechtere Welt könne es überhaupt nicht geben. „Nun ist diese Welt so eingerichtet, wie sie sein mußte, um mit genauer Not bestehen zu können. Wäre sie aber noch ein wenig schlechter, so könnte sie schon nicht mehr bestehen“ (WWV II. Kap.46). Die Welt ist ein „Jammertal“, voller Leiden, alles Glück ist Illusion, alle Lust (s. d.) nur negativ, der rastlos strebende Wille wird durch nichts endgültig befriedigt (WWV I. § 59). „Denn alles Streben entspringt aus Mangel, aus Unzufriedenheit mit seinem Zustande, ist also Leiden, solange es nicht befriedigt ist. Keine Befriedigung aber ist dauernd, vielmehr ist sie stets nur der Anfangspunkt eines neuen Strebens. Das Streben sehen wir überall vielfach gehemmt, überall kämpfend. solange also immer als Leiden: kein letztes Ziel des Strebens, also kein Maß und Ziel des Leidens“ (l. c. § 56). Die Basis alles Wollens ist Bedürftigkeit, Mangel, also Schmerz (l. c. § 57). Das Leben „schwingt also, gleich einem Pendel, hin und her zwischen dem Schmerz und der Langeweile“ (ib.). Schon seiner Anlage nach ist das Menschenleben keiner wahren Glückseligkeit fähig (l. c. 59). Jede Lebensgeschichte ist eine Leidensgeschichte, eine fortgesetzte Reihe großer und kleiner Unfälle (ib.).

Höchster Ausdruck des Willens ist der nicht dauerhaft zu befriedigende Geschlechtstrieb. Schopenhauer wies jedoch Wege auf - über die Kunst (hier vor allem die Musik), die Moral und Askese - das frustrierende und schmerzvolle Dasein zu überwinden. Nicht zuletzt deshalb beriefen sich in der Folge zahlreiche Künstler auf die Lehre Schopenhauers.

Ethik

In der Ethik vertritt Schopenhauer im Unterschied zu Kant eine Mitleidsethik. Der einzige Grund, uneigennützig zu handeln, ist nach ihm die Erkenntnis des Eigenen im Anderen – das ist Mitleid. So bemerke der vom blinden Willen getriebene Mensch, dass in allen anderen Lebewesen derselbe blinde Wille haust und sie ebenso leiden lässt wie ihn. Durch das Mitleid wird der Egoismus überwunden, der Mensch identifiziert sich mit dem anderen durch die Einsicht in das Leiden der Welt.

Es folgt hieraus ein im Vergleich zu Kant radikal anderer „Imperativ“. Bei Schopenhauer lautet das Prinzip aller Moral: „Neminem laede, immo omnes, quantum potes, iuva (Verletze niemanden, vielmehr hilf allen, soweit du kannst)“. Schopenhauer schließt in seine Ethik eindeutig auch den Schutz der Tiere ein (Tierschutz); dementsprechend heißt es bei ihm:

„Mitleid mit den Tieren hängt mit der Güte des Charakters so genau zusammen, daß man zuversichtlich behaupten darf, wer gegen Tiere grausam ist, könne kein guter Mensch sein.“ (Grundlage der Moral, §19)

Soziologie

Im Zusammenhang mit der Revolution 1848 äußerte sich Schopenhauer zur Rolle des Staates: In der Natur herrsche Gewalt, auch zwischen den Menschen, was die „Masse“ in Vorteil bringt; aber da das Volk ein „ewig unmündiger Souverain“ sei, „unwissend, dumm und unrechtlich“, so müsse dessen „physische Gewalt der Intelligenz, der geistigen Überlegenheit“ unterworfen werden. Zweck des Staates sei es, dass „möglichst wenig Unrecht im Gemeinwesen“ herrsche, zugunsten des Gemeinwohls dürfe der Staat auch Unrechtes tun. Schopenhauer bevorzugte einen aufgeklärten monarchischen Absolutismus, weil sich nur so die Menschen zügeln und regieren ließen, er sprach gar von einem monarchischen Instinkt im Menschen. Republiken hingegen seien „widernatürlich, künstlich gemacht und aus der Reflexion entsprungen‘“ – „überall muß Ein Wille der leitende seyn.“

Ästhetik

Nach Schopenhauers Ästhetik wirkt die Kunst als „Quietiv des Willens“. Diese Ästhetik kulminiert in Weltverneinung. Dem Menschen, als höchster Form des sich in der Erscheinungswelt objektivierenden Willens, sei die Möglichkeit gegeben, den Willen und das Leiden aufzuheben und so in einen Zustand des Nichtseins (eine Art Nirvana) zu gelangen. Im Genuss von Kunst und insbesondere Musik „will“ der Mensch nicht mehr, sondern sei in einem Zustand der reinen Anschauung.

