Mechanismus von Antikythera
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Der Mechanismus von Antikythera, oft auch Computer von Antikythera genannt, ist ein antikes Artefakt aus Zahnrädern, das einem Uhrwerk ähnelt. Es wurde in einem Schiffswrack vor der griechischen Insel Antikythera, zwischen Kythera und Kreta, gefunden und zunächst auf das Jahr 82 v. Chr. datiert. Kürzlich stattgefundene Untersuchungen der Schriftzeichen lassen jedoch Vermutungen auf eine 15- bis 20 jährige Nutzung des Apparates vor diesem Datum zu.[1]
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[Bearbeiten] Forschungsgeschichte
Das Wrack war 1900 in etwa 40 m Tiefe von Räubern gefunden worden und nicht von Schwammtauchern, wie oft behauptet wird.[2] Zahlreiche Statuen und andere Kunstschätze wurden geborgen und in das griechische Nationalmuseum nach Athen gebracht. Dort entdeckte der Archäologe Spyridon Stais am 17. Mai 1902 in einem Klumpen aus korrodiertem Material ein Zahnrad.
Der Mechanismus, hergestellt aus Bronze und wahrscheinlich ursprünglich von einer Holzummantelung umgeben, ist die älteste erhaltene Zahnrad-Apparatur. Der Fund hat unter Wissenschafts- und Technik-Historikern große Irritationen ausgelöst. Am meisten Akzeptanz hat die Theorie gefunden, den Mechanismus als eine Art Analogrechner zu verstehen, dessen Zweck darin bestand, die Bewegungen der Himmelskörper zu berechnen. Neuere funktionierende Rekonstruktionen der Apparatur bestätigen diese These. Das Gerät ist besonders erstaunlich, weil es ein Differentialgetriebe enthält, das nach der herkömmlichen Meinung erst im 13. Jahrhundert erfunden wurde.
[Bearbeiten] Solla Price
Der Wissenschaftshistoriker Derek de Solla Price von der Yale-Universität veröffentlichte im Juni 1959 einen Artikel im "Scientific American" über den Mechanismus, der zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht komplett untersucht worden war. Erst 1971 konnte mit Hilfe von Röntgen- und Gammastrahlen eine vollständige Analyse des Mechanismus von Antikythera erstellt werden. Da das Schiffswrack, wie andere Fundstücke eindeutig belegten, von der Insel Rhodos gekommen war, stellte Derek De Solla Price die These auf, der Mechanismus könne möglicherweise von dem griechischen Astronomen Geminos von Rhodos gebaut worden sein. Dieser These wurde von anderen Historikern widersprochen, die die Ansicht vertraten, die Griechen des 1. Jahrhunderts v. Chr. hätten zwar das theoretische Wissen, aber nicht die praktischen Fertigkeiten besessen, um einen solchen Mechanismus herzustellen.
[Bearbeiten] Rekonstruktionen
Eine Teilrekonstruktion des Mechanismus von Antikythera wurde von dem australischen Informatiker Allan George Bromley (1947-2002) und dem Uhrmacher Frank Percival aus Sydney hergestellt. Aus diesem Projekt ergab sich die Notwendigkeit einer noch genaueren Röntgenanalyse des Original-Mechanismus, die Bromleys Student Bernard Gardner 1993 unternahm.
Dem Engländer John Gleave gelang später eine funktionierende Replik des Antikythera-Mechanismus. Dieser Rekonstruktion zufolge kann man von einem Zeiger an der Vorderseite der Apparatur den jährlichen Lauf von Sonne und Mond durch den Tierkreis ablesen, wobei die Monatsnamen dem ägyptischen Kalender entnommen sind. Auf der Rückseite sind zwei Anzeige-Scheiben zu finden: Die erste zeigt eine Vier-Jahres-Periode, verknüpft mit dem Metonischen Zyklus von 235 synodischen Monaten, der 19 Sonnenjahren entspricht. Ein synodischer Monat ist die Zeitspanne zwischen zwei Neumonden. An der zweiten Anzeige-Scheibe kann man den Zyklus eines einzelnen synodischen Monats ablesen, an einem zweiten Zeiger das Mondjahr der zwölf synodischen Monate.
Michael Wright, der Kurator des Science Museum in London, fertigte zusammen mit Bernard Gardner 2002 eine weitere Rekonstruktion an.
Der Mechanismus von Antikythera befindet sich, ergänzt um eine Rekonstruktion, im Archäologischen Nationalmuseum in Athen. Weitere Rekonstruktionen befinden sich im Astronomisch-Physikalischen Kabinett in Kassel und im American Computer Museum in Bozeman, Montana.
