Paula Fürst
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Paula Fürst (* 6. August 1894 in Glogau; † 1942 vermutlich in Auschwitz) war eine deutsche Reformpädagogin jüdischer Herkunft.
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[Bearbeiten] Ausbildung und Werdegang
Paula Fürst wurde am 6. August 1894 als Tochter eines jüdischen Kaufmanns geboren. Ihre Mutter siedelte nach dem frühen Tod des Vaters mit ihren beiden Kindern im Jahr 1906 nach Berlin über. Nach ihrer Ausbildung zur Lehrerin am Oberlyceum studierte sie Französisch und Geschichte an der Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin. Während ihres Studiums war sie mit der Montessoripädagogik in Berührung gekommen und war bald von der Richtigkeit und Nützlichkeit der Reformideen im Kontext des deutschen Schulwesens des frühen 20. Jahrhunderts überzeugt. Sie erwarb durch Studien in Berlin und Rom ein Diplom, das sie zur Führung von Montessori–Heimen und –Schulen berechtigte. Als 1926 in Berlin-Wilmersdorf die erste Montessori–Klasse Berlins an der 9. Volksschule eröffnet wurde, übertrug man ihr die Leitung. Neben ihrer Tätigkeit als Lehrerin hielt sie häufig öffentliche Vorträge über die Prinzipien der Reformpädagogik.
[Bearbeiten] Leben und Wirken unter der nationalsozialistischen Diktatur
Paula Fürsts Laufbahn wurde 1933 jäh durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten unterbrochen. Die Montessori–Pädagogik wurde bald als unvereinbar mit der nationalsozialistischen Ideologie verboten. Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft wurde Paula Fürst zudem gezwungen, ihre Stellung als Lehrerin aufzugeben. Im gleichen Jahr wurde ihr jedoch die Leitung der Theodor–Herzl–Schule angetragen. Diese zionistisch ausgerichtete Privatschule erfuhr nach der Machtübernahme der Nazis einen regelrechten Ansturm jüdischrn Schüler und Schülerinnen. Innerhalb eines Jahres war die Zahl der Schüler von 200 auf 600 angestiegen. Da viele Schüler jüdischer Herkunft an den allgemeinen Schulen verstärkten Repressalien und Schikanen ausgesetzt waren, meldeten immer mehr Eltern ihre Kinder für einen Besuch jüdischer Schulen an. Die wenigen jüdischen Schulen, die von den Nationalsozialisten erlaubt wurden, waren administrativ der "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" unterstellt.
Der Novemberpogrom von 1938 ("Reichskristallnacht") bedeutete auch eine entscheidende Zäsur in der Schulpolitik der Nationalsozialisten. Alle jüdischen Privatschulen wurden verboten. Der Reichsvereinigung der Juden wurde die Pflicht übertragen, für die schulische Bildung der jüdischen Schüler zu sorgen. Leo Baeck, der Vorsitzende der "Reichsvereinigung", bot Paula Fürst die Leitung der Schulabteilung in dieser Institution an. In dieser Stellung unterstanden ihr sämtliche jüdischen Schulen in Deutschland. Nach kurzer Bedenkzeit akzeptierte sie das Angebot trotz der schwierigen Bedingungen, unter denen dieses Amt auszuüben war.
In den Monaten nach dem Novemberpogrom befand sich das jüdische Schulwesen in einem Zustand von Chaos und Auflösung. Viele Eltern und Kinder, aber auch Lehrer versuchten, dem unablässigen nationalsozialistischen Terror durch Flucht ins Ausland zu entkommen. Ein geregelter Schulbetrieb war unter diesen Rahmenbedingungen kaum möglich. Dennoch gelang es Paula Fürst bis zum Herbst 1939, das jüdische Schulwesen neu zu strukturieren und eine kontinuierliche schulische Ausbildung jüdischer Schüler zu gewährleisten
Im August 1939 begleitete Paula Fürst einen Kindertransport nach London. Großbritannien hatte seine Einwanderungsbestimmungen gelockert und erlaubte 10.000 jüdischen Kindern die Einreise. Obwohl ihr zahlreiche Freunde und Kollegen dringend empfahlen, diese Gelegenheit für eine Emigration nach England zu nutzen, kehrte sie nach Erfüllung der Aufgabe kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nach Deutschland zurück.
[Bearbeiten] Zweiter Weltkrieg und letzte Lebensjahre
Der Kriegsausbruch am 1. September 1939 läutete eine neue, noch schwierigere Phase im Bereich des jüdischen Schulwesens ein. Zu dieser Zeit waren in Deutschland ungefähr 9.000 Kinder im schulpflichtigen Alter verblieben. Da seit Jahren propagiert wurde, dass Personen jüdischer Abstammung in Deutschland keine Zukunft hätten, verlagerte sich das Ziel der schulischen Ausbildung auf die Vorbereitung zur Auswanderung. Im August 1941 wurde die Auswanderung jedoch generell verboten und die Lebensverhältnisse der verbliebenen jüdischen Familien wurden immer bedrückender. Durch die konsequente Anwendung der Nürnberger Gesetze waren sie vielfach ihrer materiellen Existenzgrundlage beraubt worden und mussten in der Öffentlichkeit beinahe täglich Erniedrigungen über sich ergehen lassen. Ab September 1941 wurden auch die deutschen Juden in die Konzentrations- und Vernichtungslager Richtung Osten deportiert. Paula Fürst versuchte in dieser Zeit unter größten Anstrengungen, dennoch einen halbwegs geregelten Schulbetrieb aufrecht zu erhalten. Ende Juni 1942 verfügten die nationalsozialistischen Verwaltungsstellen jedoch, dass sämtliche jüdischen Schulen mit sofortiger Wirkung zu schließen seien. Zu diesem Zeitpunkt weilte Paula Fürst jedoch schon nicht mehr in Berlin.
[Bearbeiten] Deportation und Ermordung
Am 19. Juni 1942 hatte die Gestapo das Gebäude der "Reichsvereinigung" umstellt und wählte etwa 50 Mitarbeiter für die Deportation aus, darunter auch Paula Fürst. Fünf Tage später, am 24. Juni 1942, wurde sie im 16. "Osttransport" gemeinsam mit 201 anderen Personen Richtung Osteuropa deportiert. Vermutlich wurde sie in Auschwitz, eventuell auch in einem anderen Vernichtungslager in Polen ermordet.
[Bearbeiten] Literatur
- Martin-Heinz Ehlert: Paula Fürst. Aus dem Leben einer jüdischen Pädagogin. Berlin 2005, ISBN 3-938414-76-6.
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Paula Fürst im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Personendaten | |
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NAME | Fürst, Paula |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Pädagogin |
GEBURTSDATUM | 1894 |
GEBURTSORT | Glogau |
STERBEDATUM | 1942 |
STERBEORT | Auschwitz (vermutlich) |