Katastrophenschutz
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Katastrophenschutz (KatS, KatSchutz) bezeichnet Maßnahmen, die getroffen werden, um Leben, Gesundheit oder die Umwelt in einer Katastrophe zu schützen.
Dazu gehören vorbereitende Maßnahmen, wie zum Beispiel die Aufstellung entsprechender Hilfseinrichtungen und -pläne oder das Festlegen von Standard-Einsatz-Regeln (SER) zur schnellen Reaktion bei gleichen Lagen, die Abwehr von Schäden im Katastrophenfall und die Beseitigung von Katastrophenschäden.
Inhaltsverzeichnis
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[Bearbeiten] Katastrophenschutz in Deutschland
[Bearbeiten] Entwicklung
Nachdem im Deutschen Kaiserreich neben den Feuerwehren und dem Deutschen Roten Kreuz militärische Hilfskommandos bei Großschadenslagen eingesetzt wurden, entlastete während der Weimarer Republik die Technische Nothilfe die zahlen- und ausrüstungsmäßig stark abgerüstete Reichswehr. Während der Herrschaft des Nationalsozialismus bildeten die drei genannten Hilfsdienste auch den Kern des Katastrophenschutzes im zivilen Luftschutz, damals Sicherheits- und Hilfsdienst (SHD), ab Juli 1942 Luftschutzpolizei genannt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg begann der Wiederaufbau des Katastrophenschutzes praktisch parallel mit der Wiederaufrüstung in den beiden deutschen Staaten. In der Bundesrepublik wurde 1950 das Technische Hilfswerk, 1956 das Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz gegründet und der Luftschutzhilfsdienst für den Bereich des Zivilschutzes.
Es wurde Wehrpflichtigen ermöglicht, anstelle ihres Grundwehrdienstes eine mehrjährige Verpflichtung im Katastrophenschutz und internen Diensten der Träger einzugehen (insbesondere Freiwillige Feuerwehren, THW, DRK, ASB). Die Dauer der Verpflichtung betrug 10 Jahre, danach folgte eine freiwillige Mitarbeit, um nicht zu Wehrübungen eingezogen zu werden. Für den Fall des vorzeitigen Abbruchs der Verpflichtung betrug das Höchstalter für die Einberufung zum Wehrdienst 32 Jahre. Während der 1980er-Jahre unter Innenminister Friedrich Zimmermann wurde jedoch auch überlegt, die Aufnahme neuer Katastrophenschutzhelfer in Sanitätseinheiten zu stoppen, weil man an der Wirksamkeit dieser Katastrophenschutzzüge zweifelte.
Das Ende des Kalten Krieges führte in den frühen 1990er-Jahren zu einem starken Abbau des Katastrophen- (und Zivil-)schutzes (Schließung der Warnämter, Abbau der Sirenen (vgl. Alarm), Auflösung der Medikamentendepots, Schließung von Hilfskrankenhäusern und Schutzräumen).
Nach den Terroranschlägen in den Vereinigten Staaten im Jahr 2001 begann sich diese Entwicklung umzukehren. Im Jahr 2006 waren insgesamt über circa 1,7 Millionen ehrenamtliche Helfer im Zivil- und Katastrophenschutz tätig [1].
[Bearbeiten] Zuständigkeiten
Gefahrenabwehr im Katastrophenfall ist gemäß Artikel 70 des Grundgesetzes Aufgabe der Länder.
Im Falle eines Angriffs auf das Bundesgebiet mit Waffengewalt oder einer entsprechenden unmittelbaren Bedrohung (Verteidigungsfall) ist der Bund gemäß Artikel 73 Nr. 1 Grundgesetz für den Schutz der Zivilbevölkerung (Zivilschutz) zuständig.
Für Zwecke des Zivilschutzes stellt der Bund den Ländern Mittel bereit, die diese in ihren friedensmäßigen Katastrophenschutz integrieren können. Außerdem erweitert und ergänzt der Bund den Katastrophenschutz der Länder durch die Aufstellung der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW). Wehrpflichtige können bei sechsjähriger Verpflichtung ihren Dienst in Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes erfüllen (Wehrpflicht).
Eine starre Unterscheidung von Zivilschutz und Katastrophenschutz als „Krieg und Frieden“ findet heute nicht mehr statt. Die Innenminister und Innensenatoren der Länder haben sich zusammen mit dem Bundesminister des Innern auf ein Integriertes Gefahrenabwehrsystem geeinigt. Das bedeutet, dass Bund und Länder ihre Kompetenzen und Fähigkeiten in einen Bevölkerungsschutz einbringen, der alle Schadensursachen berücksichtigt. Beraten werden sie dabei von der Schutzkommission beim Bundesminister des Innern.