[Bearbeiten] Das «Antikythera Mechanism Research Project»
2005-2006 startete man eine neue groß angelegte Untersuchung des Mechanismus. Ein wichtiges Ergebnis dieser neuesten Untersuchung ist die Entdeckung einer geschriebenen Gebrauchsanweisung, die auf den Zahnrädern des Gerätes eingeritzt ist. Der Mechanismus stamme aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert und wäre nach ersten Vermutungen auf der Insel Rhodos vom griechischen Astronomen Poseidonios konstruiert worden.
Die Untersuchung ist ein Gemeinschaftsprojekt der University of Wales, Cardiff, der Kapodistria-Universität, Athen, der Aristoteles-Universität, Thessaloniki, des Archäologischen Nationalmuseums in Athen, X-Tek Systems und Hewlett-Packard; gefördert von der Stiftung Leverhulme Trust und der Kulturstiftung der Nationalbank von Griechenland.
Da der Mechanismus aus konservatorischen Gründen nicht aus dem Museum entfernt werden kann, haben das H.-P.-Forscherteam und X-Tek systems den "PTM Dome", einen 7,5 Tonnen schweren 450-kV-Microfocus-Tomographen vor Ort installiert. Am 30. Mai 2006 wurde berichtet, dass nun 2000 statt bisher 1000 Zeichen entschlüsselt sind,[3] das entspricht 95 Prozent des gesamten erhaltenen Textes. „Große Teile der Mathematik-Geschichte und der Astronomie müssen umgeschrieben werden“, behauptete Xenophon Moussas von der Universität Thessaloniki, der die Entdeckungen im Juni 2006 im Internet veröffentlichte.[4]
Im November 2006 wurde ein Symposium zu den Ergebnissen des Projektes abgehalten. Zu den Ergebnissen des Symposiums, veröffentlicht im Wissenschaftsmagazin Nature (Bd. 444, S. 587), gehört die Erkenntnis, dass der Mechanismus über Instruktionen und damit offenbar über Vorrichtungen zur exakten Vorausberechnung von Sonnen- und Mondfinsternissen verfügte. Als erste bekannte komplexe Rechenmaschine war der Mechanismus überraschend genau und komplexer im Aufbau als jedes andere technische Instrument in den folgenden 1000 Jahren. Das technische Vermögen im antiken Griechenland muss, die Maßstäbe des Antikythera-Mechanismus zugrundegelegt, wohl um ein Vielfaches bedeutender gewesen sein als bislang angenommen.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Jo Marchant: „In search of lost time“, nature, 29. November 2006
- ↑ „Der Computer der alten Griechen“, Tagesspiegel, 7. August 2006
- ↑ „Computer aus der Antike gibt Rätsel auf“, Berliner Morgenpost, 23. Juni 2006
- ↑ The Antikythera Mechanism Research Project
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Linkage (Antikythera Mechanism) – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
in deutscher Sprache:
- „Das Urwerk“, Die Zeit, 30. November 2006 mit Bildergalerie
- „Antike Feinmechanik“, Telepolis, 29. November 2006
- „Die Mondmaschine“, spektrumdirekt, 30. November 2006
- „Der erste Computer der Welt“, Geo, 1. Dezember 2006
- „Das Räderwerk von Antikythera“, Prof. Wolfram-M. Lippe, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, „Skript zur "Geschichte der Rechenautomaten", 2. Kap.“, 25. August 2006, (pdf-Datei, 14 S.)
- Videos
- „Archimedes & Co - Hightech im Altertum“, ZDF, 2004, 404 MB, mpeg-Datei: Video (beschreibt den Mechanismus von Antikythera in Bild und Ton)
- Manos Roumeliotis': Antikythera Mechanism MOV files
in englischer und griechischer Sprache:
in italienischer Sprache:
- „Il calcolatore di Antikythera“, auf giovannipastore.it
- „Antikythera e i regoli calcolatori“, auf giovannipastore.it
in englischer Sprache:
- American Mathematical Society's The Antikythera Mechanism
- Fortunat F. Mueller-Maerki's Geartrain diagram
- Griechisches Nationalmuseum für Archäologie Athen - National Archaeological Museum of Athens
- Price, Derek J. de Solla, „An Ancient Greek Computer“. Scientific American, Juni 1959, p. 60 - 67.
- Rice, Rob S., „Gears, Galleys, and Geography The Antikythera Mechanism's Implications'“. Text of the 1993 APA Abstract
- Rice, Rob S., „The Antikythera Mechanism: Physical and Intellectual Salvage from the 1st Century B.C.“. USNA - Eleventh Naval History Symposium, 1995
- Lienhard, John H., „Antikythera Mechanism. The Engines of Our Ingenuity.“ Houston Public Radio, 1997
- Russell, Rupert: „The Antikythera Mechanism“, 9. Juni 2000
- The Economist: „The Antikythera mechanism: The clockwork computer“, 19. September 2002
- Wright, M.T.: „Understanding the Antikythera Mechanism“, Imperial College, London, August 2006
- Marchant, Jo: „In search of lost time“, nature, 29. November 2006