Minderheiten in Frankreich
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[Bearbeiten] Einleitung
Dieser Artikel befasst sich nicht mit Immigrantengruppen und französischen Bürgern aus dem Kolonialbereich. Seit langer Zeit in Frankreich lebende Minderheiten sind:
- Basken im Baskenland
- Bretonen in der Bretagne
- Deutsche in Elsass und Lothringen
- Flamen um Dünkirchen (Französisch-Flandern)
- Italiener im Alpen-Bereich
- Katalanen im Roussillon
- Korsen auf Korsika
- Okzitanier im südlichen Drittel Frankreichs
- Roma, Sinti und Jenische
- Juden
1539 wurde im Edikt von Villers-Cotterêts von König Franz I. festgelegt, dass in Frankreich französisch (der Dialekt der Île-de-France) gesprochen wird. 1790 erklärte Paris das Französische zur einzigen Sprache der Republik, der Freiheit und der Vernunft und die regionalen Sprachen zu Dialekten ("patois").
Seit den 1970/80ern und den Dezentralisierungsgesetzen von 1982 werden Regionalsprachen anerkannt und seit kurzem in begrenztem Umfang in den Schulen unterrichtet. Dies kam nicht zuletzt durch eine starke Unabhängigkeitsbewegung und Terroranschläge auf der Insel Korsika zustande (siehe auch FLNC). Korsika ist das bislang einzige Departement, das einen regionalen Sonderstatus genießt. Verbesserungen im Bereich der kulturellen Autonomie und der fortschreitenden Dezentralisierung stützen bislang Fortbestand und Wiederbelebung dieser Minderheitssprachen nur marginal. Es ist deshalb absehbar, dass ein Teil dieser Sprachen aussterben wird.
[Bearbeiten] Basken
Im französischen Baskenland leben um die 100.000-200.000 Basken im Departement Pyrénées-Atlantiques. Von ihnen sprechen allerdings nur noch ein Bruchteil die baskische Sprache.
Das baskische Volk ist durch die Grenze zwischen Frankreich und Spanien getrennt, betrachten sich jedoch nach wie vor als eine zusammengehörende Volksgruppe. Die Mehrheit der baskischen Bevölkerung lebt auf spanischen Territorium (ca. 1.000.000). Aber auch hier spricht nur noch etwa ein Viertel ihre Volkssprache.
Das spanische Baskenland ist seit 1979 eine Autonome Gemeinschaft in Spanien. Die Autonomie dieser Region stützt sich hierbei nicht nur auf den kulturellen und politischen Bereich, sondern auch im Finanziellen. Demzufolge zieht die Autonome Gemeinschaft die Steuern auf ihrem Gebiet selbst ein und führen lediglich eine durch ein bilaterales Abkommen festgelegte Summe an den spanischen Zentralstaat ab. Trotz des guten Autonomiestatuts in Spanien (vor allem gegenüber den französischen Basken) existiert im dortigen Baskenland eine aktive Unabhängigkeitsbewegung. Die bekannteste ist die Terrororganisation ETA, die auch die Vereinigung der Nord- und Südbasken fordern.
siehe auch: Baskenland, Baskenland (Frankreich), Basken und Baskische Sprache
[Bearbeiten] Bretonen
Die Bretonen sind ein keltisches Volk in der Bretagne. Sie kamen vor etwa 1500 Jahren als Flüchtlinge aus Großbritannien.
Hauptverbreitungsgebiet der Bretonischen Sprache sind das Departement Finistère (Penn ar Bed) und der jeweils westliche Teil der Departements Côtes-d’Armor (Aodoù-an-Arvor) und Morbihan (Mor-bihan).
Rund 250.000 der 2,3 Mio. Bretonen schätzt man sprechen heute noch Bretonisch. Von ihnen sind etwa 2/3 älter als 60 Jahre und nur 5% jünger als 15. Das langsame Verschwinden der bretonischen Kultur und Sprache lässt sich auch daran sehen, dass vor dem Ersten Weltkrieg noch etwa 90% der westlichen Bretagne die Sprache beherrschten und nach dem Zweiten Weltkrieg etwa 1,2 Mio (75%) des Bretonischen mächtig waren. Außerdem findet seit dem Mittelalter eine Zurückdrängung des Sprachgebietes statt.
Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich in der Bretagne eine Unabhängigkeitsbewegung gebildet (z. B. "Union Régionaliste Bretonne" oder "Fédération Régionaliste de Bretagne"). Diese Organisationen kamen durch den Ersten Weltkrieg zum Stillstand, indem verhältnismäßig viele Bretonen gegenüber Franzosen ums Leben kamen. Im besetzten Frankreich im Zweiten Weltkrieg kooperierte eine bretonische Minderheit mit den Deutschen, da sie sich mehr kulturelle Freiheiten bzw. Unabhängigkeit erhofften. Dies wurde zum Verhängnis für viele Nationalisten und bot der Pariser Zentrale genügend Vorwände, um ein Exempel zu statuieren.
Seit dieser Zeit beginnt die Sprecherzahl der bretonischen Sprache drastisch abzunehmen. In den 50er und 60er Jahren erreichte das Ansehen der eigenen Sprache in den Augen vieler Bretonen den absoluten Tiefpunkt. Heute gibt es Schulen mit teilweise bretonischer Unterrichtssprache. Diesen rund 10.000 Schülern stehen allerdings 360.000 Schüler in rein französischsprachigen Schulen gegenüber. Die Mehrheit der Eltern erziehen ihre Kinder heute auf Französisch.
siehe auch: Bretonische Sprache und Bretagne
[Bearbeiten] Elsässer und Lothringer
Elsässerdeutsch und Lothringisch werden in den Departements Bas-Rhin, Haut-Rhin und Moselle gesprochen. Abgesehen von den Regionen um Orbey, Montreux und Courtavon-Levoncourt ist das ganze Elsass traditionell deutschsprachig. Die elsässischen Dialekte sind alemannisch und unterscheiden sich nicht stark von den badischen Dialekten auf deutscher Seite, jedoch ist das Elsässische vom Französischen beeinflusst.
Von den 1,7 Millionen Bewohnern des Elsass sprechen laut ‘’Office pour la Langue et Culture d’Alsace‘‘ (OLCA) 600.000 Menschen elsässisch. Eine Studie von 2001 ergab, dass noch 61% der Elsässer den Dialekt beherrschen (1945 waren es über 90%). Dabei wurde ein Stadt-Land- und Altersgefälle festgestellt:
- über 60: 86%
- 50-60: 77%
- 40-50: 70%
- 30-40: 60%
- 20-30: 38%
- 10-20: 25%
- unter 10: 5-10%
Deutsch wird in den Schulen überwiegend als Fremdsprache unterrichtet. Mittlerweile gibt es auch bilinguale Schulen, sog. ABCM-Schulen. Straßenschilder sind größtenteils zweisprachig. Das Elsass gilt als Hochburg der rechtsextremen Front National. Die von der FN abgespaltete Alsace d'abord, die eine Zweisprachigkeit des Elsass fordert, erhält ebenfalls Zuwachs (~10% bei der letzten Wahl).
Fränkische Dialekte (Lothringisch: Luxemburgisch, Moselfränkisch, Rheinfränkisch) werden im Norden des Departements Moselle und auch nur noch sehr selten gesprochen. Die letzte Zählung von 1962 ergab, dass 300.000 Lothringer den fränkischen Dialekt beherrschen. Im übrigen Lothringen wird das französische Lothringisch gesprochen, das allerdings vom Standard-Französisch weitgehend verdrängt wurde.
[Bearbeiten] Flamen
Als Flamen werden die niederländisch-sprechende Belgier in Flandern bezeichnet. Französisch-Flandern (auch Südflandern genannt) war der Teil der alten Grafschaft Flandern und ist seit 1713 französisches Territorium (Departement Nord). Hauptort der Flamen in Frankreich ist Dünkirchen.