Erlösung

Im „Jammertal“ des Diesseits hält Schopenhauer den Tod für das bessere Leben. Es ist jedoch ein weit verbreiteter Irrtum und ein Missverständnis der gesamten Lehre, daraus eine Aufforderung zur Selbsttötung abzuleiten. Im Gegenteil, der Suizid stellt keine Lösung dar, weil der metaphysische Wille umgehend eine neue Form finde und so das Lebensrad aufs Neue drehen lasse. Der Mensch ist jedoch als höchstes irdisches Wesen in der Lage, den Willen für sich zu negieren. Diese Ablehnung oder Unterdrückung des Triebs sei der mögliche Weg ins Nirvana:

Erkenntnis der Einheit aller Wesen und Askese, Verneinung des Willens zum Leben allein kann uns erlösen, nicht der Selbstmord, der nur die individuelle Erscheinung des Allwillens vernichtet (l.c. § 68 ff. WWV II,C.46,48).

Wirkung und Rezeption

Kein deutscher Philosoph der Neuzeit hat sowohl breite Leserschichten als auch die sogenannten Koryphäen der schönen Literatur so unmittelbar erreicht wie Schopenhauer, gerade in seiner postumen Wirkung.

Er beeinflusste Nietzsche (der später jedoch seine Philosophie verwarf, genauer gesagt: Schopenhauers Pessimismus in einen radikal-optimistischen Vitalismus wandelte), und wurde verehrt von u. a. Richard Wagner, Leo Tolstoi, Samuel Beckett, Albert Einstein, Kurt Tucholsky, Thomas Mann, Hermann Hesse und Wilhelm Busch. Sein Einfluss auf die moderne Deutsche Literatur ist schwerlich zu überschätzen. Dies manifestiert sich nicht nur in den überaus zahlreichen Anhängern unter den Literaten, er gehört mit Goethe auch zu den Erneuerern der Deutschen Schriftsprache.

Schopenhauer kann als Auslöser der wissenschaftlichen Lebensphilosophie angesehen werden.

Die Verbreitung des Buddhismus in Deutschland lässt sich auf ihn zurückführen. Der Philosoph sah in der Religion einen Gegenentwurf zur abendländischen Metaphysik und deutete deren Erkenntnisstreben als Mittel, um die geistige Isolierung des Individuums zu durchbrechen. Schopenhauer fand zahlreiche Verbindungen zwischen seiner eigenen Philosophie und der buddhistischen Lehre, etwa den Atheismus. Die Indien-Begeisterung vieler Intellektueller wie auch die ersten Übersetzungen asiatischer Schriften gehen vor allem auf Schopenhauer zurück.

Der bis heute nur wenig bekannte Philosoph Eduard von Hartmann dagegen kritisierte schon sehr früh an Schopenhauers Lehre die „Verneinung der Welt“ als „feige persönliche Entsagung“.

Die Psychoanalyse Sigmund Freuds setzt unmittelbar auf Schopenhauers Lehre vom Willen und seiner Negierung auf, indem sie die Schäden untersucht, die durch (willentliche oder unfreiwillige) Triebunterdrückung entstehen. Freuds Ansatz kann als Versuch der Re-Rationalisierung des menschlichen Lebens eingeordnet werden, da er eine Methode zur Analyse des Schopenhauerschen Begriffs des Willens erarbeitet, mit dem Ziel, ebendiesen kontrollierbar zu machen („Wo ES war soll ICH werden.“).

1911 gründete Paul Deussen die Schopenhauergesellschaft, wurde ihr erster Präsident und gab eine kritische Schopenhauer-Ausgabe in 14 Bänden heraus.

