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Anti-Atomkraft-Bewegung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Symbol der internationalen Anti-Atomkraft-Bewegung
Symbol der internationalen Anti-Atomkraft-Bewegung
Anti-AKW-Demonstration auf dem Bonner Hofgarten am 14. Oktober 1979
Anti-AKW-Demonstration auf dem Bonner Hofgarten am 14. Oktober 1979

Die Anti-Atomkraft-Bewegung (auch Anti-AKW-Bewegung, Anti-Atom-Bewegung) ist eine internationale Bürgerbewegung und gehört als solche zu den neuen sozialen Bewegungen des 20. Jahrhunderts. Sie thematisiert die Gefahren, die ihrer Meinung nach nicht nur von der militärischen (Atombombe), sondern auch von der friedlichen Nutzung der Kernenergie (auch: Atomkraft) zur Energieerzeugung in Kernkraftwerken ausgeht.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Ziele und Organisationsform

Plakat gegen Castortransporte
Plakat gegen Castortransporte

[Bearbeiten] Ziele

Der Konsens der Anti-Atomkraft-Bewegung ist die Forderung nach sofortiger und bedingungsloser Stilllegung aller Atomanlagen. Nach Meinung der Atomkraftgegner sind die Risiken bei der Nutzung der Atomkraft nicht verantwortbar. In erster Linie werden Gefahren bei Unfällen und nicht gelöste Probleme bei der Entsorgung von ausgebrannten Brennstäben (Atommüll) gesehen. Viele Atomkraftgegner sehen auch Gefahren im „Normalbetrieb“ von Atomkraftwerken und im Uranabbau, welcher das zur Herstellung von Brennstäben nötige Uran liefert. Die Anti-Atomkraft-Bewegung wurde in den 1970er bis Mitte der 1980er Jahre zur stärksten Bürgerrechtsbewegung in der Bundesrepublik Deutschland. Nicht zuletzt ihr Einsatz führte schließlich zu Gesetzen über einen allmählichen Ausstieg aus der Kernenergie. Gründung und Wahlerfolge der Partei Die Grünen gehen europaweit, insbesondere aber in Deutschland, u.a. auf die Verwurzelung ihrer Mitglieder und Wähler in der Anti-Atomkraft-Bewegung zurück.

[Bearbeiten] Organisationsform

In der Anti-Atomkraft-Bewegung organisieren sich in der Regel unabhängige Gruppen, die sich gegen Atomprogramme einsetzten. Diese Gruppen sind streng basisdemokratisch organisiert. Die Bewegung hat keinen organisatorischen Überbau. Grundsatzentscheidungen und gemeinsame Aktionen wie Castorblockaden werden auf den regelmäßigen bundesweiten Anti-Atom-Konferenzen diskutiert und beschlossen. Hierzu entsenden die Basisgruppen Delegierte. Entscheidungen werden grundsätzlich im Konsens getroffen. Anti-Atomkraft-Gruppen sind oftmals auch anderweitig politisch organisiert. Eine Trennung zwischen der ökologischen Diskussion und einer grundsätzlichen linken, basisdemokratischen oder anarchistischen Haltung findet dabei meistens nicht statt. Hier liegt eines der Probleme der Bewegung, die es damit oft nicht schafft, ihre ökologischen Ideen einer eher konservativ eingestellten politischen Klientel näherzubringen.

Ein Teil der Atomkraftgegner akzeptiert die strafbare Sachbeschädigung (z. B. an Bahnanlagen oder Castor-Transportstraßen) und sieht sie nicht als Gewalt an, solange dadurch keine Menschen gefährdet werden.

[Bearbeiten] Geschichte

AKW-Gegner bei einer Demonstration 1980 in Saarbrücken
AKW-Gegner bei einer Demonstration 1980 in Saarbrücken

In den 1960er Jahren war die Forschung zur friedlichen Nutzung der Kernenergie gesellschaftlich weitgehend akzeptiert; Kernkraftwerke wurden in Deutschland wie weltweit als sichere, wirtschaftliche und umweltfreundliche Möglichkeiten zur Bewältigung des Energieproblems angesehen. Im Anschluss an die Ölkrise 1973 plante die deutsche Bundesregierung einen schnellen Ausbau der Kernenergie, um den erwarteten Energiebedarf zu sichern.

