Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens | |
---|---|
Basisdaten | |
Verwaltungszentrum: | Eupen |
Fläche: | 854 km² |
Einwohner: | 72.521 Einw. (1. Januar 2005) |
Bevölkerungsdichte: | 84,9 Einw./km² |
Feiertag: | 15. November |
Website: | www.dglive.be |
Karte | |
Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens (DG) ist mit rund 73.000 Einwohnern, mehrheitlich deutsch sprechender Staatsbürger, die kleinste der drei Gemeinschaften in Belgien. Die (Kultur-) Gemeinschaften entstanden 1983 im Zuge der Föderalisierung des zuvor zentral regierten Staates. Seitdem bezeichnet man in der Föderalismusforschung die DG als sogenannten Kleingliedstaat.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geographische Lage
Das Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft grenzt im Norden an das Dreiländereck B-D-NL, im Osten an die Bundesrepublik Deutschland und im Süden an das Großherzogtum Luxemburg.
Innerhalb Belgiens übt die Deutschsprachige Gemeinschaft ihre Kompetenzen auf dem sogenannten „deutschen Sprachgebiet“ aus. Das deutsche Sprachgebiet besteht aus den folgenden neun Gemeinden:
|
Die Gemeinden Malmedy und Weismes (frz. „Waimes“) gehören zur Französischen Gemeinschaft und fallen dementsprechend nicht ins Hoheitsgebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Gelegentlich werden die neun deutschsprachigen Gemeinden und die beiden Gemeinden Malmedy und Weismes auf Grund der gemeinsamen Vergangenheit jedoch als „Ostbelgien“, „Ostkantone“, „Eupen–Malmedy–St.-Vith“ oder als „Eupen–Malmedy“ bezeichnet.
Das Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft befindet sich ebenfalls vollständig in der Provinz Lüttich und in der Wallonischen Region. Innerhalb der Europäischen Union gehört die DG sowohl der „Euregio-Maas-Rhein“-Region an als auch der Großregion Luxemburg, Wallonien, Rheinland-Pfalz, Saarland, Lothringen an.
[Bearbeiten] Bevölkerung
[Bearbeiten] Demographie
Am 1. Januar 2005 zählt die Deutschsprachige Gemeinschaft genau 72.521 Einwohner (84,9 Einw./km²). 60 % der Bevölkerung leben im Kanton Eupen (Norden), 40 % im Kanton St. Vith (Süden). Allerdings ist die Bevölkerungsdichte im Kanton Eupen und im Kanton St. Vith sehr unterschiedlich:
- Kanton Eupen: 190,4 Einw./km²
- Kanton St. Vith: 46,3 Einw./km²
Von den etwa 72.500 Einwohnern sind 18,4 % ausländischer (überwiegend deutscher) Herkunft. 89 % der Ausländer leben im Kanton Eupen.
In der Deutschsprachigen Gemeinschaft gibt es etwa 21.000 Berufstätige. Die Arbeitslosenrate ist mit 8,3 % die niedrigste in ganz Belgien. [1]
[Bearbeiten] Sprache
Die Einwohner verwenden weitgehend die hochdeutsche Standardsprache in den Verwaltungen, Schulen, im Kirchenleben und in den Sozialbeziehungen. Daneben werden auch verschiedene Dialekte gesprochen:
- Kanton Eupen: Niederfränkisch und Rheinfränkisch
- Kanton St. Vith: Moselfränkisch und Rheinfränkisch
Die wichtigste Bevölkerungsminderheit, vorwiegend in den nördlichen Gemeinden Kelmis, Lontzen und Eupen, spricht Französisch.
[Bearbeiten] Religion
In der Deutschsprachigen Gemeinschaft ist die Bevölkerung weitgehend römisch-katholisch (3 Dekanate mit 32 Pfarreien, die zum Bistum Lüttich gehören). Daneben besteht eine kleine protestantische Gemeinde.
[Bearbeiten] Geschichte (Überblick)
Das Gebiet gehörte bis ins 12. Jahrhundert zum Herzogtum Limburg, fiel nach der Schlacht von Worringen an Brabant. Im 15. Jahrhundert fiel es durch Heirat an die Herzöge von Burgund, dann an die spanischen und 1713, nach dem Frieden von Utrecht, an die österreichischen Habsburger. Von 1794 bis 1815 gehörte es zum französischen Département Ourthe. Nach dem Wiener Kongress 1815 gehörte es zum Königreich Preußen, und Deutsch wurde zur Amtssprache. Im Zuge der Reichsgründung 1871 wurde das Gebiet als Teil Preußens auch Teil des Deutschen Kaiserreichs. Nach dem Versailler Vertrag wurden die „Kreise Eupen-Malmedy“ 1920 als Ostkantone an Belgien abgetreten und bis 1925 durch den General Herman Baltia kommissarisch verwaltet.
