Geschichte Somalias
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Die Geschichte Somalias ist eng verknüpft mit der Geschichte des Somali-Volkes und damit auch mit der Geschichte der Nachbarländer Äthiopien, Kenia und Dschibuti. Sie reicht von frühen Bewohnern, die um 9000 bis 8000 v. Chr. Höhlenmalereien hinterließen, über (vermutlich) das Land Punt, die Einwanderung der Somali, die Einführung des Islam, die Entstehung verschiedener Sultanate und die Kolonialzeit bis hin zum gegenwärtigen Bürgerkrieg.
Einen tabellarischen Überblick bietet die Zeittafel Somalia.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Frühe Geschichte
Belege für die Besiedlung des Horns von Afrika vor Beginn der christlichen Zeitrechnung sind spärlich. Erste Spuren menschlicher Zivilisation wurden in Laas Geel bei Hargeysa entdeckt. Dort wurden Höhlenmalereien gefunden, die aus der Zeit zwischen 9000 und 8000 v. Chr. stammen.
Eine erste schriftliche Erwähnung des Gebiets könnte in dem Namen Punt bestehen, der in altägyptischen Quellen ein Land bezeichnet, mit dem Ägypten ab 3000 v. Chr. Handelsbeziehungen pflegte, und das man im Gebiet des heutigen Somalia oder in Eritrea lokalisiert.
Eine Hafenstadt namens Opone (griechisch Ὀπώνη) wurde im 1. Jahrhundert n. Chr. von einem anonymen Handelsreisenden aus Alexandria in dessen Reisebericht Periplus Maris Erythraei beschrieben. Sie wird an der Stelle des heutigen Xaafuun vermutet. Von dieser Stadt aus wurde mit dem Jemen, mit Phönizien, Nabatäa, Griechenland, Rom und „Azania“ Handel getrieben, und selbst indonesische und malaiische Händler frequentierten den Ort, der strategisch günstig an den Handelsrouten durch das Rote Meer lag.
Die heutigen Bewohner Somalias, die Somali, führen ihre Herkunft auf Einwanderer von der Arabischen Halbinsel zurück (die legendären „Somali-Stämme“), wohingegen die Sprachwissenschaft ihre Ursprünge eher im südlichen äthiopischen Hochland sieht, wo heute Ethnien leben, die wie die Somali kuschitische Sprachen sprechen. Nach diesen Theorien trennten sich die Vorfahren der Somali um 500 v. Chr. von den verwandten Gruppen zwischen den Flüssen Omo und Tana und besiedelten bis etwa 100 n. Chr. das ganze Horn von Afrika.[1]
Kleine Minderheitengruppen wie die Midgan und Tumaal, die heute auf bestimmte Berufe beschränkt sind, betrachten sich selbst als Nachkommen einer Urbevölkerung vor den Somali; wissenschaftlich ist ihre Herkunft noch ungeklärt.
[Bearbeiten] Vorkoloniale Zeit
Die Somali entwickelten ihre bis heute bestehende Wirtschaft und Lebensweise, die hauptsächlich in nomadischer Viehwirtschaft sowie im Süden des heutigen Somalia in Ackerbau an den Ufern der Flüsse Jubba und Shabeelle besteht. Das Clansystem der Somali wurde wahrscheinlich von der patrilinearen Stammesgesellschaft der Araber beeinflusst und verdrängte die ursprüngliche, möglicherweise matrilinear organisierte Gesellschaftsform.[2] Schon in vorkolonialer Zeit kam es immer wieder zu Konflikten zwischen Clans, insbesondere um knappes Land und Wasser. Die in der Region natürlicherweise auftretenden Dürren führten regelmäßig zu Hunger, insbesondere unter den Nomaden im Norden und Zentrum Somalias[3].
[Bearbeiten] Seehandel und Einführung des Islam
Das Königreich von Aksum erstreckte sich auf dem Höhepunkt seiner Macht (ca. 4. bis 6. Jahrhundert) bis in den Nordwesten Somalias[4], über die Auswirkungen seiner Herrschaft ist wenig bekannt.