Zu ersten großen Protestaktionen in Deutschland kam es ab 1975 auf dem Bauplatz des geplanten Atomkraftwerks in der badischen Gemeinde Wyhl. Der Bauplatz wurde am 18. Februar 1975, dem Tag nach Beginn der Bauarbeiten, von Atomkraftgegnern besetzt, aber wenige Tage später von der Polizei zunächst wieder geräumt. Nach einer Kundgebung am 23. Februar kam es zu einer zweiten Besetzung des Bauplatzes, die über acht Monate andauern sollte. Der Bau des Kernkraftwerks Wyhl wurde durch die Aktionen und die nachfolgenden Gerichtsverhandlungen schließlich verhindert. Die Aktion wurde zum Vorbild für Proteste gegen weitere Atomanlagen; prominenteste Beispiele sind der Widerstand gegen den Bau des Kernkraftwerks Brokdorf ab 1976, den „Schnellen Brüter" in Kalkar 1977 und gegen den Bau der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf ab 1985. Während in Brokdorf nach zeitweise bürgerkriegsähnlichen gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen mehreren tausend Demonstranten und der Polizei das Kernkraftwerk schließlich gebaut wurde (Netzbetrieb ab 1986), war der Bau der Wiederaufbereitungsanlage nach Großdemonstrationen mit mehr als 100.000 Teilnehmern politisch nicht mehr durchzusetzen.

Nach dem Wahlerfolg der rot-grünen Koalition auf Bundesebene in Deutschland kam es zu Verhandlungen der Regierung mit der Atomindustrie mit dem Ziel, den allmählichen Ausstieg aus der Kernkraftnutzung politisch herbei zu führen („Atomkonsens“). Für die Anti-Atomkraft-Bewegung bedeutete dies zunächst, dass sie als Bürgerbewegung an Kraft verlor. Eine Renaissance erlebte die Bewegung seit Mitte der 1990er Jahre im Widerstand gegen die Rückführung von Brennelementen aus der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague ins Zwischenlager Gorleben, den Atommülltransporten mit den Castor-Transportbehältern.

In Österreich kulminierte 1978 der Widerstand der Anti-Atomkraft-Bewegung gegen kerntechnische Anlagen in einem knapp erfolgreichen Volksentscheid gegen die Inbetriebnahme des bereits fertig gestellten Kernkraftwerks Zwentendorf. Der Volksentscheid führte über verschiedene gesetzgeberische Initiativen schließlich 1999 zur Verabschiedung des Bundesverfassungsgesetzes für ein atomfreies Österreich, demnach die Nutzung der Kernkraft zur Energiegewinnung in Österreich untersagt ist.

Zur Akzeptanz der Bewegung trugen öffentlich diskutierte Störfälle in kerntechnischen Anlagen (vgl. dazu die Liste von Unfällen in kerntechnischen Anlagen), insbesondere die schweren Unfälle in Kernkraftwerken in den USA 1979 (im Kernkraftwerk Three Mile Island) und in der damaligen Sowjetunion 1986 (sogenannte „Katastrophe von Tschernobyl“ im Kernkraftwerk Tschernobyl) maßgeblich bei.

[Bearbeiten] Symbole und Slogans

Gorleben-Stein vor dem Pavillon in Hannover, aufgestellt 1979 beim Gorleben-Treck der "100.000" in die Landeshauptstadt
Gorleben-Stein vor dem Pavillon in Hannover, aufgestellt 1979 beim Gorleben-Treck der "100.000" in die Landeshauptstadt
Plakat gegen Castortransporte mit Aufforderung zur Schienensabotage
Plakat gegen Castortransporte mit Aufforderung zur Schienensabotage

Das Symbol der Anti-Atomkraft-Bewegung ist eine lachende, traditionell rote Sonne, meist auf gelbem Grund. Es gibt verschiedene Variationen, beispielsweise mit kämpferisch erhobener Faust. Häufig ist die Sonne mit dem Slogan "Atomkraft? Nein Danke!" verbunden. Dieses Symbol hat seine Wurzeln in der dänischen Anti-Atomkraft-Bewegung der 1970er Jahre und hat sich weltweit durchgesetzt.

Das Symbol des Widerstands gegen Castor-Transporte ist ein (meist gelbes) X. Dieses Symbol ist jünger. Es hat seinen Ursprung in der deutschen Anti-Atomkraft-Bewegung.

Das Wappen der Republik Freies Wendland zeigt eine achtstrahlige orange Sonne auf dunkelgrünem Grund.

[Bearbeiten] Protestformen

Die Protestformen der Anti-Atomkraft-Bewegung sind sehr unterschiedlich. Innerhalb der Bewegung gibt es einen Konsens, der besagt, dass Aktionen keine Menschen gefährden und keine unverhältnismäßigen Umweltschäden anrichten dürfen.