Dann wurde in Eupen und Malmedy eine Volksabstimmung durchgeführt, in der es um die Frage ging, ob die Region permanent von Deutschland abgetrennt werden und zu Belgien gehören sollte.
Allerdings war diese Abstimmung nicht geheim, vielmehr wurden Name und Anschrift jedes Wählers erhoben. Während Malmedy als hauptsächlich französischsprachige Region wohl in jedem Fall für die Zugehörigkeit zu Belgien gestimmt hätte, kann für Eupen davon ausgegangen werden, dass das Ergebnis der Abstimmung massiv durch die Furcht vor Ausweisung oder anderen Repressalien seitens der Baltia-Verwaltung beeinflusst wurde.
In der Folge wurden Eupen, Malmedy und Sankt Vith am 6. März 1925 von Belgien annektiert. Ende der 1920er Jahre war Belgien bereit, das Gebiet an Deutschland zurückzuverkaufen, was jedoch auf den Widerstand Frankreichs stieß. Die Gespräche wurden daraufhin abgebrochen.
Nach dem deutschen Überfall auf Belgien war das Gebiet während des Zweiten Weltkrieges von 1940 bis 1944 vorübergehend wieder dem Deutschen Reich eingegliedert.
Im September 1944 zogen die amerikanischen Truppen ein.
Als Folge der Sprachgesetzgebung von 1963 wurde Belgien in drei Sprachgemeinschaften aufgeteilt; dies wurden 1970 umgesetzt und somit konnte der Rat der deutschen Kulturgemeinschaft (RdK) als direkter Vorläufer des Rates der Deutschsprachigen Gemeinschaft (RDG), der seit dem Jahr 2004 Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft (PDG) heißt, eingesetzt werden.
[Bearbeiten] Politik und Institutionen
[Bearbeiten] Kompetenzen
Zum einen besitzt die Deutschsprachige Gemeinschaft die Befugnis für die kulturellen Angelegenheiten, die personenbezogenen Angelegenheiten, das Unterrichtswesen, die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinschaften und die internationale Zusammenarbeit in den erwähnten Angelegenheiten sowie die Regulierung des Gebrauches der Sprachen für den Unterricht in den von den öffentlichen Behörden geschaffenen, bezuschußten oder anerkannten Einrichtungen. [2]
Zum anderen steht ihr die Möglichkeit zu, gewisse Kompetenzen der Wallonischen Region selbst auf ihrem Gebiet auszuüben. Aus diesem Grunde ist die Deutschsprachige Gemeinschaft ebenfalls kompetent für den Denkmal- und Landschaftsschutz (1994), die Beschäftigungspolitik (2000) und die Gemeindeaufsicht und -finanzierung (2005). [3]
[Bearbeiten] Legislative Gewalt
Die legislative Gewalt bildet das Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft, welches sich aus 25 Vertretern zusammensetzt, die für fünf Jahre direkt von der Bevölkerung gewählt werden. [4] Für die Legislaturperiode 2004-2009 sieht die Besetzung des Parlamentes wie folgt aus:
- Christlich-Soziale Partei (CSP): 8 Sitze
- Partei für Freiheit und Fortschritt (PFF): 5 Sitze
- Sozialistische Partei (SP): 5 Sitze
- Partei der deutschsprachigen Belgier und Juropa (PJU-PDB): 3 Sitze
- Die Grünen (ECOLO): 2 Sitze
- Vivant: 2 Sitze
Das PDG bestimmt einen Gemeinschaftssenator, der auf föderaler Ebene im Senat die Deutschsprachige Gemeinschaft vertritt. [5] Dieses Amt wird zur Zeit von Berni Collas (PFF) wahrgenommen. Die legislativen Texte werden Dekrete genannt. Der Präsident des Parlamentes ist Louis Siquet (PS).
Die 25 Vertreter, die eine entscheidende Stimme besitzen, werden von den Gewählten anderer Entscheidungsebenen (zur Zeit ein Gemeinschaftssenator, ein Vertreter des Europäischen Parlamentes, drei Regionalabgeordnete und sechs Provinzabgeordnete) mit beratender Stimme begleitet.
[Bearbeiten] Exekutive Gewalt
Die exekutive Gewalt wird durch die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft ausgeübt. Gegenwärtig besteht sie aus einer Dreiparteien-Koalition (PFF, SP und PJU-PDB). Die Regierung stellt vier Minister:
- Karl-Heinz Lambertz (SP): Ministerpräsident, Finanzen, lokale Behörden (Gemeindeaufsicht) und Außenbeziehungen.
- Bernd Gentges (PFF): Soziales und Beschäftigung.
- Oliver Paasch (PJU-PDB): Unterricht
- Isabelle Weykmans (PFF): Kultur, Jugend und Medien.