Durch den Seehandel über Küstenstädte wie Saylac (Zeila) und Hobyo kamen die Somali mit arabischen und persischen Einflüssen in Berührung, so auch mit dem Islam ab dem 7. Jahrhundert. Noch weiter verbreitete sich der Islam im 11., 12. und 13. Jahrhundert mit der Ankunft muslimischer Patriarchen, namentlich Scheich Daarood Jabarti und Scheich Isahaaq, von denen der eine den Clan der Darod und der andere denjenigen der Isaaq begründete. Saylac stieg bis zum 16. Jahrhundert zum Handelszentrum für Kaffee, Gold, Zibet, Straußenfedern sowie Sklaven aus Äthiopien (siehe auch: Ostafrikanischer Sklavenhandel) und zum Zentrum des Islam in Somalia auf. Es wurde mit dem Nahen Osten, Indien und China Handel getrieben.
Der Reisende Ibn Battuta besuchte die Region 1327–1330 und beschrieb Saylac sowie Mogadischu (Maqdashu), welches sehr groß gewesen sei. Der chinesische Admiral Zheng He kam Anfang des 15. Jahrhunderts in Somalia vorbei, von wo möglicherweise die Giraffe stammte, die er von seinen Afrikareisen nach China brachte.
[Bearbeiten] Sultanate in Nordsomalia
Im 13. Jahrhundert setzte eine Wanderungsbewegung der Somali nach Süden ein, die bis in das 19. Jahrhundert andauern sollte. In dieser Zeit begannen sich auch Staatswesen zu bilden, insbesondere das Sultanat Ifat in Äthiopien und Nordsomalia, Vorläufer des von muslimischen Somali und Afar geführten Sultanats Adal. Dieses reichte von seiner Hauptstadt Saylac bis Jijiga und Harar im heute äthiopischen Ogaden und blieb lange friedlich gegenüber dem benachbarten christlichen Kaiserreich Äthiopien. Die Beziehungen der beiden Staatswesen verschlechterten sich jedoch, als der äthiopische Negus Isaak (Yeshaq) muslimische Ansiedlungen im Tal östlich von Harar angriff und 1415 Ifat eroberte. Nach seinem Sieg erlegte Isaak den Muslimen Tribut auf und ließ eine Hymne zur Besingung dieses Sieges schreiben. In dieser Hymne erscheint das Wort Somali erstmals in geschriebener Form.
Im 16. Jahrhundert waren es wiederum die Muslime, die Äthiopien angriffen. Unterstützt vom Osmanischen Reich drangen sie, geführt von Ahmed Gurey (Gran), weit in das Land vor, richteten Verwüstungen an und dezimierten dabei die Bevölkerung. Mit Hilfe einer portugiesischen Expedition unter Cristovão da Gama – einem Sohn des Vasco da Gama – und des Einsatzes von Kanonen gelang es Äthiopien, die Eroberung schließlich abzuwenden.[5] Nach dem Fall Ahmed Gureys in der Schlacht von Wayna Daga am 21. Februar 1543 wurden die Muslime zurückgeschlagen. In der darauf folgenden Zeit zerfiel Adal in kleinere Staaten, darunter das Sultanat Harar.
Die Portugiesen waren seit der Zeit von Heinrich dem Seefahrer der Küste Afrikas entlang gesegelt und hatten so auch Somalia erreicht. Ab dem 16. Jahrhundert kam es zu Überfällen portugiesischer Seefahrer auf somalische Küstenstädte. Saylac verlor infolge portugiesischer Angriffe 1517 und 1528 sowie Überfällen somalischer Nomaden aus dem Umland an Bedeutung und wurde zur Besitzung der jemenitischen Stadt Mokka. Berbera nahm seine Rolle ein, wurde aber ebenfalls Besitzung Mokkas. Der Jemen wiederum, und damit auch Mokka, geriet seinerseits zeitweise unter osmanische Herrschaft. 1875 versuchte Ägypten unter Ismail Pascha eine Invasion in Äthiopien, wobei Harar und Saylac für kurze Zeit unter ägyptische Kontrolle kamen.
