Tyros (Stadt)
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Tyros (auch: Sur, arabisch: الصور aṣ-Ṣūr) ist mit rund 117.100 Einwohnern die viertgrößte Stadt im Libanon. Sie liegt im Süden des Landes an der Küste des Mittelmeers. Das antike Tyros, auf einer kleinen Insel gelegen, war eine der wichtigsten Städte der Phönizier.
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[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] Bronzezeit und frühe Eisenzeit
Der Aufstieg von Tyros begann Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. Seine große Zeit hatte Tyros als Handelsmetropole ab dem so genannten Seevölkersturm im 12. Jh. v. Chr. Der Handel von Tyros und anderen phönizischen Städten erfasste das gesamte Mittelmeerbecken. Ob auch die Gegenden jenseits der Säulen des Herkules, wie die Kanarischen Inseln und Britannien erreicht wurden, ist umstritten. Der Handel stützte sich auf eine Vielzahl von Handelsfaktoreien an den Küsten. Dauerhafte Siedlungen und Kolonien wurden nur ausnahmsweise gegründet, vor allem in Nordwestafrika, Sardinien und Spanien. Die bedeutendste Gründung war Karthago im Jahr 814 v. Chr., der Sage nach durch die tyrische Königstochter Elissa/Dido.
Für ca. 988 v. Chr. ist die Entsendung von Männern und Material für den Bau des Salomonischen Tempels in Jerusalem überliefert. Weiterhin wird Hiram Abif als Delegierter von Hiram I., dem König von Tyros entsandt. Tyros konnte seine politische Unabhängigkeit vor allem deshalb behaupten, weil die bisherigen Großmächte Ägypten und das Hethitische Reich geschwächt bzw. zerstört waren und zunächst keine andere Großmacht das resultierende Machtvakuum füllen konnte.
[Bearbeiten] Assyrische/Babylonische Zeit
Mit dem Erstarken des Neuassyrischen Reiches wurde Tyros tributpflichtig und verlor zunehmend seine politische Eigenständigkeit, nicht jedoch seine Wirtschaftskraft. Die Seeherrschaft der Phönizier wurde allerdings seit dem 8. Jh. v. Chr. zunehmend von den aufstrebenden Griechen zurückgedrängt. Der Vasallenvertrag zwischen Assurhaddon (681-669) und dem Stadtgott von Tyros enthält eine genaue Beschreibung des Herrrschaftsgebietes von Tyros und verschiedene Vorschriften:
- dem Befehl des assyrischen Statthalters zu gehorchen
- sich nicht an assyrischen Untertanen zu vergreifen
- gestrandete Schiffe an die Assyrer auszuliefern, doch ihre Besatzungen nicht anzutasten
Diese Vorschriften folgen die üblichen Selbstverfluchungen im Falle des Eidbruches:
- Ninlil von Niniveh möge ein flammendes Schwert gegen Tyrus ziehen
- die Ischtar von Arbela möge kein Erbarmen gewähren
- Gula möge Krankheiten schicken, dass die Bewohner von Tyros in ihrem Blute baden wie Wasser
- die Schebetu (Böse Sieben, Plejaden) mögen eine Niederlage bewirken
- Melkart und Eschmun mögen das Volk der Deportation preisgeben
- etc.
Es werden hier sowohl die obersten Götter des babylonischen Pantheons als auch assyrische und lokale Götter angerufen.
Eine Stele des Assurhaddon von 672 aus Zincirli zeigt, wie er die winzig kleinen Könige von Tyros und Ägypten an Seilen hält, die in den Nasenringen der Unterworfenen befestigt sind.
Nebukadnezar II. (604-562 v.Chr.) konnte die Stadt selbst nach 13jähriger Belagerung nicht erobern. Sie ergab sich aber 568. Danach setzt Nebukadnezar einen neuen König, Ba'al II, ein (568-558). Rationenlisten aus dem 10-35. Jahr Nebukadnezars erwähnen Adelige und Handwerker aus Tyros. Dabei dürfte es sich um Geiseln und Deportierte handeln. Aus dem 40. Jahr Nebukadnezars sind tyrische Händler in Babylon überliefert. Nach dem Tode Ba'als wurde Tyros 558-551 von Richtern regiert, die Verhältnisse waren aber scheinbar sehr instabil. Vermutlich zu dieser Zeit der Schwäche verlor Tyros auch die Kontrolle über seine Kolonien Kition auf Zypern und Karthago in Nordafrika. Im ersten Jahr Nabonids wird wieder ein König eingesetzt, der in Babylon erzogen worden war, vermutlich ein Abkömmling der alten Herrscher. Tyros gehörte anschließend zum Persischen Reich und hatte hier, wie auch die anderen phönizischen Küstenstädte, eine relativ unabhängige Stellung.
