Peter Sloterdijk
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Peter Sloterdijk [ˈsloːtɐˌdaɪk] (* 26. Juni 1947 in Karlsruhe) ist ein deutscher Philosoph, Kulturwissenschaftler und Essayist.
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[Bearbeiten] Leben
Seine Mutter ist Deutsche und lernte seinen Vater, einen Holländer, in den Nachkriegswirren kennen. Die Ehe hielt nicht lange und so wuchs er schon früh "ohne prägendes väterliches Element" auf, wie er Kindheit und Herkunft seines Namens selbst kommentierte in Interviews. Von 1968 bis 1974 studierte er in München und an der Universität Hamburg Philosophie, Geschichte und Germanistik. Bereits 1971 stellte Sloterdijk seine Magisterarbeit mit dem Titel Strukturalismus als poetische Hermeneutik fertig. In den Jahren 1972/73 folgten ein Essay über Michel Foucaults strukturale Theorie der Geschichte sowie eine Studie mit dem Titel Die Ökonomie der Sprachspiele. Zur Kritik der linguistischen Gegenstandskonstitution. Im Jahre 1976 promovierte Peter Sloterdijk bei Professor Klaus Briegleb am Fachbereich Sprachwissenschaften der Universität Hamburg zum Thema Literatur und Organisation von Lebenserfahrung. Gattungstheorie und Gattungsgeschichte der Autobiographie der Weimarer Republik 1918–1933. Zwischen 1978 und 1980 hielt sich Sloterdijk im Ashram von Bhagwan Shree Rajneesh (später Osho) im indischen Poona auf. Sloterdijk selbst kommentierte diese Lebensphase wie folgt:
„Das Indienabenteuer war bei mir ein Ausfluss dieser (hedonistischen) Siebzigerjahrestimmung. Man wollte damals Basis und Überbau umkehren und den mentalen Faktor ins Zentrum stellen. ... Die Umstimmungserfahrung von damals bleibt irreversibel. Wer sie gemacht hat, wird unempfänglich für Theorien, in denen die Depression immer Recht hat. Auch will man den Wettbewerb, wer der Unglücklichste ist, nicht mehr um jeden Preis gewinnen. Man lebt unter einem helleren Himmel. Was mich betrifft: Indien ist völlig in den Hintergrund getreten, aber die damals erlebte Umstimmung wirkt immer noch nach.“[1]
Heute bewegt er sich eher in einem religionsfreien Raum. Denn er ist zu der Einsicht gekommen, dass die Religion nicht mehr das Interpretationsmodell für alle Lebensbereiche liefert. Deshalb ist in seinen Augen die relative Entchristianisierung Europas, die seit der Französischen Revolution stattgefunden hat, doch eine recht fundamentale Tatsache. In dieser Tatsache sollte man nicht nur eine Anomalie sehen.[2]
Seit den 1980er Jahren arbeitet Sloterdijk als freier Schriftsteller. Das 1983 im Frankfurter Suhrkamp Verlag publizierte Buch Kritik der zynischen Vernunft zählt zu den meistverkauften philosophischen Büchern des 20. Jahrhunderts. Sloterdijk entwickelte 1989 den Begriff Eurotaoismus und erarbeitet eine Kritik der politischen Kinetik.
Im Jahr 1988 übernimmt Sloterdijk eine Gastdozentur am Lehrstuhl für Poetik der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Von 1992 bis 1993 hatte er den Lehrstuhl für Philosophie und Ästhetik an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe inne. Zudem wird Sloterdijk 1993 Leiter des Institutes für Kulturphilosophie an der Akademie der bildenden Künste in Wien, bis er schließlich 2001 eine Vertragsprofessur am Ordinariat für Kulturphilosophie und Medientheorie in Wien übernimmt. Daneben hatte er Gastdozenturen am Bard College, Annandale-on-Hudson, New York, am Collège International de Philosophie, Paris und an der Eidgenössischen Technischen Hochschule, Zürich inne. Seit 2001 ist Sloterdijk in Nachfolge von Heinrich Klotz Rektor der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe.
Im Zuge seiner regen Vortragstätigkeit im In- und Ausland erhöhte sich sein Bekanntheitsgrad, und seine Medienpräsenz gipfelt seit 2002 darin, dass er im ZDF – zusammen mit Rüdiger Safranski – die Gesprächsrunde Im Glashaus: Das Philosophische Quartett moderiert.
[Bearbeiten] Preise (Auswahl)
- 1993 Ernst-Robert-Curtius-Preis für Essayistik
- 2000 Friedrich-Merker-Preis für Essayistik
- 2001 Christian-Kellerer-Preis für die Zukunft philosophischer Gedanken
- 2005 Wirtschaftsbuchpreis der Financial Times Deutschland
- 2005 Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa
[Bearbeiten] Werke (Auswahl)
[Bearbeiten] Veröffentlichungen als Autor
Der Durchbruch als philosophischer Autor gelang ihm mit der Kritik der zynischen Vernunft aus dem Jahr 1983. In den Jahren um die Jahrtausendwende ist sein Opus Magnum, die Sphären-Trilogie (1998/1999) entstanden. Seine Werke erscheinen vorwiegend im Suhrkamp Verlag.
