Romanische Sprachen
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Die romanischen Sprachen sind ein Zweig der indoeuropäischen bzw. indogermanischen Sprachen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Sprachgruppen ist die "Ursprache" des Romanischen gut bezeugt: es handelt sich um das gesprochene Latein (Volkslatein oder Vulgärlatein). Das Lateinische selbst gilt nicht als romanische Sprache, sondern wird nur zu den italischen Sprachen gezählt, die aber heute alle außer den "Nachkommen" des Lateinischen, welche in diese Sparte fallen, als gesprochene Sprachen ausgestorben sind.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Heutige Standardsprachen
Die heutigen romanischen Standardsprachen sind:
Sprache | Verbreitung | Muttersprachler |
---|---|---|
Spanisch (castellano, español) | Spanien, Mittel- und Südamerika (außer Brasilien, Guyana, Surinam, Belize), Äquatorialguinea, Teile der Philippinen, Teile der USA | 352.000.000 |
Portugiesisch (mit Brasilianisch; português) | Portugal, Brasilien, Angola, Mosambik, Osttimor, Kap Verde, Guinea-Bissau, São Tomé und Príncipe, Macao | 216.000.000 |
Französisch (français) | Frankreich, Belgien (Region Wallonien), westliche Kantone der Schweiz, Antillen, Kanada (Québec, Teile von Ontario und Neubraunschweig), in ehemaligen französischen und belgischen Kolonien Afrikas | 77.000.000 |
Italienisch (italiano) | Italien, Schweiz (Tessin und südliches Graubünden), San Marino, Vatikanstadt, Korsika | 70.000.000 |
Rumänisch (mit Moldawisch; română) | Rumänien, Moldawien und andere Länder in Osteuropa (unter anderem Ukraine und Serbien) | 26.000.000 |
Sizilianisch (sicîliánu) | Italien (Sizilien, Kalabrien, Apulien) | 10.000.000 |
Katalanisch (català) | Katalonien einschließlich des Roussillon (Südfrankreich), Andorra, Balearen, Valencia und auf Sardinien in der Stadt L'Alguer/Alghero | 8.200.000 |
Neapolitanisch (Nnapulitano) | Italien (Kampanien, Kalabrien, Apulien, Molise, Abruzzen) | 7.000.000 |
Galicisch (galego) | Galicien | 3.000.000 |
Okzitanisch (occitan) | südliches Drittel Frankreichs, Randgebiete Italiens (piemontesische Alpen) und Spaniens (Val d'Aran in Katalonien ) | 2.800.000 |
Sardisch (sardo) | Sardinien (Italien) | 1.200.000 |
Furlanisch (furlan) | Friaul (Italien) | 350.000 |
Ladinisch (ladin dolomitan) | Italien (Südtirol, Trentino, Venetien) | 40.000 |
Rätoromanisch (Bündnerromanisch; Rumantsch/Romontsch/Rumauntsch) | Schweizer Kanton Graubünden | 27.000 |
Aragonesisch (Aragonés) | Aragonien (Spanien) | 30.000 |
[Bearbeiten] Romanische Sprachen nach Untergruppen
Die romanischen Sprachen lassen sich nach teilweise systemlinguistischen, teilweise geographische Kriterien in mehrere Untergruppen einteilen. Bei der folgenden Liste der romanischen Sprachen ist zu beachten, dass bei vielen romanischen Idiomen die Aufzählung schwierig ist, da sie je nach Quelle mal als eigenständige Sprachen, mal als Dialekte geführt werden. Das hängt damit zusammen, dass sie nicht über eine einheitliche Standardsprache verfügen, sondern überwiegend neben einer anderen Standardsprache vor allem in informellen Kontexten verwendet werden (Diglossie).
Mit Ausnahme des Sephardischen und des Anglonormannischen handelt es sich bei den hier aufgezählten um Sprachformen, die sich direkt und in ungebrochener zeitlicher Kontinuität aus dem gesprochenen Latein entwickelt haben. Sie bilden in Europa mit Ausnahme des Rumänischen auch ein räumliches Kontinuum. Man spricht aufgrund der zeitlichen und räumlichen Kontinuität auch von Romania continua.
[Bearbeiten] Iberoromanische Sprachen
Zum Iberoromanischen gehören die spanische, die portugiesische, die galicische und die katalanische Standardsprache (die letztere einschließlich des Valencianischen). Das Katalanische nimmt dabei eine Übergangsstellung zwischen dem Iberoromanischen und dem Galloromanischen ein. Außerdem gehören zu den iberoromanischen Sprachen:
- Aragonesisch im Norden der Region Aragón in Spanien
- Asturisch in der Region Asturien und der Provinz León in Spanien. Eng mit diesem verwandt ist das Mirandesische (Mirandês) im Nordosten Portugals, das dort lokale Amtssprache ist.