[Bearbeiten] Städte im Süden Somalias
Siehe auch: Städte an der ostafrikanischen Küste (800–1500)
Auch die weiter südlich gelegenen, bereits seit dem Mittelalter existierenden Städte (Stadtstaaten) wie Baraawe und Merka wurden immer bedeutender. Vor allem Mogadischu strahlte auch auf sein Hinterland Banaadir (Benadir) aus. Von etwa 1550 bis 1650 bestand ein Staat der Ajuran – eines Stammes der Hawiye – mit Kalafo im heutigen Äthiopien als Hauptstadt, der von der Küste bei Mogadischu über das untere Shabeelle-Tal bis zu seinem Handelszentrum Hobyo reichte. Nach dem Niedergang des Ajuran-Staates infolge portugiesischer Raubzüge, innenpolitischer Schwierigkeiten und dem Vordringen von Nomaden aus dem Norden bildete sich ein kleineres Sultanat der Geledi-Digil (Rahanweyn) mit Afgooye als Zentrum, Hobyo wurde eigenständig.
Die Gründung von Kismaayo wird den Bajuni zugeschrieben, einer Untergruppe der neben den Somali an der Küste ansässigen Swahili. Insbesondere in Mogadischu siedelten sich arabische und persische Einwanderer an und vermischten sich mit den Einheimischen. Der Seehandel mit Sansibar brachte auch schwarzafrikanische Sklaven aus Ostafrika ins Land, die in der Landwirtschaft im Shabeelle-Tal eingesetzt wurden und die Vorfahren der hiesigen Bantu sind. Zu deren Geschichte siehe den Hauptartikel Somalische Bantu.
Vom 16. bis ins 18. Jahrhundert kontrollierten die Portugiesen u. a. Baraawe. Im 19. Jahrhundert kamen Mogadischu, Merka, Baraawe, Kismaayo und Warsheikh unter die Kontrolle des Sultanats Sansibar. Die sansibarische Oberhoheit bestand, ähnlich wie diejenige Mokkas über einige nordsomalische Städte, im Wesentlichen im Einziehen eines jährlichen Tributs.
[Bearbeiten] Majerteen-Sultanate
In der Bari-Region im Nordosten und südlich davon entstanden ab Mitte des 18. Jahrhunderts zwei Sultanate der Majerteen-Darod, die Mitte des 19. Jahrhunderts aufstiegen und einen blühenden Handel mit Vieh, Straußenfedern und Gummi arabicum trieben. Das eine der beiden wurde von Boqor Ismaan Mahamuud, das andere von dessen Cousin Sultan Yuusuf Ali Keenadiid von Hobyo geführt. Ersteres profitierte von Unterstützung durch Großbritannien im Gegenzug zum Schutz für britische Schiffe, die an seiner Küste strandeten. Zeitweise wurde es durch einen Bürgerkrieg infolge des Machtkampfes zwischen Boqor Ismaan Mahamuud und Keenadiid beinahe zerstört.
[Bearbeiten] Kolonialzeit
Ab dem Ende des 19. Jahrhundert erfuhr das von den Somali bewohnte Gebiet die Aufteilung, die bis heute nachwirkt und teilweise Bestand hat. Harar und damit ganz Ogaden geriet durch die Eroberungen Meneliks II. unter die Herrschaft Äthiopiens. Süden und Osten des heutigen Somalia wurden von Italien als Italienisch-Somaliland, der Norden (Britisch-Somaliland) sowie Kenia von Großbritannien und Dschibuti (Französisch-Somaliland) im Nordwesten von Frankreich kolonisiert.
