Saparmyrat Nyýazow
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Saparmyrat Ataýewiç Nyýazow [θɑːpɑːrmyːrɑːt niːjɑːðɒv] (russisch Сапармура́т Ата́евич Ния́зов/Saparmurat Atajewitsch Nijasow; * 19. Februar 1940 in Gypjak bei Aşgabat; † 21. Dezember 2006) war von 1992 bis 2006 Staats- und Regierungschef von Turkmenistan. Bekannt war er vor allem für den um ihn betriebenen extremen Personenkult.
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[Bearbeiten] Biographie
Nyýazow wurde am 19. Februar 1940 in eine Arbeiterfamilie geboren. Sein Vater starb im Zweiten Weltkrieg, Mutter und Bruder fielen 1948 einem Erdbeben zum Opfer. Der Knabe wuchs daher zunächst in einem Waisenheim auf, später bei entfernten Verwandten. Vermutlich fand er in der Kommunistischen Partei eine Ersatzheimat. In Leningrad konnte sich Nyýazow zum Elektroingenieur ausbilden. Danach arbeitete er zuerst in einem großen Kraftwerk, bevor er in der KP Karriere zu machen begann.
Seit 1985 war Nyýazow als Nachfolger von Muhammad Nazar Gapurow Vorsitzender der Kommunistischen Partei (KP) der damaligen Turkmenischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Im Januar 1990 wählte ihn der Oberste Sowjet zum seinem Vorsitzenden, zwei Monate später zum Präsidenten der Republik. Im Oktober 1990 war Turkmenistan das erste Land der Sowjetunion, das eine Volkswahl des Präsidenten durchführte. Nyýazow – der einzige Kandidat – wurde gewählt.[1]
Nach dem gescheiterten Moskauer Putsch vom August 1991 löste Nyýazow die KP im nun unabhängigen Turkmenistan auf und gründete an ihrer Stelle und unter seiner Führung die Demokratische Partei. Im Oktober 1991 und im Juni 1992 (mit 99,5 % der Stimmen) ließ sich Nyýazow als Staatspräsident wiederwählen. Er erhielt weitreichende Rechte und übernahm auch das Amt des Ministerpräsidenten.
Nyýazow gab sich den offiziellen Beinamen Türkmenbaşy („Führer der Turkmenen“). Dieser Titel verweist auf seine Funktion als Gründer und Vorsitzender einer 1991 gegründeten „Humanitären Vereinigung der Turkmenen der Welt“ (russisch Гуманитарная ассоциация туркмен мира/Gumanitarnaja assoziazija turkmen mira), die ethnische Turkmenen verschiedener Länder vereinigen soll. (In Irak, Afghanistan und Iran gibt es starke turkmenische Minderheiten). Demnach sah er sich als Oberhaupt aller ethnischen Turkmenen.[2]
In den Medien des Landes wird er auch „Türkmenbaşy der Große“ genannt. Seine regulär bis 1997 reichende Amtszeit wurde mehrmals verlängert. Am 28. Dezember 1999 wurde der autokratisch regierende Präsident vom Parlament zum Staatschef auf Lebenszeit ernannt. Im Mai 2005 kündigte er jedoch an, bei den nächsten Präsidentschaftswahlen 3 bis 4 Gegenkandidaten zuzulassen. Im Oktober 2005 kündigte er an, diese etwa im Jahre 2009 abhalten zu lassen und bis dahin einen Nachfolger aufzubauen.[3]
Saparmyrat Nyýazow ist am Morgen des 21. Dezember 2006 verstorben. Er erlag nach Angaben des staatlichen Rundfunks einem Herzversagen. Beobachter befürchteten zu diesem Zeitpunkt, Turkmenistan könnte nach dem Tod Nyýazows in ein Chaos stürzen. Die Position des Staatsoberhauptes hat zunächst Vize-Ministerpräsident Gurbanguly Berdimuhammedow übernommen. Gemäß der Verfassung hätte eigentlich Parlamentspräsident Öwezgeldi Ataýew die Amtsgeschäfte übernehmen sollen. Der Sicherheitsrat habe seine Kandidatur aber abgelehnt, weil die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittle, meldete die russische Agentur Interfax.
[Bearbeiten] Personenkult
International erregte Nyýazow vor allem durch einen Personenkult gigantischen Ausmaßes Aufsehen. Nach ihm benannt wurden die Stadt Türkmenbaşy, Schulen, Flughäfen und ein Meteorit. Bilder des Präsidenten finden sich in zahlreichen Straßen und an Gebäuden. Sein Abbild prangte auf Geldscheinen, auf dem Revers von Beamten und als Senderlogo im Staatsfernsehen. Überall wurden (teilweise goldene) Statuen von ihm, seinem Vater und seiner Mutter aufgestellt. Bekanntestes Beispiel ist die vergoldete Statue Nyýazows auf dem „Neutralitäts-Bogen“ in der Hauptstadt Aşgabat: die Statue dreht sich innerhalb von 24 h einmal um die eigene Achse, um immer der Sonne zugewandt zu sein. Weil sich Nyýazow nach einer Herzoperation das Rauchen abgewöhnte, ist das Rauchen in der turkmenischen Öffentlichkeit verboten. Selbst die Monate und die Wochentage wurden von Nyýazow umbenannt. Der Monat Januar wurde ihm zu Ehren in „Türkmenbaşy“ umbenannt, der April nach dem Namen seiner Mutter.