- Sephardisch, die Sprache der nach 1492 aus Spanien vertriebenen jüdischen Sepharden, wird noch heute in der Türkei, in Israel und in New York gesprochen.
[Bearbeiten] Galloromanische Sprachen
Auf fast dem gesamten Gebiet der galloromanischen Sprachen wird heute die französische Standardsprache verwendet. Nach systemlinguistischen Kriterien kann man die galloromanischen Sprachen zu drei Gruppen zusammenfassen:
- Langues d’oïl. Zu diesen gehören neben dem Französischen mehrere enger mit diesem verwandte Dialekte, die von manchen auch als eigene Sprachen angesehen werden:
- Gallo im östlichen Teil der Bretagne
- Picardisch in Nordostfrankreich und Belgien
- Wallonisch in Nordostfrankreich und Belgien
- Anglonormannisch, die Sprache der normannischen Oberschicht im mittelalterlichen England nach 1066
- Jèrriais auf der Insel Jersey
- Dgèrnésiais auf der Insel Guernsey
- Sercquiais auf der Insel Sark
- Franko-Provenzalisch. Unter diesem Begriff werden von Linguisten die Dialekte des mittleren Rhônetales, des größten Teiles der französischsprachigen Schweiz (Romandie), Savoyens und des Aostatales zusammengefasst. Eine Standardsprache oder ein eigenständiges Sprachbewusstsein existiert jedoch nicht, als Schriftsprache wird hier von Alters her das Französische verwendet.
- Langue d'oc oder Okzitanisch in Südfrankreich (Okzitanien), den Alpen Nordwestitaliens und der Val d'Aran in Katalonien. Dieses muss aufgrund des Systemabstandes auf alle Fälle als eigenständige romanische Sprache klassifiziert werden, besitzt jedoch keine allgemein anerkannte Standardvarietät:
- Auvergnatisch in der Auvergne
- Gascognisch in Südwestfrankreich zwischen der Garonne und den Pyrenäen sowie in der Val d'Aran; in der Val d'Aran ist die lokale Varietät, das Aranesische, lokale Amtssprache.
- Languedokisch im Languedoc
- Limousinisch im Limousin
- Nissart im Gebiet um Nizza (wird oft auch zum Provenzalischen gezählt)
- Provenzalisch in der Provence (die Bezeichnung Provenzalisch wurde früher auch für das Okzitanische als Ganzes verwendet)
Die Abgrenzung des Galloromanischen zum Iberoromanischen und zum Italoromanischen innerhalb des romanischen Dialektkontinuums ist nicht eindeutig. Das Katalanische nimmt eine Übergangsstellung zwischen Galloromanisch und Iberoromanisch ein, die galloitalienischen Varietäten haben rein systemlinguistisch betrachtet mehr mit dem Galloromanischen gemeinsam als mit dem übrigen Italoromanischen, zu dem sie aus geographischen und kulturgeschichtlichen Gründen meist gezählt werden. Die enge Verzahnung mit dem Romanischen des heutigen Frankreichs wird aber beispielsweise in den gallischen/keltischen Reliktwörtern des Galloitalienischen deutlich, die zum größten Teil auch im keltischen Reliktwortschatz der Transalpina zu finden sind[1].
[Bearbeiten] Rätoromanische Sprachen
Unter der Bezeichnung alpenromanische oder rätoromanische Sprachen werden manchmal das Furlanische, das Bündnerromanische und das Ladinische zusammengefasst. Sie sind von den galloitalienischen Idiomen gleichsam abgesondert worden, nachdem diese bzw. ihre Sprecher sich mehr südlich an den zentralitalienischen Mundarten orientierten.
[Bearbeiten] Italoromanische Sprachen
Die einzige italoromanische Standardsprache ist das Italienische. Die übrigen italoromanische Sprachen gehören mit Ausnahme des Istriotischen, Korsischen und des Monegassischen alle zum Geltungsbereich der italienischen Standardsprache und werden deshalb oft auch als italienische Dialekte klassifiziert. Sie lassen sich in drei Untergruppen einteilen, zwischen denen große Unterschiede bestehen:
- Die Varietäten der nördlichen Gruppe, die von manchen zusammenfassend auch als Padanisch bezeichnet werden, nehmen eine Übergangsstellung zum Galloromanischen ein. Während das Venetische größere Gemeinsamkeiten mit dem übrigen Italoromanischen aufweist, haben die übrigen norditalienischen Varietäten, die zusammenfassend auch als Galloitalienisch bezeichnet werden, auf dem Gebiet der Lautentwicklung, der Morphologie und des Wortschatzes mehr mit dem Galloromanischen gemeinsam als mit dem übrigen Italoromanischen. Zur nördlichen Gruppe gehören:
- Emilianisch in der Emilia-Romagna
- Ligurisch in Ligurien; eine ligurische Varietät ist auch das Monegassische in Monaco
- Lombardisch in der Lombardei
- Piemontesisch im Piemont
- Venezianisch in der Region Venetien in Nordostitalien
- Mittelitalienische Varietäten werden in den Regionen Toskana und Umbrien und im größten Teil von Latium und Marken gesprochen. Die Grenze zu den norditalienischen Varietäten folgt ungefähr der Linie La Spezia-Rimini, die Grenze zu den süditalienischen Varietäten der Linie Rom-Ancona. Sie bilden die Grundlage der italienischen Standardsprache. Das Korsisch auf Korsika, das dort neben dem Französischen auch in begrenztem Maße offizielle Anerkennung erlangt hat, gehört systemlinguistisch betrachtet auch zu den mittelitalienischen Varietäten, hat jedoch aus geographischen und kulturgeschichtlichen Gründen eine Sonderstellung.