- Literatur und Organisation von Lebenserfahrung. Autobiographien der Zwanziger Jahre, Hanser, München 1978
- Kritik der zynischen Vernunft, 2 Bände Suhrkamp (es 1099), Frankfurt am Main 1983, ISBN 978-3-518-11099-7
- Der Zauberbaum. Die Entstehung der Psychoanalyse im Jahr 1785. Ein epischer Versuch zur Philosophie der Psychologie, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1985, ISBN 978-3-518-37945-5
- Der Denker auf der Bühne. Nietzsches Materialismus, Suhrkamp (es 1353), Frankfurt am Main 1986, ISBN 978-3-518-11353-0
- Kopernikanische Mobilmachung und ptolemäische Abrüstung. Ästhetischer Versuch, Suhrkamp (es 1375), Frankfurt am Main 1987, ISBN 978-3-518-11375-2
- Zur Welt kommen – zur Sprache kommen. Frankfurter Poetik-Vorlesungen, Suhrkamp (es 1505), Frankfurt am Main 1988, ISBN 978-3-518-11505-3
- Eurotaoismus. Zur Kritik der politischen Kinetik, Suhrkamp (es 1450), Frankfurt am Main 1989, ISBN 978-3-518-11450-6
- Versprechen auf Deutsch. Rede über das eigene Land, Suhrkamp (es 1631), Frankfurt am Main 1990, ISBN 978-3-518-11631-9
- Im selben Boot. Versuch über die Hyperpolitik, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1993, ISBN 978-3-518-38947-8
- Selbstversuch (mit Carlos Oliveira), Hanser, München 1993, ISBN 978-3-446-18769-6
- Weltfremdheit, Suhrkamp (es 1781), Frankfurt am Main 1993, ISBN 978-3-518-11781-1
- Falls Europa erwacht. Gedanken zum Programm einer Weltmacht am Ende des Zeitalters ihrer politischen Absence, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1994, ISBN 978-3-518-39902-6
- Sphären I – Blasen, Mikrosphärologie, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1998, ISBN 978-3-518-41022-6
- Regeln für den Menschenpark. Ein Antwortschreiben zu Heideggers Brief über den Humanismus, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1999, ISBN 978-3-518-06582-2 (Vieldiskutierte Elmauer Rede)
- Sphären II – Globen, Makrosphärologie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1999, ISBN 978-3-518-41054-7
- Die Verachtung der Massen. Versuch über Kulturkämpfe in der modernen Gesellschaft, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2000, ISBN 978-3-518-06597-6
- Über die Verbesserung der guten Nachricht. Nietzsches fünftes 'Evangelium', Suhrkamp, Frankfurt am Main 2000, ISBN 978-3-518-06615-7
- Die Sonne und der Tod. Dialogische Untersuchungen (mit Hans-Jürgen Heinrichs), Suhrkamp, Frankfurt am Main 2001, ISBN 978-3-518-45787-0
- Das Menschentreibhaus. Stichworte zur historischen und prophetischen Anthropologie. Vier grosse Vorlesungen, VDG, Weimar 2001, ISBN 978-3-89739-208-3
- Tau von den Bermudas. Versuch über das Verlangen nach Neuzeit, Suhrkamp (es), Frankfurt am Main 2001, ISBN 978-3-518-06632-4
- Nicht gerettet. Versuche über Heidegger, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2001, ISBN 978-3-518-41279-4
- Luftbeben. An den Wurzeln des Terrors, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2002, ISBN 978-3-518-12286-0
- Sphären III – Schäume, Plurale Sphärologie, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2004, ISBN 978-3-518-41466-8
- Im Weltinnenraum des Kapitals. Zu einer philosophischen Geschichte der terrestrischen Globalisierung, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-518-45814-3
- Zorn und Zeit. Politisch-psychologischer Versuch, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006, ISBN 978-3-518-41840-6
- Was zählt, kehrt wieder. Zeitdiagnostische Gespräche (mit Alain Finkielkraut), Suhrkamp (es), Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-518-12399-7
- Der ästhetische Imperativ. Schriften zur Kunst. Hrsg. v. Peter Weibel, Philo, , ISBN 978-3-86572-629-2
[Bearbeiten] Als Herausgeber
- Vor der Jahrtausendwende: Berichte zur Lage der Zukunft, 2 Bände Suhrkamp (es 1550), Frankfurt am Main 1990, ISBN 978-3-518-11550-3