[Bearbeiten] Organisationen
In Deutschland engagieren sich unterschiedliche Organisationen im Katastrophenschutz:
[Bearbeiten] Öffentliche Einrichtungen
- Feuerwehren (vor allem ABC-Abwehr und Brandschutz)
- Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW)
- Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)
- Deutsches Notfallvorsorge-Informationssystem (deNIS)
- Ordnungsbehörden
[Bearbeiten] Private und kommunale Organisationen
- Allgemeiner Rettungsverband (ARV), gemeinnützig
- Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), gemeinnützig
- DEMIRA Deutsche Minenräumer e.V., gemeinnützig
- Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), gemeinnützig
- Deutsches Rotes Kreuz (DRK) mit Berg- und Wasserwacht, gemeinnützig
- Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH), gemeinnützig
- Malteser Hilfsdienst (MHD), gemeinnützig
- Medizinisches Katstrophenhilfswerk Deutschland e.V. (MHW), gemeinnützig
- Deutscher Amateur Radio Club (DARC), Notfunkgruppen der Funkamateure
- Kerntechnische Hilfsdienst GmbH (KHG)
- Regieeinheiten der Katastrophenschutzbehörden
- Telekom Katastrophenschutz (früher Katastrophenschutz der Deutschen Bundespost)
- Verband der Funkamateure in Telekommunikation und Post (VFDB) (früher Verband der Funkamateure der Deutschen Bundespost)
[Bearbeiten] Weitere Organisationen des Katastrophenschutzes
Dazu kommen noch Einsatzkräfte aus NGOs, wie z. B. aus Unternehmen (etwa die Grubenwehr im Bergbau), privaten Vereinen, Behörden und Verbänden. Es können sich je nach örtlicher Rechtslage auch Privatpersonen und Firmen zum Katastropheneinsatz spontan zur Hilfe organisieren (vgl. die EMON, Emergente Organisations-Netzwerke) oder dazu herangezogen werden.
Krisenzentren für Katastrophenopfer – wie im Frankfurter Flughafen das Eric (Emergency Response and Information Center, seit 1999) – gibt es in Deutschland nur wenige und die meisten davon als staatlich betriebene Einrichtungen. Das Eric hat seit seiner Gründung rund ein Dutzend größerer Notfälle gemanagt. Besonders die Geschehnisse nach dem Seebeben im Indischen Ozean 2004 bleiben in Erinnerung, als viele traumatisierte Urlauber und Hinterbliebene, denen oft nur Badeschlappen geblieben waren, hilflos in Frankfurt landeten, betreut und versorgt werden und vor allem auch vor sensationsgierigen Reportern geschützt werden mussten. Weltweites Vorbild, auch für das Epic (seit 1994 in München), ist das gleichnamige Emergency Procedures Information Centre von British Airways am Londoner Flughafen Heathrow.
Funkamateure sind per Gesetz mit Erhalt der entsprechenden Lizenz dazu verpflichtet, Ihren Fachverstand, Kenntnis und Fähigkeiten sowie Gerätschaften im Katastrophenfall zur Errichtung und Unterstützung von Kommunikationsverbindungen bereitzustellen. Näheres dazu unter Notfunk und Katastrophenfunk. Viele Funkamateure haben neben stationären Funkanlagen auch mobile Anlagen, die stromunabhängig und weltweit Sprach-, Daten- und Bildkommunikation ermöglichen, einschließlich der Kommunikation über eigene Satelliten. Beispielhaft ist für solch einen Einsatz die Hamburger Sturmflut 1962 zu nennen.
[Bearbeiten] Selbstschutz
Die Selbsthilfefähigkeit ist Grundpfeiler des Katastrophenschutzes.
[Bearbeiten] Ersatzdienst im Katastrophenschutz statt Wehr- oder Zivildienst
In Deutschland kann vom Wehr-, bzw. Zivildienst freigestellt werden, wer sich für mindestens 6 Jahre als Helfer im Zivil- oder Katastrophenschutz verpflichtet. Grundlage hierfür sind § 13a Wehrpflichtgesetz und § 14 Zivildienstgesetz. Der Dienstpflichtige muss jährlich eine Mindestzahl an Dienststunden nachweisen. Jede Einheit erhält ein gewisses Stellenkontigent zur Vergabe. Siehe auch Wehrersatzdienst
[Bearbeiten] Lücken in der Katastrophenvorsorge
Es ist durchaus realistisch anzunehmen, dass deutsche Zivilschutzeinrichtungen für die Bekämpfung großer Schadensereignisse nicht ausreichend gewappnet sind und sowohl die Planungen wie die Arbeitsabläufe der Innenbehörden, die für den Katastrophenschutz zuständig sein können (Landratsämter, Feuerwehrleitstellen, Innenminnister) und die Ausstattung von Polizei, Feuerwehr etc. immer noch eklatante Mängel aufweisen.
