Lech Kaczyński
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Lech Aleksander Kaczyński (Aussprache ?/i) [lɛx kaˈtʃɨɲski] (* 18. Juni 1949 in Warschau) ist ein polnischer Politiker und Mitbegründer der nationalkonservativen Partei PiS. Kaczyński ist seit dem 23. Dezember 2005 der vierte Präsident der 3. Polnischen Republik. Sein Zwillingsbruder Jarosław Kaczyński ist Ministerpräsident des Landes.
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[Bearbeiten] Leben
Kaczyńskis Eltern waren Rajmund Kaczyński und Jadwiga Jasiewicz, beide kämpften im Warschauer Aufstand von 1944 in den Reihen der polnischen Heimatarmee gegen die Deutschen. Zwei seiner Urgroßväter waren hohe Offiziere in der Zarenarmee. Kaczyński schloss 1972 das Jurastudium an der Universität Warschau ab, 1976 wurde er an der Universität Danzig promoviert und habilitierte sich dort 1990. 1996 bis 1999 arbeitete er als Universitätsprofessor in Danzig, ab 1999 in Warschau. Lech Kaczyński ist verheiratet mit Maria Kaczyńska. Sie haben eine gemeinsame Tochter (Marta).
[Bearbeiten] Politische Laufbahn
Als Student war Kaczyński in der oppositionellen Bürgerrechtsbewegung KOR, dem Komitee zur Verteidigung der Arbeiter, aktiv. In Danzig gehörte er 1981 in der Leninwerft zu den intellektuellen Ratgebern der Gewerkschaftsbewegung Solidarność. Während des Kriegszustandes zwischen Dezember 1981 und Oktober 1982 war er interniert. Nach der Wende war er 1989 Teilnehmer am Runden Tisch und von 1989 bis 1991 Senator im polnischen Senat sowie von 1991 bis 1993 Abgeordneter im polnischen Sejm. 2000 und 2001 bekleidete er das Amt des Justizministers. Vom 18. November 2002 bis zum Amtsantritt als Präsident war er Stadtpräsident (Oberbürgermeister) von Warschau.
Am 19. März 2005 verkündete Kaczyński offiziell seine Kandidatur für die polnischen Präsidentschaftswahlen im Herbst 2005 und erreichte am 9. Oktober 2005 im ersten Wahlgang den zweiten Platz hinter Donald Tusk. Damit qualifizierte er sich für die Stichwahl am 23. Oktober 2005, die er dann mit 54,04 % gegenüber Donald Tusk bei einer Wahlbeteiligung von 51 % gewann. Der Erfolg der Partei PiS war damit nach dem Sieg bei den Parlamentswahlen komplett. In Polen kam dadurch nach vier Jahren sozialdemokratischer Regierung die konservative Partei PiS in die Exekutive. Seit Mai 2005 regiert die PiS in einer Koalition mit den rechtsradikalen Parteien Samoobrona und LPR.
[Bearbeiten] Politische Positionen
[Bearbeiten] Innenpolitik
Seine politische Ausrichtung kann man als katholisch-konservativ und antikommunistisch bezeichnen. Kaczyński spricht sich seit den 1990er Jahren für die Wiedereinführung der Todesstrafe[1] in Polen aus, und er lehnt Homosexualität ab [2]. Dass Homo- und Heterosexuelle "gleichberechtigt" seien, ist für ihn unvorstellbar [3]. Als Warschauer Bürgermeister hat er CSD-Demonstrationen verboten.
Er fordert einen Kampf gegen soziale Unterschiede und für mehr Chancengleichheit zwischen den Regionen und möchte den Bürgern ein Gefühl der Sicherheit vermitteln[4]. Er verspricht einen Ausbau der Sozialleistungen des Staates, unterstützt kinder- und familienfreundliche Gesetze[5] und will die Präsidentenposition nach den Vorbildern Frankreich und USA stärken. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Aktivität ist die Aufklärung der kommunistischen Vergangenheit und Bestrafung der Täter; dabei plädiert er für das Beenden der „Schlussstrich“-Politik (Polityka grubej kreski), die dazu beitrug, dass viele Denunzianten und IMs der ehemaligen polnischen Sicherheitsorgane nach 1989 unerkannt blieben und weiterhin politische und wirtschaftliche Ämter und Positionen behielten bzw. erlangten (siehe dazu z. B. „Wildsteins Liste“). Im Zuge dieser Politik wurde am 30. September 2006 der Wojskowe Służby Informacyjne (WSI, Militärische Aufklärungsdienst), dem Verbindungen mit GRU[6] und mit der kriminellen Unterwelt[7] vorgeworfen wurden, aufgelöst.
