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Michail Borissowitsch Chodorkowski

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Michail Borissowitsch Chodorkowski (russisch Михаил Борисович Ходорковский, wiss. Transliteration Michail Borisovič Chodorkovskij; *26. Juni 1963 in Moskau) ist ein russischer Unternehmer jüdischer Abstammung und ehemaliger Vorstandsvorsitzender des heute insolventen Ölkonzerns Jukos.

Chodorkowski wurde am 25. Oktober 2003 verhaftet. Am 16. Mai 2005 wurde er wegen Steuerhinterziehung und planmäßigen Betrugs zunächst zu neun, in einem Revisionsverfahren dann zu acht Jahren Haft verurteilt, die er seit Oktober 2005 im Gefängnis von Krasnokamensk (bei Tschita nahe der chinesischen Grenze) verbüßt.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Aufstieg vom kommunistischen Funktionär zum Multimilliardär

Chodorkowskis Aufstieg zu einem der reichsten Oligarchen Russlands ist typisch für die Karrieren der Finanz- und Industriemagnaten der Jelzin-Ära.

Nach dem Studium der Chemie war der 24-jährige Chodorkowski 1987 zunächst auf dem Weg zu einer sowjetischen Funktionärskarriere im Komsomol und später im kommunistischen Parteiapparat. Früh nutzte er die Chancen, die die Liberalisierung der sowjetischen Gesellschaft unter Präsident Gorbatschow bot. Er übernahm die Leitung eines Komsomolbetriebes, den er später privatisierte. Zur Finanzierung des Betriebes gründete er 1988 eine Bank, die in der Gründerphase nach dem Zerfall der UdSSR unter dem Namen Menatep-Bank rasch an Bedeutung gewann.

Dabei halfen Chodorkowski die politischen Beziehungen, die er zu Regierungskreisen und zum Umfeld Präsident Jelzins zu knüpfen verstand. Die Nähe zur Politik verschaffte ihm Vorteile bei der Aneignung von Staatsbetrieben. In weniger als einem Jahrzehnt konnte er ein Finanz- und Industrieimperium aufbauen.

1996, gerade 33 Jahre alt, war Chodorkowski bereits Vorstandsvorsitzender des Ölkonzerns Jukos und einer der Großaktionäre der Menatep-Gruppe. Die Mehrheit an Jukos hatte sich die Menatep-Gruppe unter der Leitung des heute ebenfalls inhaftierten Platon Lebedev im Jahr zuvor auf einer Privatisierungsauktion für 309 Millionen Dollar und damit weit unter dem Marktwert des Unternehmens gesichert.

[Bearbeiten] Wandel zum „Vorzeigekapitalisten“ mit politischem Engagement

Jukos wurde unter Chodorkowski zu einem der führenden russischen Rohstoff-Unternehmen. Chodorkowski setzte zunehmend auf Corporate Governance, forderte das russische Unternehmertum auf, mehr Verantwortung zu übernehmen, und finanzierte auch soziale Vorhaben.

Mit der Zeit mischte sich Chodorkowski zunehmend in die russische Innenpolitik ein. Er finanzierte Oppositionsparteien, wie 1999 zur Wahl der Duma die liberale Partei Jabloko, aber auch die Kommunistische Partei. Schließlich verdächtigte er den Kreml öffentlich der Korruption. Immer deutlicher stilisierte sich Chodorkowski selbst als Mann des Westens. Er versuchte, US-Unternehmen an Jukos zu beteiligen.

[Bearbeiten] Konflikt mit der Staatsmacht, Verurteilung zu acht Jahren Haft

Mit seinem politischen Engagement geriet Chodorkowski in Konflikt mit dem neuen Präsidenten Putin. Dieser hatte den Oligarchen zwar mehr oder weniger offiziell zugesichert, dass ihre zurückliegenden Gesetzesüberschreitungen während der „Raubritterphase“ der Jelzin-Ära nicht verfolgt würden – aber nur, wenn sie sich nicht in die Politik einmischten.

Chodorkowski wurde im Oktober 2003 bei einem Zwischenstopp mit seinem Privatjet in Nowosibirsk festgenommen und in Moskau inhaftiert. Der Staatsanwalt forderte in einem Verfahren wegen Steuerhinterziehung und Betrugs ein Freiheitsstrafe von zehn Jahren. Neun Jahre Haft in einer Strafkolonie lautete im Mai 2005 das Urteil, das in einem Revisionsverfahren auf acht Jahre herabgesetzt wurde. Im Oktober 2005 wurde Chodorkowski in das Straflager Krasnokamensk in Sibirien verlegt.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung meint zu diesem Urteil: „So wie man Chodorkowski und Lebedew angeklagt hatte, hätte man viele Oligarchen vor Gericht bringen können, weil das Geschäftsgebaren der Jukos-Führung, beispielsweise zur Steuerminimierung, weit verbreitet war. […] Der Kreml, das wurde immer deutlicher, wollte mit dem Kampf gegen Chodorkowski einen politisch besonders gefährlich erscheinenden Gegner neutralisieren, dabei ein Exempel statuieren, um die übrigen Oligarchen, die einst Jelzin unterstützt hatten, von politischer Tätigkeit abzuschrecken. Zugleich ging es darum, sich die Ressourcen für eine eigenständige Politik im Inneren und nach außen zu verschaffen.“

