Luftbetankung
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Luftbetankung, im Englischen Air-to-Air Refueling (AAR), bezeichnet die Übergabe von Treibstoff von einem Flugzeug zu einem anderen während des Fluges. Dies erlaubt dem betankten Flugzeug, länger in der Luft zu bleiben und mehr Nutzlast zu tragen. Üblicherweise ist das Flugzeug, das den Treibstoff zur Verfügung stellt, ein speziell für diese Aufgabe entwickeltes Tankflugzeug.
Auch eine Luftbetankung von Hubschraubern ist möglich.
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[Bearbeiten] Geschichte und Entwicklung
Bereits in den Anfängen der Luftfahrt versuchten zwei Luftfahrtpioniere 1912 durch Weitergabe von Benzinkanistern eine Nachbetankung während des Fluges zu ermöglichen. 1917 versuchte eine Marinefliegereinheit in Felixstowe mit einem Schlauchsystem Kraftstoff von einem Flugboot in ein anderes zu pumpen.
Der erste belegte erfolgreiche Versuch fand am 27. Juni 1923 statt. Die Piloten Lowell H. Smith und John P. Richter, beide Angehörige der US-Armee, starten von Rockwell Flugfeld in San Diego mit einer de Havilland D.H.4, in deren Rumpf sie einen Zusatztank und einen trichterförmiger Tankstutzen eingebaut hatten. Eine de Havilland D.H.4B-1, die von den Piloten Virgil Hine und Frank Seifert geflogen wurde, hatte einen zusätzlichen Tank, der 500 Liter fasste. Über eine Falltür ließ die Besatzung dieses Flugzeugs an einem Stahlseil einen metallverstärkten Schlauch mit einem Schnellverschluss ab. Die Besatzung des Empfängerflugzeugs musste sich das Schlauchende greifen, ihn in den Tankstutzen einführen und den Schnellverschluss öffnen. Sobald der Kraftstoff im Tankstutzen hochstieg, mussten sie die Zufuhr unterbrechen.
Am 27. August 1923 gelang es der gleichen Mannschaft das Empfängerflugzeug mit fünf Tankmanövern 37 Stunden und 15 Minuten lang in der Luft zu halten. Die Fliegergruppe der US-Armee beschäftigte sich weiter mit den Möglichkeiten der Luftbetankung. 1928 plante sie einen Dauerflugrekord aufzustellen. Auf dem Stützpunkt Middletown in Pennsylvania wurde die Fokker C-2 mit der Seriennummer 28-120 mit zusätzlichen Rumpftanks und einer Empfängerausrüstung zum Empfängerflugzeug umgebaut. Dazu gehörte ein Cockpit hinter den Tragflächen mit einem großen Trichterstutzen und einer Fangleine zum Auffangen des Tankschlauchs. Die Piloten Ross G. Hoyt und Rudy C. Strickland sowie Odas Moon und Joseph G. Hopkins flogen die Tankflugzeuge RP-1 und RP-2 vom Typ Douglas C-1. Die Abkürzung RP steht für Refuelling Plane. Irvin A. Woodring und Andrew F. Salter flogen als Bordmechaniker mit. Die Empfängermaschine, die den Namen Question Mark trug, hatte Carl Spaatz, Ira C. Eaker, Pete Quesada, Harry Halverson und R. W. Hose als Besatzung.
Am 1. Januar 1929 startete die Question Mark um 7:27 Uhr vom Flughafen in Los Angeles und wurde 8:15 Uhr zum ersten Mal aufgetankt. Trotz schlechter Witterungsbedingungen flog sie ohne Probleme weiter. Die Rendezvous-Manöver in der Nacht erwiesen sich als sehr gefährlich, da die Piloten der US-Army noch nicht für Blindflug trainiert hatten. Aufgrund des schlechten Wetters wurde die Operation nach Imperial Valley verlegt. Nachdem dreiundvierzig Mal Kraftstoff, Nahrungsmittel, Getränke, Öl, Batterien und sogar Post übergeben worden waren, landete die Question Mark, nachdem sie fast 151 Stunden ununterbrochen in der Luft gewesen war, am 07. Januar 1929 um 13:50 Uhr. Die Besatzung erhielt dafür das Flying Cross. Die Tankerbesatzungen bekamen allerdings nur Dankschreiben.