Ein weiterer seiner Ehrentitel lautete „Diamantenkranz des Volkes“.
Beißender Spott über Türkmenbaşy findet sich in der Rolle des Präsidenten in der Farce Ostriw pana Moreno des ukrainischen Schriftstellers Olexander Bejderman.
[Bearbeiten] Werke
Nyýazow hat mehrere Bücher geschrieben, die für alle Bewohner Turkmenistans Pflichtlektüre sind. Sein erstes Buch, die Ruhnama, handelt von Liebe, Moral und Eintracht unter Nachbarn und enthält außerdem Nyýazows persönliche Variante der Geschichte Turkmenistans. Weitere Bücher Nyýazows sind Es segne das Turkmenenvolk, Die fünf Jahrhunderte der turkmenischen Geistlichkeit sowie ein zweiter Band der Ruhnama.
[Bearbeiten] Neue Namen der Monate und Wochentage
Die von Nyýazow eingeführten Monatsnamen nehmen alle Bezug auf den Präsidenten, Nationalhelden oder wichtige Ereignisse.
Monat | Neuer Name | Bedeutung |
---|---|---|
Januar | Türkmenbaşy | benannt zu Ehren des Türkmenbaşy, zudem ist der Monat der Beginn (turkmen. baş) des Jahres |
Februar | Baýdak | benannt zu Ehren der Flagge Turkmenistans, denn in diesem Monat wurde sie für das unabhängige Turkmenistan geschaffen |
März | Nowruz | benannt nach dem gleichnamigen Neujahrsfest (siehe Nouruz), das im März gefeiert wird |
April | Gurbansoltan-eje | benannt zu Ehren der Mutter Nyýazows, denn der Monat in dem alles wächst und blüht, soll den Müttern gewidmet sein |
Mai | Machtum-Kuli | benannt zu Ehren des turkmenischen Nationalschriftstellers, der am 18. und 19. des Monats geehrt wird |
Juni | Oguz-Khan | der Überlieferung nach stammen alle Turkmenen von dem legendären Oguz-Khan ab |
Juli | Gorkut | Gorkut gilt neben Oguz-Khan als zweite große historische Figur bei den Turkmenen |
August | Alp Arslan | Alp Arslan gilt als turkmenischer Nationalheld, er bezwang im August 1071 in der Schlacht von Manzikert die Byzantiner und führte die turkmenische Sprache ein |
September | Ruhnama | benannt zu Ehren des Buches von Nyýazow, das am 19. September 2001 fertiggestellt wurde |
Oktober | Garaşsyzlyk | benannt zu Ehren der Unabhängigkeit (turkmen. Garaşsyzlyk), welche Turkmenistan am 27. Oktober 1991 erlangte |
November | Sultan Sandschar | Sultan Sandschar setzte das Wirken Alp Arslans fort, unter ihm erlebte das Seldschukenreich seine letzte Blütezeit |
Dezember | Bitarap | benannt zu Ehren der Neutralität (turkmen. Bitarap), die am 12. Dezember 1995 vor der UN-Generalversammlung verkündet wurde |
Die Wochentage setzen sich aus dem Wort Gün (dt. „Tag“) und dem Wort mit der jeweiligen Bedeutung zusammen. Unverändert blieb der Freitag.
Wochentag | Neuer Name | Bedeutung |
---|---|---|
Montag | Baş Gün | der Tag des Beginns, Beginn der Woche |
Dienstag | Ýaş Gün | der junge Tag |
Mittwoch | Hoş Gün | der gute Tag |
Donnerstag | Sogap Gün | der gesegnete Tag |
Freitag | beibehalten | das turkmenische Wort für Freitag (Anna) wurde nicht geändert |
Samstag | Ruh Gün | der Tag des Geistes, an diesem Tag soll die Ruhnama gelesen werden |
Sonntag | Dynç Gün | der Tag der Erholung |
[Bearbeiten] Menschenrechtsverletzungen
Turkmenistan ist unter Nyýazows Regime zu einem Land geworden, in dem Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind. Religionsfreiheit gibt es nur in einem sehr beschränkten Maße. Der sunnitische Islam ist Staatsreligion, und nach einem im Oktober 2003 erlassenen Religionsgesetz ist die Arbeit baptistischer, lutherischer und pfingstlerischer Kirchen, jüdischer Gemeinden und schiitischer Muslime in Turkmenistan verboten. Die russischstämmige Bevölkerung wurde 2003 aufgefordert, entweder das Land zu verlassen oder sich als turkmenische Staatsbürger zu registrieren. Dissidenten werden gefoltert oder in psychiatrische Anstalten eingewiesen. Unbequeme oder nur verdächtigte Bürger werden systematisch bespitzelt, verprügelt, willkürlich verhaftet, ermordet oder man lässt sie „verschwinden“. Besonders nach einem angeblichen (vermutlich jedoch inszenierten) Attentat auf Nyýazow am 25. November 2002 kam es zu massiven Verfolgungen der Opposition.