[Bearbeiten] Kolonialisierung und der Widerstand dagegen
Die Kolonialmächte hatten verschiedene Motive. Allgemein erhöhte sich nach der Eröffnung des Sueskanals die Bedeutung der traditionellen Handelsrouten durch das Rote Meer, weswegen das Interesse europäischer Kolonialmächte an dieser Region wuchs. So wollte Großbritannien die Nordküste als Quelle für Schaffleisch und andere Nahrungsmittel für seine Kolonie Aden kontrollieren und schloss 1884 Verträge mit verschiedenen dortigen Clans. Frankreich strebte, erst recht nachdem es von Großbritannien aus Ägypten verdrängt worden war, nach Dschibuti als Zwischenstation für Schiffe, um die Seehandelsbeziehungen zu seinen Kolonien in Indochina zu stärken. Ferner sollten durch die Inbesitznahme Dschibutis britische Pläne, eine Eisenbahnstrecke durch ganz Afrika bis dorthin zu bauen, vereitelt werden.
Italien widerum war noch nicht lange als Staat vereinigt, hatte noch keiner Kolonien habhaft werden können und wollte deshalb dieses bis dahin nicht kolonialisierte Gebiet in Besitz nehmen (siehe auch: Italienisch-Ostafrika). 1888 stimmte der Sultan Keenadiid von Hobyo einem italienischen Protektorat zu, desgleichen 1889 Ismaan Mahamuud. Später kam die Benadirküste hinzu, 1905 wurde Mogadischu Hauptstadt Italienisch-Somalilands. 1925 wurde die Region um Kismaayo (Jubaland/Südwestsomalia), die zuvor als Bestandteil des Sansibar-Protektorats britisch gewesen war, an Italien übertragen. Sie bestand kurzzeitig als separate Kolonie Oltre Giuba, ehe sie 1926 als Provinz an Italienisch-Somaliland angegliedert wurde.
Nicht alle Clans unterstellten sich gewaltlos der Fremdherrschaft. Insbesondere die Dolbohanta (Dhulbahante)-Darod leisteten Widerstand. Deren Vertreter Muhammad ibn ʿAbd Allāh Hassān (Mohammed Abdullah Hassan), von den Briten Mad Mullah genannt, versuchte 1899–1920, der Kolonialisierung Widerstand zu leisten. In dem Krieg zwischen seinen Anhängern und den Briten kam etwa ein Drittel der Bevölkerung Nordsomalias um. Bombardierungen der Royal Air Force gegen die Stützpunkte der Aufständischen gaben dem Konflikt schließlich die entscheidende Wende. Muhammad ibn ʿAbd Allāh Hassān wurde in die Flucht getrieben und starb bald darauf. Bis heute wird er als Nationalheld verehrt.[6]
[Bearbeiten] Kolonialherrschaft
Die Briten sahen in ihrem Somaliland zunächst wenig mehr als eine Fleischversorgungsstation und beschränkten sich auf eine indirekte Herrschaft. Die Infrastruktur wurde unter ihnen kaum ausgebaut. Die Italiener bauten u. a. Bananen-, Zuckerrohr- und Baumwollplantagen im Süden Somalias auf und gründeten einige Siedlungen, wie Jawhar. Die Sklaverei wurde unter der Kolonialherrschaft abgeschafft, doch wurden insbesondere die Bantu zur Zwangsarbeit auf den Plantagen herangezogen, da nur wenige Somalier zur freiwilligen Lohnarbeit bereit waren.[7] Nachdem Mogadischu zur Hauptstadt der Kolonie gemacht worden war, verlagerten sich die Handelsströme zusehends dorthin, wohingegen die Häfen im Nordosten, wie Hobyo, an Bedeutung einbüßten.
1935–1936 führte das mittlerweile faschistische Italien von Italienisch-Somaliland und Eritrea aus den Italienisch-Äthiopischen Krieg, der wegen der italienischen Kriegsverbrechen vom Völkerbund verurteilt wurde. Es brachte Äthiopien und 1940–1941 zudem Britisch-Somaliland unter seine Kontrolle. Daraufhin besetzte Großbritannien im Zweiten Weltkrieg auch Italienisch-Somaliland und verwaltete das Gebiet von 1941 bis 1950 zusätzlich zu seiner eigenen Somaliland-Kolonie. In dieser Zeit wurde versucht, ein demokratisches System einzuführen, 1943 wurde die Somali Youth League (SYL) als erste politische Partei Somalias gegründet. Sie sollte bei der Erlangung der Unabhängigkeit und danach eine bedeutende Rolle spielen, insbesondere da es ihr gelang, über die Clangrenzen hinweg für ihre Ziele zu wirken.