Dieser Rekord hielt nicht lange. 1930 blieben die Gebrüder Hunter 553 Stunden in der Luft. Am 4. Juni 1935 starteten Algene und Fred Key mit einer Curtiss Robin. Sie landeten am 1. Juli 1935. Der Rekord betrug 653 Stunden und 33 Minuten.
Der Brite Alan Cobham beschäftigte sich seit 1930 mit der Luftbetankung. Er nahm Kontakt mit dem amerikanischen Fliegerleutnant Richard Atcherley auf, der ein System entwickelt hatte, bei dem ein beschwertes Kabel vom Tankflugzeug nachgeschleppt und vom Empfängerflugzeug ein Fanghaken abgeschossen wurde. Auf Grundlage dieser patentierten Lösung gründete Cobham 1934 die Flight Refuelling Ltd.
Heutige Tankflugzeuge verwenden spezielle Ausrüstung, um eine sichere Betankung selbst bei den höheren Mindestgeschwindigkeiten moderner Strahlflugzeuge zu ermöglichen.
[Bearbeiten] Luftbetankungs-Systeme
Die zwei grundsätzlichen Herangehensweisen zur Herstellung der Verbindung zwischen den beiden Flugzeugen sind heute das Ausleger-System und das System Sonde und Fangtrichter.
[Bearbeiten] Ausleger-System
Der Ausleger ist ein langes, innerhalb enger Grenzen horizontal und vertikal bewegliches Rohr, das üblicherweise am Heck des Tankflugzeugs angebracht ist (gut zu erkennen auf dem Bild rechts). Er hat üblicherweise ein teleskopierbares Ende, ein Ventil am Ende, um den Treibstofffluss zu regeln, und kleine Flügel, die abhängig vom Design auch als ruddervators (englisches Kunstwort aus „Rudder“ und „Elevator“) bezeichnet werden (im Bild unten als „V“ sichtbar). Mit ihnen kann der Ausleger regelrecht ins Ziel, die Betankungsöffnung des Empfängers, „geflogen“ werden. Diese Betankungsöffnung befindet sich oben auf dem Flugzeug auf seiner Längsachse und entweder hinter oder kurz vor der Pilotenkanzel. Die Betankungsöffnung ist mit den Treibstofftanks verbunden und hat ein Ventil, das den Treibstoff im Tank und Staub und Fremdkörper draußen hält. Das Ende des Auslegers passt in diese Öffnung.
Während einer Betankungsoperation hält das Tankflugzeug Höhe und Geschwindigkeit konstant, und der Treibstoffempfänger nimmt eine Standardposition hinter und unter dem Tankflugzeug ein. Moderne Tanker haben Scheinwerfer, die den Bereich außerhalb dieses Punktes ausleuchten. Der Pilot muss also nachts den dunklen Punkt anfliegen und kann seine Fluglage entsprechend korrigieren, wenn er in den hellen Bereich fliegt. Sobald er in Position ist, fliegt der Pilot mit dem Tanker in Formation (dies kann durch Turbulenzen erschwert werden). Das Besatzungsmitglied, das den Ausleger (i. engl. „Boom“) steuert, der Boomer bzw. Boom Operator (in der USAF meist im Range eines Sergeants), entriegelt dann den Ausleger aus seiner Ruheposition und lenkt ihn auf die Tanköffnung zu, indem er ihn mit den angebrachten Flügeln ins Ziel „fliegt“. Das teleskopierbare Ende wird anschließend hydraulisch ausgefahren, bis das Ende in die Tanköffnung trifft. Im Erfolgsfall wird zwischen Tank- und Empfängerflugzeug ein Stromkreis geschlossen, der die beiden Ventile im Ausleger und dem Tank öffnen lässt, und Pumpen an Bord des Tankflugzeugs pumpen Treibstoff durch den Ausleger und die Tanköffnung in das Empfängerflugzeug (einige Tankflugzeugtypen verwenden möglicherweise reine Schwerkraftbetankung). Sobald beide Flugzeuge verbunden sind, zeigen zusätzliche Lichter dem Piloten, ob er in eine Richtung driftet. Dies wird durch Schalter im Ausleger getriggert. Sobald der Betankungsvorgang abgeschlossen ist, werden die Ventile automatisch geschlossen und der Ausleger wird automatisch zurückgezogen.