- Mystische Zeugnisse aller Zeiten und Völker (nach Martin Bubers Sammlung Ekstatische Konfessionen von 1909), Diederichs, München 1993
- Weltrevolution der Seele. Ein Lese- und Arbeitsbuch der Gnosis von der Spätantike bis zur Gegenwart (mit Thomas Macho), 2 Bände Artemis & Winkler, München/Zürich 1993
- Philosophie jetzt! (20-bändige Reihe mit Porträts und Werkauszügen berühmter Denker von Platon bis Foucault), Diederichs, München 1995ff
[Bearbeiten] Literatur
- Peter Sloterdijks "Kritik der zynischen Vernunft", Suhrkamp (es 1297), Frankfurt am Main 1987, ISBN 978-3-518-11297-7
- Becker, Dirk Michael: Botho Strauß: Dissipation. Die Auflösung von Wort und Objekt, Transcript, Bielefeld 2004, ISBN 978-3-89942-232-0
- Dobeneck, Holger von: Das Sloterdijk-Alphabet. Kritisch-lexikalische Einführung in seinen Ideenkosmos, Königshausen & Neumann, Würzburg 2002 (2. stark erweiterte Auflage 2006), ISBN 978-3-8260-2784-0
- Noll, Wulf: Sloterdijk auf der 'Bühne'. Zur philosophischen und zur philosophiekritischen Positionsbestimmung des Werkes von Peter Sloterdijk im Zeitraum von 1978–1991, Blaue Eule, Essen 1993, ISBN 978-3-89206-548-7
- Tuinen, Sjoerd van: Peter Sloterdijk. Ein Profil, UTB/Fink (UTB 2764), Stuttgart 2006, ISBN 978-3-8252-2764-7
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ taz: Unter einem helleren Himmel 13. Juni 2006
- ↑ Kath.net: Religion ist nie cool. Religion macht glühend 8. Februar 2007
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Peter Sloterdijk im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Offizielle Seite der HfG Karlsruhe
- Offizielle Homepage
- Stefan Lorenz Sorgner, "In Search of Lost Cheekiness, An Introduction to Peter Sloterdijk's Critique of Cynical Reason", in: Tabula Rasa, 20 (2003). www.tabvlarasa.de/20/sorgner.php
- Das Philosophische Quartett
- Kritik an Regeln für den Menschenpark
- Regeln für den Menschenpark
- Sloterdijk und die Eugenik
- Die Sloterdijk-Debatte – Humboldt Uni Berlin
- http://www.sekten.ch/ex-site/texte-folder/sloterdijk.htm
- Willi Winkler: "Bitte zurück in die Tonne", kritisches Porträt Sloterdijks zum Zeitpunkt der ersten Sendung des "Philosophischen Quartetts"
- Peter Sloterdijk: "Einfach zynisch sein", Das philosophische Radio 05/07/02, Hinweis auf Sloterdijks Aufenthalt im indischen Poona
- "Kantilenen der Zeit" (Sloterdijk im Gespräch mit Hans-Jürgen Heinrichs – über sein Buch "Selbstversuch" 1993, mit Carlos Oliveira – u.a. zu seinem Aufenthalt in Poona sowie zur Bedeutung, die Bhagwan / Osho für ihn persönlich und aus seiner Sicht generell hat.)
- Ludger Lütkehaus: In der Mitte sitzt das Dasein. Die Philosophen Günther Anders und Peter Sloterdijk lesen zweierlei Heidegger. (ausführliche Rezension, die P. Sloterdijks "Nicht gerettet. Versuche nach Heidegger", 2001, mit G. Anders' "Über Heidegger", 2001, vergleicht.)
- Peter Sloterdijk: Der operable Mensch. Anmerkungen zur ethischen Situation der Gentechnologie. Im Frühjahr 2000 am Goethe Institut Boston gehaltener Vortrag, der u.a. im Anschluss an Karl Rahner – dem Sloterdijk die Formulierung vom "operablen Menschen" verdankt – gegen die Sloterdijk-Kritiker Jürgen Habermas, Ernst Tugendhat und Robert Spaemann Position bezieht. Wiederabgedruckt in Sloterdijks Buch "Nicht gerettet" (2001).
- Wolfgang Neuhaus: Das voranschreitende Explizitwerden unserer Existenz. Peter Sloterdijk reflektiert die Umwälzungen der Technokultur.
- Peter Sloterdijk Seite | Psikeba
- Gespräch mit Knud Cordsen vom 1.10.2006 über aktuelle Kulturfragen und das neue Buch Zorn und Zeit Text[1]
- Peter Sloterdijk: La música de las Esferas y el olvido del ser desde todos los altavoces by Adolfo Vasquez Rocca PhD
- Peter Sloterdijk; Extrañamiento del mundo UCM by Adolfo Vasquez Rocca PhD
Personendaten | |
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NAME | Sloterdijk, Peter |
KURZBESCHREIBUNG | Kulturphilosoph |
GEBURTSDATUM | 26. Juni 1947 |
GEBURTSORT | Karlsruhe |