Obwohl Italienisch-Somaliland rechtlich weiterhin eine italienische Kolonie war, wurde auf der Potsdamer Konferenz 1945 entschieden, es nicht an Italien zurückzugeben. Stattdessen wurde es 1949 von der UN-Generalversammlung zum Treuhandgebiet unter italienischer Verwaltung gemacht (1950–1960). Die SYL, die die sofortige Unabhängigkeit anstrebte, widersetzte sich erfolglos diesem Entscheid. In dem letzten Jahrzehnt vor der Unabhängigkeit konnten durch UN-Entwicklungshilfe deutliche Fortschritte, etwa im Bildungswesen, erzielt werden[8]. Zum Andenken an diese Unterstützung ist die Flagge Somalias derjenigen der Vereinten Nationen nachempfunden.
[Bearbeiten] Unabhängigkeit
Es gab innerhalb der Somali-Bevölkerung Bestrebungen, die Teilung ihres Gebietes aufzuheben und alle Somali in einem Staat (Groß-Somalia) zu einen. Auch die SYL unterstützte dieses Ziel. So wurden Britisch-Somaliland und Italienisch-Somaliland am 1. Juli 1960 gemeinsam als Somalia unabhängig. Der neue Staat schrieb das Streben nach der Vereinigung aller Somali-Gebiete in seiner Verfassung fest. Kenia behielt jedoch bei seiner Unabhängigkeit 1963 seinen somalisch besiedelten Landesteil, und das mehrheitlich von somalischen Issa bewohnte Dschibuti wurde mit seiner Unabhängigkeit 1977 ein eigenes Land.
Allgemein war das Interesse an Politik in der somalischen Bevölkerung groß. Frauen waren begrenzt politisch tätig; das Stimmrecht besaßen sie im vormals italienisch beherrschten Landesteil seit 1948 und im vormals britischen Teil seit 1963. Die nationale Integration bereitete Schwierigkeiten, da die Unterschiede zwischen dem wenig entwickelten Norden und dem weiter entwickelten Süden und Osten ausgeprägt waren. Der hauptsächlich von Isaaq bewohnte Norden sah sich im Gesamtgebilde Somalia gegenüber dem Süden benachteiligt.[9]
Erster Präsident des unabhängigen Somalia wurde Aden Abdullah Osman Daar, Mitglied der SYL. Unter dem Einfluss nationalistischer Kräfte hielt er an den somalischen Gebietsansprüchen gegenüber den Nachbarländern fest, wodurch das Land in der Region isoliert wurde; es kam bis 1964 zu Guerillaaktivitäten somalischer Rebellen im Nordosten Kenias, und von Februar bis April 1964 führten Somalia und Äthiopien einen kurzen Grenzkrieg. Im selben Jahr schlossen Äthiopien und Kenia ein Verteidigungsabkommen gegen Somalia.[10] Daneben setzte Osman Daar auf gute Beziehungen zur Sowjetunion. Dies brachte ihn in Konflikt mit Abdirashid Ali Shermarke – ebenfalls von der SYL –, der die Blockfreiheit Somalias vorzog und ihn nach den Wahlen 1967 ablöste.