[Bearbeiten] Sonde und Fangtrichter
Der Fangtrichter, manchmal auch als Korb bezeichnet, ähnelt einem Badminton-Ball (nur ohne Federn). An seinem schmalen Ende ist ein Ventil und ein flexibler Schlauch angebracht, der ihn mit dem Tankflugzeug verbindet. Er ist auf dem Bild rechts zu erkennen, wo der Flügel der Harrier am Rumpf anschließt. Das Empfängerflugzeug hat eine Sonde, die einen steifen, manchmal zwecks besserer Aerodynamik abklappbaren, Arm an der Seite des Flugzeugs darstellt.
Der Tanker fliegt, wie gehabt, konstant geradeaus, und der Fangtrichter wird hinter und unter dem Flugzeug hergezogen. Der Trichter ist nicht steuerbar wie ein Ausleger, sondern höchstens durch Flugbewegungen des Tankers. Deshalb muss der Pilot des Empfängerflugzeugs seine Sonde direkt in den Korb hineinfliegen. An diesem Punkt wird die Sonde durch den Windzug am Korb ins Ventil gezwungen, welches sich öffnet und das Pumpen von Treibstoff erlaubt. Der Empfänger muss seine Position während des Auftankens halten und ein Auge auf den Schlauch haben, um in einer guten Position zu bleiben. Nach Abschluss des Auftankens bremst er sein Flugzeug stark genug, um die Sonde wieder aus dem Trichter zu befreien.
Einige Ausleger-tragende Tanker haben spezielle Schläuche, die an der Spitze des Auslegers angebracht werden können, um auch Sonden-bestückte Flugzeuge auftanken zu können. Andere sind sowohl mit einem Ausleger als auch mit einem oder mehreren Fangtrichter-Systemen ausgerüstet.
Es gibt auch Hubschrauber welche mit Sonden ausgestattet sind (z.B. MH-53, MH-47, MH-60 und EH-101).
[Bearbeiten] Strategische und taktische Implikationen
[Bearbeiten] Strategischer Gebrauch und Überlegungen
Die frühe Entwicklung der Boeing KC-97 und Boeing KC-135 war durch den Bedarf der USA angeregt worden, Flotten aus strategischen Bombern der Typen Boeing B-47 und Boeing B-52 während des Kalten Krieges in der Luft zu halten, um die Fähigkeit zum Zweitschlag im Falle eines Angriffs aufrecht zu erhalten, oder den Erstschlag gegen die UdSSR führen zu können, wenn dies sich als notwendig erweisen sollte. Die Bomber kreisten über ihren zugewiesenen Positionen, von denen aus sie in den sowjetischen Luftraum eindringen konnten, wenn sie den Befehl dazu erhielten. Die Tanker sorgten dafür, dass die Tanks der Bomber immer gefüllt waren, um eine Staffel 24 Stunden in der Luft zu halten, sodass sie immer noch ihre Ziele in der Sowjetunion erreichen konnte. Ein Erstschlag gegen die Basen der Bomber konnte so einen Rückschlag der U.S. nicht verhindern. Ein berühmtes Beispiel für diese Betankungs-Praxis findet sich im Vorspann des Films Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben (ein fiktionaler Film, aber die Szenen zeigen echte B-52-Betankungsmanöver)
Ein Nebenprodukt dieser Entwicklung und dem Bau großer Stückzahlen von Tankflugzeugen war die Möglichkeit, auch Transportflugzeuge, Kampfjets und Bodenangriffs-Flugzeuge auftanken zu können und sie so zu entfernten Schauplätzen bringen zu können. Dies wurde häufig während des Vietnamkriegs praktiziert, als viele Flugzeuge die transozeanischen Entfernungen nicht ohne Luftbetankung hätten bewältigen können, selbst mit Zwischenlandungen auf Basen in Hawaii und Okinawa. Zusätzlich zum Selbsttransport der Flugzeuge konnten diese natürlich auch Material, Nachschub und Soldaten nach Vietnam bringen, ohne zum Tanken landen zu müssen.