- Die süditalienischen Varietäten werden in der südlichen Hälfte der Apenninhalbinsel und auf Sizilien gesprochen. Am bekanntesten sind das Neapolitanische in Neapel und der Region Kampanien und das Sizilianisch auf Sizilien.
- Die Istriotische Sprache wird im Südwesten Istriens gesprochen.
[Bearbeiten] Sardisch
Das Sardische auf Sardinien lässt sich keiner der Untergruppen zuordnen. Es besitzt derzeit keine einheitliche Standardsprache, muss jedoch aufgrund seines Systemabstandes zu den übrigen romanischen Sprachen auf alle Fälle als eigenständige Sprache klassifiziert werden.
[Bearbeiten] Balkanromanische Sprachen
Zur Balkanromanischen Sprachgruppe, von denen die meisten auch als ostromanische Sprachen klassifiziert werden, gehört als größte Standardsprache das Rumänische (auch als Dakorumänisch bezeichnet). Die Amtssprache im Nachbarland Moldawien nennt sich Moldauisch, dies ist aber eine nur aus politischen Gründen erfundene Alternativbezeichnung für die rumänische Sprache, mit der sie bis auf wenige Unterschiede identisch ist.
Zur Gruppe der Balkanromania gehören zudem mehrere in Südosteuropa gesprochene Kleinsprachen:
- Aromunisch (auch Mazedoromanisch) in Nordgriechenland, Mazedonien, Albanien
- Istroromanisch im Nordosten Istriens (Kroatien)
- Meglenoromanisch in der Meglen-Ebene an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien.
Siehe auch Walachen und den Hauptartikel Balkanromanische Sprachen
[Bearbeiten] Ausgestorbene romanische Sprachen
Heute ausgestorbene romanische Sprachen (Romania submersa, untergegangene Romania) sind:
- Dalmatisch an der östlichen Adriaküste (mit den Varianten Vegliotisch auf der Insel Krk (italienisch: Veglia), Ragusäisch um Dubrovnik (italienisch: Ragusa)
- Mozarabisch (im Spanien zwischen der arabischen Eroberung und der Reconquista)
- nordafrikanisches Romanisch
- Moselromanische Sprache (romanische Sprachinsel im Moseltal)
- Maurowalachisch (Morlakisch) - im 17 Jh. ausgestorbene Sprache im heutigen Bosnien, mit Dakorumänisch und Istrorumänisch verwandt
[Bearbeiten] Kreolsprachen auf romanischer Grundlage
Manche Linguisten rechnen auch die romanisch-basierten Pidgins und Kreolsprachen zu den romanischen Sprachen. Diese "neuromanischen Sprachen" (Romania nova) lassen sich einteilen in:
- Lingua Franca (Pidgin)
- französisch-basierte Kreolsprachen
- spanisch-portugiesisch-basierte Kreolsprachen
Siehe auch: Liste der Kreolsprachen
[Bearbeiten] Plansprachen auf teilweise romanischer Grundlage
Unter romanischem Einfluss sind verschiedene sogenannte „Konstruierte Sprachen“ entwickelt worden. Interlingua fast zur Gänze aus Elementen der romanischen Sprachen (und Latein) gebildet, Esperanto bezieht mehr als die Hälfte seines Vokabulars aus ihnen.
[Bearbeiten] Literatur
- Alwin Kuhn: Die romanischen Sprachen, Bern (Francke) 1951.
- Rainer Schlösser: Die romanischen Sprachen, München (Beck) 2001. ISBN: 3406447678
- Carlo Tagliavini: Einführung in die romanische Philologie, München (Beck) 1973.
[Bearbeiten] Anmerkungen
- ↑ Vgl. dazu Joachim Grzega: Romania Gallica Cisalpina: Studien Etymologisch-geolinguistische Studien zu den oberitalienisch-rätoromanischen Keltizismen, (Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie 311), Tübingen: Niemeyer 2001
[Bearbeiten] Siehe auch