Heute gibt es noch 130.000 Leute, die den Dialekt des Niederländischen sprechen. Auch hier ist der Fortbestand der Sprache bedroht. Hier gibt es seit einigen Jahren Grundschulen, die die niederländische Sprache als erste Fremdsprache unterrichten.
[Bearbeiten] Italiener
In Frankreich gibt es ca. 200.000 alteingesessene Italiener. Italienisch-sprachige sind hauptsächlich in den Alpen nahe der italienischen Grenze und an der französischen Riviera an zu treffen.
[Bearbeiten] Katalanen
Auf französischen Boden leben etwa 200.000 - 300.000 Katalanen. Sie bevölkern das Département Pyrénées Orientales (das auch als Nordkatalonien bezeichnet wird) bzw. die historische Landschaft Roussillon.
Im Jahr 1659 kam das Roussillon durch den Pyrenäenfrieden an Frankreich.
Die Katalanische Sprache ist heute zum großen Teil durch Französisch verdrängt worden. Französisch gilt hier als alleinige Amtssprache. Katalanisch wird aber als Wahlfach an Schulen und der Universität Perpignan unterrichtet und durch Privatinitiative zum Teil heute noch gepflegt.
[Bearbeiten] Korsen
Die Korsen leben auf der Mittelmeerinsel Korsika und sind eng mit den Italienern verwandt.
Die Korsische Sprache ist eine romanische Sprache der italienisch-romanischen Gruppe und hat dazu Ähnlichkeiten mit der Sardischen Sprache auf Sardinien und dem toskanischen Dialekt des Italienischen. Es werden etwa 100.000 Sprecher gezählt, die es zumindest als Zweitsprache sprechen.
Im 20. Jahrhundert kam es einer stetigen Einwanderung von Festlandfranzosen und nach dem Algerienkrieg wurden viele vertriebene Franzosen (frz. pieds noirs) aus den ehemaligen Kolonien auf Korsika angesiedelt. Das Resultat ist, dass heute nur noch etwa jeder Zweite ein "Ureinwohner" Korsikas ist.
Gegenüber anderen Minderheiten in Frankreich ist der Wille nach Unabhängigkeit auf Korsika stärker ausgeprägt. So entstand hier die Untergrundorganisation Frontu di Liberazione Naziunalista Corsu (kurz FLNC), die mit Bombenanschläge und Morden die französische Regierung zur Anerkennung der korsischen Unabhängigkeit zu zwingen versucht. In den letzteren Jahren gestand die Regierung immer mehr Autonomie zu um im Gegenzug ein Ende der Gewalt zu erreichen. So besitzt die Insel gegenüber anderen Regionen Frankreichs einen Sonderstatus.
Trotzdem stimmten im Juli 2003 knapp 51 % der Korsen in einer Befragung gegen den Prozess von Matignon, indem Korsika noch mehr Autonomie erhalten soll. Obwohl diese keinen politisch bindenden Charakter besaß, respektierte die französische Regierung das Votum und stoppte eine weitere Umsetzung des Vorhabens. Die Gründe für das Scheitern werden vor allem im Vorwurf gegen Jospin gesehen, er habe durch die Verhandlungen mit Vertretern der Unabhängigkeitsbewegung die von Teilen derselben ausgeübte Gewalt legitimiert.
siehe auch die Hauptartikel: Korsika und Geschichte Korsikas
[Bearbeiten] Okzitanier
Okzitanien wird das südliche Drittel Frankreichs genannt und umfasst die Landschaften Provence, Drôme-Vivarais, Auvergne, Limousin, Guyenne, Gascogne und Languedoc. Außerdem wird die Okzitanische Sprache in Randgebieten Italiens sowie innerhalb Kataloniens ( Val d'Aran) gesprochen. In Val d´Aran ist die Sprache trotz geringer Sprecherzahl sogar eine offizielle Amtssprache.