  • Demonstrationen und Infotische. Viele Atomkraftgegner betreuen Infotische und organisieren Demonstrationen. Diese werden jedoch von der Presse und Öffentlichkeit kaum mehr beachtet, wenn sie nicht ziemlich groß sind.
  • Bauplatzbesetzungen spielten sehr lange eine große Bedeutung und führten in der Folge zu massiven Auseinandersetzungen, in deren Verlauf (Brokdorf, Grohnde; Kalkar) zahlreiche Atomkraftgegner kriminalisiert wurden.
  • Stromwechsel. In Deutschland kann inzwischen fast jeder Kunde seinen Stromanbieter selbst auswählen. Durch Wechsel zu einem Anbieter, der seinen Strom nicht aus Atomkraftwerken bezieht, kann ohne großen Aufwand gegen diese Energieform protestiert werden. [1]
  • Blockaden. Häufig werden Atomtransporte oder Atomanlagen blockiert. Dabei kommt es zu großen Sitzblockaden mit mehreren tausend Personen, die sich auf das Prinzip der Gewaltfreiheit berufen, aber auch kleinere Ankettaktionen (zum Beispiel von ROBIN WOOD). Diese Form des Protestes wird von den Aktivisten als Ziviler Ungehorsam bezeichnet. In Deutschland hat das Mutlangenurteil hier hohe Bedeutung, welches bei einer Sitzblockade feststellte, dass sie keine Nötigung (und damit keine Straftat) war, sondern eine Ordnungswidrigkeit darstellt. In Österreich gab es etwa wegen des Atomkraftwerkes Temelín Grenzblockaden gegenüber Tschechien. Kritiker sehen solche Maßnahmen als nationalistisch an. Außerdem sind Blockaden der Schienen eine potentielle Gefährdung der Transporte und damit der Bevölkerung, sodass sie von einigen Kritikern als unverantwortlich verurteilt werden. Positionen, die Blockaden gegenüber einem "autonomen" Staat als nicht gerechtfertigt ansehen, werden in der Anti-Atomkraft-Bewegung nicht geteilt. In Frankreich kam es im November 2004 bei einer Blockadeaktion zu einem tödlichen Unfall. Einem Aktivisten wurde von dem durchfahrenden Transportzug ein Bein abgetrennt. Der 21-Jährige Sébastien Briat erlag wenig später seinen Verletzungen.
  • Sabotage. Vereinzelt kommt es auch zu Sabotage, beispielsweise von Gleis- oder Signalanlagen der Bahn. Auch die Beschädigung von Oberleitungen durch Hakenkrallen zählte zu dieser Art des Protestes. Nachdem dabei ein Lokführer leicht verletzt wurde, hat diese kriminelle Aktionsform allerdings an Bedeutung verloren.
Plakat: Das frische an Bayern
Plakat: Das frische an Bayern

[Bearbeiten] Bekannte Atomkraftgegner

[Bearbeiten] Organisationen

  • GLOBAL 2000 kämpft seit über 20 Jahren gegen Atomenergie. Jüngster Meilenstein: Im Gedenkjahr "20 Jahre Tschernobyl" 2006 startet GLOBAL 2000 mit über 150 Organisationen Petition "1 Million EuropäerInnen gegen Atomkraft".
  • Greenpeace hat sich 1971 gegründet, um gegen Atombombentests zu protestieren.
  • IPPNW; Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung, haben 1985 für ihr Engagement den Friedensnobelpreis erhalten.
  • ROBIN WOOD; vier Aktivisten von Robin Wood haben sich 2003 ins Gleisbett betoniert; der Atommüll-Transportzug nach Gorleben musste erstmals zurück fahren.

[Bearbeiten] Quellen

  1. http://stromwechsel-jetzt.de

[Bearbeiten] Literatur

  • Thomas Oelschläger, Kerstin Enning, Bernd Drücke (Hg.): Ahaus. Das Buch zum Castor, Verlag Klemm & Oelschläger, Ulm 1999, ISBN 3-932577-16-7
  • ...und auch nicht anderswo! Die Geschichte der Anti-AKW-Bewegung. Verlag Die Werkstatt, 1997, ISBN 3-89533-186-4
  • J.P. Simon: Das Kraftwerk (Roman), Novum-Verlag 2006, ISBN 3902514000

[Bearbeiten] Weblinks

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