Sonstiges

Schopenhauer und die Frauen

Schopenhauer äußerte sich vielfach herablassend über Frauen, was als Abwehrreaktion gegenüber seiner dominanten Mutter interpretiert werden kann. In dem vielzitierten Essay „Über die Weiber“ (1851) schrieb er:

Sie sind sexus sequior, das in jedem Betracht zurückstehende, zweite Geschlecht, dessen Schwäche man demnach schonen soll, aber welchem Ehrfurcht zu bezeugen über die Maßen lächerlich ist und uns in ihren eigenen Augen herabsetzt.“ Und weiter: „Mit mehr Fug, als das schöne, könnte man das weibliche Geschlecht das unästhetische nennen. Weder für Musik, noch Poesie, noch bildende Künste haben sie wirklich und wahrhaftig Sinn und Empfänglichkeit; sondern bloße Aefferei, zum Behuf ihrer Gefallsucht, ist es, wenn sie solche affektiren und vorgeben.

Schopenhauer folgert daraus: „Alle Verliebtheit, wie ätherisch sie sich auch gebärden mag, wurzelt allein im Geschlechtstriebe.“ Von diesem blieb allerdings auch er nicht verschont. 1821 verliebte er sich in die 19-jährige Opernsängerin Caroline Medon, mit der er über mehrere Jahre ein Verhältnis hatte. Heiratspläne verwirft er jedoch:

Heiraten heißt das Mögliche thun, einander zum Ekel zu werden.“ bzw. „seine Rechte zu halbieren und seine Pflichten zu verdoppeln“. Oder, noch etwas drastischer: „Heiraten heißt, mit verbundenen Augen in einen Sack greifen und hoffen, dass man einen Aal aus einem Haufen Schlangen herausfinde.

Im Alter von 43 Jahren interessierte er sich nochmals für die 17-jährige Flora Weiss, die den wesentlich älteren Verehrer jedoch abwies. Schopenhauers Philosophie und besonders seine Haltung zur Sexualität fanden auch in der Literatur ihren Niederschlag. Ein Beispiel dafür ist der Roman von Édouard Rod „Wettlauf zum Tod“ aus dem Jahr 1885.

Schopenhauer und des Pudels Kern

Arthur Schopenhauer von Wilhelm Busch
Arthur Schopenhauer von Wilhelm Busch

Schopenhauer besaß zeitlebens einen Pudel. Dessen Name war Atman, was auf Sanskrit Lebenshauch, Atem bedeutet, in der Tradition der Upanishaden die Essenz des Selbst, bzw. die Einzelseele als Teil des Brahman, der „Weltseele“. Meistens rief er den Hund bei seinem Spitznamen „Butz“. Wenn der Hund starb, was etwa alle 10 Jahre vorkam, erwarb er jeweils einen ähnlich aussehenden Pudel und nannte ihn ebenfalls Butz. Er war der philosophischen Auffassung, dass jeder Hund gleichzeitig jeden anderen Hund enthalte. Für Menschen gelte sinngemäß das gleiche.