Shermarkes Premierminister Mohammed Haji Ibrahim Egal – ein Isaaq von der Somali National League (SNL), der bereits unter Osman Daar erster Premierminister gewesen war – erreichte eine Entspannung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten. Die innenpolitischen Clan- und Parteirivalitäten hielten jedoch an. Korruption und Vetternwirtschaft waren in der Nationalversammlung keine Seltenheit – was manchen als Normalität in einer Gesellschaft erschien, in der Abstammung und Verwandtschaft bedeutend sind, bei anderen aber für Unmut sorgte. Insbesondere nach den Gemeinde- und Nationalversammlungswahlen im März 1969 beschuldigten sich die Parteien gegenseitig des Wahlbetrugs.[11]
[Bearbeiten] Herrschaft und Entmachtung Siad Barres
Am 15. Oktober 1969 wurde Shermarke von einem Leibwächter getötet. Am 21. Oktober übernahmen daraufhin prosowjetische Militärs unter Siad Barre die Macht. Dieser lehnte sich zunächst an die Sowjetunion an, versuchte einen „wissenschaftlichen Sozialismus“ einzuführen und den traditionellen Einfluss der Clans zurückzudrängen. 1972 wurde eine Standardisierung und Verschriftung der somalischen Sprache erarbeitet, um diese als Nationalsprache zu stärken. Damit beschritt Somalia einen Sonderweg gegenüber zahlreichen afrikanischen Staaten, welche die von den Kolonialherren eingeführten Amtssprachen beibehielten.
1974–1975 kam es infolge von Dürre zu Hunger in Somalia[12].
Barre führte 1976–1978 erneut einen Krieg um Ogaden gegen Äthiopien, den Somalia verlor. Hierbei wurde das kommunistische Derg-Regime Äthiopiens von der Sowjetunion und Barre – nachdem er wegen deren Unterstützung für Äthiopien mit der Sowjetunion gebrochen hatte – von den USA unterstützt. Folgen des Ogadenkrieges waren Tausende Tote, hohe Kosten für Somalia sowie der Zustrom von über 650.000 Flüchtlingen[13] aus äthiopischem Gebiet. Ab 1980 gewährte Somalia den USA Nutzungsrechte für Flugplätze und Hafenanlagen (u. a. Berbera im Norden des Landes), im Gegenzug erhielt die Regierung von den USA Unterstützung. In dieser Zeit ging Somalia, das wie andere Entwicklungsländer seit den 1970er Jahren verschuldet war, auch vom Sozialismus zu einer Wirtschaftspolitik nach Leitlinien des Internationalen Währungsfonds über.
Im Inneren regierte Siad Barre (selbst ein Marehan-Darod) diktatorisch. Er wandte auch die Teile und herrsche-Taktik an, indem er Clans gegeneinander aufbrachte. Nach dem Ogadenkrieg hatten einige Armeeoffiziere, hauptsächlich Majerteen-Darod, 1978 einen Umsturz gegen seine Regierung versucht. Diese reagierte darauf, indem sie die Spezialeinheit der Red Berets (somali: Duub Cas) auf die Majerteen ansetzte und Wasserreservoirs in deren Gebiet in Mudug zerstören ließ.
Die Isaaq im ehemals britischen Norden Somalias fühlten sich weiterhin marginalisiert und unterdrückt. Isaaq im Exil gründeten das Somali National Movement (SNM), das den Sturz des Barre-Regimes zum Ziel hatte, und ab Ende der 1980er Jahre kämpften Rebellen in Nordsomalia für dieses Ziel. 1988 ließ die Regierung zur Bekämpfung von Isaaq-Rebellen die Städte Burao und Hargeysa bombardieren. Auch der Hawiye-Clan im Süden, obwohl zunächst auf Seiten der Regierung, fühlte sich immer mehr marginalisiert und war von Repressionen betroffen; von Exil-Hawiye wurde der oppositionelle United Somali Congress (USC) gebildet, der 1989 eine Rebellion anführte. Es kam zu Unruhen, zu Massakern an Demonstranten und Zivilisten in Mogadischu und zu willkürlichen Todesurteilen gegen Regimekritiker. Deswegen, und weil er nach dem Ende des Kalten Krieges seine Bedeutung als Bündnispartner verloren hatte, distanzierten sich die USA von Barre. Ohne die US-Unterstützung geriet dieser noch stärker unter den Druck der verschiedenen Rebellenbewegungen, seine Kontrolle über das Land schwand zusehends. Am 26. Januar 1991 wurde er abgesetzt – woran der USC wesentlich beteiligt war – und floh schließlich aus Somalia.