[Bearbeiten] Hellenismus
Um 333 war Azemilkos König von Tyrus, das sich unter persischer Herrschaft befand und die wichtigste der phönizischen Küstenstädte war, die die persische Flotte stellten. Auf die Nachricht von der persischen Niederlage bei Issos segelte Azemilkos unter Befehl des Autodaphrates nach Halikarnassos. In Phönizien eroberte Alexander der Große ohne Gegenwehr die Häfen Tripolis, Byblos, Beirut und Sidon. Auch Tyros hatte Verhandlungen angeboten, es Alexander aber verweigert, im Tempel des Stadtgottes Melkart in Neu-Tyros, also auf der Insel zu opfern. Sie boten ihm lediglich an, er könne Alt-Tyros auf dem Festland betreten. De Fakto hieß das, daß sie versuchten, neutral zu bleiben bzw. sich einer direkten makedonischen Kontrolle zu entziehen. Als Alexander darauf bestand, auch Neu-Tyros zu besetzen, kam es zur Belagerung der Stadt. Sie begann im Januar 332 v. Chr. und dauerte sechs Monate. Alexander ließ in mehrmonatiger Arbeit vom Festland aus einen Damm bauen, um die Inselstadt einzunehmen. Dazu benutzte er Pfeiler aus Libanonzedern und die Bauten der Altstadt. Auf dem Damm konnten nun Belagerungsmaschinen herangeschafft werden. Schiffe aus Arwad, Sidon, Byblos und Zypern beteiligten sich an der Belagerung. Tyros fiel im Herbst 332 v. Chr. Die Schiffe aus Arwad nahmen den Südhafen ein, die zypriotischen Schiffe liefen in den Nordhafen ein und die Besatzungen konnten Teile der Stadtmauern besetzen. König Azemilkos mit den Sufeten und den Gesandten aus Karthago in den Tempel des Melkart geflüchtet und wurde von Alexander verschont, während er 2.000 Männer kreuzigen (Diodor) und 13.000 (Diodor) oder 30.000 (Arrian) Einwohner in die Sklaverei verkaufen ließ. Dem Rest gelang die Flucht nach Karthago. Alexander beging seinen Sieg im Melkarttempel der Stadt, wo er den Rammbock, der als erster die Mauern gesprengt hatte und das heilige tyrische Melkartschiff, das er bereits früher erbeutet hatte, feierlich dem Gotte weihte. Die Stadt wurde teilweise zerstört, war aber zunächst noch der wichtigste makedonische Hafen an der levantinischen Küste. Die Eroberung durch die Makedonen bewirkt den langsamen Niedergang der Stadt. Sie konnte keine politische Eigenständigkeit mehr erringen. An dem Damm lagerte sich im Lauf der Zeit Schwemmland an, so dass aus der Insel eine Halbinsel wurde.
Die andauerten Ausgrabungen in Tyros insbesondere in den letzten 20 Jahren brachten Hunderte von griechischen Inschriften zum Vorschein, die teilweise gut erhalten sind. Sie entstanden zwischen dem 3. Jahrhundert v. Chr. und dem 8. Jahrhundert n. Chr. also von der Eroberung durch Alexander den Großen bis zur moslemischen Eroberung. Die Großereignisse finden in ihnen kaum ihren Niederschlag. Die Inschriften sagen etwas über das tägliche Leben und die sozialen und kultischen Einrichtungen aus. Die wahrscheinlich älteste griechische Inschrift ist in roten Granit gemeißelt. Die Inschrift ehrt Ptolemäus IV. von Ägypten zu einer Zeit, als Tyros zwischen den griechischen Pharaonen in Ägypten und den Seleukiden Streitobjekt war. Die Inschrift hilft, eine Passage des griechischen Historikers Polybios besser zu verstehen.
[Bearbeiten] Römerzeit
In der Römerzeit kam es zur Errichtung mehrerer größerer Bauwerke, die teilweise heute noch erhalten sind. Die Stadt war vermutlich der Geburtsort des berühmten römischen Juristen Domitius Ulpianus (D.50.15.1pr).
[Bearbeiten] Mittelalter
Die Stadt wurde bereits im ersten Kreuzzug (begonnen 1095) erobert und dem Königreich Jerusalem zugeschlagen. Sie wurde weiterhin Sitz eines Erzbischofs. Nach dem Fall Jerusalems an Saladin (1187) wurde der Thronsitz nach Akkon verlegt, während die Beratungssitzungen in Tyros stattfanden. Später wurde Tyros in ein eigenes Fürstentum umgewandelt. In der Kathedrale von Tyros wurden die Knochen des während des 3. Kreuzzugs verstorbenen deutschen Kaisers Friedrich I. Barbarossa (†1190) beigesetzt. Im Jahr 1291 eroberten die Mameluken die Stadt zurück.
[Bearbeiten] Heutiges Tyros
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Heute sind vor allem noch Ruinen aus der Römerzeit erhalten, Reste eines gigantischen Hippodroms und die Nekropole vor den Toren der alten Stadt. 1984 wurde Tyros in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Große Teile der Stadt sind darüber hinaus geschütztes Kulturgut entsprechend der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten.
Während des Libanon-Konfliktes im Sommer 2006 wurde Tyros von der israelischen Luftwaffe mehrfach bombardiert und erlitt dabei schwere Schäden. Viele internationale Journalisten, wie zum Beispiel Antonia Rados, berichteten Anfang August aus Tyros vom Konflikt.
In der Nähe der Stadt befinden sich seit Ende der 40er Jahre mehrere palästinensische Flüchtlingslager (Al-Bass, Rashidiyeh, Burj Al Shamali).
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Michael Sommer: Die Phönizier – Handelsherren zwischen Orient und Okzident. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 2005. ISBN 3520454017
- H. Jacob Katzenstein: The History of Tyre. The Schkocken Institute for Jewish Research, Jerusalem 1973. ISBN 965342677X
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Tyre – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
Koordinaten: 33° 16' N 35° 13' O