Politische Gegner Kaczyńskis, vor allem die von der kommunistischen PZPR abstammende und bei der Parlamentswahl 2005 mit 11,4 % der Stimmen unterlegene SLD, bezeichnen seine Positionen und die seiner Partei spöttisch als „Kaczismus“.
[Bearbeiten] Außen-, Wirtschafts-, und Europapolitik
Außenpolitisch unterstützt er demokratische Kräfte in ehemals sowjetischen Nachbarstaaten und deren Souveränitätsbemühungen, so u. a. unterstützte er entschieden sowohl die Orangene Revolution in der Ukraine als auch die demokratischen Kräfte in Georgien und Weißrussland, was den russischen Interessen zuwider und mit scharfen Kritik aus dem Kreml verbunden ist. Aber auch im Bereich der wirtschaftlichen Souveränität gegenüber Russland ist Polen in Osteuropa aktiv und engagierte sich z. B. für die Konstituierung des Staatenbündnisses GUAM in Kiew, mit dem Ziel der Abschwächung der russischen Dominanz auf dem postsowjetischen Energiemarkt. Polen engagiert sich auch im Friedensprozess in Nahost; am 11. September 2006 traf Kaczynski mit dem israelischen Präsidenten Mosche Katzaw in Jerusalem zusammen. Präsident Kacaw lobte die scharfe Haltung Kaczyńskis im Kampf gegen Antisemitismus, der polnische Präsident seinerseits bot die Erhöhung des polnischen UN-Kontingents (UNIFIL) im Libanon an. EU-politisch setzt sich Kaczyński für eine starke polnische Souveränität gegenüber Europa ein und befürwortet eine Verzögerung der Euro-Einführung in Polen sowie ein Referendum zu dieser Frage. Ein Datum für die Einführung der neuen Währung hat er noch nicht genannt.[8]. Ob die Euroskepsis Kaczynskis und vieler seine Landsleute auf die derzeitige Zloty-Stärke (25 % Aufwertung gegenüber dem Euro seit dem Tiefpunkt Anfang 2004) oder aus nationalistischen Gründen herrührt, ist schwer festzustellen. Trotz der Zlotystärke beträgt das Wirtschaftswachstum im 1. Quartal 2006 5,2 %, womit es bei niedriger Inflation und Staatsverschuldung zu den europäischen Vorreitern zählt.
Kaczyńskis nationalistische Politik trifft im Ausland, vor allem in Russland und Deutschland, auf wenig Verständnis. Das Verhältnis zu Deutschland und Russland seinerseits wird als misstrauisch eingeschätzt, nicht zuletzt wegen des Baus der Nordeuropäischen Gasleitung durch die Ostsee, dessen Unterzeichnungsumstände auch in Deutschland umstritten waren und die der polnische Verteidigungsminister Radosław Sikorski mit dem Hitler-Stalin-Pakt verglich[9]. Die gemeinsamen Interessen im Streit um die Nordeuropäische Gasleitung sorgten für die Annäherung zwischen Polen und der Republik Litauen. In den letzten 8 Monaten besuchte Kaczynski schon drei Mal Litauen, und der litauische Präsident Adamkus wird in Kürze ein viertes Mal in Warschau erwartet. In einem Interview bezeichnete Kaczyński die intensivierten Beziehungen beider Staaten mit dem Begriff "Strategische Partnerschaft". Man plant u. a. zur Stärkung der Sicherheit der Energieversorgung den gemeinsamen Bau und Betrieb einiger Kernkraftwerke in Nordwesten-Polen[10] und in Litauen.