Seit dem Jahreswechsel 2005/06 hat Nyýazow das Rentensystem weitgehend abgeschafft. Männer müssen seitdem mindestens 30, Frauen mindestens 25 Jahre in Turkmenistan berufstätig gewesen sein, um Rentenansprüche zu erwerben. Bisherige Rentner, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, müssen alle bisher erhaltenen Rentenzahlungen an den Staat erstatten. Menschen mit erwachsenen Kindern, Schwerbehinderte sowie ehemalige Kolchosbauern haben keinerlei Rentenansprüche mehr. Auch für sie gilt die Pflicht zur Erstattung bisher „unrechtmäßig“ erhaltener Zahlungen. Das soziale Ausmaß dieser Reform wird deutlich, wenn man bedenkt, dass viele der bisher relativ gut gestellten Rentner mit ihrer umgerechnet bis zu 70 Euro hohen Monatsrente aufgrund der in Turkmenistan herrschenden Massenarbeitslosigkeit ihre gesamte Familie ernährten. Ebenso hat der Präsident die Krankenversorgung erheblich eingeschränkt, sei es durch Schließung von Krankenhäusern, sei es durch Ersetzen von ausgebildeten Fachkräften durch linientreues Personal und Armeeangehörige.
Nachdem Nyýazow bereits Kinos, Oper, Ballett und Zirkus verbieten ließ, wurden im April 2005 alle öffentlichen Bibliotheken geschlossen. Bücher sind seitdem nur noch in Universitäten zugänglich, wo allerdings keine Lernfreiheit besteht. Wer Fächer studiert, die nicht genehm sind, wird zum Fächerwechsel gezwungen (z. B. von Englisch zu Russisch). Gleiches gilt wenn die Familie im Visier des Geheimdienstes ist. Freie Internetzugänge existieren nicht.
[Bearbeiten] Umstrittene Auslandskonten
Wie die britische Nichtregierungsorganisation Global Witness[4] meldet, könnten sich auf Konten der Deutschen Bank Beträge von zwei bis drei Milliarden US-Dollar befinden, die der persönlichen Kontrolle Nyýazows unterlagen. Global Witness forderte die Bank zur Offenlegung der Einlagen des verstorbenen Diktators auf und erklärte weiterhin, das Geld stamme möglicherweise aus illegalen Transaktionen. Zudem sollten die Beträge der Bevölkerung Turkmenistans zugute kommen. Das Frankfurter Geldhaus wies die Forderung der britischen Aktivisten mit Verweis auf das Bankgeheimnis zurück.[5]
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Saparmyrat Nyýazow im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- turkmenbashi.org – Website der turkmenischen Botschaft in den USA (englisch)
- Biografie Nyýazows, eyho.8m.net (turkmenisch)
- Kurzbiographie
- „Turkmenistan: Religious freedom survey“, Forum 18 News Service, 7. April 2004
- Oh, du mein Turkmenbaschi − Führerkult in Turkmenistan (Reportage des Schweizer Fernsehens vom September 2005)
- „Diktator, Dichter und Prophet: Wie Turkmenbashi vom Westen hofiert wird“, titel thesen temperamente (ttt), 12. November 2006
- Von World Press Photo Award ausgezeichnete Photoreportage von Nicolas Righetti über Nyýazow
- Überblick über Wahlsystem, Wahlen und Ämter in Turkmenistan auf der Website der Humboldt-Universität
- Nachrufe
- „Saparmurat Niyazov, Turkmen Leader, Dies at 66“, New York Times, 21. Dezember 2006
- „Turkmeniens Diktator Nijasow stirbt an Herzversagen“, Russland-Aktuell, 21. Dezember 2006 (mit links zu weiteren Artikeln)
[Bearbeiten] Fußnoten
- ↑ Überblick über Wahlsystem, Wahlen und Ämter in Turkmenistan
- ↑ Informationen auf der Website der turkmenischen Botschaft in Washington, D. C., [1], Website turkmenistaninfo.ru: Turkmen nation will never disappear[2], beide zuletzt überprüft am 23. Dezember 2006
- ↑ http://www.commersant.com/p620638/Turkmenbashi_Votes_Against_Himself/
- ↑ www.globalwitness.org
- ↑ Hannes Koch: Nijasows Geld liegt in Frankfurt in: die tageszeitung, 22.12.2006, [3]
Personendaten | |
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NAME | Nyýazow, Saparmyrat |
ALTERNATIVNAMEN | Nyýazow, Saparmyrat Ataýewiç |
KURZBESCHREIBUNG | Staats- und Regierungschef von Turkmenistan |
GEBURTSDATUM | 19. Februar 1940 |
GEBURTSORT | Aşgabat, Turkmenistan |
STERBEDATUM | 21. Dezember 2006 |
STERBEORT | Aşgabat, Turkmenistan |