[Bearbeiten] Offizieller Lebenslauf

  • 26. Juni 1963 – in Moskau geboren
  • Während seines Chemie-Studiums arbeitete er als Mitglied einer Komsomolbrigade in einem Moskauer Wohnungsbaukombinat
  • 1986 – Abschluss als Diplom-Chemiker am Chemisch-Technischen Mendelejew-Institut in Moskau
  • 19861987 war er Stellvertretender Komsomolsekretär des Mendelejew-Instituts.
  • 1987 Übernahme der Leitung des Zentrums für wissenschaftlich-technisches Schöpfertum der Jugendstiftung für Jugendinitiative (NTTM), eines auf marktwirtschaftlichen Prinzipien beruhenden Komsomol-Unternehmens. Die Gründung von NTTM war 1987 durch ein Gesetz möglich geworden, das privatwirtschaftliche Tätigkeit in Form von Genossenschaften zuließ.
  • 1988 – Abschluss in Volkswirtschaft am Moskauer Plechanow-Institut
  • Chodorkowski wollte eigentlich in die Rüstungsindustrie eintreten, aber wegen seiner jüdischen Herkunft konnte er sich diesen Wunsch nicht erfüllen, da Juden in der Sowjetunion als politisch unzuverlässig galten. Er wird stattdessen Funktionär in der kommunistischen Jugendorganisation Komsomol. Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow erlaubte dieser Organisation als erste kapitalistische Experimente.
  • 19891990 übernahm er den Vorsitz der Kommerziellen Innovationsbank für wissenschaftlich-technischen Fortschritt, die mit dem Ziel gegründet wurde, Geldmittel für NTTM zu beschaffen. Sie war eine der ersten Privatbanken Russlands.
  • 1990 kaufte die Kommerzielle Innovationsbank dem Exekutivkomitee des Moskauer Sowjets die Firma NTTM ab und benannte sie in MENATEP-Invest um. Chodorkowski war nun Generaldirektor von MENATEP und ab 1991 Vorstandsvorsitzender.
  • 1992 – Mitglied im Beraterstab des russischen Premierministers
  • März 1993 – Stellvertretender Minister für Brennstoffe und Energie
  • 19931994 war er auch Mitglied des Rats für Industriepolitik bei der russischen Regierung.
  • 1993 – Mitfinanzierung und Organisation des Wahlkampfes für Präsident Boris Jelzin
  • Am 30. März 1995 nahm er an der Kabinettssitzung teil, auf der erstmals das loans for shares-Programm vorgeschlagen wurde. Im Rahmen dieses Privatisierungsprogramms wurden in der Folge einige große Erdölunternehmen privatisiert. MENATEP konnte bei den Auktionen 1995/1996 45 % der Aktien des Mineralölunternehmens Jukos in seinen Besitz bringen.
  • Im September 1995 fasste MENATEP ihre Industriebeteiligungen in der Investment-Firma ROSPROM zusammen, deren Führung Chodorkowski übernahm.
  • Im April 1996 gab er den Vorstandsvorsitz der Bank MENATEP ab und wechselte in die Führung des zweitgrößten russischen Ölkonzern Jukos.
  • Bei den Präsidentenwahlen 1996 setzte sich Chodorkowski gemeinsam mit anderen Großunternehmern massiv für die Wiederwahl Jelzins ein.
  • Im Oktober 1996 wurde er Mitglied des Konsultativrats für Bankwesen bei der russischen Regierung.
  • Als sich ROSPROM und Jukos 1997 zu einer Holding vereinigten, übernahm Chodorkowski deren Führung als Vorstandsvorsitzender. Eine weitere Fusion mit dem Ölkonzern Sibneft scheiterte 1998.
  • Im November 1998 wurde Chodorkowski zum Mitglied des Kollegiums des Energieministeriums berufen.
  • Mit dem russischen Energieministerium, das die Verteilung der Erdölexportquote neu regelte, geriet er im Oktober 1999 in Konflikt. Nachdem er in der Zeitung Wedomosti erklärt hatte, dass die Bildung eines Reservefonds für die Erdölexportquote den Diebstahl fördere und es auch erlaube, Exportrechte ohne Kontrolle zu verteilen, verklagte ihn das Ministerium wegen Beleidigung.
  • 2002 – Chodorkowski, der die Krise von 1998 überstanden hatte, sorgte für größere Transparenz bei Jukos und legte die Anteilseigner offen. Er führte westliche Standards bei der Buchführung ein und erklärte „Ehrlichkeit, Offenheit und Verantwortung“ zum Leitmotiv. Durch diese Reformen reduzierte er die Produktionskosten um zwei Drittel und erreichte damit eine niedrigere Kosten-pro-Barrel-Quote als alle anderen russischen Ölfirmen. Bald darauf galt er als reichster Mann Russlands, und sein Vermögen wurde zeitweise sogar auf bis zu acht Milliarden Dollar geschätzt.