Schopenhauer und sein Verleger

Der Briefwechsel zwischen Schopenhauer und dem Verleger Brockhaus ist selbst ein aufschlussreiches Zeitdokument. Modern war an Schopenhauer seine Auffassung eines Philosophen als Schriftsteller. Sein langer Kampf gegen Tipp- und Druckfehler passt nicht nur zum penibel kalkulierenden Kaufmann und zum Bewusstsein über eine bedeutende Schrift, in ihm erweist sich Schopenhauer auch als Bewahrer und Kämpfer von Werten wie der Sprache und des Stils. Schopenhauer verbot sämtliche Abänderungen des Manuskripts, gar Anpassungen an den zeitgenössischen Sprachgebrauch, den er wenig schätzte. Dadurch verzögerte sich etwa die Herstellung seines Hauptwerkes „Die Welt als Wille und Vorstellung“ derart, dass es nicht pünktlich zur Buchmesse 1818 erscheinen konnte. War er anfangs noch ganz geschmeidig und überhöflich („...Euer Wohlgeboren...“) mit Brockhaus umgegangen, änderte sich dies schnell, nachdem der Kontrakt unterzeichnet war und erste Abweichungen auftauchten. Er behandelte den Verleger als Dienstleister, der von der Genialität des Werkes in Zukunft noch viel profitieren werde. So schimpfte Schopenhauer: „Es liegt am Tage, dass bei Ihnen Wort und That, Versprechen und Halten, zwei sehr verschiedene Dinge sind“, und: „Ich habe nicht des Honorars wegen geschrieben, wie die Unbedeutsamkeit des Selben von selbst beweißt; Sondern um ein lange durchdachtes und mühsam ausgearbeitetes Werk, die Frucht vieler Jahre, ja eigentlich meines ganzen Lebens, durch den Druck zur Aufbewahrung und Mitteilung zu bringen. Woraus folgt, daß Sie nicht etwa mich anzusehen und zu behandeln haben wie Ihre Konversationslexikons=Autoren und ähnliche schlechte Skribler, mit denen ich gar nichts gemein habe als den zufälligen Gebrauch von Tinte und Feder.“ Brockhaus ließ sich in seiner Erwiderung ebenfalls nicht lumpen; er spricht Schopenhauer ab, ein Ehrenmann zu sein, und weigert sich, „etwanige Briefe“ seines Autors anzunehmen, „die ohnehin in ihrer göttlichen Grobheit und Rusticität eher auf einen Vetturino [einen Lohnkutscher], als einen Philosophen schliessen lassen möchten“, und: „Ich hoffe nur, daß meine Befürchtung, an Ihrem Werke bloß Makulatur zu drucken, nicht in Erfüllung gehen werde.“ 1843 wendet sich Schopenhauer erneut an Brockhaus, „um Ihnen den Verlag des zweiten Bandes der Welt als Wille und Vorstellung anzutragen.“ Nach einigen hin und her wechselnden Briefen, die als ein Zeugnis höchsten, gegenseitigen Respekts angesehen werden dürfen, erscheint 1844 die 2. Auflage. Die Tatsache, dass die erste Auflage des derartige Umstände fordernden Hauptwerkes erst nach über 30 Jahren vergriffen sein sollte, dürfte Brockhaus aber wenig erfreut haben.

Vermischtes

  • Ende August 1869 bringt Leo Tolstoj einen regelrechten Schopenhauer-Panegyrikus zu Papier: „Wissen Sie, was der diesjährige Sommer für mich bedeutet hat? Ununterbrochene Begeisterung für Schopenhauer und eine Reihe geistiger Genüsse, die ich niemals zuvor erfahren habe. [...] Ich weiß nicht, ob ich meine Meinung einmal ändern werde, jetzt jedenfalls bin ich überzeugt, dass Schopenhauer der genialste aller Menschen ist [...] Wenn ich ihn lese, ist mir unbegreiflich, weshalb sein Name unbekannt bleiben konnte. Es gibt höchstens eine Erklärung, eben jene, die er selber so oft wiederholt, nämlich dass es auf dieser Welt fast nur Idioten gibt“ (XVII, 330f.)
  • Jede Subjektphilosophie muss sich mit dem Solipsismus auseinandersetzen. Nach Schopenhauer ist der Solipsist ein „in ein uneinnehmbares Blockhaus verschanzter Irrer.“ Diese Aburteilung verwundert insofern, als dass ja für den einsitzenden Irren Schopenhauers Theorie einer Welt als Wille und Vorstellung volle Geltung hätte.
  • Schopenhauer lehnte die ihm spät angetragene Mitgliedschaft in der Königl. Akademie der Wissenschaften in Berlin ab.
  • Schopenhauer antwortete auf die Frage, wo er bestattet zu werden wünsche: „Es ist einerlei. Sie werden mich finden“ (Salaquarda 1985, 73; nach W. Gwinner).