[Bearbeiten] Bürgerkrieg
Hauptartikel: Somalischer Bürgerkrieg
Der von den Hawiye Mohammed Farah Aidid und Ali Mahdi Mohammed geführte USC bildete eine provisorische Regierung, die sich jedoch nicht durchsetzen konnte, da andere bedeutende Oppositionsgruppen nicht beteiligt wurden. Bald darauf erklärte der Norden des Landes unter der Führung der Isaaq als Somaliland einseitig seine – international nicht anerkannte – Unabhängigkeit. Der USC selbst spaltete sich, nachdem sich Ali Mahdi Mohammed ohne Einverständnis Aidids zum Präsidenten ausrief. Der Marehan-Darod Siad Hersi kämpfte derweil im Süden weiter auf der Seite Siad Barres. Somalia zerfiel in umkämpfte Machtbereiche von Clans und Kriegsherren und deren Milizen.
Für die Bevölkerung hatte dies eine Verschlechterung der Versorgungs- und Sicherheitslage bis hin zu einer Hungersnot im Süden Somalias zur Folge. Dürre verschärfte den Hunger noch. Ab 1992 versuchten die Vereinten Nationen im Rahmen der UNOSOM-Mission, die Lieferung von Nahrungsmittelhilfe zu sichern und den Frieden wieder herzustellen. Als sich diverse somalische Kriegsparteien gegen die UNOSOM wandten und die Mission in ernsthafte Schwierigkeiten brachten, boten die USA an, eine multinationale Truppe UNITAF unter eigener Führung zur Unterstützung zusammenzustellen. Ende 1992 wurde die UNOSOM der UNITAF unterstellt. Teile der somalischen Bevölkerung sahen jedoch in der UNOSOM/UNITAF eine Besatzungsmacht und unterstellten insbesondere den USA auch weniger edle Motive wie die Erlangung der Kontrolle über Erdölvorräte. Die USA zogen zudem den Vorwurf der Parteilichkeit auf sich, als sie sich spezifisch gegen Aidid wandten. Nach den Ereignissen der „Schlacht von Mogadischu“ im Oktober 1993 zogen sie ab, und 1995 musste sich auch die UNOSOM II zurückziehen. Seither gilt Somalia als typisches Beispiel eines „gescheiterten Staates“.
Die Kampfhandlungen gingen weiter. Puntland im Nordosten und die Republik Jubaland (Südwestsomalia) erklärten zwischenzeitlich ihre Unabhängigkeit, beide, ohne internationale Anerkennung zu erlangen und letzteres, ohne sie effektiv durchzusetzen. Einzig im faktisch autonomen Somaliland im Norden blieb es relativ friedlich. Dort wurde ein demokratisches System etabliert, in freien Wahlen wurde 2003 Dahir Riyale Kahin zum Präsidenten und Nachfolger von Mohammed Haji Ibrahim Egal gewählt. Somaliland gibt auch eine eigene Währung und Pässe heraus.
2000 wurde nach Friedensverhandlungen eine Übergangsregierung, das Transitional National Government, aus Vertretern verschiedener Clans gebildet, die ab 2005 in Baidoa ihren Sitz hatte. Sie konnte sich jedoch nie effektiv durchsetzen, da sie nicht die Unterstützung aller Kriegsparteien fand. Übergangspräsident war 2000–2004 Abdikassim Salat Hassan, gefolgt von Abdullahi Yusuf Ahmed, dem vormaligen Präsidenten von Puntland. Letzteres schloss sich der Übergangsregierung an, gab seine de-facto-Unabhängigkeit auf und strebt weiter eine Autonomie innerhalb Somalias an.
Seit 1991 kamen schätzungsweise 350.000 bis eine Million Somalier im Bürgerkrieg um, 400.000 wurden Binnenvertriebene. Weitere Hunderttausende flohen in Flüchtlingslager in den Nachbarländern, in die Staaten der Arabischen Halbinsel, nach Nordamerika oder Europa.