  • 2002/2003 erreichte er erneut eine Steigerung der Förderungsleistungen von Jukos und erreichte nun die Fusion mit Sibneft. Zudem führte er Verhandlungen mit den US-Ölkonzernen Exxon Mobile und Chevron Texas über eine Beteiligung an dem Jukos-Konzern.
  • 25. Oktober 2003 – Nachdem die Ermittlungsbehörden bereits zahlreiche Verfahren gegen den Jukos-Konzern wegen Steuerhinterziehung eröffnet hatten, wurde Michail Chodorkowski bei einer Zwischenlandung mit seinem Privatjet in Nowosibirsk von russischen Spezialeinheiten festgenommen und nach Moskau gebracht. Wenig später erging ein Haftbefehl gegen ihn.
  • 27. Oktober 2003 – Exxon-Mobil und Chevron brachen die Gespräche über Beteiligung an Jukos ab. Im Sommer 2003 hatten sich Gerüchte verdichtet, dass Jukos 25 % seiner Aktien an die US-Unternehmen verkaufen werde.
  • Am 3. November 2003 gab er in Haft bekannt, dass er seine Ämter bei Jukos niederlege.
  • 16. Mai 2005 – Nach einem weltweit umstrittenen Prozess, der als vom Kreml gesteuert galt, wurde Chodorkowski vom Moskauer Stadtgericht in neun Anklagepunkten schuldig gesprochen, u. a. wegen schweren Betruges, Steuerhinterziehung und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Der ehemals reichste Russe, der das Verfahren in einem Metallkäfig eingesperrt verfolgen musste, wurde zu insgesamt neun Jahren Haft im Arbeitslager verurteilt. Seine Anwälte kündigten Berufung an.
  • 14. September 2005 – Aufnahme des Revisionsverfahrens.
  • 22. September 2005 – Das Revisionsgericht bestätigte das Urteil, reduzierte aber die Strafe wegen eines fallengelassenen Anklagepunktes auf acht Jahre Haft. Chodorkowski musste die Lagerhaft innerhalb von zehn Tagen antreten, hatte jedoch noch die Möglichkeit, das Urteil vor dem Obersten Gerichtshof anzufechten.
  • 20. Oktober 2005 – Es wird bekannt, dass er seine Strafe in einem sibirischen Lager in Krasnokamensk nahe der chinesischen Grenze verbüßen muss.
  • 25. Januar 2006 – Chodorkowski wurde für fünf Tage in Einzelhaft gehalten. Begründung: Er habe sich „illegal“ Dokumente über die Rechte von Gefangenen beschafft und seinen Arbeitsplatz in der Näherei des Straflagers unerlaubt verlassen.
  • 14. April 2006 – Chodorkowski wachte mit Schnittwunden im Gesicht in seiner Zelle auf und musste im Krankenrevier genäht werden. Ein Mithäftling hatte ihn mit einem selbstgemachten Messer angegriffen. Die Lagerleitung sprach von einem Kratzer und erklärte, Chodorkowski habe sich mit einem befreundeten Häftling eine Schlägerei geliefert. Die Anwälte des Ex-Ölmagnaten hingegen werteten den Vorfall als Beweis dafür, dass ihr Mandant auch in der Haft den Schikanen der Behörden ausgesetzt sei, die alles daransetzten, eine vorzeitige Freilassung wegen guter Führung zu verhindern. Man mache sich „keine Illusionen“ über die wahren Hintermänner der Attacke.
  • 13. Juni 2006 – Das Moskauer Stadtgericht entschied, Chodorkowski müsse im Straflager bei Krasnokamensk bleiben und die Unterbringung sei rechtens. Die Strafvollzugsbehörden hatten wiederholt erklärt, eine von Chodorkowskis Anwälten angestrebte Verlegung des ehemaligen Jukos-Chefs ins Moskauer Umland sei wegen fehlender freier Haftplätze nicht möglich. Das Gericht verzichtete jedoch auf eine Überprüfung dieser Aussage.
  • 5. Februar 2007 - wegen Geldwäsche erhebt die russische Staatsanwaltschaft eine weitere Anklage gegen den rechtskräftig verurteilten Chodorkowski. Seine Anwältin bezeichnet die neuerlichen Vorwürfe als "von vorne bis hinten absurd".

Quellen: russland.RU; Chronik und Analyse der Jukos-Affaire auch in „Russlandanalysen“ der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen (insb. Nr. 34 vom 9. Juli 2004)

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Weblinks


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