Quellen

    Werke

    Arthur Schopenhauers sämtliche Werke (die maßgeblichen Editionen sind die von Ludger Lütkehaus und Arthur Hübscher; eher abzuraten ist von der Edition von Wolfgang Frhr. von Löhneysen):

    • Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde (1813, Dissertation Schopenhauers; zweite, sehr verbesserte Auflage 1847)
    • Ueber das Sehen und die Farben (1816; zweite, verbesserte und vermehrte Auflage 1854)
    • Die Welt als Wille und Vorstellung, erster Band (1819; zweite, vermehrte Auflage 1844; dritte, verbesserte und beträchtlich vermehrte Auflage 1859)
    • Theoria colorum (1830, lateinische Fassung der überarbeiteten Farbenlehre)
    • Ueber den Willen in der Natur (1836; zweite, verbesserte und vermehrte Auflage 1854)
    • Die beiden Grundprobleme der Ethik: Ueber die Freiheit des menschlichen Willens, Ueber das Fundament der Moral (1841; zweite, verbesserte und vermehrte Auflage 1860)
    • Die Welt als Wille und Vorstellung, zweiter Band (1844)
    • Parerga und Paralipomena, zwei Bände (1851, enthalten die Aphorismen zur Lebensweisheit, Ueber die Universitäts-Philosophie, Ueber Schriftstellerei und Stil u. v. a. m.)

    Darüber hinaus wurde Schopenhauers handschriftlicher Nachlass herausgegeben von Arthur Hübscher und Volker Spierling:

    • Der handschriftliche Nachlaß in fünf Bänden. Vollständige Ausgabe in sechs Teilbänden. Hrsg. von Arthur Hübscher. München: DTV 1985; unveränderter Nachdruck der historisch-kritischen Edition, Frankfurt a. M.: Waldemar Kramer 1966-75. (Im Einzelnen: Frühe Manuskripte 1804-11, Kritische Auseinandersetzungen 1809-18, Berliner Manuskripte 1818-30 (inkl. Eristische Dialektik), Die Manuskriptbücher der Jahre 1830-52, Letzte Manuskripte/ Gracians Handorakel (inkl. Ueber die, seit einigen Jahren, methodisch betriebene Verhunzung der deutschen Sprache), Randschriften zu Büchern)
    • Philosophische Vorlesungen, 4 Bde. Aus dem handschriftlichen Nachlaß. Hrsg. und eingel. von Volker Spierling. München: Piper 1987-90. (Im Einzelnen: Theorie des gesammten Vorstellens, Denkens und Erkennens, Metaphysik der Natur, Metaphysik des Schönen, Metaphysik der Sitten)

    Des Weiteren wurden Briefe und Reisetagebücher Schopenhauers herausgegeben (zu ergänzen):

    • Das Buch als Wille und Vorstellung. Arthur Schopenhauers Briefwechsel mit Friedrich Arnold Brockhaus. Hrsg. von Ludger Lütkehaus. München: C.H. Beck 1996. ISBN 3406409563

    Literatur

    • Margot Fleischer: Schopenhauer. Herder, Freiburg 2001. ISBN 3-451-04931-7
    • Dies.: Schopenhauer als Kritiker der Kantischen Ethik. Königshausen & Neumann, Würzburg 2003. ISBN 3826024702
    • Arthur Hübscher: Arthur Schopenhauer, ein Lebensbild. 3. Auflage. Brockhaus, Mannheim 1988. ISBN 3-7653-0418-2
    • Raphael Koeber: Schopenhauers Erlösungslehre. Duncker, Berlin 1882.
    • Ferdinand Laban: Die Schopenhauer-Literatur. Versuch einer chronologischen Übersicht derselben. Reprint der Ausgabe von 1880. Franklin, New York, NY 1970.
    • Bryan Magee: The Philosophy of Schopenhauer. Oxford University Press, Oxford 1997. ISBN 0198237227
    • Rüdiger Safranski: Schopenhauer und die wilden Jahre der Philosophie. Hanser, München 1987. ISBN 3-446-14490-0
    • Volker Spierling: Arthur Schopenhauer zur Einführung. 2., überarbeitete Auflage. Junius, Hamburg 2006. ISBN 3885063670
    • Walther Schneider: Schopenhauer. Werner Dausien, Hanau 1985. ISBN 3-7684-4552-6
    • Alfred Estermann: Schopenhauers Kampf um sein Werk. Der Philosoph und seine Verleger. Insel, Frankfurt am Main 2005. ISBN 3458172521

    Siehe auch

    Weblinks

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