Am 26. Dezember 2004 wurde auch die somalische Küste von dem Tsunami im Indischen Ozean getroffen, was zu an die 300 Todesopfern und zu Schäden insbesondere in Xaafuun führte. Etwa 50.000 Somalier waren in der Folge auf Hilfe angewiesen.[14]
[Bearbeiten] Union islamischer Gerichte und Intervention Äthiopiens
Nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 verdächtigten die USA das destabilisierte Land als Zufluchtsort für Terroristen bzw. gar für Osama bin Laden. Vor diesem Hintergrund beobachteten sie den Machtgewinn der Union islamischer Gerichte, einer Vereinigung von Scharia-Gerichten, die lokal das Scharia-Recht durchsetzen, mit Besorgnis und unterstützten zeitweise die „Allianz für die Wiederherstellung des Friedens und gegen den Terrorismus“, einen losen Zusammenschluss von Kriegsherren gegen die Union.
Dennoch konnte die Union 2006 Mogadischu und große Teile des Landes einnehmen. Seither herrschte in diesen Landesteilen Frieden, doch an den Grenzen zwischen den Machtbereichen von Übergangsregierung und Union islamischer Gerichte kam es weiterhin zu Kämpfen. Die Union rief zum Dschihad zur Eroberung Ogadens auf, weswegen Äthiopien ihr am 24. Dezember 2006 den Krieg erklärte und in Somalia einmarschierte. In der Folge wurde die Union weitgehend verdrängt. Die Übergangsregierung versucht sich nun in Mogadischu zu etablieren und das Land zu stabilisieren.
Anfang 2007 bemüht sich die Afrikanische Union, eine Schutztruppe (African Union Mission to Somalia) für Somalia zusammenzustellen. Am 1. März trafen erste Truppen im Land ein.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Geschichte Afrikas
- Geschichte Äthiopiens/Geschichte Eritreas
- Geschichte Dschibutis
- Geschichte Kenias
- Geschichte des Jemen
[Bearbeiten] Literatur
- Ioan M. Lewis: A Modern History of the Somali, Ohio University Press 2003, ISBN 082141495X
- Ali Jimale Ahmed (Hrsg.): The Invention of Somalia, Red Sea Press 1995, ISBN 0932415997
- Abdirizak Sheikh, Mathias Weber: Kein Frieden für Somalia?, Frankfurt 2005, ISBN 393451703X
[Bearbeiten] Quellen
Allgemein:
- Countrystudies.us: Somalia
- im Artikel Somalischer Bürgerkrieg angegebene Quellen
Einzelnachweise:
- ↑ Countrystudies.us: Somalia – Origins, Migrations, and Settlement
- ↑ Countrystudies.us: Somalia – Coastal Towns
- ↑ Länderbericht von Human Rights Watch zu Somalia 1992#The Impending Famine; dort zitiert aus M. Boothman, A Historical Survey of the Incidence of Drought in Northern Somalia, in I. M. Lewis (ed.) Abaar: The Somali Drought, London, 1975.
- ↑ Countrystudies.us: Ethiopia – The Aksumite State
- ↑ Countrystudies.us: Somalia – Emergence of Adal
- ↑ Countrystudies.us: Somalia – Dervish Resistance to Colonial Occupation
- ↑ Countrystudies.us: Somalia – The Colonial Economy
- ↑ Countrystudies.us: Somalia – Trusteeship and Protectorate: The Road to Independence
- ↑ Countrystudies.us: Somalia – From Independence to Revolution; Problems of National Integration
- ↑ Countrystudies.us: Somalia – Pan-Somalism
- ↑ Countrystudies.us: Somalia – The Igaal Government
- ↑ BBC News: Timeline: Somalia
- ↑ Zahl von Countrystudies.us: Somalia – Foreign Relations; [1] gibt 1,5 Mio. an
- ↑ en:Effect of the 2004 Indian Ocean earthquake on Somalia
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