[Bearbeiten] Wirtschaft und Tourismus
[Bearbeiten] Norden
Der Norden bietet mehrere Industrieschwerpunkte, erleichtert durch den Anschluss an das belgische Eisenbahnnetz und die nahe Verbindung zur E40: Kabelwerk Eupen, kunststoffverarbeitende Betriebe, Herstellung von Trockenfilzen für die Papierindustrie, Schokoladenherstellung, Präzisionsmechanische Betriebe, Aluminiumverarbeitung, Steingruben, Speditionsunternehmen etc.
Touristische Sehenswürdigkeiten sind die Gebäude aus der Hand des Meisterarchitekten Johann Josef Couven und die Wesertalsperre in Eupen, das Töpfereimuseum in Raeren, der ehemalige Esperantostaat Neutral-Moresnet und seine Galmeiminen in Kelmis etc.
[Bearbeiten] Süden
Im Süden ist die Wirtschaft durch das nahe liegende Hohe Venn vor allem durch die Forst- und Landwirtschaft und diversen Sägereiunternehmen geprägt. Der Tourismus ist ebenfalls ein Wirtschaftspfeiler in den Eifelgemeinden
Touristischen Ziele des Südens sind vor allem der Naturpark Hohes Venn-Eifel, die mittelalterliche Burg Reuland, die Bütgenbacher Talsperre mitsamt Sportinfrastruktur „Worriken“ und das Europadenkmal am Dreiländerpunkt.
[Bearbeiten] Kultur
In den deutschsprachigen Gemeinden wird ebenfalls rheinländischer Karneval gefeiert, wobei dieser sich stark am Aachener und vor allem Kölner Karneval orientiert.
In Ostbelgien gibt es eine im Verhältnis zur Einwohnerzahl beachtliche Zahl deutschsprachiger Medien:
- die Tageszeitung Grenz-Echo samt einem Buchverlag.
- den öffentlich-rechtlichen Belgischen Rundfunk (BRF) mit zwei Radioprogrammen (BRF1 und BRF2) und einem Fernsehsender (KA 3).
- ein offener Kanal (Bürgerfernsehen).
- ein deutschsprachiges Radioprogramm des größten belgischen Privatsenders: Radio Contact.
- ein Schlager- und volksmusikorientiertes Programm: Radio Sunshine.
- sowie auf die benachbarte Aachener Region ausgerichtete Sender, die aus Lizenzgründen auf belgischem Gebiet stehen (vor allem 100'5 Das Hitradio und Radio Fantasy).
[Bearbeiten] Literatur
- Carlo Lejeune, Andreas Fickers, Freddy Cremer: Spuren in die Zukunft. Anmerkungen zu einem bewegten Jahrhundert, Lexis-Verlag, Büllingen 2001, ISBN 90-806682-1-4
- Frank Berge, Alexander Grasse: Belgien – Zerfall oder föderales Zukunftsmodell? – Der flämisch-wallonische Konflikt und die Deutschsprachige Gemeinschaft, Regionalisierung in Europa Band 3, Leske und Budrich, Opladen 2003, ISBN 3-8100-3486-X
- Hubert Jenniges: Hinter ostbelgischen Kulissen. Stationen auf dem Weg zur Autonomie des deutschen Sprachgebiets in Belgien (1968–1972), Grenz-Echo Verlag, Eupen 2001, ISBN 90-5433-148-8
- Kathrin Stangherlin (ed.): La Communauté germanophone de Belgique - Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens, Coll. Projucit, Bruges, La Charte, 2005, ISBN 2-87403-137-2
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ ABEO: Sozial- und Wirtschaftsstatistiken für die Ostkantone und die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens
- ↑ Die belgische Verfassung, Art. 127
- ↑ Die belgische Verfassung, Art. 139
- ↑ Art. 8 ff des Gesetzes vom 31. Dezember 1983 über institutionelle Reformen für die Deutschsprachige Gemeinschaft (B.S. 18. Januar 1984)
- ↑ Die belgische Verfassung, Art. 67, §1, 5°
[Bearbeiten] Weblinks
- Die offizielle Webpräsenz der Deutschsprachigen Gemeinschaft
- Das Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft
- Die Stellung und Rolle der deutschsprachigen Minderheit in Ostbelgien
- Medienportal Netecho (Regionalzeitung Grenz-Echo)
- Der Belgische Rundfunk (BRF) - deutschsprachiges Radio und Fernsehen
- Die offizielle Webseite der katholischen Regionalkirche der DG
- Deutschsprachige Tageszeitung Ostbelgiens
- Go-East.be hat Zukunft! - Das ostbelgische Business-Webportal - Eine Initiative ostbelgischer Unternehmer
Deutschsprachige Gemeinschaft | Flämische Gemeinschaft | Französische Gemeinschaft