[Bearbeiten] Taktischer Gebrauch und Überlegungen
Die Möglichkeit zum Tanken nach dem Start bringt denjenigen, die über Tankflugzeuge verfügen, zwei wesentliche taktische Vorteile. Offensichtlich ermöglicht es Kampfjets, Angriffsflugzeugen und Bombern, Ziele zu erreichen, die normalerweise außerhalb der Reichweite liegen, und Patrouillen-Flugzeugen, länger in der Luft zu bleiben. Es kommt hinzu, dass das maximale Abfluggewicht eines Flugzeugs generell geringer ist als das maximale Gewicht, mit dem es in der Luft bleiben kann. Dies erlaubt einem Flugzeug, nur mit einer teilweisen Treibstoffzuladung zu starten und dafür mehr Nutzlast zu tragen. Nachdem es Einsatzhöhe erreicht hat, können die Tanks von einem Tanker aufgefüllt werden, und das Flugzeug erreicht sein maximales Fluggewicht.
Siehe auch: Vietnamkrieg, Falkland-Krieg (Operation Black Buck), Zweiter Golfkrieg und Kosovo-Krieg
[Bearbeiten] Tankflugzeuge nach Tanksystem
[Bearbeiten] Ausleger
- KB-29P
- umgebaut aus Boeing B-29
- Boeing KC-97
- Totalumbau aus Boeing B-29
- Boeing KC-135
- (kann auch Fangtrichter-Adapter benutzen)
- McDonnell Douglas KC-10
- (hat auch einen einziehbaren Schlauch mit Fangtrichter)
[Bearbeiten] Sonde und Fangtrichter
- Airbus A310-300 MRTT Momentan in der Fertigung befindlicher Tanker für die Deutsche und die Kanadische Luftwaffe (Roll-Out der ersten Maschine war 2003)
- Airbus A330-200 FSTA soll in den kommenden Jahren an die Britische RAF ausgeliefert werden.
- KA-6
- KB-29M
- umgebaut aus Boeing B-29; frühere Versionen benutzten ein „Grappling Hose“-System, spätere ein echtes Sonde-Fangtrichter-System
- KB-50
- ebenfalls ein Umbau aus Boeing B-29
- HC-130 Hercules und KC-130 Hercules
- Varianten der Lockheed C-130
- Lockheed L-1011
- K1 und KC1-Varianten der Royal Air Force und Canadian Forces Air Command
- Vickers 667 Valiant
- Vickers VC10
- Handley Page Victor spezieller Umbau während des Falkland-Krieges zum Auftanken der Vulcan-Bomber, die die Startbahn von Port Stanley auf den Falkland Inseln angriffen. Siehe auch Operation Black Buck.
[Bearbeiten] Luftbewaffnung
Luftbewaffnung ist ein theoretisches Konzept zur Wiederbewaffnung von Kampfflugzeugen während des Fluges. Ein Frachtflugzeug soll mit einem speziellen Auslegersystem welches vom Heck ausgefahren wird, Bomben und Raketen an die Halterungen der Kampfflugzeuge hängen. Auf diese Art wären mehrere Angriffe ohne Rückkehr und Landung zur Wiederbewaffnung möglich. Die US Air Force und das israelische Unternehmen Far Technologies haben im Jahr 2003 entsprechende Überlegungen zum Patent angemeldet. Die praktische Umsetzung liegt derzeit noch in weiter Ferne. Unter anderem müssen ein Roboter-Arm für das Frachtflugzeug und neue robuste Aufhängungs-Mechanismen für das zu bewaffnende Flugzeug entwickelt werden.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
- http://www.altusboom.com/ (englisch)
- http://www.arsaginc.com/ (englisch)
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