Im heutigen Okzitanien leben ca. 12 Millionen Menschen, allerdings schätzt man, dass nur noch 1-3 Millionen von ihnen die Okzitanische Sprache beherrschen. Okzitanisch (der Name ist vom okzitanischen Wort òc für 'ja' abgeleitet, im Kontrast zum altfranzösischen oïl 'ja') ist wie das Französische eine galloromanische Sprache. Die zwei Sprachen unterscheiden sich in erster Linie darin, dass sich die Gallo-römische Kultur im Süden stärker ausgeprägt war als im Norden und der Norden später hingegen stärker von der fränkischen Kultur beeinflusst wurde.
Mit der Vernichtung der Katharer (eine Glaubensbewegung vom 11. Jahrhundert bis 14. Jahrhundert) begann die okzitanische Kultur mit der Zeit langsam zu verschwinden. Mit der Zentralisierungspolitik Ludwig XIV. wurde auch die Okzitanische Sprache als Unterrichtssprache in öffentlichen Schulen abgeschafft und der Gebrauch im Alltag zurückgedrängt. Durch die Französischen Revolution verlor die Sprache schließlich jegliche Bedeutung.
Heute gewinnt, vor allem aus touristischen Gründen, die Okzitanische Kultur wieder etwas an Bedeutung. Okzitanisch wird in einigen Schulen, den Calandretas, parallel zum Französischen gelehrt und inzwischen ist es auch möglich, Okzitanisch als Abiturfach zu wählen. Außerdem werden Straßenschilder zum Teil wieder zweisprachig ausgeführt.
siehe auch den Hauptartikel: Okzitanische Sprache
[Bearbeiten] Roma, Sinti und Jenische
Die Behörden fassen diese Volksgruppen meist unter dem Begriff gens du voyage (dt.: reisende Leute) zusammen. Zwar gibt es in Frankreich ein Gesetz, das die Schaffung von Aufenthaltsplätzen für reisende "Zigeuner" regelt und auch diverse Projekte zu Gunsten dieser Leute, z.B. fahrende Schulen, jedoch gibt es in Frankreich keine Minderheitenregelung, die Sprache und Kultur der Minderheitenvölker schützt und den sesshaften Mitgliedern dieser Völker eigenständige Rechte einräumt.
Die in Frankreich lebenden Roma gehören meist zu den Kalé- oder Gitanos-Gruppen mit verwandtschaftlichen Beziehungen auf die iberische Halbinsel oder zu den Roma-Gruppen, die in jüngster Zeit aus Osteuropa emigrierten. Die Manouches sind die in Frankreich lebenden Verwandten der deutschen Sinti. In Frankreich leben ca. 300.000 Jenische. Bekannt als traditionelle Lebensräume der Jenischen in Frankreich ist vor allem das Elsass, Lothringen und das Departement Moselle. Jedoch leben auch in vielen anderen Teilen Frankreichs Jenische z.T. schon seit Jahrhunderten. Einen Überblick vermittelt die Liste Jenische Dörfer. Wohl in keinem anderen Land Westeuropas fahren noch so viele Jenische auf Reise wie in Frankreich. Die in modernen Caravans reisenden Jenischen sind für Aussenstehende oft schwer zu unterscheiden von den Manouches, Roms und Gitans, mit denen sie aber nur selten ihre Lebensräume teilen. Ab und zu trifft man in Frankreich auch noch auf jenische Familien, die in von Pferden oder Traktoren gezogenen alten oder auch sogar neu gebauten Holz-"Roulottes" wohnen und reisen. Alain Reyniers schrieb 1991 in einem Artikel der Zeitschrift Etudes Tsiganes (N°2/91): ils constituent, aujourd'hui en France, sans doute le groupe le plus volumineux. Ins Deutsche übersetzt: Sie (die Jenischen) bilden heute in Frankreich ohne Zweifel die größte Gruppe (der "Zigeuner"). In Saintes-Maries-de-la-Mer findet jedes Jahr eine große Wallfahrt dieser Völker zu Ehren ihrer Schutzheiligen Sarah statt.
[Bearbeiten] Siehe auch
Frankreich, Sprachen in Frankreich, Minderheitenpolitik