Kurz nach der Amtsübernahme Kaczynskis haben er und Bundeskanzlerin Merkel in einem Telefonat den Willen, das angespannte deutsch-polnische Verhältnis wieder zu verbessern, erklärt[11]. Tatsächlich ist das Verhältnis seitdem wechselhaft. Ein Streitthema mit Deutschland ist zum Beispiel das in Berlin geplante Zentrum gegen Vertreibungen, das von Kaczyński scharf kritisiert wird[12]. In Deutschland finden seine Einwände ein geteiltes Echo, Bundespräsident Horst Köhler z. B. rät „die Ängste in Polen und Tschechien ernst zu nehmen“, die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Steinbach, macht hingegen Polen für Spannungen zwischen beiden Länder verantwortlich.[13] Der politische Rechtsruck in Polen wurde von dem liberaleren Teil der deutschen Medienlandschaft weitgehend bedauert. Kaczyński und andere Mitglieder seiner nationalkonservativen Partei empfanden eine Veröffentlichung, in der er und sein Bruder in der linksalternativen taz am 26. Juni 2006 auf der Satireseite „Die Wahrheit“ erwähnt wurden[14], als Beleidigung und leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren ein. Der Artikel und die Reaktionen auf ihn sorgten sogar für Intensivierung der Verstimmungen zwischen Polen und Deutschland (die sog. „Kartoffel-Affäre“). Kurz nach der taz-Veröffentlichung sagte Kaczyński das turnusmäßige Dreiergespräch mit der deutschen Bundeskanzlerin und dem französischen Staatspräsidenten im Rahmen des „Weimarer Dreiecks“ aus gesundheitlichen Gründen ab.[15]
Die schon zwischen den Weltkriegen traditionell starke Anlehnung an Frankreich scheint jedoch keinen Einbruch erlitten zu haben. Nach seinem Treffen in Paris mit Dominique de Villepin, wo man u. a. allmähliche Öffnung des französischen Arbeitsmarktes für Polen und die Sicherheit der Energieversorgung in Europa besprach, verglich der frühere polnische Ministerpräsident Kazimierz Marcinkiewicz die Beziehungen mit Frankreich mit dem französischen Wein, der "jetzt schon sehr gut ist und mit der Zeit immer besser wird". Frankreich ist der wichtigste Wirtschaftspartner und Direktinvestor Polens (Deutschland belegt Platz 4).
[Bearbeiten] Sonstiges
Gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Jarosław spielte Kaczyński 1962 die Hauptrolle in dem polnischen Kinderfilm - Verfilmung des Romans von Kornel Makuszyński von 1928 – O dwóch takich, co ukradli księżyc (Über zwei, die den Mond gestohlen haben).
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Lech Kaczyński – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
Wikinews: Lech Kaczyński – Nachrichten |
- Zahlreiche Artikel ü. Lech Kaczynski (deutsch)
- Homepage des Präsidenten (polnisch)
- Rechte und Pflichten des polnischen Präsidenten (deutsch)
- Leitartikel der Financial Times Deutschland zu Polen und Kaczynski
- Analyse der Konrad-Adenauer-Stiftung zu Polen und Kaczynski
[Bearbeiten] Fußnoten
- ↑ Die Deutsche Welle in ihrem Treffpunkt-Europa-Podcast vom 5. August 2006
- ↑ n-tv vom 24. Oktober 2005
- ↑ Das Parlament, Nr. 11/2006 vom 13.03.2006 Herausgeber: Deutscher Bundestag
- ↑ ZDF – Kommentar zu Kaczyński
- ↑ z. B. das Gesetz vom 29. Dezember 2005 bezügl. der Verbesserung der Familienleistungen - unterzeichnet von Kaczynski am 18. Januar 2006
- ↑ http://rzeczpospolita.blogspot.com/2006/10/agentem-gru-jest-si-do-koca-ycia.html Interview mit Wiktor Suworow zum Thema GRU und WSI (polnisch)
- ↑ http://www.polskieradio.pl/media/artykul.aspx?id=53 Polnische Rundfunk vom 06.10.2006
- ↑ http://www.jcr.co.jp/Edata/E12061.htm
- ↑ Stern 30.04.06
- ↑ http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID5491892_REF1,00.html
- ↑ Spiegel-Online Merkel und Kaczynski wollen eng zusammenarbeiten
- ↑ FAZ – nach der gewonnener Wahl 2005
- ↑ Spiegel-online vom 2.9.2006
- ↑ Artikel der taz Polens neue Kartoffel. Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Lech "Katsche" Kaczynski, 26. Juni 2006
- ↑ SPIEGEL online: Die Quadratur des Dreiecks - zum Ausfall des „Weimarer Dreiecks“ im Juli 2006
Wojciech Jaruzelski | Lech Wałęsa | Aleksander Kwaśniewski | Lech Kaczyński
Vorgänger |
Präsidentenzyklus (Polen) seit 1989 |
Nachfolger |
Personendaten | |
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NAME | Kaczyński, Lech |
KURZBESCHREIBUNG | polnischer Politiker und Mitbegründer der rechten Partei PiS |
GEBURTSDATUM | 18. Juni 1949 |
GEBURTSORT | Warschau |