Nach dem Zugunglück von Eschede 1998 und dem Attentat von New York 2001 wurden in der BRD die Vorsorgemaßnahmen im Katastrophenschutz kritisch untersucht. Fehlende Kommunikationsmittel, uneinheitliche Führungsstrukturen und zu geringe Kapazitäten in der medizinischen Notfallversorgung wurden nun anders bewertet.
Der dritte Gefahrenbericht der Schutzkommission beim Bundesminister des Innern, 2006, benennt massive Lücken in der Katastrophenvorsorge. Die fünf wichtigsten Lücken lägen demnach in den Bereichen: Mobilisierung der Selbsthilfepotenziale in der Bevölkerung, Schutz kritischer Infrastrukturen, Alarmierung und fortdauernde Unterrichtung der Bevölkerung und der Organisationen , Versorgung und Nachsorge im medizinischen Bereichen, Allgemeine institutionelle Organisation der Notfallversorgung und sogar bei der Versorgung mit Lebensmitteln und Trinkwasser.
In der Öffentlichkeit wird dies, anders als in den USA zumindest seit Hurrikan Katrina, bisher nur punktuell, etwa bei Großübungen zur Fußballweltmeisterschaft 2006, einer Kraftwerksunfall-Simulation oder 2004 in dem ZDF-Bericht zum Szenario für den „Tag X“, problematisiert.
[Bearbeiten] Beispiele für Katastrophenschutz
- Einen hocheffizienten Katastrophenschutz betreibt Taiwan seit Jahrzehnten im Hinblick auf Taifune. Diese Wirbelstürme besitzen die gleiche Zerstörungskraft wie Hurrikane. So kommen selbst bei den stärksten Taifunen in Taiwan nur wenige Menschen ums Leben oder zu Schaden. Personenschäden sind meist auf das Nichtbefolgen der Behördenanweisungen zurückzuführen.
- Als Negativbeispiel gelten die Vorkehrungen anlässlich des Hurrikan Katrina vom August 2005 im Süden der USA. Beispielsweise wurden einige zehntausend Menschen in einem vermeintlich sicheren, überdachten Stadion untergebracht, ohne dass eine Bereitstellung von sanitären Anlagen, Nahrung, Wasser und medizinischer Hilfe für einen längeren Zeitraum sichergestellt werden konnte. Vgl. Artikel Katrinagate.
[Bearbeiten] Literatur
- Jürgen Bittger: Großunfälle und Katastrophen. Stuttgart 1996, ISBN 3794517121
- Fuchs/Khakzadeh/Weber (Hrsg.): Recht im Naturgefahrenmanagement. Studien-Verlag, Innsbruck 2006, ISBN 3706543265
- Andreas Linhardt: Feuerwehr im Luftschutz 1926-1945. Braunschweig 2002, ISBN 3831137382
- Zweiter Gefahrenbericht der Schutzkommission beim Bundesminister des Innern, Bonn (Bundesverwaltungsamt - Zentralstelle für Zivilschutz) 2001
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (16/1388), Drucksache 16/1571
[Bearbeiten] Literatur
- Zeitschrift: Bayerisches Staatsministerium des Innern (Hrsg.): brandwacht, erscheint zweimonatlich, ISSN 0006-9116 [2]
[Bearbeiten] Siehe auch
- Ehrenamt, Gefahrenabwehr, Katastrophensoziologie
- Krisenintervention, Notfall, Notstand, Notfunk
- Strahlenschutz, Triage, Warnung, Zivilschutz
[Bearbeiten] Weblinks
- Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in Deutschland - AGBF -
- Deutsches Notfallvorsorge-Informationssystem
- Schutzkommission beim Bundesminister des Innern
- Katastrophenforschungsstelle der Universität Kiel
- Katastrophenschutz.de
- Katastrophenschutz e.V. - Verein zur Optimierung des Katastrophenschutzes und Rettungswesens
- landkreis-ludwigsburg.de - Freistellung vom Wehr- bzw. Zivildienst
- Zentrale Melde- und Auswertestelle
- Berliner Katastrophenschutzforum
Wiktionary: Katastrophenschutz – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen |
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (16/1388), Drucksache 16/1571
- ↑ brandwacht – www.brandwacht.bayern.de
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